Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.02.2000, Az. AnwZ (B) 8/99

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2000, 3151

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[X.] ([X.]) 8/99vom14. Februar 2000in dem Verfahrenwegen Zulassung zur Rechtsanwaltschaft- 2 -Der [X.]undesgerichtshof, [X.], hat durch den Präsidentendes [X.]undesgerichtshofs [X.], [X.], [X.]. [X.] 14. Februar 2000 nach mündlicher Verhandlungbeschlossen:Die sofortige [X.]eschwerde des Antragstellers gegen den [X.]eschlußdes 1. Senats des [X.]ayerischen [X.]s vom 30. No-vember 1998 wird zurückgewiesen.Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen [X.] Antragsgegnerin die ihr im [X.]eschwerdeverfahren entstande-nen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.Der Geschäftswert des [X.]eschwerdeverfahrens wird [X.]:[X.] im Jahre 1954 geborene Antragsteller bestand im Jahre 1981 diejuristische Schlußprüfung (zweite juristische Staatsprüfung) mit der Note "gut"und war anschließend im [X.]ayerischen Staatsministerium der Finanzen [X.] tätig, zuletzt als Regierungsrat. Durch Urteil des [X.] vom 17.Mai 1988, rechtskräftig seit dem 7. März 1989, wurde der Antragsteller wegenTotschlags in drei Fällen, begangen am 22. September 1984 an seiner [X.] seinen beiden Kindern, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahrenverurteilt.Nachdem der Antragsteller zwei Drittel der Strafe verbüßt hatte, [X.] im September 1991 aus der Haft entlassen. Die [X.] am 21. Oktober 1996 erlassen. Der Antragsteller hat im August 1992 [X.] geheiratet und mit seiner jetzigen Ehefrau zwei in den Jahren 1993 und1996 geborene gemeinsame Kinder. [X.]eruflich hat er nach seiner [X.] als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Anwalts- und Notariats-kanzlei in [X.]. gearbeitet. Seit 1994 ist er als Herausgeber juristischer Loseblatt-sammlungen im Eigenverlag tätig.Im Januar 1998 hat der Antragsteller beantragt, ihn zur [X.] zuzulassen. Mit Gutachten vom 2. April 1998 hat die zuständige Rechts-anwaltskammer den Versagungsgrund der Unwürdigkeit (§ 7 Nr. 5 [X.]RAO) gel-- 4 -tend gemacht. Der dagegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidunghatte keinen Erfolg; der [X.] hat festgestellt, daß der im [X.] der Antragsgegnerin angeführte Versagungsgrund vorliegt. Mit der [X.] [X.]eschwerde verfolgt der Antragsteller sein [X.]egehren weiter.[X.] gemäß § 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 [X.]RAO zulässige Rechtsmittel istunbegründet. Die Antragsgegnerin und der [X.] haben den [X.] des § 7 Nr. 5 [X.]RAO zu Recht bejaht.1. Nach dieser Vorschrift ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zuversagen, wenn sich der [X.]ewerber eines Verhaltens schuldig gemacht hat, [X.] unwürdig erscheinen läßt, den [X.]eruf eines Rechtsanwalts auszuüben. [X.] und die daraus folgende zeitweilige Einschränkung derdurch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der [X.]erufswahl sind gerechtfer-tigt, wenn dem [X.]ewerber ein Verhalten zur Last fällt, das ihn bei [X.]erücksichti-gung aller erheblichen Umstände, einschließlich des Zeitablaufs und der zwi-schenzeitlichen Führung, nach seiner Gesamtpersönlichkeit für den Anwaltsbe-ruf (noch) nicht tragbar erscheinen läßt (st. Rspr.: vgl. Senatsbeschlüsse [X.] März 1994 - [X.] ([X.]) 6/93 - NJW 1994, 1730 = [X.]RAK-Mitt. 1994, 108; v.6. Juli 1998 - [X.] ([X.]) 10/98, [X.]RAK-Mitt. 1998, 234; v. 12. April 1999- [X.] ([X.]) 67/98, [X.]RAK-Mitt. 1999, 187). Maßgeblich für diese [X.]eurteilung istder Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung. Auch ein schwerwiegen-des standesunwürdiges Verhalten kann nach einer mehr oder minder langen- 5 -Zeit durch Wohlverhalten oder andere Umstände so viel an [X.]edeutung verlie-ren, daß es einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht mehr entgegensteht.[X.] sind jeweils das berechtigte Interesse des [X.]ewerbers nach berufli-cher und [X.] Eingliederung und das durch das [X.]erufsrecht geschützte In-teresse der Öffentlichkeit, insbesondere der Rechtsuchenden, an der Integritätund der Erhaltung des Ansehens des [X.] (st. Rspr.: vgl. [X.] v. 30. November 1987 - [X.] ([X.]) 38/87 - NJW 1988, 1793 = [X.]RAK-Mitt. 1988, 147; v. 29. Januar 1996 - [X.] ([X.]) 52/95 - [X.]RAK-Mitt. 1996, 122).Die Frage, wie viele Jahre zwischen einer die Unwürdigkeit begründen-den Straftat und dem Zeitpunkt liegen müssen, in dem eine Zulassung [X.] rechtlich wieder möglich ist, läßt sich nicht allgemein be-antworten. Der Senat hat in leichteren Fällen einen Zeitraum von vier bis fünfJahren als ausreichend angesehen, bei besonders gravierenden Straftaten,etwa schweren Fällen von [X.]etrug und Untreue, jedoch einen zeitlichen Abstandvon in der Regel 15 bis 20 Jahren für erforderlich gehalten (vgl. [X.] v. 20. Januar 1995 - [X.] ([X.]) 16/94 - [X.]RAK-Mitt. 1995, 162; v.29. Januar 1996 - [X.] ([X.]) 52/95 - [X.]RAK-Mitt. 1996, 122). Eine schematischeFristenberechnung ist nicht möglich; denn die Vorschrift des § 7 Nr. 5 [X.]RAOverlangt eine einzelfallbezogene Gewichtung aller für und gegen den [X.]ewerbersprechenden Umstände.2. Diese Grundsätze hat der [X.] zutreffend angewandt;der Senat tritt dem Ergebnis seiner Würdigung [X.]) Soweit es um den Geschehensablauf am Tattag, dem [X.], geht, folgt der Senat ebenso wie der [X.] den [X.] 6 -gen des rechtskräftig gewordenen Strafurteils. Zwar geht aus dem [X.]eschwer-devorbringen hervor, daß der Antragsteller auch heute noch bestreitet, seineKinder getötet zu haben. Er hat jedoch keine Tatsachen vorgetragen, die [X.] sind, die sorgfältig begründete Würdigung des Strafurteils, daß infolgedes Ausschlusses aller sonstigen Todesursachen die Kinder nur infolge vor-sätzlicher Gewaltanwendung durch den Vater gestorben sein können, in [X.] stellen. Der Antragsteller hat, wie schon im gesamten Strafverfahren, [X.] keine Angaben gemacht.b) Totschlag zählt zu den schwersten Straftaten überhaupt. Wer einesolche Tat zu verantworten hat, kann in aller Regel zu einem [X.]eruf, der ihn zueinem Organ der Rechtspflege macht (§ 1 [X.]RAO), erst dann wieder zugelas-sen werden, wenn seit der Tat ein Zeitraum vergangen ist, der mindestens imobersten [X.]ereich der bezeichneten Spanne von vier bis zwanzig Jahren liegt.c) Hier sind seit der Tat inzwischen mehr als fünfzehn Jahre vergangen.Trotz dieses Zeitraums hat das Verbrechen des Antragstellers noch nicht so an[X.]edeutung verloren, daß er bereits derzeit nicht mehr unwürdig erscheint, den[X.]eruf des Rechtsanwalts auszuüben.aa) Der Senat hat dabei durchaus berücksichtigt, daß zugunsten [X.] davon auszugehen ist, er sei durch ein von seiner damaligenEhefrau zu verantwortendes Verhalten in einen hochgradigen Affektzustandgeraten, der die Tötung der Frau ausgelöst hat und auch für die im [X.] vollzogene Tötung der Kinder ursächlich geworden ist. Der [X.] jedoch in der Lage, die Leichen fortzuschaffen und innerhalb [X.] weit vom Tatgeschehen entfernten Orten zu verstecken, alle [X.]eweisspuren- 7 -am Tatort systematisch zu beseitigen und sich anschließend durch eine sorg-fältig geplante Flucht monatelang der Strafverfolgung zu entziehen. Auch durchdieses der Tat nachfolgende Verhalten hat das Verbrechen des Antragstellersin der Öffentlichkeit großes Aufsehen erregt und war über lange [X.] zahlreicher Presseberichte.bb) Alle diese Umstände sowie die Höhe der verhängten [X.] auch heute noch bei der zu treffenden Abwägung erheblich zu Ungun-sten des Antragstellers ins Gewicht, obwohl er sich in der Strafhaft einwandfreigeführt hat und davon auszugehen ist, daß er dort auf Mitgefangene [X.] hat, die damals dazu neigten, ihren Forderungen durch Gewaltan-wendung Nachdruck zu verleihen. Dem Antragsteller ist zudem ersichtlich eineerfreuliche [X.] Wiedereingliederung geglückt. Er hat wieder geheiratet undsich auch ein berufliches Arbeitsfeld als Selbständiger geschaffen, auf dem [X.] nach einer späteren Zulassung als Rechtsanwalt weiter tätig sein will.Diese positiv zu bewertenden Tatsachen vermögen jedoch bei einer [X.] die [X.]edeutung der Verurteilung wegen dreifachen Totschlags der-zeit noch nicht so zu mindern, daß der Antragsteller gleichwohl schon als [X.] erscheint, bereits heute den [X.]eruf des Rechtsanwalts [X.]) Das Ergebnis dieser Abwägung wird auch dadurch bestätigt, daß beider Prüfung nach § 7 Nr. 5 [X.]RAO die in § 7 Nr. 3 [X.]RAO zum Ausdruck ge-kommene Wertung des Gesetzgebers nicht außer [X.]etracht bleiben darf (vgl.[X.] 29. Januar 1996 - [X.] ([X.]) 53/95, [X.]RAK-Mitt. 1996, 123).Nach dieser Vorschrift ist jedenfalls eine Sperrfrist von acht Jahren einzuhal-ten, wenn der [X.]ewerber durch rechtskräftiges Urteil aus der Anwaltschaft aus-geschlossen worden ist. Die in § 7 Nr. 3 [X.]RAO enthaltene Regelung gibt einen- [X.] auch bei Tatbeständen, die, wären sie damals von einem Rechtsan-walt begangen worden, gemäß § 114 Abs. 1 Nr. 5 [X.]RAO zu einem Ausschlußaus der Rechtsanwaltschaft hätten führen müssen. Es kann nicht zweifelhaftsein, daß der Antragsteller, hätte er schon damals den [X.]eruf des Rechtsan-walts ausgeübt, wegen der Schwere der von ihm zu verantwortenden [X.] der Anwaltschaft ausgeschlossen worden wäre, obwohl das Tatgeschehenin keinem Zusammenhang mit der [X.]erufsausübung stand. Da schon strafrecht-liche Verhaltensweisen eines Anwalts, die mit wesentlich geringeren Sanktio-nen als ein Kapitalverbrechen geahndet werden, zum Ausschluß aus der An-waltschaft führen, insbesondere dann, wenn in wesentlichen Maße [X.] oder sonstige berechtigte Interessen von Mandanten betroffen sind, mußdie Sperrfrist bei einer Tat, wie sie hier in Rede steht, deutlich länger als aufden in § 7 Nr. 3 [X.]RAO bezeichneten Mindestzeitraum bemessen werden. [X.] ist inzwischen seit etwas mehr als zehneinhalb Jahren rechtskräftig.Dieser zeitliche Abstand ist im Hinblick auf die in § 7 Nr. 3 [X.]RAO zum Aus-druck gekommene Wertung zu gering.e) Auch unter [X.]erücksichtigung der berechtigten Interessen des [X.]ewer-bers, seinen [X.]eruf frei wählen zu können, erscheint es dem Senat geboten,den Antragsteller derzeit noch von der Anwaltschaft fernzuhalten. Die [X.]estim-mung des § 7 Nr. 5 [X.]RAO dient vorrangig dem Schutz der Öffentlichkeit voreiner Gefährdung der Rechtspflege sowie der Wahrung des beruflichen Anse-hens der Anwaltschaft. Im Hinblick auf die hohe [X.]edeutung dieser Rechtsgüterist es unentbehrlich, im Rahmen der nach § 7 Nr. 5 [X.]RAO vorzunehmendenAbwägung der persönlichen Integrität des einzelnen [X.]ewerbers einen hohenStellenwert einzuräumen. Daher kommt eine Zulassung des Antragstellers zur- 9 -Rechtsanwaltschaft nach weiterem Zeitablauf von insgesamt 20 Jahren seit[X.]egehung der von ihm zu verantwortenden schweren Straftaten in [X.]etracht.[X.]FischerGanterOttenSaldittChristianWüllrich

Meta

AnwZ (B) 8/99

14.02.2000

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.02.2000, Az. AnwZ (B) 8/99 (REWIS RS 2000, 3151)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 3151

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