Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.09.2012, Az. 10 AZR 311/11

10. Senat | REWIS RS 2012, 2833

ARBEITSRECHT ARBEITSVERTRAG INDIVIDUAL-ARBEITSRECHT ANWALTSZULASSUNG SYNDIKUSANWÄLTE

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Gegenstand

Wirksamkeit einer Versetzung - Stationierung einer Flugbegleiterin


Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 1. März 2011 - 1 [X.] - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung und einer hilfsweise ausgesprochenen Änderungskündigung.

2

Die 1972 geborene, ledige Klägerin ist seit dem 25. Oktober 1999 als Flugbegleiterin tätig, zuletzt mit einer Bruttomonatsvergütung von 2.020,00 Euro.

3

In einem Schreiben vom 1. April 2000 heißt es auszugsweise:

        

Stationierung

        

Sehr geehrte Frau S,

        

wir freuen uns, Ihnen mit Wirkung zum 01.04.2000 eine Stationierung in [X.] anbieten zu können.

        

Die übrigen Bedingungen Ihres Arbeitsvertrages behalten weiterhin Gültigkeit.

        

Wir weisen bei dieser Gelegenheit ausdrücklich darauf hin, dass diese Versetzung auf eigenen Wunsch erfolgt und somit keine Umzugskosten erstattet werden können.

                 
        

Bitte senden Sie die beiliegende Kopie als Zeichen Ihres Einverständnisses bis zum [X.] unterschrieben an uns zurück.“

4

Im Arbeitsvertrag vom 26. November 2001 heißt es auszugsweise:

        

„1.     

Beginn, Art und Ort der Beschäftigung

                 

Der Mitarbeiter wird ab 01.12.2001 als Flugbegleiter/in im Teilzeitmodell 3 Y mit einer verkürzten Arbeitszeit in [X.] beschäftigt.

                 

Danach beträgt die jährliche reduzierte [X.] % der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Mitarbeiters.

                 

…       

                 

[X.] ist berechtigt, aus betrieblichen Gründen mit einer Vorlauffrist von einem Monat zum monatlichen Planungsbeginn, Änderungen des vertraglich vereinbarten Teilzeitmodells vorzunehmen.

                 

Der Mitarbeiter und [X.] können jederzeit einvernehmliche Änderungen vereinbaren.

                          
                 

…       

                 

[X.] kann den Mitarbeiter vorübergehend oder auf Dauer auf einem anderen Flugzeugmuster, einem anderen Ort sowie befristet auch bei einem anderen Unternehmen einsetzen.

                          
        

2.    

Rechte und Pflichten

                 

Die gegenseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem Gesetz, den Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen der [X.]  in ihrer jeweils geltenden Fassung sowie aus den Dienstvorschriften der [X.] und den Bestimmungen dieses Vertrages.“

5

Aus organisatorischen Gründen beginnt und endet der Einsatz der [X.]rews bei der Beklagten nicht durchweg an ihrem [X.]. In den Fällen, in denen der Einsatz von anderen Flughäfen aus erfolgt und auch dort endet, hat die Beklagte nach den anwendbaren tarifvertraglichen Regelungen die erforderlichen Transporte zu gewährleisten und die Transportzeiten als Arbeitszeit zu bezahlen (Dead-Head-Kosten).

6

Nach Maßgabe einer Geschäftsführungsvorlage vom 26. September 2008 entschied sich die Beklagte zur Stationsschließung in [X.] zum 31. Dezember 2009. Am Standort [X.] beschäftigte die Beklagte zuletzt ca. 40 Arbeitnehmer. Flugzeuge sind in [X.] nicht mehr stationiert und es beginnen dort keine Flüge mehr mit einer von [X.] aus eingesetzten [X.]rew. Die vorher bestehenden Postfächer und ein Raum für die Mitarbeiter/innen wurden abgeschafft.

7

Nachdem die Beklagte ihr Flugprogramm ab [X.] seit Mai 2008 zumindest erheblich reduziert hatte, schloss sie am 7. Juli 2009 mit der nach § 117 Abs. 2 BetrVG eingerichteten Personalvertretung eine „Vereinbarung über die Beendigung der Stationierung von [X.]ockpit - Kabinenpersonal in [X.]“. Die Präambel lautet:

        

„[X.] beabsichtigt, am Ende des Kalenderjahres 2009 den [X.] [X.] für das fliegende Personal aufzugeben. Hierdurch fallen an diesem [X.] insgesamt 43 Arbeitsplätze für das fliegende Personal (5 Flugkapitäne, 1 [X.]opilot, 10 Purser, 27 Flugbegleiter) mit einem Vollzeitäquivalent von 33,9 Stellen weg. Dies ist im Hinblick auf die dauerhafte Streichung von regelmäßigen An- und Abflügen ex [X.] unumgänglich.“

8

Ein Teil der betroffenen Mitarbeiter/innen bewarb sich auf freie Arbeitsplätze in [X.] und [X.]. Des Weiteren bot die Beklagte die Möglichkeit eines Einsatzes von [X.] aus im Wege der Abordnung zur Tochtergesellschaft [X.] B ([X.]iB) an, der allerdings mit schlechteren tariflichen Bedingungen verbunden war. Einzelheiten regelte ein von der Beklagten mit der Personalvertretung abgeschlossener „[X.] über die Beendigung der Stationierung von [X.]ockpit- und Kabinenpersonal am Flughafen [X.]“ vom 13. März 2009. Die Klägerin war nur bereit, zu unveränderten Arbeitsbedingungen bei der [X.]iB tätig zu werden.

9

Nach Beteiligung der Personalvertretung, die sich nicht äußerte, versetzte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 17. September 2009 mit Wirkung zum 1. Januar 2010 unter Beibehaltung ihrer bisherigen Funktion als Flugbegleiterin von [X.] nach [X.]. Hilfsweise kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum nächstmöglichen Termin unter gleichzeitigem Angebot der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem 1. April 2010 mit der Maßgabe, dass [X.] nunmehr [X.] sein solle. Dieses Angebot nahm die Klägerin unter Vorbehalt an.

Die Klägerin hat die Versetzung für unwirksam gehalten. Als Arbeitsort sei vertraglich [X.] vereinbart. Das Weisungsrecht der Beklagten umfasse nicht die Befugnis, den Arbeitsort einseitig zu ändern. Die Vertragsklausel, auf die sich die Beklagte stütze, sei unwirksam. Sie verstoße gegen § 307 BGB. Die Änderungskündigung sei sozial ungerechtfertigt. Auch bei vollständiger Schließung des [X.]s [X.] könne die Klägerin von dort aus eingesetzt werden, gegebenenfalls bei der Tochtergesellschaft [X.]iB.

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der ordentlichen Änderungskündigung der Beklagten gemäß dem Schreiben vom 17. September 2009 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam sind,

        

2.    

festzustellen, dass der Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien durch die Änderungskündigung der Beklagten vom 17. September 2009 nicht geändert wird,

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, sie zu unveränderten Bedingungen des Arbeitsvertrags vom 26. November 2001 als Flugbegleiterin in Vollzeit vom [X.] [X.] zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Als „Arbeitsort“ sei für die Klägerin vertraglich nicht [X.] festgelegt, die im [X.] erfolgte Zuordnung der Klägerin zum Flughafen [X.] habe das Direktionsrecht der Beklagten nicht eingeschränkt. Die Stationierung fliegenden Personals in [X.] sei unwirtschaftlich geworden. Während die in [X.] stationierten Mitarbeiter bis Anfang 2008 weit überwiegend auch von [X.] aus eingesetzt wurden, seien im Jahr 2009 90 % der Einsätze nach vorheriger Dead-Head-Anreise erfolgt. Hierdurch seien monatliche Mehrkosten in Höhe von [X.] Euro wegen zusätzlicher Dead-Head-Transporte, Übernachtungskosten und Bezahlung zusätzlicher Einsatztage entstanden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet. Die mit Schreiben vom 17. September 2009 erfolgte Versetzung von [X.] nach [X.] ist wirksam. Dies hat auch die Unbegründetheit der gegen die vorsorglich ausgesprochene Änderungskündigung erhobenen Klage zur Folge.

I. Das vertragliche Weisungsrecht der [X.]n umfasst die Befugnis, der Klägerin nach Maßgabe des § 106 [X.] einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen (vgl. [X.] 13. Juni 2012 - 10 [X.] -).

1. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 305 ff. [X.] beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen: [X.] 25. August 2010 - 10 [X.]/09 - Rn. 17 ff., [X.]E 135, 239). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein gegebenenfalls vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat ([X.] 19. Januar 2011 - 10 [X.] - Rn. 12, AP [X.] § 307 Nr. 50 = EzA [X.] § 106 Nr. 7).

a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die [X.] des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der [X.]. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der [X.] verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (zB [X.] 10. Dezember 2008 - 10 [X.] - Rn. 14, AP [X.] § 307 Nr. 40 = EzA [X.] 2002 § 307 Nr. 40). Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten ([X.] 9. Juni 2010 - 5 [X.] - Rn. 36, AP [X.] § 611 Abhängigkeit Nr. 121 = EzA [X.] 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 18).

b) Bei der Auslegung der vertraglichen Bestimmungen ist zu beachten, dass die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung verhindert ([X.] 19. Januar 2011 - 10 [X.] - Rn. 15, AP [X.] § 307 Nr. 50 = EzA [X.] § 106 Nr. 7; 13. April 2010 - 9 [X.] - Rn. 27, AP [X.] § 307 Nr. 45 = EzA [X.] 2002 § 307 Nr. 47; Preis/Genenger [X.], 969, 970). Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 [X.] vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 [X.] gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll.

c) Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 [X.]. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, so unterliegt dies der [X.] gemäß § 106 Satz 1 [X.], § 315 Abs. 3 [X.].

2. Die Auslegung des Arbeitsvertrags der Klägerin ergibt, dass ihr Einsatzort nicht vertraglich festgelegt ist.

a) Nach den Feststellungen des [X.] haben die Parteien einen Formularvertrag geschlossen, auf den die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen nach § 305 ff. [X.] zur Anwendung kommen. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung ([X.] 24. Oktober 2007 - 10 [X.] - Rn. 15, [X.]E 124, 259).

b) Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 26. November 2001 enthält keine Festlegung des [X.]. Es heißt dort, die Klägerin werde in [X.] (= [X.]) beschäftigt, der Arbeitgeber könne die Klägerin auch „vorübergehend oder auf Dauer … [an] einem anderen Ort … einsetzen“. Damit ist hinreichend klargestellt, dass die Bestimmung des Einsatzorts im Vertrag lediglich die damalige Ausübung des Weisungsrechts in Bezug auf den Arbeitsort darstellt. Daran konnte für die Beteiligten kein Zweifel bestehen. Auch unter Berücksichtigung der Mitteilung der [X.]n vom 1. April 2000 ergibt sich keine vertragliche Festlegung des [X.]; abgesehen davon wurde der [X.] zeitlich nach dieser Mitteilung geschlossen. Nach dem Schreiben vom 1. April 2000 wurde der Stationierungsort auf Wunsch der Klägerin nach [X.] verlegt. Diese im Schreiben selbst als „Versetzung“ bezeichnete Maßnahme hielt sich im Rahmen der durch den Arbeitsvertrag beschriebenen Grenzen des Weisungsrechts. Die Vertragsbedingungen sollten - abgesehen von der Versetzung - ausdrücklich unverändert bleiben. Entgegen der Auffassung der Revision bleibt hier auch kein Raum für die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 [X.]; erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des gefundenen Auslegungsergebnisses bestehen nicht (vgl. dazu [X.] 25. August 2010 - 10 [X.]/09 - Rn. 20, [X.]E 135, 239).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den im Bereich der Luftfahrt geltenden Regelungen über Flug-, Dienst- und Ruhezeiten. Nach § 20 [X.] iVm. § 5 Abs. 1 der [X.] zur Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (2. DV [X.]) bzw. nach Art. 1 iVm. Ziff. 3.1 des [X.]. [X.] 1.1090 der Verordnung ([X.]) Nr. 859/2008 vom 20. August 2008 ([X.]. [X.] L 254 vom 20. September 2008 S. 1, 223) ist die [X.] verpflichtet, für jedes Besatzungsmitglied eine Heimatbasis anzugeben. Aus diesen Vorschriften ergibt sich aber nicht die Verpflichtung, die Heimatbasis arbeitsvertraglich so festzuschreiben, dass eine Änderung nur im Wege einer Änderungskündigung erfolgen könnte. Vielmehr schließen auch diese Vorschriften nicht aus, dass der Arbeitgeber im Rahmen der vertraglichen Regelungen im Wege des Direktionsrechts diese Heimatbasis verändert und gegenüber dem Besatzungsmitglied neu benennt. Eine solche Neubenennung ist durch die Versetzung vom 17. September 2009 erfolgt.

c) Der Arbeitsvertrag hat sich im Hinblick auf den Arbeitsort nicht dadurch auf [X.] konkretisiert, dass die Klägerin seit dem [X.] dort tätig gewesen ist. Eine den Arbeitsvertrag abändernde Vereinbarung haben die Parteien nicht - insbesondere auch nicht stillschweigend - getroffen.

aa) Es ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass [X.] sich, ohne dass darüber ausdrückliche Erklärungen ausgetauscht werden, nach längerer [X.] auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren (vgl. [X.] 17. August 2011 - 10 [X.] - Rn. 19 mwN, EzA [X.] § 106 Nr. 9). Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren [X.]raum schafft aber regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand dahin gehend, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen will. Die Nichtausübung des Direktionsrechts hat keinen Erklärungswert. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (vgl. [X.] 17. August 2011 - 10 [X.] - aaO).

bb) Derartige besondere Umstände hat die Klägerin nicht vorgetragen. Dass die [X.] im [X.] auf den Wunsch der Klägerin nach Versetzung eingegangen ist und sie in [X.] stationiert hat, konnte für sich genommen keinen Vertrauenstatbestand begründen und keine Konkretisierung der Arbeitspflicht auf diesen Arbeitsort bewirken; im Übrigen ist der Arbeitsvertrag zeitlich nachfolgend einschließlich der [X.] neu abgeschlossen worden.

II. Die [X.] hat von ihrem Weisungsrecht nach billigem Ermessen (§ 106 [X.], § 315 [X.]) Gebrauch gemacht.

1. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 [X.] verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem [X.] mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 [X.] die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat (vgl. [X.] 13. Juni 2012 - 10 [X.] - Rn. 28; [X.] 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, [X.]Z 174, 48).

2. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 [X.], § 315 [X.]) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit.

a) In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie [X.] Lebensverhältnisse, wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen ([X.] 13. April 2010 - 9 [X.] - Rn. 40, AP [X.] § 307 Nr. 45 = EzA [X.] 2002 § 307 Nr. 47; 21. Juli 2009 - 9 [X.]/08 - Rn. 22, [X.] § 4 Luftfahrt Nr. 18; bereits auch: 28. November 1989 - 3 [X.] - zu II 1 a der Gründe, [X.]E 63, 267). Eine [X.] Auswahl wie im Falle des § 1 Abs. 3 [X.] findet nicht statt. Soweit es auf die Zumutbarkeit des neu zugewiesenen [X.] ankommt, kann aus den sozialrechtlichen Regeln über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung kein belastbarer Maßstab für die arbeitsrechtliche Beurteilung des Ermessensgebrauchs nach § 106 Satz 1 [X.], § 315 [X.] bei einer Versetzung abgeleitet werden (vgl. [X.] 17. August 2011 - 10 [X.] - Rn. 22, 25, EzA [X.] § 106 Nr. 9).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Annahme des [X.], die [X.] habe bei ihrer Versetzungsentscheidung billiges Ermessen gewahrt, nicht zu beanstanden.

Dabei kann dahinstehen, ob die Kontrolle der Ausübung des billigen Ermessens wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (vgl. dazu [X.] 14. Juli 2010 - 10 [X.] - Rn. 92 mwN, [X.]E 135, 128). Die landesarbeitsgerichtliche Entscheidung hält auch einer vollen Überprüfung durch das Revisionsgericht stand.

Das [X.] hat alle maßgeblichen Faktoren in seine Erwägungen mit einbezogen. Es hat zugunsten der [X.]n die unternehmerische Entscheidung zur Schließung des Standorts [X.] und die entsprechenden wirtschaftlichen Erwägungen berücksichtigt. Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die unternehmerische Entscheidung der [X.]n nicht „nachhaltig“ gewesen sei. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob, wie die Klägerin meint, eine unternehmerische Organisationsentscheidung im Rahmen einer Versetzung auf „Nachhaltigkeit“ iSd. Rechtsprechung zu betriebsbedingten Kündigungen ([X.] 17. Juni 1999 - 2 [X.] - [X.]E 92, 71) zu überprüfen ist (vgl. dazu [X.] 26. September 2012 - 10 [X.] -).

Maßgeblicher [X.]punkt für die [X.] ist der [X.]punkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat ([X.] 14. Juli 2010 - 10 [X.] - Rn. 89 mwN, [X.]E 135, 128). Dies war hier die Entscheidung über die der Klägerin mit Schreiben vom 17. September 2009 mitgeteilte Versetzung. Es gibt nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass zu diesem [X.]punkt davon auszugehen war, dass die [X.] in absehbarer [X.] oder überhaupt wieder einmal Flüge in relevantem Umfang von [X.] beginnen lassen würde. Vielmehr hatte sich die [X.] nach den Feststellungen des [X.] zur Schließung der Station in [X.] entschlossen und hat dies auch entsprechend umgesetzt. Flugzeuge sind nicht mehr in [X.] stationiert und es beginnen dort keine Flüge mehr mit einer von [X.] aus eingesetzten Crew. Mit der zuständigen Personalvertretung sind am 13. März 2009 ein [X.] und am 7. Juli 2009 eine „Vereinbarung über die Beendigung der Stationierung von Cockpit - Kabinenpersonal in [X.]“ geschlossen worden. Die letztgenannte Vereinbarung beinhaltet umfangreiche Regelungen über die daraus folgenden personellen Maßnahmen und über die Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen für die Beschäftigten. Auch die Klägerin hat in den Tatsacheninstanzen weder greifbare Anhaltspunkte dafür benannt, dass es sich nur um eine vorübergehende Maßnahme handelte noch dafür, dass ab [X.] erneut Flüge stattfinden würden und damit die zur Begründung der Versetzung herangezogenen wirtschaftlichen Umstände nur für einen vorübergehenden [X.]raum vorliegen würden. Bei den Ausführungen im Schriftsatz vom 31. August 2012 handelt es sich um neuen Sachvortrag, der in der Revisionsinstanz gemäß § 559 ZPO keine Beachtung mehr finden kann.

Zutreffend hat das [X.] weiter die von der [X.]n mit der Personalvertretung vereinbarten Regelungen zur Abmilderung der für die Arbeitnehmer entstehenden Mehraufwendungen an Freizeit und Fahrtkosten berücksichtigt. Andererseits hat es die für die Klägerin bestehenden Belastungen, die insbesondere in den Kosten für zusätzliche Fahrten und dem erhöhten Freizeitaufwand bestehen, einbezogen. Weitere Umstände, die vom [X.] fehlerhafterweise nicht berücksichtigt worden wären, benennt auch die Revision nicht. Ihre Angriffe betreffen vielmehr im Wesentlichen die Frage der Nachhaltigkeit der getroffenen unternehmerischen Entscheidung, an der aber aus den oben genannten Gründen keine Zweifel ersichtlich sind.

III. Die erhobene [X.] ist unbegründet. Hat der Arbeitnehmer - wie hier - das Änderungsangebot des Arbeitgebers unter Vorbehalt angenommen und [X.] nach § 4 Satz 2 [X.] erhoben, streiten die Parteien nicht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit nicht über die Rechtswirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung, sondern nur noch über die Berechtigung des Angebots auf Änderung der Arbeitsbedingungen. Streitgegenstand der [X.] ist nicht die Wirksamkeit der Kündigung, sondern der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Vertragsbedingungen ([X.] 19. Juli 2012 - 2 [X.] - Rn. 20, [X.], 1038; 26. Januar 2012 - 2 [X.] - Rn. 13, EzA [X.] § 2 Nr. 84; 26. August 2008 - 1 [X.] - Rn. 17, AP [X.] 1969 § 2 Nr. 139 = EzA [X.] § 2 Nr. 72). Vom Arbeitgeber erstrebte Änderungen, die sich schon durch die Ausübung des Weisungsrechts gemäß § 106 Satz 1 [X.] durchsetzen lassen, halten sich im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und sind keine „Änderung der Arbeitsbedingungen“ iSv. § 2 Satz 1, § 4 Satz 2 [X.]. Soll der bestehende Vertragsinhalt nicht geändert werden, liegt in Wirklichkeit kein Änderungsangebot vor; die vermeintlich erst herbeizuführenden Vertragsbedingungen gelten bereits. Eine Änderungskündigung ist „überflüssig“. Eine [X.] ist dann unbegründet ([X.] 19. Juli 2012 - 2 [X.] - Rn. 21, aaO; 26. Januar 2012 - 2 [X.] - Rn. 14, aaO).

IV. Aus den genannten Gründen besteht auch kein Anspruch auf Beschäftigung vom Stationierungsort [X.] aus.

V. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    [X.]    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    R. Baschnagel    

        

    [X.]    

                 

Meta

10 AZR 311/11

26.09.2012

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hannover, 24. Februar 2010, Az: 9 Ca 182/09, Urteil

§ 20 ArbZG, § 305 BGB, § 315 BGB, § 106 GewO, § 2 KSchG, § 5 Abs 1 LuftBODV 2 2009, Art 1 EGV 859/2008, Anh III Abschn Q Ziff 3.1 EGV 859/2008

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.09.2012, Az. 10 AZR 311/11 (REWIS RS 2012, 2833)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2833

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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