Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.08.2014, Az. XII ZB 266/13

12. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 3247

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Gegenstand

Notwendiger Inhalt eines der Rechtsbeschwerde unterliegenden Beschlusses: Berufungsverwerfungsbeschluss wegen eines ausschließlichen Berufungsangriffs gegen eine erstinstanzliche Kostenentscheidung


Leitsatz

1. Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand und die Anträge in beiden Instanzen erkennen lassen (im Anschluss an BGH Beschluss vom 16. April 2013, VI ZB 50/12, NJW-RR 2013, 1077).

2. Dies gilt auch für einen Beschluss, durch den die Berufung mit der Begründung verworfen wird, das Rechtsmittel sei nach § 99 Abs. 1 ZPO unzulässig, weil damit in der Sache nur die erstinstanzliche Kostenentscheidung angegriffen werde.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 9. April 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben (§ 21 GKG).

Beschwerdewert: bis 30.000 €

Gründe

I.

1

Die Klägerin wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung ihrer Berufung.

2

Das [X.] hat die Berufung der Klägerin verworfen, weil das Rechtsmittel gemäß § 99 Abs. 1 ZPO unzulässig sei. Zur Begründung wird auf einen Beschluss vom 20. März 2013 Bezug genommen, in dem das [X.] die Parteien auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung hingewiesen hatte. In diesem Beschluss wird ausgeführt, dass es nicht ganz deutlich sei, was die Klägerin mit ihrem Berufungsbegehren, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Klägerin von den Kosten des vorliegenden Rechtsstreits freizuhalten, meine. Hinsichtlich der nach teilweiser Klagerücknahme aus dem Prozess ausgeschiedenen ehemaligen Beklagten zu 1 sei nicht ersichtlich, dass überhaupt Prozesskosten angefallen seien. Soweit die Klägerin Freihaltung von den Kosten des Rechtsstreits gegenüber den jetzigen Beklagten zu 1 und 2 begehre, bestünden wegen § 99 Abs. 1 ZPO Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung. Die Klägerin habe die Beklagten zu 1 und 2 auf Zahlung einer Hauptforderung und hilfsweise, d.h. ersichtlich für den Fall des Unterliegens, auf Freistellung von den Prozesskosten in Anspruch genommen. Die Geltendmachung von Prozesskosten als Hauptforderung in demselben Prozess komme aber nur dann in Betracht, wenn der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch anstelle der bisherigen Hauptforderung geltend gemacht werde, nicht aber hilfsweise für den Fall des Unterliegens. Für einen derartigen Hilfsantrag sei prozessual kein Raum. Dieser könne dann nach § 99 Abs. 1 ZPO auch nicht Gegenstand einer isolierten Anfechtung sein.

3

Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

5

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).

6

2. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, weil er, wie die Klägerin zu Recht beanstandet, nicht ausreichend mit Gründen versehen ist.

7

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] müssen Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand und die Anträge in beiden Instanzen erkennen lassen (vgl. etwa [X.] Beschlüsse vom 16. April 2013 - [X.]/12 - NJW-RR 2013, 1077 Rn. 4; vom 19. März 2013 - [X.]/12 - NJW 2013, 1684 Rn. 6; vom 31. März 2011 - [X.] 1160/10 - Grundeigentum 2011, 686 Rn. 3 und vom 14. Juni 2010 - [X.]/09 - NJW-RR 2010, 1582 Rn. 5 jeweils mwN). Nach §§ 577 Abs. 2 Satz 4, 559 ZPO hat das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das Beschwerdegericht festgestellt hat. Fehlen tatsächliche Feststellungen hierzu, ist es zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Diese Anforderungen gelten auch für einen Beschluss, durch den die Berufung mit der Begründung verworfen wird, das Rechtsmittel sei nach § 99 Abs. 1 ZPO unzulässig, weil damit in der Sache nur die erstinstanzliche Kostenentscheidung angegriffen werde.

8

Nach § 99 Abs. 1 ZPO ist die Anfechtung der Kostenentscheidung unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Danach greift diese [X.] nur, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache ergangen und das Rechtsmittel auf den [X.] beschränkt ist. Ob das Berufungsgericht zu Recht vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ausgegangen ist, kann das Rechtsbeschwerdegericht nur prüfen, wenn in dem Verwerfungsbeschluss neben dem wesentlichen Sachverhalt die von den Parteien in den beiden Instanzen gestellten Anträge mitgeteilt werden. Dies gilt insbesondere, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Form eines in der Hauptsache statthaften Rechtsmittels gewahrt ist, der Berufungsantrag aber nach Auffassung des Berufungsgerichts allein die Abänderung der Kostenentscheidung zum Gegenstand hat.

9

Wird diesen Anforderungen nicht genügt, ist der Beschluss nicht mit den nach dem Gesetz (§ 576 Abs. 3, § 547 Nr. 6 ZPO) erforderlichen Gründen versehen und bereits aus diesem Grund aufzuheben (vgl. [X.] Beschluss vom 16. April 2013 - [X.]/12 - NJW-RR 2013, 1077 Rn. 4 mwN).

b) So liegt es hier. In dem angefochtenen Beschluss fehlt eine Sachdarstellung. Auf das Urteil der ersten Instanz wird nicht Bezug genommen. Ausreichende tatsächliche Angaben lassen sich dem Beschluss auch nicht im Übrigen entnehmen. Durch die Bezugnahme auf den Hinweisbeschluss vom 20. März 2013 genügt die angegriffene Entscheidung ebenfalls nicht den Anforderungen an eine ausreichende Begründung. Denn auch der Hinweisbeschluss enthält weder eine Sachdarstellung noch eine Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung. Zwar erwähnt er den Berufungsantrag der Klägerin, nicht aber die erstinstanzlichen Anträge der Parteien. Aus den weiteren Ausführungen ist lediglich erkennbar, dass die Klägerin die Beklagten zu 1 und 2 auf Zahlung einer Hauptforderung in Anspruch genommen und "hilfsweise" beantragt hat, die Beklagten zu verurteilen, die Klägerin von den Prozesskosten freizustellen. Diese Angaben genügen auch unter Berücksichtigung der in dem Hinweisbeschluss enthaltenen rechtlichen Ausführungen nicht, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Prüfung der Voraussetzungen des § 99 Abs. 1 ZPO zu ermöglichen.

3. Da der angefochtene Beschluss bereits aus diesem Grund aufzuheben ist, kommt es auf die weitere Rüge der Rechtsbeschwerde, die Klägerin sei in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt worden, weil sie von dem Hinweisbeschluss vom 20. März 2013 erst nach Erlass der angegriffenen Entscheidung zufällig erfahren habe, nicht an (zur Verpflichtung zur Anhörung des Rechtsmittelführers vor der Verwerfung eines unzulässigen Rechtsmittels vgl. Senatsbeschlüsse vom 24. Februar 2010 - [X.] 168/08 - NJW-RR 2010, 1075 Rn. 7; vom 15. August 2007 - [X.] 101/07 - NJW-RR 2007, 1718; vom 13. Juli 2005 - [X.] 80/05 - NJW-RR 2006, 142 und vom 18. Juli 2007 - [X.] 162/06 - FamRZ 2007, 1725). Nach Zurückverweisung hat das Berufungsgericht Gelegenheit, sich mit den von der Klägerin in der [X.] vorgebrachten Erwägungen zur Zulässigkeit der Berufung zu befassen.

[X.]                 [X.]

                      Botur                  [X.]

Meta

XII ZB 266/13

27.08.2014

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, 9. April 2013, Az: 5 U 2/13

§ 99 Abs 1 ZPO, § 522 Abs 1 ZPO, § 547 Nr 6 ZPO, § 576 Abs 3 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.08.2014, Az. XII ZB 266/13 (REWIS RS 2014, 3247)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3247

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