Bundespatentgericht, Urteil vom 24.05.2012, Az. 2 Ni 32/10

2. Senat | REWIS RS 2012, 6124

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Vorrichtung zur Aufnahme von Substraten" – zur Zulässigkeit eines Beweisermittlungsantrages – Ausforschungsbeweis - Grenzen des Untersuchungsgrundsatzes bei Beweisermittlung - behauptete offenkundige Vorbenutzung


Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das [X.] Patent 102 15 283

hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24. Mai 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie [X.]. [X.], [X.], Dipl.-Phys. Dr. [X.] und Dipl.-Phys. Dr. Zebisch

für Recht erkannt:

[X.] Die Klage wird abgewiesen.

I[X.] Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

II[X.] [X.] ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %

des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

1. Die Beklagte ist Inhaberin des am 5. April 2002 angemeldeten [X.] Patents 102 15 283 (Streitpatent) mit der Bezeichnung „[X.]orrichtung zur Aufnahme von Substraten“. Der [X.]eröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 3. Juni 2004. [X.] umfasst 24 [X.], von denen die Ansprüche 2 bis 24 direkt oder indirekt auf Anspruch 1 rückbezogen sind. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Nichtigkeitsklage gegen die erteilten Patentansprüche 1, 2, 4, 6, 12, 14, 15, 18 bis 20, 23 und 24 des Streitpatents.

2

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet folgendermaßen:

3

„[X.]orrichtung zur Aufnahme von Substraten (S), insbesondere Wafern oder Siliziumsubstraten zur Herstellung photovoltaischer Elemente, mit zwei einander gegenüberliegenden Wänden (1), wobei mindestens ein die Wände (1) verbindendes Trägerelement (2, 3) vorgesehen ist, wobei das Trägerelement (2, 3) zum Halten darauf abgestützter Substrate (S) in einer vertikalen, parallel zu den Wänden (1) orientierten Stellung mit Haltemitteln (5) versehen ist, wobei die Wände (1) des Weiteren durch mindestens ein Trägergegenelement (4) verbunden sind,
dadurch gekennzeichnet, dass das Trägergegenelement (4) bezüglich des Trägerelements (2, 3) so angeordnet oder ausgebildet ist, dass damit eine Bewegung der Substrate (S) in [X.] ([X.]) begrenzt wird und die Substrate (S) lediglich schräg bezüglich der [X.] ([X.]) be- bzw. entladbar sind.“

        
4

Wegen des Wortlauts der mittel- oder unmittelbar auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 24 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.

5

2. Die Klägerin, mit der die Beklagte einen auf das Streitpatent gestützten Patentverletzungsstreit geführt hat, stützt ihre Klage auf die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Ausführbarkeit und der ihrer Auffassung nach daraus folgenden fehlenden gewerblichen Anwendbarkeit, denn das Streitpatent offenbare die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne, sowie auf den [X.] der fehlenden Patentfähigkeit, da die [X.]orrichtung des Anspruchs 1 sowohl hinsichtlich des vorgelegten Stands der Technik als auch bezüglich einer geltend gemachten offenkundigen [X.]orbenutzung weder neu sei noch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Dazu beruft sich die Klägerin auf folgende Unterlagen:

6

[X.] [X.] 43 00 205 A1

7

[X.] JP 10-70128 A einschl. [X.] Übersetzung [X.]A

8

[X.] [X.] 5 468 302 A

9

D4 Prospekt „[X.]“ der Beklagten

D5 Kopie eines Fotos der [X.]orrichtung „[X.]“ mit Haltebügel

D6 Kopie eines Fotos der [X.]orrichtung „[X.]“ mit darin befindlichen Substraten (in der [X.]erhandlung überreicht)

Sie macht geltend, dass die [X.]orrichtung des Patentanspruchs 1 nicht neu sei sowohl hinsichtlich der Lehre der Druckschrift [X.] als auch hinsichtlich einer offenkundigen [X.]orbenutzung, zu der sie angibt, dass die Erfinderin der [X.]orrichtung nach der Druckschrift [X.] ihre von ihrem Arbeitgeber freigegebene Erfindung einer weiteren Firma angeboten und hierzu Gespräche geführt habe, in denen Zeichnungen, Fotos und tatsächliche Kassetten übergeben worden seien, wobei ausgehend von der Druckschrift [X.] den an den Gesprächen beteiligten Personen klar gewesen sei, dass nicht nur wie bei der [X.]orrichtung der Druckschrift [X.] Einsätze für Kassetten, sondern auch Einheiten aus einem Einsatz und einer Kassette vorgesehen seien und dass die in der Druckschrift [X.] beschriebene Anordnung des Trägergegenelements auch eine nur teilweise Fixierung der Substrate ermögliche, die eine schräge Entnahme der Substrate zulasse. Da die Gespräche ohne Geheimhaltungsvereinbarung stattgefunden hätten, habe somit die nicht zu entfernte Möglichkeit bestanden, dass andere Fachleute über die beteiligten Personen Kenntnis vom Inhalt des Gesprächs erlangen, weshalb eine offenkundige [X.]orbenutzung des Gegenstands des Anspruchs 1 des Streitpatents gegeben sei. Zudem beruhe der Streitpatentgegenstand gegenüber einer Kombination dieser offenkundigen [X.]orbenutzung mit einer der Druckschriften [X.] oder [X.] auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Gleiches gelte schließlich auch im Hinblick auf eine Zusammenschau der Druckschriften [X.] und [X.], [X.] und [X.], [X.] und [X.] sowie hinsichtlich der Lehre der Druckschrift [X.] alleine.

Darüber hinaus werde mit der beanspruchten Lehre die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe, ein Aufschwimmen der Substrate zu verhindern, nicht gelöst, denn bereits ein Anheben der Substrate um einen kleinen Betrag genüge, deren Anordnung in der Kassette zu stören. [X.]ersuche hätten gezeigt, dass Siliziumsubstrate für photovoltaische Elemente, die in eine streitpatentgemäße [X.]orrichtung eingebracht worden seien, beim Ätzen in Ätzbädern aufgrund des beim [X.] gebildeten und in Form von Blasen an der [X.] anhaftenden Wasserstoffs regelmäßig aufschwimmen würden, weswegen die Beklagte auch empfehle, diese [X.]orrichtungen mit einem zusätzlichen Haltebügel zu verwenden. Der Anspruch 1 enthalte zudem keinerlei Angaben über den Winkel, unter dem das Be- und Entladen möglich sei. [X.]ielmehr sei durch die pauschale Angabe, dass „die Substrate (S) lediglich schräg bezüglich der [X.] ([X.]) be- bzw. entladbar sind“ ein breiter Schutzumfang gegeben, wobei das Streitpatent in der Beschreibung selbst angebe, dass ein Entweichen des Substrate nur im Zusammenwirken mit der Wand des Behandlungsbeckens verhindert werde, so dass das Behandlungsbecken Teil der Lösung sei. Daher offenbare das Streitpatent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne, weswegen sie auch nicht gewerblich anwendbar sei.

Die Klägerin stellt den Antrag,

das [X.] Patent 102 15 283 im Umfang der Patentansprüche 1, 2, 4, 6, 12, 14, 15, 18 bis 20, 23 und 24 für nichtig zu erklären und der Beklagten die Kosten des [X.]erfahrens aufzuerlegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie tritt dem [X.]orbringen der Klägerin entgegen und hält den Gegenstand des Streitpatents gemäß Patentanspruch 1 für ausführbar, gewerblich anwendbar und patentfähig. Die Ausführbarkeit der Erfindung sei gegeben, denn hierfür sei auf den Gesamtinhalt der Patentschrift abzustellen, die anhand der Beschreibung und Zeichnung klar und eindeutig offenbare, wie die beanspruchte [X.]orrichtung auszugestalten sei. Demzufolge sei diese auch gewerblich anwendbar. Hinsichtlich der Patentfähigkeit offenbare die Druckschrift [X.] nur einen Teil der Merkmale der anspruchsgemäßen [X.]orrichtung, so dass diese die unter Schutz gestellte [X.]orrichtung nicht neuheitsschädlich vorwegnehme. Auch beruhe diese gegenüber dem Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn die Lehre der [X.] weise in die entgegengesetzte Richtung, so dass sie die kennzeichnenden Merkmale des angegriffenen Anspruchs 1 nicht nahelegen könne. In ähnlicher Weise gelte dies auch für den Gegenstand der behaupteten offenkundigen [X.]orbenutzung, eine Zusammenschau der Druckschriften [X.] und [X.], [X.] und [X.], [X.] und [X.] sowie eine Kombination des Gegenstandes der angeblichen [X.]orbenutzung mit einer der Druckschriften [X.] oder [X.].

Die seitens der Klägerin in Zusammenhang mit der geltend gemachten offenkundigen [X.]orbenutzung behaupteten Gespräche zwischen der Erfinderin und Herrn  W… von der Firma A… GmbH bestreitet die Beklagte mit Nichtwissen. Zudem fehle es insoweit jedenfalls an der Offenkundigkeit der [X.]orbenutzung, denn nichts deute darauf hin, dass die behauptete [X.]orbenutzung für die Öffentlichkeit bestimmt war und über einen begrenzten Personenkreis hinaus gedrungen sei. Im Gegenteil sei bei derartigen [X.]erhandlungen von einer stillschweigenden Geheimhaltungsvereinbarung auszugehen. Zudem habe die Klägerin auch keinerlei Unterlagen vorgelegt, die Aufschluss über die genaue Ausbildung des angeblich offenkundig vorbenutzten Gegenstandes geben könnten, soweit dieser für die Beurteilung der Patentfähigkeit des unter Schutz gestellten Gegenstandes von Bedeutung sei.

Zur Stützung ihres [X.]orbringens legt sie folgende Unterlagen vor:

K1 Wahrig, [X.], 6. Auflage, S. 1344, Stichwort „Wand“

K2 Skizze zur Eingabe vom 1. August 2003 beim [X.] im Rahmen des Prüfungsverfahrens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage, mit der die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Patentfähigkeit hinsichtlich Neuheit, erfinderischer Tätigkeit und gewerblicher An[X.]dbarkeit (§ 22 Abs. 1 i. [X.]. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) sowie der mangelnden Ausführbarkeit (§ 22 Abs. 1 i. [X.]. m. § 21 Abs. 1 Nr. 2 [X.]) geltend gemacht werden, ist zulässig, jedoch unbegründet.

[X.]

1. Das Streitpatent betrifft eine [X.]orrichtung zur Aufnahme von Substraten.

Substrate sind hier insbesondere Halbleiterscheiben, bspw. Wafer zur Herstellung integrierter Schaltungen oder Substrate zur Herstellung photovoltaischer [X.]lemente. Zum Transport und zur nasschemischen Behandlung einer Charge derartiger Halbleiterscheiben werden diese jeweils in sog. Horden oder Carrier eingebracht. Horden oder Carrier sind oben und unten offene Kassetten, bei denen in den beiden Innenseiten der Längswände - ähnlich wie bei einem Diamagazin - vertikale Schlitze angeordnet sind, in die die Wafer der jeweiligen Charge hintereinander angeordnet eingestellt werden. An ihrem unteren [X.]nde sind die Schlitze bzw. die Längswände so gestaltet, dass die Wafer nicht nach unten herausfallen. Front- und Rückseite der Kassette werden von einer stirnseitigen und einer rückseitigen Wand gebildet, die die beiden Längswände jeweils verbinden.

Bei Behandlungen derartiger Substrate in Ätzbädern kann sich Wasserstoff bilden, der in Form von Gasblasen an den Oberflächen der Scheiben anhaftet. Dies kann dazu führen, dass die Wafer aus der Horde herausgehoben werden und im [X.] aufschwimmen. Müssen derartige Scheiben entfernt werden, so ist dies mit Aufwand verbunden. Außerdem kann es zu unerwünschten [X.]erunreinigungen der höchstreinen Behandlungsflüssigkeiten kommen, [X.]n aufgeschwommene Substrate bspw. mit Pinzetten aus dem [X.] herausgenommen werden müssen. Bekannte Kassetten, bei denen die Substrate mit einem Trägergegenelement arretiert werden, um ein Aufschwimmen zu verhindern, erfordern jedoch ein auf[X.]diges Be- und [X.]ntladen der Kassette, da zuvor die Trägergegenelemente entfernt und ggf. [X.]insätze aus der Kassette gehoben werden müssen

2. [X.]or diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, diese Nachteile des Standes der Technik zu beseitigen. [X.]s soll insbesondere eine [X.]orrichtung angegeben werden, mit der ein Aufschwimmen von Substraten verhindert werden kann und die möglichst einfach handhabbar ist

3. Diese Aufgabe wird durch eine [X.]orrichtung mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 gelöst, der in Anlehnung an die Merkmalsanalyse der Klägerin mit Gliederungspunkten versehen, ansonsten aber wörtlich wiedergegeben, folgendermaßen lautet:

1. [X.]orrichtung zur Aufnahme von Substraten (S), insbesondere Wafern oder Siliziumsubstraten zur Herstellung photovoltaischer [X.]lemente,

2. mit zwei einander gegenüberliegenden Wänden,

3. wobei mindestens ein die Wände verbindendes Trägerelement vorgesehen ist,

4. wobei das Trägerelement zum Halten darauf abgestützter Substrate (S) in einer vertikalen, parallel zu den Wänden orientierten Stellung mit Haltemitteln versehen ist,

5. wobei die Wände des Weiteren durch mindestens ein Trägergegenelement verbunden sind,

6. dadurch gekennzeichnet, dass das Trägergegenelement bezüglich des Trägerelements so angeordnet oder ausgebildet ist, dass damit eine Bewegung der Substrate (S) in [X.] ([X.]) begrenzt wird und die Substrate (S) lediglich schräg bezüglich der [X.] ([X.]) be- bzw. entladbar sind.

4. Für die Lösung gemäß Patentanspruch 1 ist wesentlich, dass neben mindestens einem die gegenüberliegenden Wände verbindenden und mit Haltemitteln versehenen Trägerelement, auf dem sich die Substrate abstützen, ein Trägergegenelement vorgesehen ist, das bezüglich des Trägerelements so angeordnet oder ausgebildet ist, dass mit ihm eine vertikale Bewegung der Substrate begrenzt wird und die Substrate lediglich schräg bezüglich der [X.] be- bzw. entladbar sind. Das Trägergegenelement verhindert eine zur [X.] gerichtete [X.]ertikalbewegung der Substrate und die Substrate werden im [X.] nicht aus der [X.]orrichtung gehoben. Auch bei einer schräg nach oben zur [X.] gerichteten Bewegung der Substrate können die Substrate aus dem Träger nicht entweichen, weil sie in diesem Fall an der Wand des [X.] anstoßen würden. Dagegen können die Substrate ohne weiteres aus der [X.]orrichtung schräg entnommen bzw. in sie eingebracht werden, [X.]n diese sich außerhalb des [X.] befindet, denn ein [X.]ntfernen des Trägergegenelements ist zum Be- bzw. [X.]ntladen nicht erforderlich

5. Der hier zuständige Fachmann ist demnach als berufserfahrener, in der Halbleiterindustrie als Prozessingenieur oder in einem Betrieb der Halbleiterfertigungsgeräte-Industrie tätiger Fachhochschul-Ingenieur der Fachrichtung [X.]lektrotechnik bzw. Halbleitertechnik zu definieren, der innerhalb seines Aufgabenbereichs der Weiterentwicklung des [X.] auch mit der Konzeption von Kassetten für Halbleitersubstrate betraut ist.

I[X.]

[X.] ist als unbegründet zurückzuweisen, da die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe nicht gegeben sind.

1. Das Streitpatent offenbart die [X.]rfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 [X.]).

[X.]ine [X.]rfindung ist ausführbar offenbart, [X.]n die in der Patentanmeldung bzw. im Patent enthaltenen Angaben dem fachmännischen Leser so viel an technischer Information vermitteln, dass er mit seinem Fachwissen und seinem Fachkönnen in der Lage ist, die [X.]rfindung erfolgreich auszuführen. Insbesondere ist eine für die Ausführbarkeit ausreichende Offenbarung gegeben, [X.]n der mit den Merkmalen des Patentanspruchs umschriebene [X.]rfolg vom Fachmann erreicht werden kann, indem er ohne eigenes erfinderisches Bemühen Unvollständigkeiten ergänzt und sich notfalls mit Hilfe ergänzender [X.]ersuche Klarheit verschafft, (vgl. [X.], 916 - Klammernahtgerät, insb. Abs. [17]).

Dies ist durch die Angaben im Streitpatent gewährleistet, denn diese weisen den Fachmann in der Beschreibung des Ausführungsbeispiels an, das Trägergegenelement, mit dem gemäß Merkmal 6 des Patentanspruchs 1 eine Bewegung der Substrate in [X.] begrenzt wird, bezüglich der Symmetrieebene ([X.]) der beiden Trägerelemente (2, 3) versetzt anzuordnen, um ein Anheben der Substrate zu verhindern und gleichzeitig ein lediglich schräges Be- und [X.]ntladen der Kassette zu ermöglichen, vgl. die Abschnitte [0026] und [0027] sowie die [X.]. 2 und 3. Dabei - auch unter Berücksichtigung der Gestalt der jeweiligen Substrate - jeweils die genaue geometrische Anordnung zu bestimmen, liegt im Rahmen des fachmännischen handwerklichen Könnens und kann ggfs. mit einer einfachen zeichnerischen Skizze oder im Rahmen einfacher [X.]ersuche ermittelt werden.

Wie sich unmittelbar aus den [X.]uren 2 und 3 ergibt, begrenzt diese Anordnung des Trägergegenelements entsprechend Merkmal 6 des Patentanspruchs 1 die Bewegung der Substrate in [X.], und eine zur [X.] gerichtete [X.]ertikalbewegung der Substrate wird verhindert, so dass die Substrate im [X.] nicht vertikal aus der [X.]orrichtung gehoben werden, vgl. den Abschnitt [0010]. Hingegen sind die Substrate schräg bezüglich der [X.] anhebbar, da die [X.]orrichtung in Übereinstimmung mit dem Ausführungsbeispiel und dem Kennzeichen des Patentanspruchs 1 in diese Richtung be- bzw. entladbar ist und das Trägergegenelement die Bewegung der Substrate schräg zur [X.] nicht begrenzt. Somit wird ein Aufschwimmen der Substrate in die [X.] (Richtung „[X.]“ in den [X.]. 2 und 3) verhindert und die Aufgabe des Streitpatents durch die [X.]orrichtung des Patentanspruchs 1 gelöst. Für den speziellen Fall einer schräg nach oben zur [X.] gerichteten Bewegung der Substrate, die prinzipiell zu einem Aufschwimmen der Substrate führen könnte, verweist das Streitpatent darauf, dass auch in solch einem Fall die Substrate aus dem Träger nicht entweichen können, weil sie ansonsten an der Wand des [X.] anstoßen würden, vgl. den Abschnitt [0010]. Dies steht dem durch die Anordnung grundsätzlich erreichten [X.]rfolg jedoch nicht entgegen, sondern ergänzt diesen allenfalls. Insofern ist die Beckenwandung kein zwangsläufiger Teil der Lösung der Aufgabe.

Auch die Aufnahme einer Angabe über den Winkel, unter dem das vertikale Be- und [X.]ntladen möglich ist, in den Patentanspruch 1 ist nicht gerechtfertigt. Dem Anmelder steht stets der allgemeinste Schutzumfang zu, der gegenüber dem Stand der Technik zu rechtfertigen ist, so dass eine derartige [X.]inschränkung nicht zu rechtfertigen wäre.

Die Klägerin hat demgegenüber vorgetragen, dass eigens durchgeführte [X.]ersuche mit streitpatentgemäßen [X.]orrichtungen in Ätzbädern regelmäßig ein Aufschwimmen der Substrate gezeigt hätten, und dass die Beklagte den [X.] üblicherweise mit einem zusätzlichen und nach dem Beladen anzubringenden Trägergegenelement verkaufe. Deshalb werde die Aufgabe des Streitpatents durch die [X.]orrichtung des Patentanspruchs 1 nicht gelöst, und folglich sei die Ausführbarkeit der [X.]rfindung nicht gegeben.

begrenzt wird und die Substrate (S) lediglich schräg bezüglich der [X.] ([X.]) be- bzw. entladbar sind“, so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

2. Die [X.]orrichtung des Patentanspruchs 1 ist zweifelsohne gewerblich an[X.]dbar (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 i. [X.]. m. § 5 [X.]), bspw. in der Halbleiter- bzw. Photovoltaikindustrie.

3. Der Gegenstand des Streitpatents ist neu hinsichtlich des vorgelegten Stands der Technik (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 i. [X.]. m. § 3 [X.]) und wird dem Fachmann durch diesen auch nicht nahegelegt (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 i. [X.]. m. § 4 [X.]).

3.1 Die Druckschrift [X.] offenbart in Übereinstimmung mit der Lehre des Patentanspruchs 1

eine [X.]orrichtung zur Aufnahme von Substraten

wobei mindestens ein die Wände verbindendes Trägerelement

wobei das Trägerelement zum Halten darauf abgestützter Substrate in einer vertikalen, parallel zu den Wänden orientierten Stellung mit Haltemitteln versehen ist

wobei die Wände des Weiteren durch mindestens ein Trägergegenelement verbunden sind

wobei das Trägergegenelement bezüglich des Trägerelements so angeordnet oder ausgebildet ist, dass damit eine Bewegung der Substrate in [X.] begrenzt wird ([X.]. 1 u. 3).

nicht lediglich schräg bezüglich der [X.] be- bzw. entladbar. Dies zeigt schon die Anordnung der Träger- und der Trägergegenelemente relativ zueinander, bei der entweder das eine einzige Trägergegenelement

Zudem soll im Gegensatz zur Lehre des Streitpatents die vorgenannte Anordnung der Druckschrift [X.] die Halterung von Proben mit nicht normgerechten Größen und Geometrien ermöglichen, was bei handelsüblichen Halterungen in Kassettenform nicht möglich sei, vgl. [X.]. 1, Zeilen 10 bis 49. Den unterschiedlichen, nicht normgerechten Größen der Substrate wird dabei dadurch Rechnung getragen, dass die oberen Aussparungen in den Wänden, in denen das Trägergegenelement in Form des Haltestabes

Angesichts der Anordnung von Trägerelementen und [X.] relativ zueinander sowie der auf diese Anordnung abgestimmten Reihenfolge des [X.]inbringens der Substrate und des erst dann folgenden Anbringens des Trägergegenelements kann diese Druckschrift dem Fachmann auch keinerlei Anregung zu einer Bauform geben, die abweichend hiervon durch eine andere Bauform ein schräges Be- und [X.]ntladen der Substrate ermöglichen würde.

3.2 Die Druckschrift [X.] offenbart, ähnlich wie Druckschrift [X.],

eine [X.]orrichtung zur Aufnahme von Substraten

wobei mindestens ein die Streben verbindendes Trägerelement

wobei das Trägerelement zum Halten darauf abgestützter Substrate in einer vertikalen, parallel zu den Streben orientierten Stellung mit Haltemitteln versehen ist

wobei die Streben des Weiteren durch mindestens ein Trägergegenelement verbunden sind

wobei das Trägergegenelement bezüglich des Trägerelements so angeordnet oder ausgebildet ist, dass damit eine Bewegung der Substrate in [X.] begrenzt wird

Im Unterschied zur Lehre des Anspruchs 1 des Streitpatents sind die Substrate jedoch nicht schräg bezüglich der [X.] be- bzw. entladbar, denn das Trägergegenelement wird bzw. die Trägergegenelemente werden erst nach dem [X.]insetzen der Substrate in die Rillen der [X.] montiert, wobei auch hier die Substrate nach dem [X.]inschrauben der Trägergegenelemente so von oben arretiert sind, dass sie nicht mehr schräg entnommen werden können, wie allein schon die Anordnung der Träger- und der Trägergegenelemente relativ zueinander und die Anordnung der Trägergegenelemente relativ zur Mittelachse der Wafer vorgibt

Die [X.]orrichtung nach Patentanspruch 1 ist damit neu gegenüber dem Stand der Technik gemäß der Druckschrift [X.].

Angesichts der Bauform der [X.]orrichtung nach Druckschrift [X.] und der dort angegebenen, oben zitierten [X.]orgehensweise zum Beladen des Boots hat der Fachmann auch hier keine [X.]eranlassung ein schräges Be- und [X.]ntladen der [X.]orrichtung mit Wafern in Betracht zu ziehen, so dass auch die Frage des Naheliegens entsprechender Maßnahmen zu verneinen ist.

3.3 Die Druckschrift [X.] offenbart eine [X.]orrichtung zum Reinigen von Wafern, bei der eine mit Wafern beladene Kassette in eine Ladestation des Geräts eingestellt wird, die Wafer mit Hilfe eines Greifarms automatisch einer nach dem anderen der Kassette entnommen und einer Reinigungsstation zugeführt werden, in der sie jeweils von einem Rollenmechanismus aufgenommen und von einer [X.]rühvorrichtung mit Reinigungsflüssigkeit besprüht werden, woraufhin der jeweilige Wafer mit dem Greifarm in eine [X.] überführt wird. Zum [X.]ntnehmen der Wafer aus der Kassette wird die Kassette in eine Schräglage gebracht, so dass der Greifarm die Wafer am ihrem Rand mit einer Greiffläche aufnehmen kann, ohne dabei durch die Kassettenwände behindert zu werden

Das schräge [X.]ntnehmen der Wafer durch den Greifarm wird also durch ein [X.]erkippen der nach oben offenen Kassette erreicht; die Kassette selbst ist von üblicher Bauform und weist keine Anordnung von Träger- und Trägergegenelement gemäß der Lehre des Anspruchs 1 des Streitpatents auf. Insofern gibt auch diese Druckschrift dem Fachmann keine Anregung hinsichtlich der Lehre des Patentanspruchs 1.

Auch in Kombination miteinander können die [X.] bis [X.] dem Fachmann keinen Hinweis dahingehend geben, die [X.]orrichtung zur Aufnahme von Substraten mit einem Trägergegenelement so auszubilden, dass eine Bewegung der Substrate in [X.] begrenzt wird und gleichzeitig die Substrate lediglich schräg bezüglich der [X.] be- bzw. entladbar sind.

4. [X.]benso [X.]ig kann die von der Klägerin geltend gemachte offenkundige [X.]orbenutzung die Patentfähigkeit der [X.]orrichtung nach dem Streitpatent in Frage stellen.

Zur Darlegung einer offenkundigen [X.]orbenutzung bedarf es konkreter Angaben darüber, was wo, wann, wie und durch [X.] geschehen ist, sowie der Darlegung der öffentlichen Zugänglichkeit des [X.] mit der Möglichkeit der Nachbenutzung durch andere, insbesondere Sachkundige (vgl. [X.], Patentgesetz, 10. Aufl., § 3 Rdnr. 70).

Der [X.]ortrag der Klägerin, Frau Dipl.-Phys. K… als [X.]rfinderin der [X.]orrichtung nach der Druckschrift [X.] und [X.] sei aufgrund der bei verschiedenen Gesprächen von [X.] übergebenen Unterlagen in Form von Zeichnungen, Fotos und Kassetten klar gewesen, dass nicht nur wie beim Gegenstand der [X.] [X.]insätze für Kassetten, sondern auch [X.]inheiten aus einem [X.]insatz und einer Kassette vorgesehen seien, sowie ferner, dass die in der [X.] beschriebene Anordnung des Trägergegenelements auch eine nur teilweise Fixierung der Substrate ermögliche, die eine schräge [X.]ntnahme der Substrate zulasse, bietet bereits keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine relevante [X.]orbenutzungshandlung.

Denn abgesehen davon, dass es insoweit bereits an näherem [X.]ortrag zu Zeit und Ort der behaupteten Gespräche fehlt, hätte es in Anbetracht des Umstands, dass der in der Druckschrift [X.] beschriebene Aufbau dies gerade ausschließt, insoweit näheren [X.]ortrags bedurft, welche Überlegungen [X.] bzw. [X.] veranlasst haben, den Aufbau der [X.]orrichtung nach der Druckschrift [X.] so abzuändern, dass dieser ein schräges Be- und [X.]ntladen ermöglicht. Dazu hat die Klägerin jedoch nichts vorgetragen. Ferner hätte es konkreter Angaben zur dementsprechend abweichenden Ausgestaltung der [X.]orrichtung bedurft.

Soweit dies nach dem [X.]ortrag der Klägerin aus in der genannten Besprechung übergebenen Unterlagen oder Mustern, bspw. den von [X.] an [X.] übergebenen Zeichnungen, Fotos bzw. Kassetten hervorgehen soll, hätte es insoweit der [X.]orlage solcher Unterlagen bzw. konkreten [X.]ortrags zu Inhalt und Gegenstand dieser Unterlagen bedurft, damit Klarheit über die technische Ausgestaltung der entsprechenden [X.]orrichtung besteht.

Unabhängig davon erlaubt der [X.]ortrag der Klägerin auch keine Rückschlüsse darauf, ob und ggf. inwieweit die Möglichkeit bestand, dass ein unbeschränkter Personenkreis und insbesondere die Fachwelt Kenntnis von einer solchen Konstruktion erlangen konnte und auf welchem Wege und wem gegenüber [X.]inzelheiten über die Konstruktion der jeweiligen Kassetten zugänglich gemacht worden sind. Denn abgesehen davon, dass bei Gesprächen über neuentwickelte Produkte zwischen einem [X.]rfinder und einem potentiellen Produzenten in aller Regel auch ohne entsprechende Absprache von der [X.]ertraulichkeit der Gesprächsinhalte auszugehen sein dürfte, so dass fraglich erscheint, ob Informationen über den Gegenstand des in Rede stehenden Gesprächs an die Fachwelt gelangt sein könnten, hätte die Klägerin insoweit Art, Zeitpunkt, [X.]mpfänger und Inhalt der entsprechenden Informationen darlegen und hierzu ggfs. geeignete Nachweise beibringen müssen.

Trotz entsprechenden Hinweises des Senats in dem Bescheid vom 29. November 2011 hat die Klägerin dazu nicht weiter vorgetragen. Mangels hinreichender Substantiierung ist der [X.]ortrag der Klägerin damit aber auch keiner Beweisaufnahme durch [X.]ernehmung der benannten Zeugen zugänglich, da dies einen unzulässigen Beweisermittlungsantrag (Ausforschungsbeweis) darstellen würde, der darauf gerichtet ist, nach derzeit noch nicht bekannten, zur Darlegung einer [X.]orbenutzungshandlung jedoch erforderlichen Tatsachen durch [X.]ernehmung der Zeugen zu suchen. Insoweit sind auch keine weiteren Amtsermittlungen seitens des Senats veranlasst. [X.]s ist nicht Sinn des Untersuchungsgrundsatzes, einen unzureichenden Sachvortrag durch Amtsermittlung zu ergänzen bzw. zu vervollkommnen. Die Amtsermittlungspflicht endet, wo eine die Darlegungslast tragende Partei ihrer Mitwirkungspflicht nicht genügt, indem sie den Sachverhalt nicht detailliert vorträgt. Dementsprechend verneint die Rechtsprechung eine Pflicht zu weiteren [X.]rmittlungen von Amts wegen, [X.]n es um die genaueren Umstände einer offenkundigen [X.]orbenutzung geht (vgl: [X.], 8. Aufl., § 59 Rdnr. 218, 219, 129; [X.]inleitung Rd. 33, 34).

Die [X.]orrichtung des Patentanspruchs 1 ist somit neu gegenüber dem vorgelegten Stand der Technik und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns.

5. Die angegriffenen abhängigen Ansprüche 2, 4, 6, 12, 14, 15, 18 bis 20, 23 und 24 sind ebenfalls bestandsfähig, da die darin angegebenen Merkmale zweckmäßige, nicht selbstverständliche Ausgestaltungen der [X.]orrichtung nach Anspruch 1 betreffen.

II[X.]

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i. [X.]. m. § 91 Abs. 1 ZPO. Die [X.]ntscheidung über die vorläufige [X.]ollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 [X.], § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Meta

2 Ni 32/10

24.05.2012

Bundespatentgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 24.05.2012, Az. 2 Ni 32/10 (REWIS RS 2012, 6124)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6124

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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