Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.03.2015, Az. VI ZR 179/13

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 13602

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR
179/13
vom

24. März 2015

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am
24. März
2015 durch den Vorsitzenden [X.], [X.], [X.], Offenloch
und die Rich-terin Dr.
Oehler

beschlossen:
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten zu 4 wird als [X.] verworfen.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu 1 bis 3 wird das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 27. März 2013 im Kostenpunkt
-
mit Ausnahme der Entschei-dung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 5 und 6
-
und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der [X.] zu 1 bis 3 erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde -
mit Ausnahme der außergerichtli-chen Kosten des Beklagten zu 4, die dieser zu tragen hat
-, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

-
3
-

Gründe:
I.
1. Der Kläger nimmt -
soweit im [X.] noch von Interesse
-
die Beklagten zu 1 und 2 auf Zahlung von rund 4,5 Mio.

Schadensersatz und den Beklagten zu 3 auf Feststellung einer entsprechenden Schadensersatzforderung zur Tabelle wegen [X.] bei der Er-richtung der Kläranlage "S.

See" in R.

in Anspruch. Hinsichtlich des Beklagten zu 4 ist der Rechtsstreit in der Berufungsinstanz übereinstimmend für erledigt erklärt worden.
Die Beklagte zu 1 wurde -
unter anderer Firmierung
-
am 10. Mai 1991 vom Rechtsvorgänger des [X.] mit der Planung der Kläranlage "S.

See" beauftragt. Der Beklagte zu 2 war damals Geschäftsführer der Beklagten zu
1.
Der Beklagte zu 3 ist Konkursverwalter über das
Vermögen der früheren St.

-

GmbH & Co. KG (nachfolgend: [X.]

). Der [X.] zu 4 war Geschäftsführer der Komplementärin der [X.]

,
welche die Kläranlage im Auftrag des Rechtsvorgängers des [X.] errichtete. Dem am 1. November 1991 zu einem Pauschalpreis von netto 21,35 Mio. [X.] erteilten Auftrag war eine beschränkte Ausschreibung vorangegangen.
Der Kläger behauptet insbesondere, es sei eine lediglich vorgetäuschte beschränkte Ausschreibung durchgeführt worden. Auf Weisung des Beklagten zu 4 seien im Büro der [X.]

für die pro forma neben der [X.]

beteiligten drei
weiteren Unternehmen Leistungsverzeichnisse mit einem höheren Endpreis ausgefüllt worden, welche der Zeuge T.

ab-sprachegemäß den zwei weiteren beteiligten Unternehmen, welche dann tat-sächlich ein Angebot abgegeben haben, persönlich zur Unterschrift und zur An-fertigung eines Begleitschreibens vorbeigebracht habe. Der Submissionsvor-1
2
3
-
4
-

schlag sei anschließend aus dem Büro der [X.]

über die [X.] zu 1 und 2 an den Rechtsvorgänger des [X.] weitergeleitet worden. Durch die Machenschaften der Beklagten sei es zu einem weit überhöhten Ge-samtpreis gekommen.
Die Beklagten behaupten unter anderem, dass es an einem Schaden fehle, da die Kläranlage zu einem deutlich niedrigeren Preis pro Einwohner-gleichwert gebaut worden sei als vergleichbare Anlagen.
2. Das [X.] hat die Klage abgewiesen, da der hypothetische Wettbewerbspreis bei keiner Art der Kostenermittlung (nach [X.], nach Leistungsverzeichnis und nach Selbstkosten) unter dem submittierten Preis liege. Auf die Berufung des [X.] hat das Berufungsgericht in Abände-rung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagten zu 1 und 2 zum [X.] in Höhe von ca.

entsprechenden Forderung aus unerlaubter Handlung zur Tabelle verurteilt. Nach der Kostenentscheidung haben die Beklagten zu 1 bis 4 gesamtschuldne-risch 1/3 der Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der erstinstanzlichen [X.] Kosten der ehemaligen Beklagten zu 5 und 6 zu tragen. Das Berufungsgericht ist dabei von einem von den Beklagten zu 2 und 4 als Orga-nen der Beklagten zu 1 und der [X.]

gemeinschaftlich began-genen Submissionsbetrug ausgegangen. Den Schaden hat es als Differenz zwischen dem submittierten Preis (21,35 Mio. [X.] netto) und einem hypotheti-schen Wettbewerbspgeschätzt.
4
5
-
5
-

II.
1. Die Beschwerde des Beklagten zu 4 ist nicht statthaft. Auch
wenn wie im Streitfall eine Entscheidung nach §
91a ZPO als Teil einer Kostenmischent-scheidung im Rahmen eines -
auch gegen weitere Beklagte in der Hauptsache ergangenen
-
Urteils getroffen wurde, ist hiergegen nur das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gem. §
91a Abs.
2 ZPO eröffnet, nicht jedoch das Hauptsacherechtsmittel ([X.], Beschluss vom 19. März 2013 -
VIII
ZB 45/12, NJW 2013, 2361 Rn.
18 ff. [X.]) bzw. eine auf dessen Zulassung abzielende Nichtzulassungsbeschwerde.
Der von dem Beklagten zu 4 erhobene Rechtsbehelf kann allerdings auch nicht als sofortige Beschwerde (§ 567 ZPO) oder als Rechtsbeschwerde (574 ZPO) gegen die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts aufgefasst werden. Zwar gilt im Verfahrensrecht der Grundsatz, dass eine fehlerhafte [X.]handlung in eine zulässige und wirksame umzudeuten ist (analog §
140 BGB), wenn deren Voraussetzungen eingehalten sind, die Umdeutung dem maßgeblichen [X.]willen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht (Senatsbeschluss vom 1. Juli 2013 -
VI [X.], NJW 2013, 3181 Rn. 25 [X.]). Eine sofortige Beschwerde gegen eine auf §
91a ZPO beruhende Entscheidung eines [X.] wäre aber ebenfalls unstatthaft ([X.], Urteil vom 24. Oktober 2005 -
II
ZR 56/04, NJW-RR 2006, 566 Rn.
7; §
567 Abs.
1 ZPO). Eine Rechtsbeschwerde wiederum wurde weder vom Berufungsgericht zugelassen noch ist deren Statthaftigkeit im Gesetz aus-drücklich bestimmt (§
574 Abs.
1 Satz
1 ZPO).
2. Im Übrigen hat die Nichtzulassungsbeschwerde Erfolg und führt ge-mäß §
544 Abs.
7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zu-rückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
6
7
8
-
6
-

a) Allerdings fehlt es -
wie die Nichtzulassungsbeschwerde selbst ein-räumt
-, am Vorliegen eines Zulassungsgrundes i.S.d. §
543 Abs.
2 Satz 1 ZPO, soweit das Berufungsgericht die Zeugenaussagen bewertet und sich da-von überzeugt hat, dass der Zeuge T.

im Auftrag des Beklagten zu 4 Scheinangebote von [X.] eingeholt, dass der Beklagte zu 2 von der manipulierten Ausschreibung, insbesondere der Submissionsabsprache,
gewusst und sich hieran beteiligt hat,
und dass mit Wissen des Beklagten zu 2 nicht nur die wesentliche Planung, sondern auch der (Blanko-)Vergabe-vorschlag von der [X.]

erstellt worden ist, um die [X.] zu ihrem Vorteil zu manipulieren.

b) Das Berufungsgericht hat jedoch den Anspruch der Beklagten zu
1 bis
3 auf rechtliches Gehör aus Art.
103 Abs.
1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt, indem es erheblichen Sachvortrag der Beklagten zur Frage des Vorliegens eines Schadens und der Schadenshöhe nicht berücksichtigt hat.
aa) Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die [X.] der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art.
103 Abs.
1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen [X.] zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen im Ein-zelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist ([X.] 65, 293, 295 f. [X.]; [X.] 70, 288, 293; [X.] 86, 133, 146; vgl. auch [X.], Beschluss vom 27.
März 2003 -
V
ZR 291/02, [X.]Z 154, 288, 300 f. [X.]). Geht das Gericht 9
10
11
-
7
-

auf [X.] des [X.] zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den [X.] nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des [X.], sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 27. Juni 2007 -
X [X.], [X.]Z 173, 47 Rn. 31, und -
X [X.], [X.]Z 173, 40 Rn. 8; ebenso bereits [X.] 86, 133, 146 [X.]).
bb) So verhält es sich im Streitfall.
(1) Das Berufungsgericht hat zum einen das Vorbringen der Beklagten übergangen, dass der hypothetische Wettbewerbspreis über 21,35
Mio. [X.] beträgt. Mit Schriftsatz vom 10. Januar 2012 haben die Beklagten zu 3 und 4 ausführlich und unter Beantragung einer erneuten Anhörung des [X.] vorgetragen, dass zur Ermittlung des hypothetischen [X.] nicht ein "Marktpreis" der Kläranlage von 18,15 Mio. [X.] herangezogen werden könne, sondern dass dieser Preis vielmehr -
schon nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen
-
über 21,35
Mio. [X.] liege. Dennoch hat das Berufungsgericht der Schadensermittlung als maßgebliche Größe einen vom Sachverständigen nach Leistungsverzeichnis ermittelten "[X.]" von
18,15
Mio.
[X.] zugrunde gelegt.

Zwar
haben nur die Beklagten zu 3 und 4 den vorstehend genannten Vortrag gehalten. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist jedoch in der Regel davon auszugehen, dass von einem Streitgenossen geltend ge-machte Angriffs-
oder Verteidigungsmittel für alle Streitgenossen vorgetragen sind, soweit sie alle angehen und die Übrigen nicht selbst eine Erklärung abge-ben ([X.], Urteil vom 29. März 1961 -
V
ZR 171/59, [X.] ZPO § 61 Nr. 1; vgl. auch [X.]/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 61 Rn. 3, und [X.]/Jonas/Bork, 12
13
14
-
8
-

ZPO, 23. Aufl., § 61 Rn. 9). In eine gegenteilige Richtung deutende Anhalts-punkte sind hier nicht ersichtlich.
Obwohl der Vortrag der Beklagten damit die für das Verfahren zentrale Frage der Schadensentstehung und höhe sowie explizit den vom Berufungs-gericht herangezogenen Wert betroffen hat, hat sich dieses mit den
entspre-chenden Einwänden der Beklagtenseite überhaupt nicht auseinandergesetzt.
(2) Zum anderen hat das Berufungsgericht das [X.] nicht zur Kenntnis genommen, dass die sog.
Baustellenergebnislisten nicht aussagekräftig genug seien, um hieraus Rückschlüsse auf den hypothetischen Wettbewerbspreis zu ziehen. In der Berufungserwiderung vom 28. November 2011 haben die Beklagten zu 3 und 4 auf Ausführungen des Sachverständigen in dessen Anhörung am 31. März 2009 Bezug genommen. Dort hatte dieser angegeben, dass ohne eine detaillierte Aufschlüsselung sämtlicher Kosten [X.] Rückschlüsse von den Listen auf den hypothetischen
Wettbewerbspreis möglich sind.
Eine [X.] macht sich bei einer Beweisaufnahme zutage tretende ihr günstige Umstände regelmäßig zumindest hilfsweise zu Eigen (st. Rspr.; vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 14.
Januar 2014 -
VI
ZR 340/13, [X.], 632 Rn.
11 [X.]). Davon kann hinsichtlich der Beklagten zu 1 bis 3
-
erst recht be-züglich des Beklagten zu 3, der ausdrücklich auf die Beweisaufnahme Bezug genommen hat
-
ausgegangen werden. Denn die
Ausführungen des Sachver-ständigen zur mangelnden Aussagekraft der Baustellenergebnislisten waren ihnen günstig.
Dennoch hat das Berufungsgericht aus den fortgeführten [X.] zumindest ein Indiz für einen durch den Submissionsbetrug erziel-ten Mehrerlös in Höhe von mindestens 15 % des submittierten Betrages abge-leitet, ohne sich mit den seiner Sichtweise widersprechenden Ausführungen des Sachverständigen auseinanderzusetzen.
15
16
17
-
9
-

Die Frage, ob sich aus den Baustellenergebnislisten folgern lässt, dass die [X.]

einen (erheblichen) Gewinn erzielt hat, betrifft einen für das Verfahren zentralen Punkt. Schließlich ist das Vorhandensein eines [X.] Gewinns ein starkes Indiz für einen gegenüber dem hypothetischen [X.] überhöhten Submissionspreis. Nicht zuletzt deshalb haben sich sowohl Land-
als auch Berufungsgericht -
allerdings ohne den vorgenannten Gesichtspunkt zu beachten
-
mit dieser Thematik auseinandergesetzt.
cc) Die Gehörsverletzungen sind entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Sachvortrags der Beklagten zu einer anderen Beurteilung ge-langt wäre (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2013 -
VI
ZR 230/12, [X.], 586 Rn. 7 [X.]).
c) Die übrigen [X.] der Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat ge-

18
19
20
-
10
-

prüft und für nicht durchgreifend erachtet; von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO).
Galke
Richter am Bundesgerichtshof
[X.]

[X.] ist mit Ablauf des 31.
März 2015

in den Ruhestand getreten und daher

verhindert, seine Unterschrift beizufügen

Galke
Offenloch

Oehler
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 01.07.2011 -
3 O 385/96 -

OLG Naumburg, Entscheidung vom 27.03.2013 -
5 [X.] -

Meta

VI ZR 179/13

24.03.2015

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.03.2015, Az. VI ZR 179/13 (REWIS RS 2015, 13602)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 13602

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI ZR 179/13 (Bundesgerichtshof)

Nichtberücksichtigung von Parteivorbringen durch das Gericht: Nichteingehen auf Parteivortrag in den Entscheidungsgründen; Wirkung des Vorbringens …


I ZR 46/16 (Bundesgerichtshof)

Anspruch des Filmurhebers auf Fairnessausgleich: Wert der Beschwer des im Wege der Stufenklage zur Auskunftserteilung …


I ZR 46/16 (Bundesgerichtshof)


Au 6 K 17.34 (VG Augsburg)

Vorauszahlung auf Erneuerungsbeitrag für eine Entwässerungs- und Wasserversorgungsanlage


VI ZR 1110/20 (Bundesgerichtshof)

Vorliegen eines Gehörsverstoßes in einem Schadensersatzprozess eines Grundstücksnachbarn wegen Gebäudeschäden durch Niederschlagswasser


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

VI ZB 18/12

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.