Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.02.2012, Az. V R 59/09

5. Senat | REWIS RS 2012, 8891

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Gegenstand

(Zum Ausschließlichkeitserfordernis nach § 56 AO - Auslegung von § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG - Beschäftigung von Behinderten zur Abschöpfung und Weitergabe steuerlicher Vorteile an eine nicht gemeinnützige Körperschaft)


Leitsatz

Eine Körperschaft dient nicht ausschließlich gemeinnützigen Zwecken, wenn die Beschäftigung Behinderter im Rahmen eines Integrationsprojekts nach der Vertragsgestaltung erkennbar dazu dient, den ermäßigten Umsatzsteuersatz zugunsten einer nicht gemeinnützigen Körperschaft zu nutzen .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine 100 %-ige Tochtergesellschaft (GmbH) der [X.] ([X.]). Geschäftsführer der Klägerin war P, einer der beiden gemeinsam zur Vertretung berechtigten Vorstände der [X.]. Die Klägerin erbrachte mit Hilfe der [X.] Leasingleistungen ("[X.]"), für die sie im Streitjahr 2005 den ermäßigten Umsatzsteuersatz beansprucht.

2

[X.] schloss am 11. November 2004 mit der [X.] einen Kooperationsvertrag. Um neue Arbeitsplätze für behinderte Menschen zu schaffen und für die [X.] neue Kunden zu gewinnen, sollte die als Zweckbetrieb anerkannte Werkstatt für behinderte Menschen der [X.] ausschließlich für die [X.] Investitionsgüter an Endkunden weiterverleasen. Die Finanzdienstleistungsprodukte der [X.] wurden unter dem Namen "[X.]" in den Markt eingeführt.

3

Wie bereits in § 1 Abs. 2 des [X.] vom 11. November 2004 geplant, wurde am 21. Dezember 2004 die Klägerin als "gemeinnützige GmbH" gegründet, um die "[X.]"-Geschäfte der [X.] in eine eigene gesellschaftsrechtliche Struktur außerhalb der [X.] auszugliedern.

4

Gesellschaftszweck der Klägerin ist gemäß § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages die Beschäftigung körper- und schwerbehinderter Menschen im Rahmen eines Integrationsprojektes i.S. des § 68 Nr. 3 Buchst. c der Abgabenordnung in der im Streitjahr 2005 geltenden Fassung ([X.]) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und die dafür erforderliche Qualifizierung dieses Personenkreises. Am 31. Januar 2005 schloss die [X.] mit der Klägerin einen Kooperationsvertrag, der inhaltlich dem mit der [X.] geschlossenen Kooperationsvertrag vom 11. November 2004 entsprach. In § 1 Abs. 1 des Vertrages gingen die Parteien davon aus, dass die Klägerin ein "Zweckbetrieb im Sinne des § 68 Ziff. 3c [X.]" sei, innerhalb dessen eine Fachabteilung Leasing eingerichtet werden sollte. Um "den Vertragszweck der Förderung behinderter Menschen nicht zu gefährden", hatte die Klägerin nach § 1 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages dafür zu sorgen, dass sie als Integrationsunternehmen i.S. des § 68 Nr. 3 Buchst. c [X.] anerkannt wird und die Voraussetzungen eines Zweckbetriebes erfüllt.

5

Wie schon zuvor [X.] sollte die Klägerin Investitionsgüter an Endkunden weiterverleasen ([X.]), die von der [X.] an sie verleast wurden (Headleasingverträge). Die Klägerin verpflichtete sich, sämtliche Leasinggeschäfte während der Dauer des [X.] ausschließlich zusammen mit der [X.] durchzuführen und abzuwickeln und gegenüber den Endkunden vollumfänglich die Funktion eines Leasinggebers übernehmen (§ 2 Abs. 1). Nach § 2 Abs. 2 des [X.] hatte die Klägerin den [X.] so zu organisieren und auszustatten, dass er organisatorisch und personell in der Lage war, die sich aus dem Kooperationsvertrag ergebenden unternehmerischen Aufgaben zu bewältigen. [X.] bediente sie sich dazu der Hilfe der [X.], die gegen eine Vergütung in Form [X.] von 0,4 % Dienstleistungen für die Klägerin übernahm; neben der Beratung und Mitarbeiterschulung in der Gründungsphase sollte die [X.] den Vertrieb der Leasingprodukte übernehmen, Leasingnehmer an die Klägerin vermitteln, die Verträge kalkulieren und nach der Beendigung von Leasingverträgen die Sicherstellung und Rückführung der Mietgegenstände veranlassen. [X.] sollten die Parteien bereits im Vorfeld der Vertragsabschlüsse mit den Endkunden die Konditionen der abzuschließenden [X.] und [X.] aufeinander abstimmen und nach § 3 Abs. 3 des [X.] jeweils so gestalten, dass bei der Klägerin [X.] von 2 % des Nettoinvestitionsvolumens eines Leasingvertrages verblieb (§ 7 Abs. 1 des [X.]). Nach § 4 des [X.] haftete die [X.] für die Verität der Forderungen der Klägerin an die Endkunden und trug das Bonitätsrisiko.

6

Am 11. August 2004 erteilte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) [X.] die verbindliche Auskunft, dass der Betrieb des neuen Dienstleistungssegmentes "[X.]" ein Zweckbetrieb i.S. des § 68 Nr. 3 [X.] sei und deshalb die Umsätze hieraus nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) dem ermäßigten Steuersatz unterlägen. Nach dem Widerruf der verbindlichen Auskunft am 16. Dezember 2004 mit Wirkung für die Zukunft schlossen die Klägerin, [X.] und die [X.] am 31. Januar 2005 eine "Zusatzvereinbarung". Falls der Klägerin die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf ihre Leasingumsätze versagt werde, sollten sie und [X.] eine eventuelle Nachforderung des Differenzbetrages zwischen dem ermäßigten Steuersatz und dem Regelsteuersatz nur bis zur Höhe von 40.000 € übernehmen; die darüber hinausgehenden Umsatzsteuerverbindlichkeiten sollten zu Lasten der [X.] gehen.

7

Am 1. Februar 2005 nahm die Klägerin ihre Geschäftstätigkeit auf. Zum 1. Juli 2005 trat sie in die Leasingverträge ein, die [X.] aufgrund des [X.] mit der [X.] geschlossen hatte. Ab diesem Zeitpunkt war [X.] nicht mehr im Leasinggeschäft tätig.

8

Neben ihrem --unentgeltlich tätigen-- Geschäftsführer beschäftigte die Klägerin ab 1. Februar 2005 zwei Arbeitnehmerinnen. Frau M war nicht behindert und zuvor bei der [X.] angestellt gewesen. Bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden bezog sie ein Bruttogehalt in Höhe von 2.253 €. Frau [X.] war wegen einer Rheumaerkrankung schwerbehindert (Grad der Behinderung 70 v.H.). [X.] arbeitete 40 Wochenstunden und erhielt dafür ein Bruttogehalt in Höhe von 2.000 €. Ab 5. Dezember 2005 stellte die Klägerin den Schwerbehinderten N als zu 50 % teilzeitbeschäftigten Sachbearbeiter ein. Dabei handelte es sich um ein bis zum 28. Februar 2006 befristetes [X.] zur Eingliederung des Betroffenen in den allgemeinen Arbeitsmarkt, bei dem Lohn und Sozialabgaben von der [X.] übernommen wurden.

9

Die Arbeitnehmer der Klägerin wurden von Anfang an vom [X.] betreut. Weitere Betreuung erfuhren sie durch den Sozialdienst der [X.]. Die Betreuung war mit Empfehlungen an die Geschäftsführung der Klägerin verbunden.

Vom [X.] ([X.]) erhielt die Klägerin auf entsprechende Anfrage mit Schreiben vom 24. März 2005 die Mitteilung, dass das Förderrecht für Integrationsprojekte weder eine formale Anerkennung noch die Erteilung von Bescheinigungen vorsehe. Dem [X.] teilte der [X.] am 2. Mai 2005 mit, dass die Klägerin derzeit die Fördervoraussetzungen als Integrationsprojekt i.S. von § 132 des [X.] ([X.]) nicht erfülle. Lediglich für ein betriebswirtschaftliches Gutachten war zuvor eine Förderung erfolgt. Eine weiter gehende Förderung konnte die Klägerin nicht erhalten, da sie die dafür erforderliche Zahl von acht Beschäftigten nicht erreichte.

In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr (2005) wandte die Klägerin auf ihre Umsätze in Höhe von 5.238.425 € den ermäßigten Steuersatz an. Das [X.] folgte dem im [X.] an eine [X.] nicht und unterwarf die Umsätze der Klägerin dem Regelsteuersatz, weil sie kein Zweckbetrieb sei und ihre Umsätze deshalb nicht von § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG umfasst würden. Im Prüfungszeitraum 1. März 2005 bis 31. März 2006 habe die Klägerin einen Steuervorteil in Höhe von 846.210,02 € erlangt, dem die Beschäftigung lediglich zweier Behinderter gegenübergestanden habe, von denen überdies nur einer zu 50 % teilzeitbeschäftigt gewesen sei. Auch die Umsatz- bzw. Betragsgrenzen des Schreibens des [X.] ([X.]) vom 2. März 2006 ([X.], 242) seien um ein Vielfaches überschritten worden. Die Beschäftigung der Behinderten erfolge nicht im [X.], sondern lediglich in einer reinen Hilfsfunktion. Die Geschäfte der Klägerin seien nicht auf die Belange der Behinderten abgestimmt gewesen, sondern darauf, Steuervorteile zu erzielen und mit diesen gezielt zu werben.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Zur Begründung seines in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 532 veröffentlichten Urteils führte das Finanzgericht ([X.]) im Wesentlichen aus, die Klägerin sei zu Recht als Steuerschuldnerin in Anspruch genommen worden, weil sie keine Organgesellschaft der [X.] sei. Insoweit fehle es an der organisatorischen Eingliederung der Klägerin. Diese setze voraus, dass nach den zwischen Organträger und Organgesellschaft bestehenden Beziehungen sichergestellt sei, dass eine vom Willen des [X.] abweichende Willensbildung bei der Organtochter ausgeschlossen sei. Das sei bei der Klägerin nicht der Fall. Theoretisch könne ihr alleiniger Geschäftsführer P Maßnahmen durchsetzen, für die es an der Zustimmung des Mitvorstandes bei der [X.] fehle.

Die Klägerin könne für ihre Umsätze aus den [X.]n nicht den ermäßigten Umsatzsteuersatz in Anspruch nehmen. Sie betreibe einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S. des § 14 [X.], sei aber kein Zweckbetrieb i.S. des § 68 Nr. 3 Buchst. c [X.]. Die Frage, ob sie ein Integrationsprojekt i.S. des § 132 Abs. 1 [X.] sei, könne dahingestellt bleiben. Denn auch wenn § 68 [X.] gegenüber § 65 [X.] als rechtssystematisch vorrangige [X.] zu verstehen sei, sei nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) zu prüfen, ob sich die Einrichtung in ihrer Gesamtrichtung noch als Zweckbetrieb darstelle ([X.]-Urteil vom 4. Juni 2003 [X.], [X.]E 202, 391, [X.], 660). Das sei bei der Klägerin nicht der Fall, weil die Umsätze in Höhe von mehr als 5 Mio. € nicht auf der Beschäftigung von Behinderten, sondern der Tätigkeit der [X.] beruhten.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. Das [X.] verstoße in vielfältiger Weise gegen das Grundgesetz (GG). Es liege eine Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG vor, weil sie in ihrer wirtschaftlichen Entfaltungsfreiheit beeinträchtigt werde. Außerdem verstoße das [X.]-Urteil gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Prinzip der Steuergleichheit. Ferner liege eine unzulässige Berufsausübungsregelung (Art. 12 GG) und durch die "geradezu sklavische Anwendung" des [X.]-Schreibens in [X.], 242 sowohl ein Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt des Art. 20 Abs. 3 GG als auch gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG vor. Das [X.] habe auch nicht berücksichtigt, dass sie, die Klägerin, von Anfang an die Beschäftigung mehrerer behinderter Menschen beabsichtigt habe. Sowohl [X.] als auch N seien besonders betroffene schwerbehinderte Menschen i.S. des § 132 Abs. 2 Nr. 3 [X.]. Neben der Beschäftigung habe auch eine arbeitsbegleitende Betreuung i.S. des § 133 [X.] vorgelegen. Diese sei durch den Sozialdienst der [X.] und den Integrationsfachdienst in R erfolgt. Die Förderung des Gutachtens nach dem [X.] indiziere die Eigenschaft als Integrationsprojekt. [X.] sei hingegen, dass die Höchstgrenze des § 132 [X.] (ein Anteil von höchstens 50 % behinderter Menschen) überschritten worden sei, weil diese Höchstgrenze nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur eine Sollvorschrift sei. Der Wettbewerbsvorbehalt des § 65 Nr. 3 [X.] sei im Rahmen des § 68 [X.] ohne Bedeutung.

Die Klägerin beantragt,

das [X.]-Urteil und die Einspruchsentscheidung vom 12. September 2006 aufzuheben und die Umsatzsteuer unter Änderung des [X.] 2005 auf ./. 427.408,87 € herabzusetzen.

Das [X.] beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Es verteidigt die Vorentscheidung und führt im Wesentlichen aus, § 68 [X.] gehe nicht der allgemeinen Regelung in § 65 [X.] vor. Vielmehr werde § 65 [X.] durch die §§ 66 bis 68 [X.] ergänzt. Deshalb sei es geboten, in Zweifelsfällen auch für die in § 68 [X.] genannten einzelnen Zweckbetriebe die allgemeinen Anforderungen des § 65 [X.] zu berücksichtigen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet; sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat die von der Klägerin ausgeführten Umsätze zu Recht dem Regelsteuersatz unterworfen, weil sie kein steuerbegünstigter Zweckbetrieb i.S. des § 68 Nr. 3 Buchst. c [X.] ist.

1. Das [X.] geht zu Recht davon aus, dass die Klägerin nicht unselbständige Organgesellschaft der [X.] war. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist (Organschaft).

Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [X.] zur [X.]armonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/[X.] ([X.]/[X.]). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

Für die Annahme einer Organschaft fehlt es entgegen der Auffassung des [X.] schon an der erforderlichen wirtschaftlichen Eingliederung. Das [X.] geht zu Recht davon aus, hierfür genüge, dass zwischen der Organgesellschaft und dem Unternehmen des [X.] ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung vorhanden ist und die Tätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft aufeinander abgestimmt sind und sich dabei fördern und ergänzen. Entscheidend ist für die wirtschaftliche Eingliederung somit die Art und der Umfang der zwischen den Unternehmensbereichen von Organträger und Organgesellschaft bestehenden Verflechtungen. Daher liegt z.B. keine wirtschaftliche Eingliederung vor, wenn entgeltlichen Leistungen des Gesellschafters für die Unternehmenstätigkeit der Untergesellschaft nur eine unwesentliche Bedeutung zukommt (BF[X.]-Urteil vom 20. August 2009 [X.], [X.], 465, [X.], 863). Im vorliegenden Fall hat das [X.] die wirtschaftliche Eingliederung bejaht, weil die Klägerin "... gemäß dem Willen des [X.] in engem wirtschaftlichem Zusammenhang mit diesem tätig ..." geworden sei, es hat aber keine entgeltlichen Leistungen zwischen [X.] und der Klägerin festgestellt, aus denen sich die wirtschaftliche Eingliederung herleiten ließe.

2. Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass die von der Klägerin ausgeführten Leistungen nicht dem ermäßigten Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG unterliegen.

a) Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ermäßigt sich die Umsatzsteuer u.a. für die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 [X.]). Die Steuerermäßigung in § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG beruht auf Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 der [X.]/[X.]. Danach können die Mitgliedstaaten nur auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der in [X.] genannten Kategorien einen ermäßigten Steuersatz anwenden. In der Anlage [X.] der [X.]/[X.] sind steuerpflichtige Leistungen durch von den Mitgliedstaaten anerkannte gemeinnützige Einrichtungen für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit (Nr. 14 der Anlage [X.]) genannt. Neben der unionsrechtlichen Grundlage ist bei der Auslegung von § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG zu berücksichtigen, dass grundsätzlich der normale Steuersatz gilt und der ermäßigte Steuersatz die Ausnahme ist. Dementsprechend sind Tatbestandsmerkmale, die zu dieser Ausnahme führen, eng auszulegen (vgl. Urteil des Gerichtshofs der [X.] -EuG[X.]- vom 18. Januar 2001 [X.]/99, [X.]/[X.], BF[X.]/NV Beilage 2001, 124, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des EuG[X.]).

b) Gewährt ein Gesetz eine Steuervergünstigung, weil eine Körperschaft ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgt, so gelten die §§ 52 ff. [X.] (§ 51 [X.] in der im Streitjahr geltenden Fassung). Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 [X.] verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Dabei setzt die Steuerbegünstigung voraus, dass die Körperschaft ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dient. Zu den gemeinnützigen Zwecken gehört nach § 52 Abs. 2 Nr. 2 [X.] u.a. das [X.]. Dieses umfasst auch die Beschäftigung von Behinderten ([X.] in [X.]/[X.], Abgabenordnung, 1. Aufl. 2004, § 52 Rz 65). Bestätigt wird dies durch § 52 Abs. 2 Nr. 10 [X.] in der erst nach dem Streitjahr, ab 1. Januar 2007 geltenden Fassung; diese nennt die Förderung der [X.]ilfe für Behinderte ausdrücklich.

aa) Die Klägerin diente aber nicht ausschließlich gemeinnützigen Zwecken. Eine Körperschaft dient gemäß § 56 [X.] ausschließlich gemeinnützigen Zwecken, wenn sie nur ihre gemeinnützigen satzungsmäßigen Zwecke verfolgt. Dabei ist es für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung, ob die Klägerin vom [X.] als gemeinnützig "anerkannt" worden ist, weil über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung oder Steuervergünstigung aufgrund der Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke i.S. der §§ 51 bis 68 [X.] allein im Veranlagungsverfahren für die jeweilige Steuer und dem jeweiligen Veranlagungszeitraum zu entscheiden ist (BF[X.]-Urteil vom 30. November 1995 [X.], BF[X.]E 179, 447, [X.] 1997, 189). Eine Tätigkeit, die gegen das Gebot der Ausschließlichkeit verstößt, führt zum vollständigen Verlust der Steuerbegünstigung (BF[X.]-Urteil vom 10. April 1991 [X.], BF[X.]E 164, 478, [X.] 1992, 41 zur Steuerbefreiung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972; Gersch in [X.], [X.], 10. Aufl., § 56 Rz 1).

bb) Die Klägerin hat nicht ausschließlich (§ 51 Abs. 1 Satz 1, § 56 [X.]) gemeinnützigen Zwecken durch Förderung des [X.]s (in Gestalt der Förderung Behinderter) gedient, sondern sie ist zumindest auch gegründet worden, um die wirtschaftliche Tätigkeit der A-Gmb[X.] zu fördern und um den umsatzsteuerrechtlichen Vorteil, der sich aus dem vollen Vorsteuerabzug aus den [X.] und der Versteuerung der eigenen Umsätze zum begünstigten Steuersatz ergibt, zu nutzen und der nicht gemeinnützigen A-Gmb[X.] zuzuführen. Neben ihren gemeinnützigen Zwecken hat die Klägerin mit dieser gezielten Nutzung eines steuerlichen Vorteils durch eine eigens darauf ausgerichtete Gestaltung auch einen nicht gemeinnützigen Zweck verfolgt. Darin liegt ein Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsgebot (§ 56 [X.]).

(1) Nach den den Senat bindenden Feststellungen des [X.] ist die Klägerin nicht nur gegründet worden, um neue Arbeitsplätze für behinderte Menschen zu schaffen, sondern auch um für die A-Gmb[X.] neue Kunden zu gewinnen. Die vollständige Einbindung der Klägerin in die wirtschaftliche Zielsetzung der A-Gmb[X.] wird bestätigt durch die Verpflichtung der Klägerin, sämtliche Leasinggeschäfte während der Dauer des [X.] ausschließlich zusammen mit der A-Gmb[X.] durchzuführen und abzuwickeln.

Die Klägerin hatte im Rahmen des Leasinggeschäfts auch keinen eigenen Aufgabenbereich. Nach den Feststellungen des [X.] sollte die A-Gmb[X.] den Vertrieb der Leasingprodukte übernehmen, Leasingnehmer an die Klägerin vermitteln, die Verträge kalkulieren und nach der Beendigung von Leasingverträgen die Sicherstellung und Rückführung der Mietgegenstände veranlassen. Außer dem Abschluss der Leasingverträge mit den Endkunden, der zur Erlangung der Steuerermäßigung durch die Klägerin erfolgen musste, blieben danach --neben reiner [X.] keine Aufgaben für die Klägerin.

(2) Auch wirtschaftlich kam ihr kaum eine eigene Bedeutung zu. Die Konditionen der einzelnen [X.]ead- und [X.] waren von den Vertragsparteien so zu gestalten, dass bei der Klägerin [X.] von 2 % des Nettoinvestitionsvolumens eines Leasingvertrages verblieb (§ 7 Abs. 1 des [X.]). Der Vorteil, der sich aus der Differenz zwischen dem vollen Vorsteuerabzug aus den [X.] und dem ermäßigten Steuersatz auf die Ausgangsleistungen ergab, wurde damit an die nicht gemeinnützige A-Gmb[X.] geleitet. Im Gegenzug trug die Klägerin wirtschaftlich faktisch kein Risiko, weil die A-Gmb[X.] für die Verität der Forderungen der Klägerin an die Endkunden haftete und das Bonitätsrisiko trug.

(3) Vor dem [X.]intergrund dieser Vertragsgestaltung und deren tatsächlicher Durchführung verdeutlicht auch das Missverhältnis zwischen dem steuerlichen Vorteil in [X.]öhe von 846.210 € (im Zeitraum 1. März 2005 bis 31. März 2006) und der tatsächlich geringfügigen Förderung behinderter Arbeitnehmer durch Beschäftigung im ganz überwiegenden Teil des [X.] (bis 5. Dezember 2005) nur einer behinderten Mitarbeiterin zu einem Bruttogehalt von 2000 €, dass die Abschöpfung des steuerlichen Vorteils und dessen Weiterleitung an die A-Gmb[X.] im Vordergrund der Tätigkeit der Klägerin gestanden hat. Bestätigt wird dies durch ihre ausdrückliche gegenüber der A-Gmb[X.] bestehende vertragliche Verpflichtung, für eine Anerkennung als Integrationsprojekt i.S. des § 68 Nr. 3 Buchst. c [X.] Sorge zu tragen. Diese mit der A-Gmb[X.] im Kooperationsvertrag getroffene Regelung ist nur verständlich, wenn der A-Gmb[X.] der sich aus einer Anerkennung der Klägerin als Integrationsprojekt ergebende steuerliche Vorteil zufließen sollte. Andernfalls wäre diese Frage für die A-Gmb[X.] ohne jedes Interesse gewesen.

(4) Es liegt auch keine lediglich vermögensverwaltende Tätigkeit vor, deren Verfolgung nicht gegen das Ausschließlichkeitsgebot verstößt (vgl. BF[X.]-Urteil vom 23. Oktober 1991 [X.], BF[X.]E 165, 484, [X.] 1992, 62).

Meta

V R 59/09

23.02.2012

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 19. Oktober 2009, Az: 9 K 411/06, Urteil

§ 12 Abs 2 Nr 8 Buchst a UStG 2005, Art 12 Abs 3 Buchst a UAbs 3 EWGRL 388/77, Anh H Nr 14 EWGRL 388/77, § 52 AO, § 56 AO, § 68 Nr 3 Buchst c AO, § 132 Abs 1 SGB 9

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.02.2012, Az. V R 59/09 (REWIS RS 2012, 8891)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8891

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