Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.09.2022, Az. X ZR 87/20

10. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 6173

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Auslegung eines Patentanspruchs - Brenngutkühlung


Leitsatz

Brenngutkühlung

1. Wird in der Beschreibung eines Patents ausgeführt, eine bekannte Vorrichtung weise bestimmte Elemente auf, die zu einer vertikalen Mischbewegung führten, und sieht der Patentanspruch ein Verfahren vor, bei dem es an einer vertikalen Mischbewegung fehlt, ist dieses Merkmal im Zweifel so auszulegen, dass es die bei der bekannten Vorrichtung auftretende Bewegung ausschließt (Ergänzung zu BGH, Urteil vom 27. November 2018 - X ZR 16/17, GRUR 2019, 491 Rn. 19 - Scheinwerferbelüftungssystem und BGH, Urteil vom 2. März 2021 - X ZR 17/19, GRUR 2021, 945 Rn. 22 - Schnellwechseldorn).

2. Eine Entgegenhaltung, in der vorgeschlagen wird, die darin offenbarte Vorrichtung zur Steigerung des Wirkungsgrades mit bestimmten zusätzlichen Elementen zu versehen, nimmt eine Ausgestaltung, bei der der Wirkungsgrad ohne diese Elemente gesteigert wird, nicht neuheitsschädlich vorweg.

Tenor

Die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des 4. Senats ([X.]) des [X.] vom 30. Juni 2020 wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten wird das genannte Urteil abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 1 509 737, das am 5. April 2004 unter Inanspruchnahme einer [X.] Priorität vom 8. Mai 2003 angemeldet wurde und ein Verfahren zum Kühlen von schüttfähigem [X.] betrifft. Patentanspruch 1, auf den vier weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der [X.]:

Verfahren zum Kühlen des aus einem Brennofen austretenden [X.]s als Schüttgutschicht auf dem [X.] eines dem Ofen nachgeschalteten Kühlers mittels eines von unten durch den Rost und die Schüttgutschicht hindurchgeführten Gasstroms, wobei der Rost mehrere in Förderrichtung langgestreckte Planken umfasst, die in Förderrichtung vor- und zurückgehend angetrieben werden und von denen wenigstens zwei benachbarte Planken gleichzeitig vor und ungleichzeitig zurück bewegt werden, wobei oberhalb des Rosts keine Förderorgane vorhanden sind, dadurch gekennzeichnet, dass es an vertikaler Mischbewegung in der Schüttgutschicht fehlt und die [X.] im Mittel nicht geringer als das 0,7-Fache der Plankenbreite ist.

2

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Erfindung sei nicht so offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne, und der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Schutzrecht in der erteilten Fassung und hilfsweise in zwei geänderten Fassungen verteidigt.

3

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit dessen Gegenstand über den Inhalt der Patentansprüche 3 und 5 sowie der darauf zurückbezogenen Ansprüche 6 bis 9 in der Fassung von Hilfsantrag 1 hinausgeht, und die Klage im Übrigen abgewiesen.

4

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter. Die Klägerin hat ursprünglich ebenfalls Berufung eingelegt, diese aber später zurückgenommen. Sie tritt dem Rechtsmittel der Beklagten entgegen und verfolgt ihren Antrag auf vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents nunmehr im Wege der Anschlussberufung weiter.

Entscheidungsgründe

5

Beide Rechtsbehelfe sind zulässig. Nur die Berufung ist begründet.

6

I. [X.] betrifft ein Verfahren zum Kühlen von schüttfähigem [X.].

7

1. Nach der Beschreibung des Streitpatents waren im Stand der Technik verschiedene Vorgehensweisen zum Kühlen von [X.] wie zum Beispiel Zementklinker bekannt.

8

Vornehmlich seien sogenannte [X.] eingesetzt worden. Diese bestünden aus einander überlappenden Reihen von [X.]n, die abwechselnd feststünden oder in Förderrichtung vor- und zurückbewegt würden. Durch die [X.]n werde Kühlluft in [X.]bett eingeblasen und oberhalb der Gutschicht zur [X.]ung abgeführt. [X.] erforderten eine aufwendige Lagerung der bewegten Teile und seien auch wegen ihrer relativen Kleinteiligkeit aufwendig.

9

Eine andere Rostbauart weise einen stationären, luftdurchlässigen Tragboden auf, über den die Glutschicht mittels kontinuierlich in Förderrichtung bewegter Kratzer oder hin- und hergehender Schuborgane bewegt werde. Die Kratzer oder Schuborgane müssten von unten durch die Rostfläche beweglich hindurchgeführt werden, was aufwendig sei. Außerdem seien sie in der heißen Glutschicht hohem Verschleiß ausgesetzt.

Bei einer weiteren Bauart werde ein großflächiger Rost in seiner Gesamtheit vor- und zurückbewegt. Während des [X.] werde [X.]bett durch eine Stauplatte festgehalten, die am Beginn des Rosts angeordnet sei und oberhalb des Rosts auf die Schicht einwirke. Auf diese Weise könne der Rost unter dem Gutbett zurückgleiten. Dies habe den Nachteil, dass die Stauwirkung und damit die nutzbare [X.] begrenzt seien (Abs. 1).

Schließlich sei aus der [X.] Patentanmeldung 1999/1403 ([X.]) eine Vorrichtung bekannt, bei der ein von unten nach oben von [X.] mehrere in Förderrichtung langgestreckte Planken umfasse. Diese würden in Förderrichtung hin- und zurückgehend derart angetrieben, dass wenigstens zwei benachbarte Planken gleichzeitig vor- und nicht gleichzeitig zurückbewegt würden. [X.] stelle fest, dass der Wirkungsgrad dabei durch ein Kaltkanalproblem (Luftdurchbrüche durch die [X.]chicht) vermindert werde. Um dies zu vermeiden, seien vertikale Querwände auf den Planken des Rosts angeordnet, die sich mit den Planken vor- und zurückbewegten. Dadurch solle [X.] in eine vertikale Mischbewegung versetzt werden (Abs. 2).

2. Vor diesem Hintergrund betrifft das Streitpatent das technische Problem, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, das einen wirtschaftlichen Betrieb und ein hohes Maß an [X.] ermöglicht.

3. Zur Lösung schlägt Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung ein Verfahren vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (die abweichende Gliederung des Patentgerichts ist in eckigen Klammern hinzugefügt):

1. Das Verfahren dient dem Kühlen des aus einem Brennofen austretenden [X.]s

a) als [X.]chicht (8) auf dem [X.] (5) eines dem Ofen nachgeschalteten Kühlers [M2]

b) mittels eines von unten durch den Rost (5) und die [X.]chicht (8) hindurchgeführten Gasstroms [M3].

2. [X.]] umfasst mehrere in Förderrichtung (11) langgestreckte Planken (10) [M4.1].

a) Die Planken (10) werden in Förderrichtung vor- und zurückgehend angetrieben [M4.2].

b) Wenigstens zwei benachbarte Planken (10) werden gleichzeitig nach vorne und nicht gleichzeitig nach hinten bewegt [M4.3].

3. Oberhalb des Rosts sind keine Förderorgane vorhanden [[X.]].

4. In der [X.]chicht (8) fehlt es an vertikaler Mischbewegung [M6].

5. Die [X.] ist im Mittel nicht geringer als das 0,7-Fache der [X.] [[X.]].

4. Einige Merkmale bedürfen näherer Erörterung.

a) Mit dem in [X.] 2 vorgegebenen Bewegungsablauf von mehreren langgestreckten Planken übernimmt das Streitpatent das auch in [X.] eingesetzte Förderprinzip.

Die Beschreibung des Streitpatents führt aus, dieses Förderprinzip sei seit langer Zeit als "walking floor" bekannt. Auf dem Gebiet der Fördertechnik habe es keine große Rolle gespielt, weil es im Allgemeinen einfacher sei, die Gutschicht mit Kratzern oder Schuborganen zu bewegen. Im erfindungsgemäßen Zusammenhang stelle es hingegen einen besonderen Vorteil dar, dass oberhalb des Rosts keine Förderorgane vorhanden seien (Abs. 3). Ein wichtiger Vorteil der Erfindung bestehe darin, dass der Verschleiß des Rosts und seiner [X.] seine Funktion nicht beeinträchtige. Deshalb könnten die [X.] einfach gestaltet sein (Abs. 17 f.).

Der in Merkmal 2b festgelegte Ablauf hat zur Folge, dass zwei oder mehr benachbarte Planken das Fördergut bei der gemeinsamen [X.] mitnehmen. Wenn diese Planken einzeln zurückbewegt werden, kann das auf ihnen liegende Gut größtenteils nicht folgen, weil es durch [X.] auf den benachbarten Planken festgehalten wird (Abs. 23). Die hierzu erforderliche Reibung ist umso größer, je größer das Verhältnis zwischen [X.] und [X.] ist (Abs. 35).

Zwei Beispiele für Bewegungsabläufe, die den Anforderungen der [X.] 2 entsprechen, sind in den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 2 und 3 dargestellt.

Abbildung

Bei der in Figur 2 dargestellten Vorgehensweise werden drei Planken (10) gemeinsam nach vorne bewegt, bis sie die vorderste Position erreicht haben. Anschließend werden sie einzeln in die hinterste Position zurückbewegt und der Ablauf beginnt erneut (Abs. 23).

Bei der in Figur 3 dargestellten Vorgehensweise sind fünf Planken (10.n) so miteinander gekoppelt, dass immer vier davon in einer gestaffelten, aber gleichmäßigen Vorwärtsbewegung sind, während die fünfte nach Erreichen der vordersten Position mit größerer Geschwindigkeit zurückbewegt wird, so dass sie ihre hinterste Position erreicht hat, wenn die nächste Planke an deren vorderster Position angekommen ist (Abs. 24).

b) Eine vertikale Mischbewegung im Sinne von Merkmal 4 findet statt, wenn das Material in bestimmten Bereichen vorübergehend angehoben wird und auf diese Weise ein Material- oder Wärmeaustausch zwischen Material in unterschiedlichen vertikalen Bereichen ermöglicht wird.

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist es bei der Auslegung eines Patentanspruchs zu berücksichtigen, wenn sich ein Patent mit seiner Lehre von dem in ihm beschriebenen Stand der Technik abzugrenzen sucht.

Wird etwa in der Beschreibung ein bekannter Stand der Technik mit dem Oberbegriff eines Patentanspruchs gleichgesetzt, ist den Merkmalen des kennzeichnenden Teils im Zweifel kein Verständnis beizumessen, demzufolge diese sich in demjenigen Stand der Technik wiederfinden, von dem sie sich gerade unterscheiden sollen ([X.], Urteil vom 27. November 2018 - [X.], [X.], 491 Rn. 19 - Scheinwerferbelüftungssystem). Entsprechendes gilt, wenn in der Beschreibung des Patents ein bekannter Stand der Technik als nachteilhaft bezeichnet und ein im Patentanspruch vorgesehenes Merkmal als Mittel hervorgehoben wird, um diesen Nachteil zu überwinden ([X.], Urteil vom 2. März 2021 - [X.], [X.], 945 Rn. 22 - Schnellwechseldorn).

bb) Im Streitfall dient Merkmal 4 der Abgrenzung von dem in [X.] offenbarten Verfahren.

Wie bereits oben aufgezeigt wurde, hebt die Beschreibung des Streitpatents als Merkmal der in [X.] offenbarten Vorrichtung die Anordnung von vertikalen Querwänden auf den Planken des Rosts hervor, die sich mit den Planken vor- und zurückbewegten. Hierdurch solle [X.] in eine vertikale Mischbewegung versetzt werden (Abs. 2).

Beim Streitpatent soll es demgegenüber an einer vertikalen Mischbewegung fehlen. Dies hat nach der Beschreibung zur Folge, dass das Behandlungsgas beim Kühlprozess zuletzt die heißesten Schichten durchquere und dadurch die Schicht mit einer höheren Temperatur verlasse, als es bei [X.] vertikaler Durchmischung möglich sei. Dies ermögliche einen besseren [X.] (Abs. 6 aE).

Aus dieser Gegenüberstellung ergibt sich, dass das Streitpatent die in [X.] offenbarte Bewegung des [X.] als nachteilhaft ansieht und dass das Fehlen vertikaler Mischbewegung im Sinne von Merkmal 4 das Mittel darstellt, um diesen Nachteil zu überwinden. Merkmal 4 ist deshalb in Abgrenzung zu [X.] auszulegen.

cc) Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Abgrenzung zu konkretem Stand der Technik allerdings nur dann zu einer einschränkenden Auslegung führen, wenn erkennbar ist, auf welche konkrete Ausgestaltung sich die Abgrenzung bezieht ([X.], Urteil vom 26. April 2022 - [X.], [X.], 1129 Rn. 48 - Verbundelement).

Auch diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt.

Mit der Anordnung von vertikalen Querwänden auf den Planken des Rosts und der dadurch hervorgerufenen vertikalen Mischbewegung gibt das Streitpatent hinreichend konkret an, von welcher Ausgestaltung es sich mit Merkmal 4 abgrenzt.

dd) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist Merkmal 4 vor diesem Hintergrund nicht dahin auszulegen, dass als vertikale Mischbewegung nur eine vollständige Durchmischung anzusehen ist, bei der Material aus unteren Schichten in beliebigem Umfang in obere Schichten verlagert werden kann und umgekehrt. Eine vertikale Mischbewegung liegt vielmehr schon dann vor, wenn das Material in bestimmten Bereichen durch auf dem Rost angeordnete quer verlaufende Planken oder ähnlich wirkende Elemente vorübergehend angehoben wird, wie dies in [X.] offenbart ist.

(1) In [X.] wird eine vertikale Verschiebung innerhalb der [X.] als vorteilhaft bezeichnet, weil damit dem so genannten Kaltkanalproblem begegnet werden könne. Weil Luft sich durch Erwärmung ausdehne, komme es an Stellen mit hoher Temperatur zu einer erhöhten Luftgeschwindigkeit. An kalten Stellen sei die Luftgeschwindigkeit geringer. Dies führe zu einem Druckabfall, so dass noch mehr Luft an diese Stellen gelange. Dies verringere den Wirkungsgrad des Kühlers, weil die größte Menge der durchströmenden Luft nicht von den Klinkern erwärmt werde. Eine Vertikalverschiebung breche die kalten Kanäle bereits in einem frühen Stadium in Einzelteile auf. Dadurch bleibe ein höherer Wirkungsgrad erhalten ([X.]a S. 2 unten).

Eine solche vertikale Verschiebung wird nach den Ausführungen in [X.] bei den im Stand der Technik bekannten Kühlern erzielt, indem der untere Teil der [X.] über eine Kante bzw. den Rand der [X.] und die Spitzen der dreieckigen, quer verlaufenden Profile geschoben und diese Wellenbewegung am Boden der [X.] auf die gesamte Höhe der [X.] übertragen werde ([X.]a S. 3 Abs. 1).

Für den in [X.] offenbarten Kühler werden als geeignetes Mittel zum Hervorrufen dieser vertikalen Verschiebung beispielhaft vertikale Platten angeführt, die quer zu den in Längsrichtung verlaufenden Rostabschnitten verlaufen ([X.]a S. 3 Abs. 2).

(2) Dies ist die Ausgestaltung, von der sich das Streitpatent abgrenzt.

Die Beschreibung des Streitpatents verwendet mit den Begriffen "vertikale Querwände" und "vertikale Mischbewegung" zwar andere Formulierungen als die [X.] Übersetzung von [X.]. Trotz dieser Abweichungen lässt sie aber hinreichend deutlich erkennen, dass sich Merkmal 4 auf Mischbewegungen bezieht, wie sie durch die in [X.] eingesetzten vertikalen Platten und die damit erzeugte Vertikalverschiebung hervorgerufen werden können.

ee) Dass die Beschreibung des Streitpatents Verschiebungen zwischen einzelnen Bereichen des Materials nicht vollständig ausschließt, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Diese Verschiebungen betreffen andere Bewegungsabläufe und sind deshalb nicht als vertikale Mischbewegungen im Sinne von Merkmal 4 anzusehen.

(1) Wie bereits oben dargelegt wurde, beschreibt das Streitpatent das in [X.] 2 festgelegte Förderprinzip dahin, dass das Fördergut der Rückwärtsbewegung einer einzelnen Planke größtenteils nicht folgen kann (Abs. 23). Daraus ergibt sich im Gegenschluss, dass ein kleiner Teil des [X.] der Rückwärtsbewegung folgen kann, es also in gewissem Umfang zu einer Verschiebung zwischen einzelnen vertikalen Schichten kommen kann.

Diese Verschiebung ist keine vertikale Mischbewegung im Sinne von Merkmal 4.

Die von dieser Bewegung betroffenen Teile des Materials werden nicht in vertikaler Richtung verschoben. Vielmehr findet eine horizontale Verschiebung zwischen einzelnen vertikalen Schichten statt. Hierauf bezieht sich die Abgrenzung gegenüber [X.] nicht.

(2) Nach der Beschreibung des Streitpatents kann in bestimmten Fällen eine stärkere Gutbewegung wünschenswert sein, etwa um ein Zusammenbacken des Materials zu verhindern. Eine solche Bewegung kann zum Beispiel herbeigeführt werden, indem die Vorwärtsförderung nicht gleichmäßig über die gesamte [X.] stattfindet, sondern abschnittsweise, so dass zwischen den Abschnitten eine Relativbewegung stattfindet. Eine andere Möglichkeit besteht darin, eine höhere Rostfrequenz zu wählen. Ferner kann durch stationäre, in das Bett hineinragende Einbauten eine Bewegung innerhalb des Gutbetts erzeugt werden (Abs. 7). Hierdurch kann gegebenenfalls auch verhindert werden, dass [X.] am Rand des [X.] unerwünscht rasch fließt (Abs. 9) oder in bestimmten Bereichen sogar durchschießt (Abs. 10).

Verschiebungen dieser Art sind ebenfalls keine vertikale Mischbewegung im Sinne von Merkmal 4.

Auch bei diesen Bewegungsabläufen findet eine Verschiebung im Wesentlichen nur in horizontaler Richtung statt, nicht in vertikaler Richtung, wie dies Merkmal 4 vorsieht.

(3) Nach der Beschreibung des Streitpatents ist die Oberseite des Rosts zweckmäßigerweise im Wesentlichen vollflächig mit Mulden versehen, in denen sich [X.] fängt und den unmittelbaren Kontakt des Rosts mit heißen Gutschichten verhindert (Abs. 16 und 29).

Diese Mulden führen nicht zu einer vertikalen Mischbewegung im Sinne von Merkmal 4.

Das Material, das sich in diesen Mulden ansammelt, verbleibt dort und bildet eine Schutzschicht gegenüber dem mittels der Planken geförderten heißen Material. Damit kann es nicht zu einer vertikalen Verschiebung kommen, wie sie in [X.] beschrieben ist.

ff) Wie die Berufung zu Recht geltend macht, ist Merkmal 4 allerdings nicht dahin zu verstehen, dass eine vertikale Mischbewegung im oben aufgezeigten Sinne schlechthin verboten ist. Solche Bewegungen sind vielmehr unschädlich, soweit sie aufgrund des in [X.] 2 festgelegten Förderprinzips praktisch nicht zu vermeiden sind.

An einer Verwirklichung von Merkmal 4 fehlt es aber jedenfalls dann, wenn besondere Einrichtungen vorhanden sind, um eine vertikale Verschiebung, wie sie in [X.] offenbart ist, zu fördern.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung hinsichtlich der erteilten Fassung des Klagepatents im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Gegenstand der erteilten Fassung von Patentanspruch 1 sei dem Fachmann, einem Ingenieur des Maschinenbaus mit Fachhochschulabschluss und mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Auslegung und Konstruktion von [X.]kühlern, ausgehend von [X.] nahegelegt gewesen. Die in [X.] offenbarte Vorrichtung weise nicht nur die Merkmale 1 bis 3 [[X.] bis [X.]] auf, sondern auch das Merkmal 4 [M6]. Zwar erzeugten die Hindernisse (22) eine vertikale Verschiebung innerhalb der [X.]. Es komme jedoch nicht zu einer kompletten vertikalen Mischbewegung, weil die Verschiebung in Form einer Wellenbewegung erfolge, also nur lokal und vorübergehend, und das Schüttgut deshalb nicht in einer anderen Zusammensetzung durchmischt werde. Merkmal 5 [[X.]] ergebe sich für den Fachmann bereits aus der in [X.] wiedergegebenen Figur 2, die durchgehend eine mindestens der [X.] entsprechende [X.] zeige.

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung in der Berufungsinstanz in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

1. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist Merkmal 4 [M6] in [X.] nicht offenbart.

a) Wie bereits im Zusammenhang mit der Auslegung von Merkmal 4 dargelegt wurde, offenbart [X.] eine Vorrichtung zur Kühlung von partikelförmigem Material, zum Beispiel Zementklinker.

Wie auch die Beschreibung des Streitpatents zutreffend darlegt, nutzt die in [X.] offenbarte Vorrichtung das in [X.] 2 festgelegte, als "walking floor" bekannte Förderprinzip.

Wie ebenfalls bereits dargelegt wurde, sieht [X.] zur Behebung des dort geschilderten Kaltkanalproblems vor, vertikale Platten anzubringen, die quer zu den in Längsrichtung verlaufenden Rostabschnitten verlaufen und eine vertikale Verschiebung bewirken ([X.]a S. 3 Abs. 2). In den in [X.] formulierten Patentansprüchen 6 bis 9 sind hierzu in Querrichtung verlaufende Hindernisse (obstruktioner) vorgesehen.

b) Bei einer solchen Ausgestaltung ist Merkmal 4 aus den bereits oben dargelegten Gründen nicht verwirklicht, weil dieses Merkmal eine solche vertikale Verschiebung und die dadurch hervorgerufene vertikale Mischbewegung gerade ausschließen soll.

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin führt der Umstand, dass die genannten Hindernisse in [X.] nur in Unteransprüchen vorgesehen sind, nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Dieser Umstand führt zwar dazu, dass [X.] auch Schutz für Vorrichtungen beansprucht, bei denen die in der Beschreibung geschilderte vertikale Durchmischung nicht auftritt. Wie die Berufung zutreffend geltend macht, ist hierdurch der Gegenstand des Streitpatents aber nicht eindeutig und unmittelbar offenbart.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus der Staffelung der in [X.] formulierten Ansprüche nicht, dass [X.] zwei nebeneinanderstehende Ausführungsformen ohne bzw. mit Hindernissen offenbart.

Die Beschreibung von [X.] schildert zwar zunächst den Aufbau der Vorrichtung, ohne auf die Hindernisse einzugehen. In den daran anschließenden Passagen weist sie eine vertikale Verschiebung aber nicht als nur optionales Merkmal aus, das je nach Bedarf verwirklicht werden kann oder nicht. Sie bezeichnet eine Vorrichtung, bei der eine solche Bewegung nicht stattfindet, vielmehr als problematisch und wenig effizient. Vor diesem Hintergrund ist [X.] zu entnehmen, dass eine vertikale Verschiebung, wie sie durch quer verlaufende vertikale Platten erzielt werden kann, zwingend erforderlich ist, um eine praktisch brauchbare Lösung zu erzielen.

d) [X.] mag darüber hinaus die Schlussfolgerung zu entnehmen sein, dass auf die Anbringung von Hindernissen und das Hervorrufen von vertikalen Verschiebungen verzichtet werden kann, wenn die damit verbundenen Effizienznachteile hingenommen werden können.

Die Lehre des Streitpatents beschränkt sich aber nicht auf einen solchen Verzicht und die Inkaufnahme der damit laut [X.] verbundenen Nachteile.

[X.] zeigt vielmehr auf, dass das in [X.] beschriebene Kaltkanalproblem auch ohne eine vertikale Verschiebung gelöst werden kann. Diese Lehre ist in [X.] nicht offenbart.

2. Vor diesem Hintergrund war der Gegenstand von Patentanspruch 1 ausgehend von [X.] nicht nahegelegt.

Wie bereits aufgezeigt wurde, bewertet [X.] eine Ausgestaltung ohne quer verlaufende Hindernisse als ineffizient. [X.] zeigt demgegenüber auf, dass sich auch ohne eine solche Ausgestaltung ein hoher Effizienzgrad erreichen lässt. Hierfür ergaben sich aus [X.] keine Anregungen.

3. Aus den übrigen [X.] ergeben sich insoweit keine weitergehenden Anregungen.

Diese [X.] zeigen Vorrichtungen mit anderen Förderprinzipien. Dies mag nicht ausschließen, einzelne Gestaltungsmerkmale daraus auf eine Vorrichtung mit einem "walking floor" zu übertragen. Zu einer alternativen Lösung des in [X.] beschriebenen Kaltkanalproblems ergeben sich aus den [X.] aber keine Hinweise.

IV. Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 119 Abs. 5 Satz 2 [X.]).

[X.] erweist sich aus den oben aufgezeigten Gründen in seiner erteilten Fassung als rechtsbeständig. Auf die [X.] kommt es deshalb nicht an.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 [X.] und § 91 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

      

Grabinski     

      

Kober-Dehm

      

Marx     

      

Rensen     

      

Meta

X ZR 87/20

27.09.2022

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BPatG München, 30. Juni 2020, Az: 4 Ni 17/18 (EP), Urteil

§ 14 PatG, Art 54 EuPatÜbk, Art 69 EuPatÜbk

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.09.2022, Az. X ZR 87/20 (REWIS RS 2022, 6173)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6173


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 4 Ni 17/18 (EP)

Bundespatentgericht, 4 Ni 17/18 (EP), 30.06.2020.


Az. X ZR 87/20

Bundesgerichtshof, X ZR 87/20, 27.09.2022.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 Ni 17/18 (EP) (Bundespatentgericht)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – „Packmaterialumwandlungsmaschine“ – zur Patentfähigkeit


X ZR 112/09 (Bundesgerichtshof)


5 Ni 43/20 (EP) (Bundespatentgericht)


4 Ni 6/14 (Bundespatentgericht)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Verfahren zum Prüfen von Reifen" (deutsches Patent)" – zur Verteidigung vor dem Bundespatentgericht: …


2 Ni 32/10 (Bundespatentgericht)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Vorrichtung zur Aufnahme von Substraten" – zur Zulässigkeit eines Beweisermittlungsantrages – Ausforschungsbeweis - …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

X ZR 16/17

X ZR 17/19

X ZR 44/20

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.