Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.09.2020, Az. 5 StR 314/20

5. Strafsenat | REWIS RS 2020, 2034

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Gegenstand

Strafverfahren: Revisionsrüge der Nichtbeachtung eines Beweisverwertungsverbots wegen Tilgungsreife einer Bundeszentralregistereintragung


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 30. März 2020 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die mit Verfahrensrügen und der Sachrüge ausgeführte Revision des Angeklagten ist im Sinne von § 349 Abs. 2 [X.] unbegründet (vgl. Antragsschrift des [X.]). Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:

2

1. Im Rahmen der Beweiswürdigung und der Strafzumessung hat das [X.] bei seinem am 30. März 2020 gesprochenen Urteil eine einschlägige Vorstrafe verwertet. Am 13. April 2005 verhängte das [X.] gegen den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern (Tatzeit 11. Juni 2000) eine Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten. Bereits am 12. Juni 2003 war er wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer (zur Bewährung ausgesetzten) Freiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat verurteilt worden. Unter Einbeziehung dieser Strafe erkannte das [X.] in seinem Urteil vom 13. April 2005 auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte.

3

2. Der Senat kann offenlassen, ob das Vorgehen des [X.]s gegen § 51 Abs. 1 BZRG verstößt (vgl. zu Fristberechnung und Fristbeginn bezüglich der [X.] § 46 Abs. 1 Nr. 3 und 4, Abs. 3, § 47 Abs. 1 i.V.m. § 35 Abs. 1 und § 36 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 BZRG; zur Fristberechnung bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung [X.], Beschluss vom 18. Januar 2001 - 1 [X.], [X.], 203; zur Fristberechnung bei nachträglicher Bildung einer einheitlichen Jugendstrafe [X.], Beschlüsse vom 28. Dezember 1983 - 4 StR 737/83; vom 19. März 2019 - 3 StR 68/19 und vom 17. Dezember 2019 - 4 [X.]; zur Berechnung der Frist allgemein [X.], Beschluss vom 15. Juli 2014 - 5 StR 270/14, [X.], 356; zur Verlängerung um die Dauer der verhängten Freiheitsstrafe [X.], Beschluss vom 25. Januar 2011 - 4 [X.], [X.], 286 mwN; vgl. insgesamt auch Tolzmann, Bundeszentralregistergesetz, Kommentar, 5. Aufl., § 23 Rn. 10, § 35 Rn. 10 [bezüglich des alleinigen [X.] auf die Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe nicht unzweifelhaft, da § 46 Abs. 1 Nr. 3 BZRG eine Verurteilung wegen einer dort bezeichneten Sexualstraftat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verlangt und damit ein erhebliches Gewicht gerade der Katalogtat voraussetzt; vgl. zur ähnlichen Problematik bei § 66 Abs. 1 Nr. 2 StGB [X.], Beschluss vom 31. Juli 1997 - 4 StR 339/97, [X.], 135 mwN], § 36 Rn. 8, § 46 Rn. 28, § 47 Rn. 6 f.). Denn auf einem etwaigen Rechtsverstoß würde das Urteil nicht beruhen (§ 337 Abs. 1 [X.], vgl. zum Maßstab [X.], NStZ 2015, 489 mwN). Der Senat schließt angesichts der tragfähigen Überzeugungsbildung des [X.]s im Übrigen und der verbleibenden Strafzumessungserwägungen aus, dass die [X.] ohne Berücksichtigung der Vorverurteilung zu einem anderen Beweisergebnis oder einer anderen Rechtsfolge gelangt wäre.

4

3. Allerdings neigt der Senat zu der Auffassung, dass ein Verwertungsverbot aus § 51 Abs. 1 BZRG entgegen der bisherigen Rechtsprechung des [X.] (vgl. nur [X.], Urteile vom 19. Juli 1972 - 3 StR 66/72, [X.]St 24, 378, 382 [„Regelung des sachlichen Rechts“]; vom 10. Januar 1973 - 2 [X.], [X.]St 25, 100, 101; Beschlüsse vom 28. August 2012 - 3 [X.], [X.]St 57, 300, 302; vom 29. Oktober 2015 - 3 [X.], [X.], 468 mwN) ohnehin nicht auf die - insoweit hier nicht näher ausgeführte - Sachrüge, sondern lediglich auf eine Verfahrensrüge hin zu beachten ist (vgl. [X.], in Festschrift für [X.], 2002, 477, 484; [X.], [X.], 745, 749).

5

Beweisverwertungsverbote wie das in Rede stehende sind nach der neueren Rechtsprechung des [X.] grundsätzlich nur auf eine Verfahrensrüge hin zu beachten, denn sie betreffen den Weg, auf dem das Gericht zu seiner Überzeugungsbildung kommt und gehören deshalb dem Verfahrensrecht an ([X.], Urteil vom 8. August 2018 - 2 [X.], [X.], 171 m. Anm. [X.]; vgl. zur Abgrenzung allgemein auch [X.]/[X.]/[X.], § 337 Rn. 43 ff.; [X.]/[X.], 26. Aufl., § 337 Rn. 41 ff.; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 337 Rn. 13 ff.; [X.], 8. Aufl., § 337 Rn. 27; [X.]/[X.], [X.], 63. Aufl., § 337 Rn. 8; [X.], aaO; [X.] in Festschrift für [X.], 2001, 559; [X.], [X.], 324; El-Ghazi, [X.] zu Sach- und Verfahrensrüge in der strafprozessualen Revision, 2014; [X.]., [X.], 439; [X.], [X.] 2016, 824). Ob ein Beweisverwertungsverbot aus § 51 Abs. 1 BZRG wegen [X.] einer Eintragung anzunehmen ist, hängt von einer Vielzahl verfahrensrechtlicher Umstände ab. Insbesondere ist es stets möglich, dass nach Einholung eines [X.] im Laufe des Verfahrens eine weitere rechtskräftige Verurteilung eingetragen wird, wodurch sich die Tilgungsfrist erheblich verlängern kann (§ 47 Abs. 3 Satz 1 BZRG; vgl. zum etwaigen nachträglichen Entfallen der [X.] wegen einer weiteren Eintragung während der einjährigen „Überliegefrist“ des § 45 Abs. 2 Satz 1 BZRG ausführlich VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Februar 2020 - 1 S 3000/19, [X.], 491 [LS]). Die Eintragung hängt nicht vom Zeitpunkt der späteren Verurteilung, sondern von demjenigen der Rechtskraft ab und kann deshalb auch erst Jahre nach dem einzutragenden Urteil erfolgen (vgl. § 34 BZRG). An[X.] als bei allen anderen [X.] müssten sämtliche diese für die [X.] relevanten Umstände (oder deren Fehlen) zwingend im Urteil dargelegt werden.

6

Zu noch gravierenderen Verwerfungen führt die Prüfung der fiktiven [X.] bei ausländischen Verurteilungen nach § 58 BZRG i.V.m. § 51 Abs. 1 BZRG auf die Sachrüge hin (vgl. dazu ausführlich [X.], Beschlüsse vom 5. Dezember 2019 - 4 StR 301/19, NStZ-RR 2020, 217; vom 19. Oktober 2011 - 4 StR 425/11, [X.], 305). Denn auch dabei dürfte aufgrund der hypothetischen Gleichsetzung mit einer inländischen Verurteilung bei der Fristberechnung nicht außer [X.] bleiben, ob Gründe für eine Ablaufhemmung nach § 46 Abs. 2 oder 3 BZRG nach dem inländischen oder dem ausländischen Register vorliegen. Zu verlangen, dass alle diese Tatsachen zur Klärung der Frage eines [X.] in den Urteilsgründen darzulegen und vom Revisionsgericht auf die Sachrüge hin gleichsam „von Amts wegen“ zu prüfen sind (vgl. [X.], aaO), wi[X.]pricht dem Charakter von [X.] und den sonst gestellten Anforderungen an die Darstellung von Verfahrensvorgängen im Urteil (vgl. [X.], Urteil vom 8. August 2018 - 2 [X.], aaO).

7

Die materiell-rechtliche Prüfung eines [X.] allein auf der Grundlage der Urteilsausführungen schafft die Gefahr wi[X.]prüchlicher Ergebnisse ([X.], aaO) und ist auch nicht mit dem Grundsatz zu vereinbaren, dass nur bewiesene tatsächliche Verfahrensfehler zur [X.] führen sollen (vgl. [X.], Beschluss vom 23. April 2007 - [X.], [X.]St 51, 298, 308 ff.). Dem revisionsführenden Angeklagten wird bei einer derartigen Verfahrensrüge nichts Unzumutbares abverlangt, da er alle Umstände, die für die [X.] einer inländischen oder ausländischen Verurteilung relevant sind, aus eigener Betroffenheit kennt.

Cirener     

        

Berger     

        

[X.]

        

Resch     

        

von Häfen     

        

Meta

5 StR 314/20

16.09.2020

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Lübeck, 30. März 2020, Az: 749 Js 4338/19 jug (2) 7a KLs

§ 51 Abs 1 BZRG, § 344 Abs 2 S 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.09.2020, Az. 5 StR 314/20 (REWIS RS 2020, 2034)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2034

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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