Bundessozialgericht, Urteil vom 17.12.2020, Az. B 1 KR 13/20 R

1. Senat | REWIS RS 2020, 2271

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Gegenstand

Krankenversicherung - Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung - Kodierung - Auslegung der DKR 1001l (2015) - Spontanatmungsstunden nicht nur im Rahmen erfolgreicher Entwöhnungen berücksichtigungsfähig, auch bei Entlassung in Heimbeatmung - "Gewöhnung an die maschinelle Beatmung" als Voraussetzung für eine Entwöhnung vom Beatmungsgerät


Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 7. Februar 2019 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 4028,33 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.

2

Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 [X.] zugelassenen Krankenhauses. In diesem behandelte sie einen bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) Versicherten nach notfallmäßiger Aufnahme wegen zunehmender Atemnot (Dyspnoe) stationär vom 7. bis 14.1.2015. Ab dem [X.] wurde der Versicherte intermittierend (mit Unterbrechungen) nicht-invasiv (weder mittels [X.]nschnitt noch mittels Beatmungsschlauch in der [X.]) beatmet. Er wurde mit einem Heimbeatmungsgerät nach Hause entlassen, wo er die intermittierende Beatmung fortführte. Die reine Beatmungszeit während des stationären Aufenthalts betrug 75 Stunden und 20 Minuten; rechnet man die Spontanatmungszeiten zwischen den [X.] mit, ergeben sich 115 Beatmungsstunden. Die Klägerin berechnete der Beklagten 12 074,11 Euro nach der Fallpauschale [X.] (Diagnosis Related Group) [X.] (Beatmung > 95 Stunden, mit bestimmter [X.] oder kompliz. Konstellation, mit äußerst schweren [X.], verstorben oder verlegt < 9 Tage oder ohne best. [X.]., ohne kompliz. Konst., Alter > 15 J., ohne kompliz. Diagnose od. Prozedur, mit äuß. schw. [X.]) unter Kodierung von 115 Beatmungsstunden (Rechnung vom [X.]). Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst, verrechnete am 6.10.2015 aber den Betrag von 4028,33 Euro mit unstreitigen Forderungen der Klägerin wegen der Behandlung anderer Versicherter. Sie sah auf Grundlage einer Stellungnahme des [X.] ([X.]) lediglich aufgerundet 76 Beatmungsstunden als nachgewiesen und folglich die [X.] E40C als einschlägig an. Das [X.] hat die Beklagte zur Zahlung des restlichen Rechnungsbetrags nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 6.10.2015 verurteilt. Das L[X.] hat das [X.]-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen: Es sei bereits fraglich, ob überhaupt eine Gewöhnung an den [X.] eingetreten sei. Dies könne letztlich dahinstehen, da selbst bei Annahme einer Gewöhnung die Voraussetzungen der [X.] ([X.]) nicht erfüllt seien. Denn der hier maßgebliche Beendigungstatbestand der Beatmung, die Entlassung des Versicherten, sehe nach seinem klaren Wortlaut (anders als die Beendigung der Beatmung) keine Berücksichtigung von Spontanatmungsstunden während einer Periode der Entwöhnung vor (Urteil vom 7.2.2019).

3

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 109 Abs 4 Satz 3 [X.] iVm § 7 Abs 1 Satz 1, § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 des Krankenhausentgeltgesetzes ([X.]), der Fallpauschalenvereinbarung ([X.]) 2015 und der [X.] 1001l für 2015. Nach [X.] 1001l seien Spontanatmungsstunden während einer Periode der Entwöhnung zu berücksichtigen. Dies gelte nach der Rechtsprechung des B[X.] auch dann, wenn die Entwöhnung des Versicherten vom Beatmungsgerät bei Entlassung aus der stationären Behandlung noch nicht erfolgreich abgeschlossen sei (Hinweis auf B[X.] vom [X.] - [X.] KR 19/19 R - [X.] 4-5562 § 9 Nr 15).

4

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des [X.] vom 7. Februar 2019 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 10. Oktober 2017 zurückzuweisen,

hilfsweise,

        

das Urteil des [X.] vom 7. Februar 2019 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

Die zulässige Revision des klagenden Krankenhauses ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

7

Die auf Zahlung höherer Krankenhausvergütung gerichtete echte Leistungsklage ist in dem hier bestehenden [X.] zwischen Krankenhausträger und [X.] gemäß § 54 Abs 5 SGG zulässig (stRspr; vgl [X.] vom [X.] [X.] 24/08 R - [X.], 15 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 12 mwN). Der [X.] konnte aufgrund der vom [X.] festgestellten Tatsachen nicht abschließend darüber entscheiden, ob dem Krankenhaus der - für sich genommen unstreitige - restliche Vergütungsanspruch in Höhe von 4028,33 Euro nebst Zinsen wegen der Behandlung anderer Versicherter weiterhin zusteht oder ob die [X.] mit einem aus der Behandlung des Versicherten resultierenden Erstattungsanspruch wirksam aufrechnete (vgl zur Aufrechnung nur BSG vom 28.11.2013 - [X.] [X.] 33/12 R - [X.]-5562 § 9 [X.] Rd[X.] 13; BSG vom 25.10.2016 - [X.] [X.] 7/16 R - [X.]-7610 § 366 [X.] 1; vgl zur Anspruchsgrundlage BSG vom 16.7.2020 - [X.] [X.] 15/19 R - juris Rd[X.] 10). Denn das [X.] hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen, dass der Versicherte durch eine Methode der Entwöhnung vom Beatmungsgerät entwöhnt wurde.

8

1. Dem Krankenhaus stand dem Grunde nach ein Vergütungsanspruch für die unstreitig erforderliche stationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten vom 7. bis 14.1.2015 zu, den § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V, §§ 7 f [X.]EntgG und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz ([X.]G) als selbstverständlich voraussetzen und konkretisieren (stRspr, vgl zu den Grundvoraussetzungen des Vergütungsanspruchs BSG vom 8.11.2011 - [X.] [X.] 8/11 R - [X.], 236 = [X.]-5560 § 17b [X.] 2, Rd[X.] 13, 15 mwN; BSG vom 19.3.2020 - [X.] [X.] 22/18 R - juris Rd[X.] 11 mwN).

9

2. Ob das Krankenhaus mehr als 95 Beatmungsstunden kodieren durfte, wie es die abgerechnete Fallpauschale [X.] voraussetzt, kann der [X.] nicht abschließend entscheiden.

Der Vergütungsanspruch wird auf Bundesebene durch [X.], unter anderem die [X.] und die D[X.] (Vereinbarung zu den [X.] Version 2015 für das G-DRG- System‎ gem äß § 17b [X.]G) konkretisiert (§ 9 Abs 1 Satz 1 [X.] 1 und 3 [X.]EntgG idF vom [X.], § 11 [X.]EntgG; zum rechtlichen Rahmen der [X.], insbesondere des Groupierungsvorgangs und zur Rechtsqualität der [X.] vgl BSG vom 8.11.2011 - [X.] [X.] 8/11 R - [X.], 236 = [X.]-5560 § 17b [X.] 2, Rd[X.] 15 ff; BSG vom 16.7.2020 - [X.] [X.] 16/19 R - juris Rd[X.] 15). Bei [X.] bestimmt zudem § 21 Abs 2 [X.] 2 Buchst f [X.]EntgG (idF durch Art 2 [X.] 9 Buchst a [X.] cc Zweites Gesetz zur Änderung der Vorschriften zum diagnose-orientierten Fallpauschalensystem für Krankenhäuser und zur Änderung anderer Vorschriften - Zweites Fallpauschalenänderungsgesetz - 2. [X.] - vom 15.12.2004, [X.] 3429) ausdrücklich, dass das Krankenhaus der [X.] die Beatmungszeit in [X.] entsprechend der [X.]n nach § 17b Abs 5 Satz 1 [X.] 1 [X.]G zu übermitteln hat (vgl BSG vom 18.12.2018 - [X.] [X.] 40/17 R - [X.]-7645 Art 9 [X.] 1 Rd[X.] 11). Maßgebliche [X.] ist hier D[X.] 1001l.

Abrechnungsbestimmungen wie die D[X.] sind wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und allenfalls unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl BSG vom 8.11.2011 - [X.] [X.] 8/11 R - [X.], 236 = [X.]-5560 § 17b [X.] 2, Rd[X.] 27; BSG vom 16.7.2020 - [X.] [X.] 16/19 R - juris Rd[X.] jeweils mwN).

In Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze kommt eine Kodierung von [X.] nach der hier maßgeblichen D[X.] 1001l während einer Periode der Entwöhnung - entgegen der Auffassung des [X.] - grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn das Ziel der Entwöhnung vom Beatmungsgerät nicht erreicht und der Patient in die Heimbeatmung entlassen wurde (hierzu a). Es fehlen Feststellungen dazu, dass der Versicherte während der kodierten [X.] vom Beatmungsgerät entwöhnt wurde (hierzu b).

a) Der erkennende [X.] hat bereits entschieden, dass die D[X.] 1001l keine Regelung dahingehend enthält, dass [X.] nur im Rahmen erfolgreicher Entwöhnungen berücksichtigungsfähig seien (BSG vom [X.] - [X.] [X.] 19/19 R - [X.]-5562 § 9 [X.] 15 Rd[X.] 16). Sie bestimmt durch die genannten alternativen Ereignisse ("[X.]", "Beendigung der Beatmung nach einer Periode der Entwöhnung" und "Entlassung, Tod oder Verlegung") nur das Ende der [X.] bezogen auf das Ende einer [X.]. Insoweit setzt die D[X.] 1001l voraus, dass es während eines Krankenhausaufenthalts ([X.]) mehrere selbstständige [X.]n geben kann ("Bei einer/mehreren [X.](n) während eines Krankenhausaufenthaltes ist zunächst die Gesamtbeatmungszeit … zu ermitteln …".). Nach Wortlaut und Binnensystematik regelt die D[X.] 1001l mit dem [X.] "Beendigung der Beatmung" durch den Zusatz "nach einer Periode der Entwöhnung" dagegen nicht zugleich eine Voraussetzung der Berücksichtigungsfähigkeit von [X.] bei der Ermittlung der [X.] innerhalb des Beginns und des Endes einer [X.]. Die Regelung definiert vielmehr nur das Ende der (erfolgreichen) Entwöhnung als [X.]. Sie besagt, dass, wenn die [X.] mit einer Periode der Entwöhnung verbunden ist und die Beatmung nach dieser Entwöhnungsperiode endet, auch die Dauer der Beatmung, die [X.], endet. [X.] ist in diesem Fall das Ende der Entwöhnung als Schlusspunkt einer ab diesem Zeitpunkt medizinisch nicht mehr gebotenen Beatmung. Wann die [X.] "nach einer Periode der Entwöhnung" iS der D[X.] erfolgreich endet, regelt D[X.] 1001l hingegen an anderer Stelle (vgl dazu im Einzelnen BSG vom [X.] - [X.] [X.] 19/19 R - [X.]-5562 § 9 [X.] 15 Rd[X.] 16 ff).

Die D[X.] 1001l setzt für die Berücksichtigung von [X.] daher nicht voraus, dass der Patient dieses Ziel während des stationären Aufenthalts oder auch nur zu irgendeinem Zeitpunkt danach im Sinne einer stabilen respiratorischen Situation erreicht. Die Regelung geht vielmehr ausdrücklich davon aus, dass es mehrere [X.] geben kann. Sie fordert aber nicht, dass der letzte der Versuche erfolgreich sein muss, um die vorangegangenen [X.] berücksichtigen zu können. Ein immer mögliches gänzliches oder teilweises Scheitern der Entwöhnungsbeatmung ist gerade nicht Regelungsgegenstand von D[X.] 1001l. [X.] liegt insoweit auch keine Lücke vor. Fehlt es an den Voraussetzungen des [X.]ses der erfolgreichen Entwöhnung, sind die verbleibenden [X.]se zur Bestimmung des Endes der [X.] maßgeblich, also [X.], Entlassung, Tod oder Verlegung.

b) Ob die vom Krankenhaus kodierten [X.] im Rahmen einer Entwöhnung des Versicherten vom Beatmungsgerät berücksichtigungsfähig sind, kann der [X.] auf Grundlage der Feststellungen des [X.] nicht entscheiden.

Entwöhnung ist ein methodisch geleitetes Vorgehen zur Beseitigung der erheblichen Einschränkung oder des Verlustes der Fähigkeit, über einen längeren Zeitraum vollständig und ohne maschinelle Unterstützung spontan atmen zu können.

aa) Wie der [X.] bereits entschieden hat, setzt die Kodierung von [X.] als Beatmungsstunden nach D[X.] 1001l voraus, dass der intensivmedizinisch versorgte Patient (vgl BSG vom [X.] - [X.] [X.] 19/19 R - [X.]-5562 § 9 [X.] 15 Rd[X.] 18) vom Beatmungsgerät durch den Einsatz einer Methode der Entwöhnung entwöhnt wurde, weil zuvor eine Gewöhnung an die maschinelle Beatmung eingetreten war (vgl BSG vom 19.12.2017 - [X.] [X.] 18/17 R - [X.]-5562 § 9 [X.] 8 Rd[X.] 16; BSG vom 30.7.2019 - [X.] [X.] 13/18 R - [X.]-5562 § 9 [X.] 13 Rd[X.] 25). Daran hält der [X.] auch in Ansehung der daran geübten Kritik fest (vgl zur Kritik zB Sächsisches [X.] vom 15.7.2020 - [X.] 251/14 - juris Rd[X.]1 ff; Revision unter dem Az [X.] [X.] 41/20 R anhängig; Bayerisches [X.] vom 26.5.2020 - [X.] 273/17 - juris Rd[X.] 32 ff; [X.], NZS 2020, 285, 287 mwN; [X.] et al, Positionspapier zu Ursachen und Diagnostik der Beatmungsabhängigkeit sowie zu praktischer Durchführung und Abrechnung des [X.], erstellt von der [X.] <[X.]> in Zusammenarbeit mit dem [X.] <[X.]>, Pneumologie 2019; 73: 716 ff; Dennler/Raetzell/Behr/[X.], [X.] an die Judikative der Sozialgerichtsbarkeit von Intensivmedizinern, Pneumologen und Medizincontrollern vom 30.8.2019, abrufbar zB auf [X.]; [X.]/[X.], [X.] 2020, 24 ff; [X.], [X.] 2018, 767 f; anders hingegen zB [X.] Nordrhein-Westfalen vom 4.10.2018 - [X.] 751/14 - juris Rd[X.] 20 ff; [X.] vom [X.] [X.] 2/17 - juris, das die der Entscheidung zugrunde gelegte gutachtliche Bewertung zur Notwendigkeit einer strukturierten Entwöhnung als Voraussetzung eines Weanings ausführlich wiedergibt).

[X.] der Kritik ist, der Begriff einer Gewöhnung an das Beatmungsgerät sei in der Beatmungsmedizin unbekannt und könne daher [X.] auch nicht als Voraussetzung eines Weanings (Entwöhnung) gefordert werden. Durch das Erfordernis einer "Gewöhnung" werde die Entwöhnung des Patienten vom Beatmungsgerät medizinisch fehlerhaft im Sinne einer Kausalkette von einer "Gewöhnung hin zur Entwöhnung" verstanden; man gehe hier fälschlich von einer Zustandsänderung aus, die sich biologisch bei der Entwöhnung von einer Abhängigkeit von zB Drogen ergebe. Bei der mechanischen Beatmung finde weder bei kontinuierlicher noch bei intermittierender Beatmung pathophysiologisch eine Gewöhnung im herkömmlichen Sinne statt, sondern eine akute Gasaustauschstörung und/oder Schwächung bzw Überlastung der Atemmuskulatur stellten die initiale Indikation zur Beatmung dar. Der Begriff "Weaning" von der Beatmung ([X.] Übersetzung "Entwöhnung") beschreibe die Befreiung eines Patienten von der Beatmung (im [X.] Schrifttum als "Liberation from mechanical ventilation" bezeichnet). Dieser Begriff habe sich international etabliert. Die angemessene [X.] Übersetzung des das Weaning begründenden Zustandes sei "Abhängigkeit" (vgl Positionspapier von [X.] und [X.], aaO, [X.]). Sowohl eine erhöhte Last des ventilatorischen Systems als auch eine verminderte Kapazität der [X.] könnten ursächlich für eine Dekompensation des Systems sein. [X.] komme es dann zur Dekompensation des ventilatorischen Systems, wenn die [X.] dauerhaft 40 % oder mehr [X.] einsetzen müssten. Ob dieses Verhältnis durch eine verminderte atemmuskuläre Kapazität, eine vermehrte ventilatorische Last oder eine Kombination von beidem zustande komme, spiele dabei keine Rolle. So lasse sich eine Schwäche der Atemmuskulatur eben auch nicht bei allen [X.] nachweisen (vgl Positionspapier von [X.] und [X.], aaO, [X.]).

Vor dem Hintergrund dieser Kritik stellt der [X.] Folgendes klar: Eine "Gewöhnung an die maschinelle Beatmung" als Voraussetzung für eine Entwöhnung vom Beatmungsgerät im Sinne der D[X.] 1001l nach der Rspr des [X.]s erfordert lediglich "die erhebliche Einschränkung oder den Verlust der Fähigkeit, über einen längeren Zeitraum vollständig und ohne maschinelle Unterstützung spontan atmen zu können" (vgl die Definition in BSG vom 19.12.2017- [X.] [X.] 18/17 R - [X.]-5562 § 9 [X.] 8 Rd[X.] 16) und ist nicht an weitere, darüber hinausgehende Voraussetzungen geknüpft. Unerheblich ist daher, ob die Fähigkeit zur Spontanatmung "nur" aufgrund der behandelten Erkrankung beeinträchtigt ist oder auch durch eine Schwächung der Atemmuskulatur infolge der Beatmung (vgl zum Ventilator-induzierten Atemmuskelschaden das Positionspapier von [X.] und [X.], aaO, [X.]) oder durch ein Zusammenwirken dieser Faktoren. Eine "Gewöhnung" an den [X.] ist danach nicht im Sinne einer pathophysiologischen Abhängigkeit zu verstehen, etwa wie bei Suchtkranken. Die an dem [X.]surteil vom 19.12.2017 geübte Kritik bezieht sich daher im Wesentlichen auf die Wahl des Begriffs "Gewöhnung" als Voraussetzung für eine Entwöhnung vom Beatmungsgerät. Die unzutreffend daraus abgeleitete Verengung der Fallkonstellationen auf die auch beatmungstechnisch (mit-)verursachte Entwöhnungsnotwendigkeit findet im [X.]surteil vom 19.12.2017 aber keine Stütze. Die darin enthaltene Definition dieses Begriffs "Gewöhnung" entspricht vielmehr dem, was etwa das Positionspapier von [X.] und [X.] unter dem Begriff der "Abhängigkeit" ebenfalls als Voraussetzung für ein "Weaning" benennt.

bb) Weitere Voraussetzung der D[X.] 1001l neben der Gewöhnung in dem vorbeschriebenen Sinne ist die Anwendung einer Methode der Entwöhnung, dh ein methodisch geleitetes Vorgehen zur Beseitigung der Gewöhnung an die maschinelle Beatmung. Es genügt hierfür nicht, dass ein Patient aus anderen Gründen - etwa wegen einer noch nicht hinreichend antibiotisch beherrschten Sepsis - nach Intervallen mit Spontanatmung wieder maschinelle nicht-invasive Beatmung erhält.

3. Das [X.] muss daher im wiedereröffneten Berufungsverfahren feststellen, ob das Krankenhaus eine Methode der Entwöhnung tatsächlich eingesetzt hat und die kodierten [X.] in die Periode der Entwöhnung im oben dargelegten Sinn fielen. Zur Feststellung im Wege der Amtsermittlung, dass tatsächlich eine Methode der Entwöhnung angewandt wurde, ist zunächst auf die Dokumentation des Krankenhauses zurückzugreifen (vgl zur sozialrechtlichen Dokumentationspflicht [X.] [X.] [X.] 33/18 R - [X.]-2500 § 109 [X.] 77 Rd[X.] 16 ff mwN; zur Amtsermittlungspflicht vgl BSG vom 18.12.2018 - [X.] [X.] 40/17 R - [X.]-7645 Art 9 [X.] 1 Rd[X.] 22). Ihr Beweiswert ist hierbei jeweils im Einzelfall tatrichterlich zu bewerten, ggf unter Heranziehung sachverständiger Hilfe oder Rückgriff auf bereits vorliegende Sachverständigengutachten. Hat das [X.] bei vorgelegter Dokumentation Zweifel an Rechtserheblichem, muss es den Sachverhalt ergänzend aufklären, etwa durch Vernehmung der behandelnden Ärzte oder der behandelten Versicherten. Lässt sich nach Ausschöpfen der gebotenen Aufklärung nicht feststellen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der abgerechneten Fallpauschale erfüllt gewesen sind, trägt das Krankenhaus die objektive Beweislast für das Vorliegen dieser tatbestandlichen Voraussetzungen (vgl dazu [X.] vom 14.10.2014 - [X.] [X.] 27/13 R - [X.], 82 = [X.]-2500 § 109 [X.] 40, Rd[X.] f).

4. [X.] bleibt dem [X.] vorbehalten.

5. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG.

Meta

B 1 KR 13/20 R

17.12.2020

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Koblenz, 10. Oktober 2017, Az: S 3 KR 742/15, Urteil

§ 39 SGB 5, § 109 Abs 4 S 3 SGB 5, § 301 SGB 5, § 17b Abs 5 S 1 Nr 1 KHG, § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG, § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG vom 17.03.2009, § 9 Abs 1 S 1 Nr 3 KHEntgG vom 26.03.2007, § 21 Abs 2 Nr 2 Buchst f KHEntgG vom 15.12.2004, Nr 1001l DKR 2015, Anl 1 Teil a Nr A13G FPVBG 2015, Anl 1 Teil a Nr E40C FPVBG 2015

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 17.12.2020, Az. B 1 KR 13/20 R (REWIS RS 2020, 2271)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2271

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