Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.10.2012, Az. I ZR 169/10

1. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1872

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Gegenstand

Wettbewerbswidrige Telefonwerbung: AGB-Kontrolle der Wirksamkeit der vorformulierten Einwilligung von Verbrauchern in Werbeanrufe im Rahmen von Gewinnspielen - Einwilligung in Werbeanrufe II


Leitsatz

Einwilligung in Werbeanrufe II

1. Die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB finden auch Anwendung auf von Veranstaltern vorformulierte Erklärungen, die Verbraucher im Rahmen von Gewinnspielen abgeben und mit denen sie ihr Einverständnis zu Werbeanrufen zum Ausdruck bringen.

2. Eine Einwilligung ist nicht bereits deshalb unwirksam, weil sie im Rahmen einer vorformulierten Erklärung abgegeben wurde, die der Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB unterliegt (im Anschluss an BGH, Urteil vom 16. Juli 2008, VIII ZR 348/06, BGHZ 177, 253 Rn. 29, 33 - PayBack; Aufgabe von BGH, Urteil vom 27. Januar 2000, I ZR 241/97, GRUR 2000, 818 = WRP 2000, 722 - Telefonwerbung VI und Urteil vom 2. November 2000, I ZR 154/98, VersR 2001, 315).

3. Eine Einwilligung ist nur wirksam, wenn sie in Kenntnis der Sachlage und für den konkreten Fall erklärt wird. Dies setzt voraus, dass der Verbraucher hinreichend auf die Möglichkeit von Werbeanrufen hingewiesen wird und weiß, auf welche Art von Werbemaßnahmen und auf welche Unternehmen sich seine Einwilligung bezieht.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 31. August 2010 wird auf Kosten der Beklagten zu 1 zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, die [X.], ist eine qualifizierte Einrichtung im Sinne des § 4 [X.], die satzungsgemäß die Interessen der Verbraucher wahrnimmt.

2

Die Beklagte zu 1 (nachfolgend: Beklagte), die gewerblich Telekommunikationsdienstleistungen anbietet, hat sich gegenüber der Klägerin in einer am 10. April 2007 abgegebenen Unterlassungserklärung verpflichtet, es unter Übernahme einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Vertragsstrafe in Höhe von 2.000 € künftig zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des [X.] ohne ihr vorheriges Einverständnis zu Wettbewerbszwecken anzurufen oder anrufen zu lassen.

3

Nach Annahme der Unterlassungserklärung durch die Klägerin riefen bis Oktober 2007 in mindestens 43 Fällen von der Beklagten beauftragte [X.] bei Verbrauchern an, um ihnen Angebote für den Abschluss von Telefonverträgen zu unterbreiten. Die persönlichen Daten der angerufenen Personen hatte die Beklagte von [X.] erworben; diese hatten die Daten mit Hilfe verschiedener [X.] erhalten.

4

Die Klägerin ist der Ansicht, die Anrufe durch die Mitarbeiter der Callcenter seien ohne wirksames Einverständnis der angerufenen Verbraucher erfolgt. Auf der Grundlage von 50 Verstößen gegen die Unterlassungserklärung hat die Klägerin - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - zunächst beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 100.000 € nebst Zinsen zu verurteilen.

5

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat behauptet, die angerufenen Verbraucher hätten sich im Rahmen der [X.] jeweils mit der Nutzung ihrer Daten auch für Telefonmarketing einverstanden erklärt. Die Einwilligungen seien ohne Einschränkung oder dahingehend beschränkt erteilt worden, dass Telefonmarketing durch den Veranstalter des Gewinnspiels sowie dessen Vertriebspartner, zu denen auch die Beklagte zähle, erfolgen könne.

6

Das [X.] hat die Beklagte zur Zahlung von 22.000 € verurteilt und den weitergehenden Antrag auf Zahlung der Vertragsstrafe abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte entsprechend dem in der Berufungsinstanz auf 43 Verstöße eingeschränkten Klageantrag verurteilt, an die Klägerin weitere 64.000 € nebst Zinsen zu zahlen.

7

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

8

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Vertragsstrafe sei 43mal verwirkt, so dass der von der Klägerin zuletzt in Höhe von 86.000 € geltend gemachte Zahlungsanspruch gemäß § 339 Satz 2 [X.] in voller Höhe begründet sei. Dazu hat es ausgeführt:

9

Unstreitig seien jedenfalls in 43 Fällen Verbraucher angerufen worden. Ein wirksames Einverständnis dieser Verbraucher habe die Beklagte nicht nachweisen können, weil die Einverständniserklärungen wegen eines Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 [X.] unwirksam seien.

Die Vertragsstrafe sei 43mal verwirkt. Das [X.] habe die Verstöße, die einem Datensatz aus einem Internetgewinnspiel zuzuordnen seien, zu Unrecht jeweils zu einer Handlungseinheit zusammengefasst. Eine Auslegung des Unterlassungsvertrages ergebe, dass jeder Anruf einen Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung darstelle.

Bereits der Wortlaut der Vereinbarung spreche gegen die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit, weil nicht die Unterlassung der Nutzung von Datenpaketen, sondern des [X.] von Verbrauchern geschuldet sei. Die Interessenlage der Parteien bestätige dieses Ergebnis, weil die Vertragsstrafe so bemessen sein müsse, dass sich ein Verstoß nicht mehr lohne. Wenn alle Verbraucher, deren Daten aus einem Datenpaket stammten, angerufen werden könnten und die Beklagte damit nur eine Vertragsstrafe von 2.000 € riskiere, würde sie zu einem Massenverstoß ermutigt. Schließlich habe die Klägerin ein legitimes Interesse, die massiven Angriffe der Beklagten auf Verbraucherinteressen zu unterbinden.

II. Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Beklagte die Vertragsstrafe in 43 Fällen verwirkt hat und der Klägerin gegen die Beklagte daher gemäß § 339 Satz 2 [X.] über die Verurteilung durch das [X.] hinaus ein Zahlungsanspruch von weiteren 64.000 € zuzüglich Zinsen zusteht.

1. Die Beklagte hat unstreitig zumindest in 43 Fällen nach Abschluss der Unterlassungsvereinbarung bei Verbrauchern zu Zwecken des [X.] anrufen lassen. Diese Anrufe erfolgten ohne Einverständnis der Verbraucher.

a) Hinsichtlich eines Teils der Anrufe ergibt sich das Fehlen einer Einwilligung bereits daraus, dass die im Rahmen von Gewinnspielen abgegebenen Erklärungen der Verbraucher nach dem Vortrag der Beklagten gelöscht wurden und die Vorinstanzen den Vortrag der Beklagten insoweit - von der Revision unbeanstandet - zu Recht als unsubstantiiert zurückgewiesen haben.

b) Entgegen der Ansicht der Revision sind auch die weiteren Einwilligungserklärungen der Verbraucher unwirksam, weil sie einer Kontrolle gemäß §§ 305 ff. [X.] nicht standhalten.

aa) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Vorschriften der §§ 305 ff. [X.] auch auf die durch die jeweiligen Veranstalter vorformulierten Einverständniserklärungen, die im Rahmen von Gewinnspielen abgegeben wurden, Anwendung finden.

Die Veranstaltung eines Preisausschreibens oder Gewinnspiels ist ein Unterfall der Auslobung (§§ 661, 657 [X.]). Zwar handelt es sich dabei um ein einseitiges Rechtsgeschäft ([X.], Urteil vom 23. September 2010 - [X.], [X.]Z 187, 86 Rn. 12, mwN). Dennoch unterliegen Einwilligungen in Telefonwerbung, die im Zusammenhang mit Preisausschreiben oder Gewinnspielen erteilt werden, der Kontrolle nach den §§ 305 ff. [X.].

Allerdings stellen allgemeine Bestimmungen, die der Verwender bei eigenen einseitigen Rechtsgeschäften trifft, grundsätzlich keine nach §§ 305 ff. [X.] kontrollfähigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 [X.] dar, weil der Verwender regelmäßig nicht fremde, sondern ausschließlich eigene rechtsgeschäftliche Gestaltungsmacht in Anspruch nimmt ([X.]Z 187, 86 Rn. 23 mwN). Dies ist bei einem Preisausschreiben etwa für die in der Ausschreibung aufgestellten Regeln zum Ablauf der Verlosung anzunehmen.

Anders verhält es sich jedoch, soweit es um eine vorformulierte und vom Veranstalter vorgegebene Einwilligungserklärung für Werbeanrufe geht. Sie ist der Kontrolle nach den §§ 305 ff. [X.] unterworfen. Denn sie betrifft nicht lediglich die Regelung der "eigenen Verhältnisse" des Veranstalters, sondern greift in die geschützten Rechtspositionen Dritter ein (vgl. [X.]Z 187, 86 Rn. 24). Bei der von seinem Kunden abzugebenden Erklärung nimmt der Verwender die rechtsgeschäftliche Gestaltungsfreiheit für sich ebenso in Anspruch wie bei der Vorformulierung eines Vertragstextes, wobei der Kunde lediglich entscheiden kann, ob er die Erklärung abgeben will, auf ihren Inhalt aber keinen Einfluss hat (vgl. [X.], Urteil vom 16. März 1999 - [X.], [X.]Z 141, 124, 126; Urteil vom 27. Januar 2000 - I ZR 241/97, [X.], 818, 819 = [X.], 722 - Telefonwerbung VI).

Nach der Rechtsprechung des [X.] sind die §§ 305 ff. [X.] auf vom Verwender vorformulierte einseitige Erklärungen des anderen Teils anzuwenden, die im Zusammenhang mit einer Sonderverbindung stehen (vgl. [X.]Z 141, 124, 126; [X.], [X.], 818, 819 - Telefonwerbung VI). Entgegen der Ansicht der Revision ist die Geltung der §§ 305 ff. [X.] im Streitfall nicht etwa deswegen ausgeschlossen, weil es an einem solchen Zusammenhang fehlt. Mit der Teilnahme an einem Gewinnspiel ist ein Rechtsverhältnis verbunden, aus dem Pflichten hinsichtlich der sorgfältigen und ordnungsgemäßen Durchführung des Spiels sowie des Schutzes der persönlichen Daten der Teilnehmer erwachsen. Hierin liegt - neben dem einseitigen Rechtsgeschäft des Preisausschreibens als solchem - eine schuldrechtliche Sonderverbindung, die jedenfalls ein vertragsähnliches Verhältnis begründet und es - zumal mit Blick auf den gebotenen Schutz der Rechtsgüter der Beteiligten - rechtfertigt, vom Veranstalter vorgegebene Erklärungen, wenn sie im Zusammenhang mit dem Gewinnspiel abgegeben werden, der [X.] nach den §§ 305 ff. [X.] zu unterziehen (vgl. [X.]Z 187, 86 Rn. 24). Dabei kommt es nicht darauf an, ob für die an dem Gewinnspiel interessierten Verbraucher der Eindruck entsteht, ohne Einwilligung in die Telefonwerbung sei eine Spielteilnahme nicht möglich ([X.], NJW 2011, 466).

bb) Die Einwilligungen sind allerdings nicht schon deshalb unwirksam, weil sie im Rahmen einer vorformulierten Erklärung abgegeben wurden, die der Kontrolle nach den §§ 305 ff. [X.] unterliegt. Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/[X.] (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) setzt voraus, dass eine Einwilligung in Werbeanrufe grundsätzlich möglich ist. Die Mitgliedstaaten müssen danach zwar Telefonteilnehmer vor Werbeanrufen schützen, indem sie deren Zulässigkeit entweder davon abhängig machen, dass der betreffende Teilnehmer dafür eine Einwilligung erteilt (sog. "[X.]") oder ihnen nicht widerspricht (sog. "Opt-out-Lösung"). Ein vollständiges Verbot ist dagegen nicht vorgesehen. Der [X.] Gesetzgeber hat in § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 UWG die [X.] umgesetzt (vgl. Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, [X.]). Diese Vorschrift wirkt sich aber nur dann nicht als faktisches Verbot jeder Telefonwerbung im privaten Bereich aus, wenn eine im modernen Geschäftsleben praktikable Möglichkeit besteht, die Einwilligung zu erhalten. Das setzt voraus, dass die Einwilligung grundsätzlich auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam erteilt werden kann (vgl. etwa [X.].UWG/[X.], § 7 Rn. 113; [X.]/Seichter, [X.], 699, 704 f.; [X.], [X.], 495, 497, je mwN). Davon geht auch die jüngere Rechtsprechung des [X.] zur E-Mail-Werbung aus (vgl. [X.], Urteil vom 16. Juli 2008 - [X.], [X.]Z 177, 253 Rn. 29, 33). Soweit früheren Entscheidungen des Senats etwas Abweichendes entnommen werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 27. Januar 2000 - I ZR 241/97, [X.], 818 = [X.], 722 - Telefonwerbung VI; Urteil vom 2. November 2000 - [X.], [X.], 315), wird daran nicht festgehalten.

cc) Im Streitfall erfüllen die Einverständniserklärungen aber nicht die Vor-aussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 UWG. Das Berufungsgericht hat deshalb ohne Rechtsfehler angenommen, sie seien als unangemessene Benachteiligung der Verbraucher gemäß § 307 Abs. 1 [X.] unwirksam.

(1) Da mit § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 UWG die Bestimmung des Art. 13 der Richtlinie 2002/58/[X.] (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) umgesetzt wurde, ist der Begriff der "Einwilligung" richtlinienkonform zu bestimmen (ebenso [X.] in [X.]/[X.], UWG, 30. Aufl., § 7 UWG Rn. 149; [X.] in jurisPK-UWG, 3. Aufl., § 7 Rn. 220; Menebröcker in [X.]/[X.], UWG, § 7 Rn. 61). Art. 2 Satz 2 Buchst. f der Richtlinie 2002/58/[X.] verweist für die Definition der Einwilligung auf Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46/[X.] zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr. Danach ist Einwilligung "jede Willensbekundung, die ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgt" (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juli 2008 - [X.], [X.], 923 Rn. 16 = [X.], 1328 - Faxanfrage im Autohandel zu § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG).

(2) Eine Einwilligung wird "in Kenntnis der Sachlage" erteilt, wenn der Verbraucher weiß, dass seine Erklärung ein Einverständnis darstellt und worauf sie sich bezieht (vgl. [X.] in [X.]/[X.] aaO § 7 Rn. 149b). Die Einwilligung erfolgt für den konkreten Fall, wenn klar wird, welche Produkte oder Dienstleistungen welcher Unternehmen sie konkret erfasst (vgl. [X.] in [X.]/[X.] aaO § 7 Rn. 149c). Eine wirksame Einwilligung kann danach auch durch Ankreuzen einer entsprechend konkret vorformulierten Erklärung erteilt werden, wenn sie in einem gesonderten Text oder Textabschnitt ohne anderen Inhalt enthalten ist. Liegt eine wirksame Einwilligung vor, ist unerheblich, ob das Unternehmen selbst oder von ihm eingeschaltete Beauftragte den Werbeanruf ausführen.

(3) Diese für die Wirksamkeit einer Einwilligung bestehenden Anforderungen sind, wie das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf das [X.] festgestellt hat, im Streitfall bei keinem der 43 unstreitigen Anrufe erfüllt. Denn die Einwilligungen der Verbraucher, die den Kreis der möglichen werbenden Anrufer nicht oder jedenfalls nicht abschließend festlegen und die zu bewerbenden Produkte oder Dienstleistungen in keiner Weise bestimmen, sind nicht "für den konkreten Fall" erteilt worden.

Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, ob die Darlegungen der Beklagten zu den bei [X.] erteilten Einwilligungen den Anforderungen genügen, die der Senat in seiner Entscheidung Double-opt-in-Verfahren (Urteil vom 10. Februar 2011 - I ZR 164/09, [X.], 936 Rn. 31 ff. = [X.], 1153) aufgestellt hat.

2. Die Annahme des [X.], die Zuwiderhandlungen gegen die Unterlassungsverpflichtung seien schuldhaft erfolgt, wird von der Revision nicht angegriffen. Auch ein Rechtsfehler ist insoweit nicht ersichtlich.

3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auslegung der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung der Beklagten durch das Berufungsgericht.

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Unterlassungsverpflichtungserklärung sei dahin auszulegen, dass jeder Werbeanruf bei einem Verbraucher einen selbständigen Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung darstelle. Insbesondere könnten die festgestellten 43 Anrufe weder ganz noch teilweise zu einer natürlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden.

b) Diese Auslegung der Unterlassungsverpflichtungserklärung durch das Berufungsgericht hält rechtlicher Nachprüfung stand.

In der Revisionsinstanz unterliegt die Auslegung individueller Vertragsstrafevereinbarungen nur insoweit der Nachprüfung, als gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt sind ([X.], Urteil vom 17. Juli 2008 - [X.], [X.], 181 Rn. 29 = [X.], 182 - Kinderwärmekissen, mwN). Entgegen der Ansicht der Revision widerspricht die Auslegung des [X.] nicht anerkannten Auslegungsgrundsätzen.

aa) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass [X.] nach den auch sonst für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen auszulegen sind. Maßgebend ist demnach der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157 [X.]), bei dessen Ermittlung neben dem [X.] die beiderseits bekannten Umstände wie insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, deren Zweck, die [X.]beziehung zwischen den Vertragsparteien sowie deren Interessenlage heranzuziehen sind (vgl. [X.], [X.], 181 Rn. 32 - Kinderwärmekissen, mwN). Die Entscheidung, ob nach dem Inhalt des Unterlassungsvertrages gegebenenfalls mehrere Verstöße zu einer rechtlichen Einheit zusammenzufassen sind, kann - auch nach Ansicht der Revision - nicht in Anwendung eines etwa vorgegebenen Rechtsbegriffs der fortgesetzten Handlung beantwortet werden (vgl. [X.], Urteil vom 25. Januar 2001 - I ZR 323/98, [X.]Z 146, 318, 324 - Trainingsvertrag).

bb) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Wortlaut der Unterlassungsvereinbarung keinen Anhaltspunkt dafür gibt, die Datensätze nach den zugrundeliegenden [X.] zu gliedern und die Verstöße in entsprechenden, den jeweiligen Gewinnspielen zuzuordnenden Gruppen zusammenzufassen. Das Berufungsgericht hat sich dabei davon leiten lassen, dass die Vereinbarung darauf gerichtet ist, Telefonanrufe und nicht die Nutzung von Datensätzen zu unterlassen. Dies lässt entgegen der Ansicht der Revision keinen Verstoß gegen Denkgesetze oder Auslegungsgrundsätze erkennen.

cc) Soweit die Revision geltend macht, die Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtungserklärung könne allenfalls in der Beauftragung des jeweiligen Callcenters bestehen und nicht in den Anrufen als solchen, legt sie gleichfalls keinen Rechtsfehler dar. Da die Anrufe durch die [X.] gemäß § 278 [X.] der Beklagten zuzurechnen sind, mussten sie dem Berufungsgericht keinen Anlass geben, die Zuwiderhandlungen entsprechend den jeweils verwendeten Datenpaketen zusammenzufassen.

dd) Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Beurteilung der beiderseitigen Interessenlage durch das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat insbesondere das Interesse der Klägerin an einer wirksamen Abwehr zukünftiger Verstöße und das Interesse der Beklagten, durch die Unterlassungserklärung die durch die Erstbegehung indizierte Wiederholungsgefahr zu beseitigen (vgl. [X.]Z 146, 318, 325 f. - Trainingsvertrag), in die Auslegung einbezogen. Rechtlich nicht zu beanstanden ist die Beurteilung des [X.], die Höhe der Vertragsstrafe von 2.000 € spreche angesichts des Umfangs eines Datenpakets und des Umstands, dass lediglich eine geringe Zahl von Verstößen der Klägerin bekannt werde, gegen eine Zusammenfassung der einzelnen Anrufe zu einem Verstoß, auch wenn der Klägerin durch die Anrufe kein eigener Schaden drohe.

ee) Für die Auslegung des [X.] spricht zudem, dass sich die Beklagte bei der Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung bewusst war, auch in Zukunft jeweils größere Datenpakete für ihre Werbung zu nutzen. Die Revisionserwiderung macht außerdem zutreffend geltend, dass dann, wenn ein auf ein Datenpaket aus einem bestimmten Gewinnspiel gestützter Auftrag zur Durchführung einer Vielzahl von Werbeanrufen nur als ein Verstoß bewertet würde, die einheitliche Beauftragung für zahlreiche unzulässige Anrufe und damit ein besonders hartnäckiger Verstoß gegen die Unterlassungsvereinbarung privilegiert würde. Ein in dieser Weise auszulegendes [X.] könnte schwerlich die Wiederholungsgefahr entfallen lassen und läuft damit Gefahr, das von den Parteien verfolgte Ziel zu verfehlen (vgl. [X.]Z 146, 318, 327 - Trainingsvertrag).

ff) Auch soweit die Revision einwendet, durch die Nutzung von zahlreichen Daten könne eine Vertragsstrafe in erheblicher Höhe verwirkt werden, begründet dies keinen Auslegungsfehler des [X.]. Vielmehr ist die Vertragsstrafe, sollte sie - was die Revision nicht geltend macht - in einem außerordentlichen Missverhältnis zu der Bedeutung der Zuwiderhandlung stehen, auf ein Maß zu reduzieren, das ein Eingreifen des Gerichts nach § 242 [X.] noch nicht rechtfertigen würde (vgl. [X.], [X.], 181 Rn. 41 - Kinderwärmekissen). Dadurch wird auch den Anforderungen der Art. 12 und 14 GG entsprochen.

III. Die Revision der Beklagten ist danach zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]                     Pokrant                        [X.]

                     [X.]                       [X.]

Meta

I ZR 169/10

25.10.2012

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 31. August 2010, Az: 5 U 120/09

§ 305 BGB, §§ 305ff BGB, § 339 BGB, § 657 BGB, § 661 BGB, § 7 Abs 2 Nr 2 UWG, Art 13 Abs 3 EGRL 58/2002

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.10.2012, Az. I ZR 169/10 (REWIS RS 2012, 1872)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1872

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