Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.05.2010, Az. AnwZ (B) 43/09

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2010, 6829

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Gegenstand

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach strafgerichtlicher Verurteilung: Sperrfrist für die Wiederzulassung


Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs [X.] vom 12. November 2008 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller war bis Dezember 2004 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Durch Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht- K. vom 16. Oktober 2001 wurde er wegen [X.] in Tatmehrheit mit schwerem Parteiverrat und Gebührenüberhebung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung auf drei Jahre zur [X.]ewährung ausgesetzt wurde. Als Nebenfolge dieser Verurteilung verlor der Antragsteller für die Dauer von fünf Jahren die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden; dieses Urteil ist seit dem 1. März 2002 rechtskräftig. Seine Zulassung wurde mit - später für sofort vollziehbar erklärtem - [X.]escheid vom 11. Juli 2002 widerrufen. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen diesen [X.]escheid wies der [X.] mit [X.]uss vom 16. Juli 2003 zurück. Dieser [X.]uss wurde nach Rücknahme der sofortigen [X.]eschwerde am 2. Dezember 2004 rechtskräftig. Durch [X.]uss des [X.] vom 19. Dezember 2005 wurde dem Antragsteller die Fähigkeit zur [X.]ekleidung öffentlicher Ämter wieder verliehen; die Strafe wurde mit Wirkung vom 28. November 2005 erlassen. Den ersten Wiederzulassungsantrag des Antragstellers vom 11. Januar 2006 wies die Antragsgegnerin zurück. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen diese Zurückweisung blieb bei dem [X.] ohne Erfolg. Der [X.]uss des [X.]s ist seit dem 31. August 2007 rechtskräftig.

2

Mit dem vorliegenden zweiten Wiederzulassungsantrag vom 13. September 2007 hat der Antragsteller erneut Wiederzulassung beantragt. Diesen Antrag hat die Antragsgegnerin mit [X.]escheid vom 27. Februar 2008 zurückgewiesen. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der [X.] zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige [X.]eschwerde des Antragstellers, mit welcher er seinen Wiederzulassungsantrag weiterverfolgt.

II.

3

Das nach § 215 Abs. 3 [X.] [X.]. § 42 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 [X.] a.F. zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Die Antragsgegnerin hat den erneuten Antrag auf Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft unter [X.]erufung auf den Versagungsgrund des § 7 Nr. 5 [X.] mit Recht zurückgewiesen.

4

1. Nach § 7 Nr. 5 [X.] ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen, wenn der [X.]ewerber sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das ihn unwürdig erscheinen lässt, den [X.]eruf eines Rechtsanwalts auszuüben.

5

a) Der [X.]ewerber erscheint dann unwürdig im Sinne des § 7 Nr. 5 [X.], wenn er ein Verhalten gezeigt hat, das ihn bei Abwägung dieses Verhaltens und aller erheblichen Umstände - wie [X.]ablauf und zwischenzeitlicher Führung- nach seiner Gesamtpersönlichkeit für den Anwaltsberuf nicht tragbar erscheinen lässt. Dabei sind das berechtigte Interesse des [X.]ewerbers nach beruflicher und [X.] Eingliederung und das durch das [X.]erufsrecht gestützte Interesse der Öffentlichkeit, insbesondere der Rechtsuchenden, an der Integrität des [X.] einzelfallbezogen gegeneinander abzuwägen (st. Rspr.; vgl. Senat, [X.]. v. 1. März 1993, [X.] ([X.]) 49/92, [X.]RAK-Mitt. 1993, 102, 103; [X.]. v. 21. November 1994, [X.] ([X.]) 38/94, NJW-RR 1995, 1016; [X.]. v. 9. November 2009, [X.] ([X.]) 13/09, juris).

6

b) Auch ein schwerwiegendes berufsunwürdiges Verhalten kann im Lauf der [X.] durch Wohlverhalten oder andere Umstände soviel an [X.]edeutung verlieren, dass es der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht mehr entgegensteht. Die Frage, wie viele Jahre zwischen einem die Unwürdigkeit begründenden Verhalten und dem [X.]punkt liegen müssen, in dem eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wieder möglich ist, lässt sich nicht durch eine schematische Festlegung auf bestimmte Fristen beantworten, sondern verlangt eine einzelfallbezogene Gewichtung aller für und gegen den [X.]ewerber sprechenden Umstände (st. Rspr.; vgl. Senat, [X.]. v. 3. November 2008, [X.] ([X.]) 1/08, juris, [X.]. 4; [X.]. v. 15. Juni 2009, [X.] ([X.]) 59/08, [X.]RAK-Mitt 2009, 242 [[X.]], Abdruck bei juris; [X.]. v. 9. November 2009, [X.] ([X.]) 13/09, juris, [X.]. 14).

7

c) [X.]ei dieser Gewichtung ist allerdings nach der Rechtsprechung des Senats regelmäßig die Sperrfrist des § 7 Nr. 3 [X.] zu beachten, wenn der Antragsteller seine frühere Zulassung durch einen Widerruf der Zulassung nach § 14 Abs. 2 [X.] auf Grund eines Sachverhalts verloren hat, der inhaltlich einen Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft nach § 114 Abs. 1 Nr. 5 [X.] gerechtfertigt hätte. Die Sperrfrist des § 7 Nr. 3 [X.] beruht auf der Wertung des Gesetzgebers, dass Pflichtverletzungen, die so schwerwiegend sind, dass sie zum Ausschluss aus der Anwaltschaft nach § 114 Abs. 1 Nr. 5 [X.] geführt haben, frühestens nach Ablauf von acht Jahren so weit an Gewicht verloren haben, dass eine Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft in [X.]etracht kommt. Diese Wertung des Gesetzgebers trifft auch auf Fälle zu, in denen das Verhalten des Rechtsanwalts der Sache nach zu einem Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft geführt hätte, sich ein anwaltsgerichtliches Verfahren aber aus technischen Gründen, etwa im [X.] an einen vorherigen Entzug der Zulassung auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung wegen des betreffenden Verhaltens, erübrigt hat. Deshalb kann die Sperrfrist dieser Vorschrift in solchen Fällen nach ständiger Rechtsprechung des Senats im Rahmen von § 7 Nr. 5 [X.] nicht unberücksichtigt bleiben (Senat, [X.]. v. 30. November 1992, [X.] ([X.]) 34/92, [X.]RAK-Mitt. 1993, 42, 43; [X.]. v. 14. Juni 1993, [X.] ([X.]) 59/92, [X.]RAK-Mitt. 1993, 170; [X.]. v. 21. November 1994, [X.] ([X.]) 38/94, NJW-RR 1995, 1016, 1017; [X.]. v. 29. Januar 1996, [X.] ([X.]) 53/95, [X.]RAK-Mitt 1996, 123, 124; [X.]. v. 14. Februar 2000, [X.] ([X.]) 8/99, [X.]RAK-Mitt. 2000, 145, 146; [X.], [X.], 3. Aufl., § 7 Rdn. 44; [X.] in: [X.]/Wolf/Göcken, Anwaltliches [X.]erufsrecht, § 7 [X.] Rdn. 45). Das hat zur Folge, dass eine Wiederzulassung dann regelmäßig erst nach Ablauf von acht Jahren in [X.]etracht kommt.

8

2. Von diesen Grundsätzen sind die Antragsgegnerin und der [X.] ausgegangen. Sie haben mit Recht angenommen, dass die der Verurteilung vom 16. Oktober 2001 zugrunde liegenden Straftaten des Antragstellers, die dieser in den Jahren 1998 und 1999 begangen hat, so schwerwiegend sind, dass sie der Wiederzulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 7 Nr. 5 [X.] noch entgegenstehen. Dies gilt im [X.]eschwerdeverfahren weiterhin. Das Vorbringen des Antragstellers rechtfertigt keine andere [X.]eurteilung.

9

a) Der Antragsteller hat sich wegen [X.] in Tatmehrheit mit schwerem Parteiverrat und Gebührenüberhebung strafbar gemacht. Parteiverrat ist eine Straftat im Kernreich anwaltlicher Tätigkeit. Sie beschädigt das Vertrauen der Rechtsuchenden empfindlich und erfordert deshalb regelmäßig einen Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft (Senat, [X.]. v. 14. Juni 1993, [X.] ([X.]) 59/92, [X.]RAK-Mitt. 1993, 170; [X.] Hamm [X.]RAK-Mitt. 1984, 143, 144; [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., § 114 Rdn. 47). Ein Absehen von einem Ausschluss kommt nur bei außergewöhnlichen Umständen, insbesondere dann in [X.]etracht, wenn der Vorfall, auf den der Ausschluss gestützt werden soll, sehr lange zurückliegt und sich der Rechtsanwalt eine strafrechtliche Verurteilung hat zur Warnung dienen lassen (so in dem Fall [X.] Hamm aaO). Solche Umstände lagen hier bei Widerruf der früheren Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft durch den [X.]escheid der Antragsgegnerin vom 11. Juli 2002 nicht vor. Das Strafgericht hat zwar eine Strafe "im untersten [X.]ereich des Strafrahmens" verhängt. Ungeachtet dessen führt die Verurteilung nach § 45 Abs. 1 StG[X.] kraft Gesetzes zum Verlust der Fähigkeit zur [X.]ekleidung öffentlicher Ämter.

b) Diese hier eingetretene Nebenfolge, die nach § 7 Nr. 2 [X.] zugleich auch ein (Wieder-)Zulassungshindernis begründet, belegt, dass das Verhalten des Antragstellers ohne die Verurteilung damals einen Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft gerechtfertigt hätte. Er erübrigte sich, weil die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft nach dem Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils am 1. März 2002 nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 [X.] zu entziehen war und die Antragsgegnerin dem mit dem [X.] vom 1. Juli 2002 entsprach. Deshalb ist die Sperrfrist des § 7 Nr. 3 [X.] auch hier zu beachten.

Diese Frist beginnt nach der Rechtsprechung des Senats mit dem Eintritt der [X.]estandskraft des [X.] nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 [X.] ([X.]. v. 14. Juni 1993, [X.] ([X.]) 59/92, [X.]RAK-Mitt. 1993, 170 für § 14 Abs. 1 Nr. 3 [X.] a.F.). Der [X.] der Antragsgegnerin vom 11. Juli 2002 ist mit der Rücknahme der sofortigen [X.]eschwerde gegen den diese Entscheidung bestätigenden [X.]uss des [X.]s vom 16. Juli 2003 am 2. Dezember 2004 bestandskräftig geworden. Seit diesem [X.]punkt sind noch nicht acht Jahre verstrichen. Nichts anderes ergäbe sich, wenn man auf den [X.]punkt abstellen würde, zu dem der [X.] für sofort vollziehbar erklärt wurde (§ 14 Abs. 4 [X.]). Das geschah durch den [X.]escheid der Antragsgegnerin vom 22. Juli 2003. Auch dann ist die Sperrfrist von acht Jahren noch nicht verstrichen.

c) Gründe, die der Verurteilung schon vor Ablauf der Sperrfrist ihr Gewicht nähmen und ausnahmsweise vorher eine Wiederzulassung erlaubten, hat der [X.] zu Recht verneint. Sie liegen auch jetzt nicht vor.

aa) Das Strafgericht hat die gegen den Antragsteller verhängte Strafe zwar, wie ausgeführt, an dem untersten Rand des Strafrahmens angesetzt und die Vollstreckung der Strafe zur [X.]ewährung ausgesetzt. Das beruhte darauf, dass der Antragsteller entscheidend zur Aufklärung seiner Taten beigetragen hat, und auf seinem schweren Schicksal, das ihn mit einer Gehirntumorerkrankung im Jahr 2000 traf. Das hier maßgebliche objektive Gewicht der Taten des Antragstellers stellt dieses Strafmaß aber nicht in Frage. Es ist beträchtlich, weil der Antragsteller das ihm als Rechtsanwalt von seiner Mandantin entgegengebrachte Vertrauen grob missbraucht und er sich dieser Mandantin gegenüber als Rechtsanwalt rücksichtslos verhalten hat.

bb) Ein Unterschreiten der Sperrfrist lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass sich der Antragsteller seit seiner Verurteilung straffrei verhalten hat und ihm deshalb die Strafe Ende 2005 erlassen und die Fähigkeit zur [X.]ekleidung öffentlicher Ämter wieder verliehen worden ist. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass der Antragsteller bis Ende 2005 noch unter dem Druck der zur [X.]ewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe stand (dazu: Senat, [X.]. v. 25. April 1977, [X.] ([X.]) 5/77; [X.]. v. 30. November 1987, [X.] ([X.]) 38/87, NJW 1988, 1793, 1794; [X.]. v. 21. November 1994, [X.] ([X.]) 38/94, NJW-RR 1995, 1016, 1017). Die zuverlässige [X.]eurteilung, ob dem Antragsteller die Aufgabe, unabhängiger [X.]erater und Vertreter von Rechtsuchenden zu sein (§ 3 [X.]), wieder anvertraut werden kann, ist erst möglich, wenn ein längerer [X.]raum nach Ablauf der strafrechtlichen [X.]ewährungszeit verstrichen ist (Senat, [X.]. v. 1. März 1993, [X.] ([X.]) 49/92, [X.]RAK-Mitt. 1993, 102, 103). Daran fehlt es hier. Seit dem [X.] sind zwar viereinhalb Jahre verstrichen. Der Antragsteller ist in dieser [X.] von seinen damaligen Taten aber nicht innerlich uneingeschränkt abgerückt. Noch im Verfahren über seinen ersten Wiederzulassungsantrag hat er diese Einsicht vermissen lassen. Diese Einsicht hat er erst im Verfahren vor dem Senat gezeigt. Welche Wartefrist nach Ablauf der Sperrfrist gemäß § 7 Nr. 5 [X.] ausgehend von den zu II 1 a und b dargelegten Grundsätzen erforderlich ist, ist derzeit nicht zu entscheiden.

3. Der Senat konnte im schriftlichen Verfahren entscheiden, weil die [X.]eteiligten auf die mündliche Verhandlung verzichtet haben.

[X.]                                           [X.]                                    Lohmann

                              Stüer                                                          [X.]

Meta

AnwZ (B) 43/09

10.05.2010

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Koblenz, 12. November 2008, Az: 2 AGH 6/08, Beschluss

§ 7 Nr 3 BRAO, § 14 Abs 2 Nr 2 BRAO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.05.2010, Az. AnwZ (B) 43/09 (REWIS RS 2010, 6829)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6829

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