Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.02.2023, Az. 4 StR 453/22

4. Strafsenat | REWIS RS 2023, 686

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Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 4. April 2022 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der [X.] hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

3

2. Demgegenüber ist die Strafzumessung des [X.]s zwar durchgreifend rechtfehlerhaft. Der Strafausspruch kann aber bestehen bleiben, weil die verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren angemessen ist (§ 354 Abs. 1a Satz 1 StPO).

4

a) Das [X.] hat bei der Strafzumessung im engeren Sinn – innerhalb des gemilderten Strafrahmens (§ 29a Abs. 1 BtMG, § 27 StGB, § 49 StGB) – zulasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er bereits im [X.] in [X.] durch die Begehung einer Körperverletzungstat aufgefallen sei. Hierzu hat es festgestellt, dass der Angeklagte in [X.] nicht vorbestraft ist, eine Auskunft aus dem [X.] Strafregister aber zwei Eintragungen ausweist. Demnach wurde der Angeklagte am 21. Februar 2005 von einem [X.] Gericht wegen „einfacher Köperverletzung“ zu einer Freiheitsstrafe von vier Tagen und einer Geldstrafe in Höhe von 225 Euro verurteilt. Mit Urteil eines anderen [X.] Gerichts vom 3. September 2020, rechtskräftig seit 16. März 2021, wurde der Angeklagte unter anderem wegen Betäubungsmittel- und Waffendelikten zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.

5

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zwar dürfen bei der Strafzumessung auch rechtskräftige ausländische Vorstrafen berücksichtigt werden, wenn die Tat nach [X.] Recht strafbar wäre. Dies gilt allerdings, wie sich für nicht im Bundeszentralregister eingetragene ausländische Verurteilungen aus § 58 BZRG ergibt, nur, wenn die ausländische Verurteilung nicht tilgungsreif wäre, würde es sich bei ihr um eine solche nach [X.] Recht handeln. Liegt [X.] vor, besteht das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG. Berücksichtigt das Tatgericht eine ausländische Vorstrafe zum Nachteil des Angeklagten, die nach dem BZRG naheliegend tilgungsreif wäre, hat es daher die für die [X.] erforderlichen Feststellungen zu treffen und zu bewerten und dies im Urteil darzulegen (vgl. zum Ganzen [X.], Beschluss vom 23. September 2021 – 1 StR 329/21; Beschluss vom 5. Dezember 2019 – 4 StR 301/19, NStZ-RR 2020, 217, 218, jew. [X.]).

6

Diesen Anforderungen, deren Einhaltung der [X.] auf die Sachrüge hin zu überprüfen hat (vgl. [X.], Beschluss vom 23. September 2021 – 1 StR 329/21; Beschluss vom 5. Dezember 2019 – 4 StR 301/19, NStZ-RR 2020, 217, 218; Beschluss vom 22. Dezember 2015 – 2 [X.], [X.], 120; Beschluss vom 29. Oktober 2015 – 3 [X.], [X.], 41; Urteil vom 10. Januar 1973 – 2 [X.], [X.]St 25, 100, 101 ff.; jew. [X.]; aA [nicht tragend] Beschluss vom 16. September 2020 – 5 [X.], [X.], 412 f.), wird das Urteil nicht gerecht. Wie der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, liegt eine [X.] der [X.] Verurteilung aus dem [X.], die das [X.] dem Angeklagten strafschärfend angelastet hat, nach den für eine entsprechende inländische Vorahndung geltenden Maßgaben nahe (§ 46 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) und b) BZRG). Infolgedessen erweisen sich die zu den Vorstrafen des Angeklagten getroffenen Feststellungen des [X.]s als unzureichend, weil sie dem [X.] nicht ermöglichen, sicher zu beurteilen, ob das [X.] die strafrechtliche Vorahndung aus dem [X.] bei der Strafzumessung rechtsfehlerfrei zu Ungunsten des Angeklagten berücksichtigt hat.

7

b) Der Rechtsfehler erfordert indes nicht die Aufhebung des Strafausspruchs und die Zurückverweisung der Sache, weil die verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren gleichwohl angemessen ist (§ 354 Abs. 1a Satz 1 StPO). Ob eine Rechtsfolge als angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1a StPO angesehen werden kann, hat das Revisionsgericht auf der Grundlage der Feststellungen des angefochtenen Urteils unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte, insbesondere aller nach § 46 StGB für die Strafzumessung erheblichen Umstände, zu beurteilen (vgl. nur [X.], Beschluss vom 25. Juni 2019 – 2 StR 94/19 [X.]).

8

Die bei verfassungskonformer Auslegung erforderlichen Voraussetzungen für eine Entscheidung des [X.] nach § 354 Abs. 1a StPO (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 14. Juni 2007 – 2 BvR 136/05 u. 1447/05, [X.], 598) liegen vor. Der Beschwerdeführer hatte Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer etwaigen Aufrechterhaltung des Strafausspruchs als angemessen, nachdem diese bereits vom [X.] in seiner Antragsschrift angeregt worden war. Dem [X.] steht ein zutreffend ermittelter, vollständiger und aktueller Strafzumessungssachverhalt zur Verfügung. Anhaltspunkte für erst nach der erstinstanzlichen Hauptverhandlung eingetretene und dementsprechend bisher nicht berücksichtigte Entwicklungen oder Ereignisse, die ein neuer Tatrichter naheliegend feststellen und zugunsten des Angeklagten berücksichtigen würde, bestehen nicht.

9

Für die Beurteilung der Angemessenheit ist von dem durch das [X.] rechtsfehlerfrei zugrunde gelegten Strafrahmen auszugehen, der sich aus der Milderung des Regelstrafrahmens des § 29a BtMG gemäß § 49 StGB i.V.m. § 27 StGB ergibt. Was das maßgebliche Gewicht der Tathandlung des Angeklagten betrifft, so entnimmt der [X.] dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, insbesondere den Ausführungen der Strafkammer zur Beweiswürdigung (DNA-Spuren), dass der Angeklagte an der Herstellung des in sehr großem Umfang produzierten Amphetamin eigenhändig mitwirkte, indem er mit zur Synthese desselben benötigten Chemikalien umging. Angesichts dessen und unter Abwägung aller weiteren für die Strafzumessung bedeutsamen Urteilsfeststellungen hält der [X.] die Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten ebenso wie den [X.] in Höhe von drei Monaten, den das [X.] im Hinblick auf das sich durch die [X.] Verurteilung vom 3. September 2020 ergebende Gesamtstrafübel gewährt hat, für angemessen.

[X.]     

      

Maatsch     

      

Scheuß

      

Messing     

      

Momsen-Pflanz     

      

Meta

4 StR 453/22

02.02.2023

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bielefeld, 4. April 2022, Az: 20 KLs 8/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.02.2023, Az. 4 StR 453/22 (REWIS RS 2023, 686)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 686

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Zitiert

1 StR 329/21

4 StR 301/19

2 StR 207/15

3 StR 382/15

5 StR 314/20

2 StR 94/19

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