Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.03.2023, Az. 6 AZR 130/22

6. Senat | REWIS RS 2023, 2177

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Gegenstand

TV-Ärzte/VKA - "Aufstellung" des Dienstplans - Zuschlag


Leitsatz

Ein Dienstplan ist iSd. § 10 Abs. 11 Satz 1 TV-Ärzte/VKA bereits dann "aufgestellt", wenn der Arbeitgeber in Ausübung seines Direktionsrechts die anfallenden Dienste geplant und den Dienstplan bekannt gemacht hat. Nicht erforderlich ist, dass der Betriebs- bzw. Personalrat dem Dienstplan zustimmt oder die Einigung durch die Einigungsstelle ersetzt wird.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] - [X.] - vom 2. Februar 2022 - 19 [X.]/21 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung von Zuschlägen zu (Ruf-)Bereitschaftsdiensten wegen der verspäteten Aufstellung von Dienstplänen.

2

Der Kläger ist bei der [X.], die ein [X.] betreibt, als Oberarzt tätig. Auf das Arbeitsverhältnis ist der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der [X.] ([X.]/[X.]) anzuwenden.

3

Der Kläger ist verpflichtet, nach Maßgabe des § 10 [X.]/[X.] Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft zu leisten. Die zum 1. Januar 2020 neu in den Tarifvertrag eingefügten § 10 Abs. 10 bis 12 [X.]/[X.] lauten in der hier maßgeblichen Fassung des [X.] Nr. 7 vom 22. Mai 2019 wie folgt:

        

§ 10 

        

Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft

        

…       

        

(10)   

1Bei der Anordnung von Bereitschaftsdiensten gemäß der Absätze 2 bis 5 hat die Ärztin / der Arzt grundsätzlich innerhalb eines [X.] monatlich im Durchschnitt nur bis zu vier Bereitschaftsdienste zu leisten. 2Darüber hinausgehende Bereitschaftsdienste sind nur zu leisten, wenn andernfalls eine Gefährdung der Patientensicherheit droht. 3Die Bewertung der die Grenze nach [X.] 1 überschreitenden Dienste richtet sich nach § 12 Abs. 3 [X.] 3.

                 

…       

        

(11)   

1Die Lage der Dienste der Ärztinnen und Ärzte wird in einem Dienstplan geregelt, der spätestens einen Monat vor Beginn des jeweiligen Planungszeitraumes aufgestellt wird. 2Wird die vorstehende Frist nicht eingehalten, so erhöht sich die Bewertung des Bereitschaftsdienstes gemäß § 12 Abs. 1 [X.] 1 für jeden Dienst des zu planenden Folgemonats um 10 (ab 1. Januar 2023 17,5) Prozentpunkte bzw. wird zusätzlich zum Rufbereitschaftsentgelt ein Zuschlag von 10 (ab 1. Januar 2023 17,5) Prozent des Entgelts gemäß § 11 Abs. 3 auf jeden Dienst des zu planenden Folgemonats gezahlt. 3Ergeben sich nach der Aufstellung des [X.] Gründe für eine Änderung des [X.], die in der Person einer Ärztin / eines Arztes begründet sind oder die auf nicht vorhersehbaren Umständen beruhen, kann der Dienstplan nach Aufstellung geändert werden. 4Die Mitbestimmung nach der Aufstellung des [X.] bleibt unberührt. 5Liegen bei einer notwendigen Dienstplanänderung nach [X.] 3 zwischen der Dienstplanänderung und dem Antritt des Dienstes weniger als drei Tage, erhöht sich die Bewertung des Bereitschaftsdienstes gemäß § 12 Abs. 1 [X.] 1 um 10 (ab 1. Januar 2023 17,5) Prozentpunkte bzw. wird zusätzlich zum Rufbereitschaftsentgelt ein Zuschlag von 10 (ab 1. Januar 2023 17,5) Prozent des Entgelts gemäß § 11 Abs. 3 gezahlt.

        

(12)   

1Bei der Anordnung von Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft gemäß der Absätze 2 bis 9 hat die Ärztin / der Arzt an mindestens zwei Wochenenden (Freitag ab 21 Uhr bis Montag 5 Uhr) pro Monat im Durchschnitt innerhalb eines [X.] keine Arbeitsleistung (regelmäßige Arbeit, Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft) zu leisten. 2Darüber hinausgehende Arbeitsleistung (regelmäßige Arbeit, Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft) sind nur zu leisten, wenn andernfalls eine Gefährdung der Patientensicherheit droht. 3Auf Antrag der Ärztin / des Arztes sind die nach [X.] 2 nicht gewährten freien Wochenenden innerhalb des nächsten [X.] zusätzlich zu gewähren, jede weitere Übertragung auf das darauffolgende Kalenderhalbjahr ist nicht möglich. 4Am Ende dieses zweiten [X.] müssen alle freien Wochenenden gewährt sein. 5Der Antrag nach [X.] 3 ist innerhalb von vier Wochen nach Ablauf des Ausgleichszeitraumes nach [X.] 1 zu stellen. 6Jedenfalls ein freies Wochenende pro Monat ist zu gewährleisten.

        

…“    

4

Für die Monate Februar bis September 2020 gab die Beklagte den Beschäftigten die Dienstpläne unter Wahrung der Monatsfrist des § 10 Abs. 11 [X.] 1 [X.]/[X.] bekannt, ohne dass der Betriebsrat diesen Plänen zuvor zugestimmt hatte oder sie genehmigte. Seine Verweigerung begründete er mit von ihm angenommenen Verstößen gegen das [X.]. Die Beklagte leitete kein Einigungsstellenverfahren ein.

5

Der Kläger leistete 16 von ihm im Einzelnen benannte Bereitschafts- bzw. Rufbereitschaftsdienste entsprechend den für Februar bis September 2020 bekannt gegebenen Dienstplänen. Nach fristwahrender schriftlicher Geltendmachung hat er mit seiner Klage die Zahlung der Zuschläge gemäß § 10 Abs. 11 [X.]/[X.] für diese Dienste in zwischen den Parteien rechnerisch unstreitiger Höhe gerichtlich geltend gemacht.

6

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die von ihm geleisteten Dienste seien zuschlagspflichtig. Die Fristwahrung in § 10 Abs. 11 [X.]/[X.] setze nicht nur voraus, dass der Arbeitgeber überhaupt einen Dienstplan rechtzeitig bekannt gebe. Der Dienstplan müsse auch wirksam, insbesondere unter Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats und der Vorgaben des [X.]es, zustande gekommen sein. Nur dann sei er rechtsverbindlich und nur dann könne sich der Beschäftigte verlässlich auf den Dienstplan einstellen. § 10 Abs. 11 [X.]/[X.] bezwecke gerade eine bessere Planbarkeit von Arbeit und Freizeit für die Beschäftigten. Der Beschäftigte könne auch nicht auf sein Leistungsverweigerungsrecht verwiesen werden. Dies werde den praktischen Gegebenheiten im Krankenhausbereich nicht gerecht.

7

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.319,72 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, § 10 Abs. 11 [X.]/[X.] regele nur Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Er verlange lediglich, dass der Arbeitgeber als Inhaber des Direktionsrechts den Dienstplan rechtzeitig aufstelle und bekannt gebe. Einen Bezug zum Mitbestimmungsverfahren nach dem [X.] oder zum Beteiligungsverfahren nach dem Personalvertretungsrecht lasse der Tarifvertrag nicht erkennen. Gerade der von § 10 Abs. 11 [X.]/[X.] bezweckten Planungssicherheit für die Beschäftigten widerspräche das Erfordernis eines mitbestimmten [X.]. Bis zum Abschluss des Mitbestimmungsverfahrens einschließlich eines etwaigen Einigungsstellenverfahrens könnten Wochen und Monate oder sogar, bei gerichtlicher Anfechtung des Einigungsstellenspruchs, Jahre vergehen.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat auf die Berufung der [X.] das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision möchte der Kläger die Wiederherstellung des klagestattgebenden Urteils erster Instanz erreichen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.] ist unbegründet. Der Kläger hat für die streitgegenständlichen 16 (Ruf-)[X.]ereitschaftsdienste der Monate Februar bis September 2020 keinen Anspruch auf Zahlung des Zuschlags gemäß § 10 Abs. 11 Satz 2 [X.]/[X.]. Das hat das [X.] zutreffend erkannt.

I. Die [X.]eklagte hat die Dienstpläne spätestens einen Monat vor [X.]eginn des jeweiligen Planungszeitraumes gegenüber ihren [X.]eschäftigten, ua. dem Kläger bekannt gegeben. Der Kläger hat seine Dienste entsprechend der Festlegungen in diesen Dienstplänen geleistet. Das ist zwischen den Parteien unstreitig.

II. Damit hat die [X.]eklagte die den geleisteten Diensten zugrundeliegenden Dienstpläne rechtzeitig iSd. § 10 Abs. 11 Satz 1 [X.]/[X.] „aufgestellt“. Dabei kann dahinstehen, ob die aufgestellten Dienstpläne tatsächlich - wie von der Revision behauptet - gegen das [X.] verstießen. Auch ist unerheblich, dass der [X.]etriebsrat den Dienstplänen nicht zugestimmt hat. Ein Dienstplan ist iSd. § 10 Abs. 11 Satz 1 [X.]/[X.] bereits dann „aufgestellt“, wenn der Arbeitgeber in Ausübung seines Direktionsrechts (§ 106 Satz 1 [X.]) die im Planungszeitraum anfallenden Dienste geplant und den Dienstplan den von ihm betroffenen [X.]eschäftigten bekannt gemacht hat. Das ergibt die Auslegung des Tarifvertrags.

1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags, die in der Revisionsinstanz in vollem Umfang überprüfbar ist, folgt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom [X.]. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am [X.]uchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt ([X.] 20. Juli 2022 - 7 [X.] - Rn. 20; 7. Februar 2019 - 6 [X.] - Rn. 27; 22. März 2018 - 6 [X.] - Rn. 17).

2. [X.]ereits der [X.] spricht dafür, dass ein Dienstplan iSd. § 10 Abs. 11 Satz 1 [X.]/[X.] schon „aufgestellt“ ist, wenn ihn der Arbeitgeber erarbeitet und gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern entsprechend der betrieblichen Gepflogenheiten (bspw. durch Aushang oder Einstellen im Intranet) bekannt gegeben hat, der Dienstplan mit anderen Worten „in der Welt ist“.

a) [X.]ei der Wortlautauslegung ist, wenn die Tarifvertragsparteien einen [X.]egriff - wie vorliegend - nicht eigenständig definieren, erläutern oder einen feststehenden Rechtsbegriff verwenden, vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen ([X.] 20. Juli 2022 - 10 [X.] - Rn. 16; 24. Februar 2021 - 10 [X.] - Rn. 18; vgl. auch [X.] 23. Februar 2022 - 4 [X.] - Rn. 48; 16. Mai 2019 - 6 [X.] - Rn. 20).

b) Unter dem „Aufstellen“ eines Plans wird gemeinhin seine Ausarbeitung bzw. sein Niederschreiben verstanden. Im Allgemeinen ist ein Plan aufgestellt, wenn er erarbeitet ([X.] Deutsches Universalwörterbuch 9. Aufl. Stichwort „aufstellen“) bzw. erdacht und veröffentlicht ([X.] Deutsches Wörterbuch 9. Aufl. Stichwort „aufstellen“) ist. Mit dem Aufstellen eines Plans wird also lediglich der tatsächliche Vorgang seiner Errichtung und Verlautbarung/[X.]ekanntgabe bezeichnet, ohne dass bereits darauf abgestellt wird, ob der Plan bestimmten (Wirksamkeits-)Voraussetzungen genügt. Letzteres wird im allgemeinen Sprachgebrauch vielmehr durch die zusätzliche Verwendung eines Adjektivs wie „gültig“ oder „(rechts-)wirksam“ zum Ausdruck gebracht. An dieses allgemeine Sprachverständnis knüpft § 10 Abs. 11 Satz 1 [X.]/[X.] offenkundig an.

3. Weder rechts- noch tarifsystematische Gesichtspunkte stehen dieser Auslegung entgegen.

a) Gemäß § 106 Satz 1 [X.] iVm. § 611a Abs. 1 Satz 2 [X.]G[X.] kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit die Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, [X.]etriebsvereinbarung oder Gesetz festgelegt sind. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers dient der Konkretisierung des vertraglich vereinbarten Tätigkeitsinhalts ua. in zeitlicher Hinsicht (vgl. [X.] 30. November 2022 - 5 [X.] - Rn. 18; 27. Juli 2021 - 9 [X.] - Rn. 21; [X.]/Preis 23. Aufl. [X.] § 106 Rn. 31).

Wird in einem [X.]etrieb der Einsatz der Arbeitnehmer üblicherweise durch einen Dienstplan geregelt, übt der Arbeitgeber sein Direktionsrecht durch die [X.]ekanntgabe des von ihm erarbeiteten [X.] aus (vgl. [X.] 12. März 2019 - 1 [X.] - Rn. 40, [X.]E 166, 79). Dadurch konkretisiert er auf [X.] die Leistungsverpflichtung der betroffenen Arbeitnehmer in zeitlicher Hinsicht. An diese Ausgangssituation knüpft § 10 Abs. 11 Satz 1 [X.]/[X.] an. Aus diesem Grund ist es entgegen der Annahme des [X.] unerheblich, dass der Arbeitgeber als „Subjekt“ der Dienstplanerstellung im Tarifvertrag nicht genannt ist. Letzterer modifiziert das Direktionsrecht des Arbeitgebers lediglich dahingehend, dass die Dienste iSd. § 10 Abs. 11 [X.]/[X.] ([X.]ereitschaftsdienst und Rufbereitschaft) in einem Dienstplan zu regeln sind, der spätestens einen Monat vor [X.]eginn des jeweiligen Planungszeitraumes aufgestellt wird (vgl. zum Erfordernis einer Ankündigungsfrist bei der Ausübung des Direktionsrechts [X.] 17. Januar 1995 - 3 [X.] - zu II 2 d bb der Gründe, [X.]E 79, 104; sowie § 12 Abs. 3 Tz[X.]fG im Fall der Abrufarbeit).

b) Dafür, dass § 10 Abs. 11 Satz 1 [X.]/[X.] darüber hinaus die rechtswirksame Ausübung des Direktionsrechts voraussetzt, bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte. Das betrifft zum einen die Frage, ob der Dienstplan und damit das ausgeübte Direktionsrecht den durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, [X.]etriebsvereinbarung oder Gesetz (z[X.] [X.]) gezogenen Grenzen bzw. billigem Ermessen entspricht. Es betrifft zum anderen aber auch die von der Revision angenommene mitbestimmungsrechtliche Zulässigkeit des [X.]. Zwar hat der [X.]etriebsrat bei der Aufstellung des [X.] gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 [X.]etrVG mitzubestimmen. Der Arbeitgeber verstößt im Verhältnis zum [X.]etriebsrat gegen diese betriebsverfassungsrechtliche Norm, soweit der [X.]etriebsrat den Dienstplänen nicht zuvor zugestimmt und auch die Einigungsstelle die Einigung der [X.]etriebsparteien nicht ersetzt hat ([X.] 12. März 2019 - 1 [X.] - Rn. 40, [X.]E 166, 79; vgl. bereits [X.] 9. Juli 2013 - 1 [X.] - Rn. 16, [X.]E 145, 330; 18. April 1989 - 1 [X.] - zu [X.] 2 a der Gründe, [X.]E 61, 305). Vergleichbare Regelungen bestehen im [X.]ereich des [X.] (§§ 70 ff., 80 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 2 [X.][X.]; dazu [X.]VerwG 2. März 1993 - 6 P 34.91 -; 9. Oktober 1991 - 6 P 12.90 -; 12. März 1986 - 6 P 5.85 - [X.]VerwGE 74, 100; zur Rufbereitschaft [X.]VerwG 4. September 2012 - 6 P 10.11 - Rn. 8 ff.; [X.]/[X.] 11. Aufl. § 80 Rn. 18 ff., insbesondere Rn. 31, 35 ff.; Fischer/[X.] in [X.] [X.]d. V K § 75 Stand April 2008 Rn. 75a; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.] Personalvertretungsrecht 5. Aufl. § 75 Rn. 231 ff.; in [X.] § 74 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 LPVG [X.]). Die Regelung in § 10 Abs. 11 Satz 1 [X.]/[X.] knüpft aber hieran nicht an. Sie ist betriebsverfassungs- bzw. personalvertretungsrechtlich „neutral“ und betrifft, ebenso wie die zeitgleich in den Tarifvertrag eingefügten Absätze 10 und 12 des § 10 [X.]/[X.] (dazu [X.] 2019, 659, 663), ausschließlich das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Sie regelt eine individualrechtliche Pflicht des Arbeitgebers.

c) Diesem Verständnis steht § 10 Abs. 11 Satz 4 [X.]/[X.], wonach die Mitbestimmung nach der Aufstellung des [X.] unberührt bleibt, nicht entgegen. Diese Tarifnorm ist aufgrund ihrer systematischen Stellung im Zusammenhang mit den Sätzen 3 und 5 des Absatzes 11 zu lesen. Die Tarifvertragsparteien haben in Satz 3 erkannt, dass der Arbeitgeber aus Gründen in der Person einer Ärztin/eines Arztes (z[X.] Erkrankung oder andere kurzfristige Dienstverhinderung) oder aufgrund nicht vorhersehbarer Umstände (z[X.] Entwicklung der Fallzahlen, Schwere der Fälle, vgl. [X.]/[X.] TVöD Teil [X.] 5.1 § 10 [X.]/[X.] Stand Januar 2023 Rn. 78) gezwungen sein kann, den zunächst fristgerecht aufgestellten Dienstplan zu ändern. Eine solche „notwendige [X.]“ ist kein Fall des Satzes 1 und löst nicht den Zuschlag nach Satz 2, sondern allenfalls denjenigen nach Satz 5 unter den dort genannten Voraussetzungen aus (vgl. [X.]/[X.] aaO Rn. 79). Sie ist aber ihrerseits mitbestimmungspflichtig (vgl. [X.] 9. Juli 2013 - 1 [X.] - Rn. 16, [X.]E 145, 330). Durch § 10 Abs. 11 Satz 4 [X.]/[X.] haben die Tarifvertragsparteien klargestellt, dass die Zulässigerklärung der [X.] nach Satz 3 Mitbestimmungsrechte des [X.]etriebs-/Personalrats nicht verdrängt oder ersetzt. Diese bleiben vielmehr unberührt und sind insbesondere durch eine Zustimmung des [X.]etriebsrats zu der ursprünglichen Dienstplanung nicht verbraucht. Damit betrifft Satz 4 nur den Fall der „notwendigen [X.]“, nicht aber die Aufstellung des [X.] nach Satz 1. Im Hinblick auf die Auslegung des Satzes 1 bestätigt er jedoch die betriebsverfassungsrechtliche Neutralität der Tarifnorm.

4. Entscheidend gegen die Annahme der Revision, § 10 Abs. 11 Satz 1 [X.]/[X.] setze einen rechtswirksamen Dienstplan voraus, sprechen schließlich Sinn und Zweck der Zuschlagsregelung.

a) Die Vorschrift des § 10 Abs. 11 [X.]/[X.] insgesamt, besonders aber dessen Satz 1, bezweckt, den Ärztinnen und Ärzten ein bestimmtes Maß an Planungssicherheit im Hinblick auf die zeitliche Lage der von ihnen zu leistenden Dienste zu gewähren ([X.]/[X.]/[X.]/[X.] TVöD Teil IIa § 10 [X.]/[X.] Stand Oktober 2019 Rn. 95). Die [X.]eschäftigten sollen rechtzeitig wissen, wann sie ihre Dienste zu erbringen und wann sie Freizeit haben. Auch sollen sie sich grundsätzlich darauf verlassen können, entsprechend der Festlegungen eines einmal aufgestellten [X.] eingesetzt zu werden. Dementsprechend soll der Arbeitgeber dazu angehalten werden, die Dienste seiner [X.]eschäftigten rechtzeitig zu planen.

b) Mit dem Zuschlag zugunsten der Ärztinnen und Ärzte nach § 10 Abs. 11 Satz 2 [X.]/[X.] soll die verspätete Aufstellung des [X.] sanktioniert werden ([X.]/[X.] TVöD Teil [X.] 5.1 § 10 [X.]/[X.] Stand Januar 2023 Rn. 77). Der Zuschlag stellt mithin auf [X.] einen finanziellen Ausgleich für die Einbuße der betroffenen [X.]eschäftigten an Planungssicherheit, nicht aber für einen etwaigen Verstoß gegen die Vorgaben bspw. des [X.]es oder für die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des [X.]etriebs-/Personalrats dar. Aus diesem Grund kommt es für die Frage der Zuschlagszahlung nicht darauf an, ob der Arbeitgeber etwaige Verstöße erkennen kann oder Dienstpläne sogar bewusst entgegen der gesetzlichen Vorgaben oder ohne [X.]eteiligung des [X.]etriebs-/Personalrats aufstellt. Diese Differenzierung bestätigt den im Rahmen der grammatikalischen und systematischen Auslegung gezogenen Schluss, dass § 10 Abs. 11 [X.]/[X.] Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber regelt und betriebsverfassungsrechtlich neutral ist.

Zudem sehen das [X.]etriebsverfassungs- und das Personalvertretungsrecht bei Verletzungen von Mitbestimmungsrechten eines Kollektivorgans grundsätzlich Feststellungs- und ggf. Unterlassungsansprüche des Kollektivorgans vor (vgl. § 23 Abs. 3 [X.]etrVG, allgemeiner Unterlassungsanspruch; zu letzterem Fitting 31. Aufl. § 23 Rn. 99 ff.; zur Rechtslage im Personalvertretungsrecht: [X.]/[X.] [X.][X.] 11. Aufl. § 70 Rn. 52 ff.; [X.] in [X.]/[X.] [X.][X.] 15. Aufl. § 70 Rn. 20a mwN; hier lehnt das [X.]VerwG einen allgemeinen Unterlassungsanspruch ab, vgl.: [X.]VerwG 29. April 2022 - 5 [X.] - Rn. 12, [X.]VerwGE 175, 270; 15. Dezember 1978 - 6 P 13.78 -; kritisch dazu [X.] aaO Rn. 20f; [X.]/[X.] aaO Rn. 64).

c) Dem dargestellten Zweck der Planungssicherheit würde es zuwiderlaufen, wenn § 10 Abs. 11 Satz 1 und Satz 2 [X.]/[X.] zur Fristwahrung voraussetzten, dass nur ein rechtswirksamer, insbesondere mitbestimmter Dienstplan „aufgestellt“ ist. [X.]ei möglichen Verstößen des [X.] gegen ([X.] oder gesetzliche Vorgaben stünde im Streitfall erst nach rechtskräftiger gerichtlicher Klärung fest, ob der Dienstplan für den Arbeitnehmer verbindlich „aufgestellt“ ist. Entsprechendes gölte im Fall der Zustimmungsverweigerung durch den [X.]etriebs- oder Personalrat, wobei hier zuvor noch das Stufen- (§ 71 [X.][X.]) und/oder Einigungsstellenverfahren (§ 76 [X.]etrVG, §§ 72 ff. [X.][X.]) zu durchlaufen wäre/n. Dieser Zeitverzug machte eine zuverlässige Planung - § 10 Abs. 11 [X.]/[X.] geht grundsätzlich von einem monatlichen Planungszeitraum aus - unmöglich. Dies hätte entgegen der Annahme der Revision nicht ein Mehr an Planungssicherheit zur Folge, sondern stünde dieser entgegen. Das Gleiche gölte, soweit man - wie die Revision - davon ausginge, dass § 10 Abs. 11 [X.]/[X.] dem Arbeitgeber auch die Möglichkeit eröffnete, das Mitbestimmungsverfahren erst im Nachgang zur [X.]ekanntgabe des [X.] „auf eigenes Risiko“ durchzuführen und die verweigerte Zustimmung des [X.]etriebsrats dazu führte, dass der Dienstplan nachträglich nicht mehr als rechtzeitig aufgestellt anzusehen wäre.

Soweit die Revision anführt, der Arbeitgeber könne einem etwaigen Zeitverzug mit einer diesen bereits berücksichtigenden, entsprechend frühzeitigen Planung begegnen, überzeugt dies nicht. [X.]ei einer anzunehmenden Verfahrensdauer von mehreren Monaten, wenn nicht Jahren bis zu einer endgültigen gerichtlichen Klärung könnte der Arbeitgeber keine vernünftige, sachangemessene und die Interessen der [X.]eschäftigten ausreichend berücksichtigende (§ 106 Satz 1 [X.]) Planung mehr vornehmen. Eine Planung mehrere Monate oder sogar Jahre im Voraus ist schlicht unmöglich (vgl. [X.] 12. März 2019 - 1 [X.] - Rn. 59, [X.]E 166, 79).

d) Schließlich führte das Tarifverständnis der Revision zu einer unterschiedlichen [X.]ehandlung von [X.]etrieben mit und ohne [X.]etriebs- bzw. Personalrat. Eine solche ist aber angesichts des mit § 10 Abs. 11 [X.]/[X.] verfolgten Zwecks nicht gerechtfertigt. Die mit dem Zuschlag nach Satz 2 dieser Tarifnorm auszugleichende Einbuße an Planungssicherheit ist nicht davon abhängig, ob ein [X.]etriebs- bzw. Personalrat besteht oder nicht.

5. Die dargelegte Tarifauslegung führt zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung.

a) Vorstehendes Verständnis des § 10 Abs. 11 Satz 1 [X.]/[X.] stellt den betroffenen Arbeitnehmer nicht rechtlos.

aa) Sofern der Arbeitgeber bei der Aufstellung des [X.] gesetzliche, tarifvertragliche, sich aus einer [X.]etriebs-/Dienstvereinbarung ergebende oder arbeitsvertragliche Konkretisierungen des Direktionsrechts missachtet bzw. dessen Ausübung nicht billigem Ermessen entspricht, ist der Arbeitnehmer nicht, auch nicht vorläufig, verpflichtet, entsprechend der Festlegungen des Arbeitgebers tätig zu werden. Er kann die Erbringung der Dienste grundsätzlich verweigern, ohne seine vertragliche Leistungspflicht zu verletzen ([X.] 28. Juni 2018 - 2 [X.] - Rn. 18; 18. Oktober 2017 - 10 [X.] - Rn. 58 ff., [X.]E 160, 296; 14. September 2017 - 5 [X.]/17 - Rn. 2, [X.]E 160, 181; 14. Juni 2017 - 10 [X.] (A) - Rn. 60 ff.). Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer nach einem Dienstplan tätig werden soll, hinsichtlich dessen der Arbeitgeber die - ggf. durch die Einigungsstelle ersetzte - Einigung mit dem [X.]etriebsrat nicht herbeigeführt hat (sog. Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung, vgl. [X.] 25. Februar 2015 - 1 [X.] - Rn. 47, [X.]E 151, 35). Auch im Personalvertretungsrecht kann die Verletzung eines Mitbestimmungsrechts dazu führen, dass Entscheidungen des Arbeitgebers unwirksam sind ([X.] 24. September 2015 - 6 [X.] - Rn. 35; 21. November 2013 - 6 [X.] - Rn. 84; 22. Mai 2012 - 1 [X.] - Rn. 29; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.] Personalvertretungsrecht 5. Aufl. § 75 Rn. 229). Den Arbeitnehmern steht auch hier ein Leistungsverweigerungsrecht zu ([X.]/[X.] aaO Rn. 261). Sofern die Revision darauf hinweist, dass insbesondere im Krankenhausbereich die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts aus Gründen der Patientensicherheit fernliege, mag dies rein tatsächlich so sein. Gleichwohl haben die Tarifvertragsparteien die [X.] offenkundig als ausreichende Sanktion für die Rechtswidrigkeit des [X.] angesehen (vgl. für die tarifwidrige Anordnung von Rufbereitschaft [X.] 25. März 2021 - 6 [X.] - Rn. 30 f., [X.]E 174, 316).

bb) [X.] kann den Zuschlag des § 10 Abs. 11 [X.]/[X.] zudem mittelbar auslösen. Das ist denkbar, wenn Arbeitnehmer aus den dargestellten Gründen die Erbringung der Arbeitsleistung verweigern, sich der Arbeitgeber in der Folge zur [X.] oder sogar Neuaufstellung veranlasst sieht und deswegen die Fristen des § 10 Abs. 11 [X.]/[X.] nicht mehr einhalten kann (vgl. [X.] 2022, 210). Hält der Arbeitgeber aber an dem einmal fristgerecht aufgestellten Dienstplan fest und erbringt der Arbeitnehmer seine Dienste entsprechend dessen Festlegungen, löst dies die Zuschlagspflicht des § 10 Abs. 11 [X.]/[X.] nicht aus.

b) Demgegenüber wäre bei Zugrundelegung des von der Revision angenommenen Tarifverständnisses aufgrund der in Rn. 26 f. aufgezeigten zeitlichen Friktionen eine rechtzeitige Planung mit so großen Schwierigkeiten verbunden, dass der Arbeitgeber Gefahr liefe, den als Sanktion gedachten Zuschlag gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 [X.]/[X.] entgegen der tariflichen Konzeption unter Umständen regelhaft zahlen zu müssen. Ein solcher Wille der Tarifvertragsparteien zur Vereinbarung eines weiteren ständigen Vergütungsbestandteils lässt sich dem Tarifvertrag jedoch nicht entnehmen. Diese gehen vielmehr davon aus, dass die fristgerechte Aufstellung des [X.] die Regel, die den Zuschlag auslösende, verspätete die Ausnahme ist.

III. Die - unstreitige - Verletzung des Mitbestimmungsrechts für sich allein hat ebenfalls nicht zur Folge, dass der Kläger Anspruch auf den geltend gemachten Zuschlag hätte. Nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung führt die Verletzung von Mitbestimmungsrechten der Arbeitnehmervertretung nicht zu individualrechtlichen, zuvor noch nicht bestehenden Ansprüchen der betroffenen Arbeitnehmer. Die tatsächlich durchgeführte Mitbestimmung ist Wirksamkeitsvoraussetzung für Maßnahmen zum Nachteil des Arbeitnehmers. [X.]enachteiligend sind jedoch nur solche Maßnahmen, die bereits bestehende Rechtspositionen des Arbeitnehmers schmälern. Auch bei Nichtbeachtung des Mitbestimmungsrechts erhält der Arbeitnehmer keinen Erfüllungsanspruch auf Leistungen, die der Arbeitgeber nach dem Arbeits- oder Tarifvertrag nicht schuldet (vgl. [X.] 24. September 2015 - 6 [X.] - Rn. 35 mwN; 25. Februar 2015 - 1 [X.] - Rn. 47 mwN, [X.]E 151, 35; 25. April 2013 - 6 [X.] - Rn. 43 mwN; zum [X.]: [X.]/[X.] [X.][X.] 11. Aufl. § 70 Rn. 61 [X.]; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.] Personalvertretungsrecht 5. Aufl. § 75 Rn. 229a, 261). So liegt es hier.

IV. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Spelge    

        

    [X.]    

        

    Heinkel    

        

        

        

    J. Kühner    

        

    M. Geyer    

                 

Meta

6 AZR 130/22

16.03.2023

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Mannheim, 9. Juli 2021, Az: 12 Ca 28/21, Urteil

§ 1 TVG, § 87 Abs 1 Nr 2 BetrVG, § 106 GewO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.03.2023, Az. 6 AZR 130/22 (REWIS RS 2023, 2177)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2177

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