Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.02.2007, Az. IV ZR 5/06

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 5384

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am:

7. Februar 2007

[X.]

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]Z: nein [X.]R: ja [X.] §§ 16, 22; BGB §§ 123, 241 Abs. 2, 282, 311 Täuscht der Versicherungsnehmer bei Vertragschluss über einen gefahrerhebli-chen Umstand im Sinne der §§ 16, 17 [X.], so sanktionieren die §§ 16 bis 22 [X.] die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit grundsätzlich ab-schließend. Daneben bestehen keine Ansprüche des Versicherers aus culpa in contrahendo. Nur wo die §§ 16 ff. [X.] nicht eingreifen oder andere geschützte Interessen des Versicherers nicht abschließend behandeln, kommt ein über die Sanktionen der §§ 16 ff. [X.] hinausgehendes Leistungsverweigerungsrecht des [X.] in Betracht. Das kann der Fall sein bei Schadensersatzansprüchen des Versicherers aus unerlaubten Handlungen, insbesondere bei den Tatbeständen der §§ 826, 823 Abs. 2 BGB, die neben den §§ 16 ff. [X.] anzuwenden sind. - 2 -

(Fortführung der Senatsurteile vom 22. Februar 1984 - [X.] - [X.], 630; vom 8. Februar 1989 - [X.] - [X.], 465 und vom 18. September 1991 - [X.] - VersR 1991, 1404) [X.], Urteil vom 7. Februar 2007 - [X.] - Hans[X.] LG Hamburg
- 3 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2007 für Recht erkannt: 1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 24. November 2005 aufgehoben, so-weit die Berufung der Klägerin zurückgewiesen [X.] ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kos-ten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand:

Die Klägerin, Eigentümerin eines am 5. Januar 1999 niederge-brannten Einfamilienhauses mit Nebengebäude, fordert von der [X.] Versicherungsleistungen aus einer Wohngebäude- sowie einer Haus-ratversicherung. 1 - 4 -

2 Für das ursprünglich vom E[X.] der Klägerin im Jahre 1990 erworbene Anwesen hatte dieser zunächst bis Ende 1996 eine Hausrat- und eine Gebäudeversicherung bei der [X.]kasse (im [X.]: [X.]) genommen, für die er seinerzeit auch beruflich tätig war. Mit Wirkung zum 1. Dezember 1996 wurden sowohl dieses Be-schäftigungsverhältnis als auch die Versicherungsverträge beendet. Ebenfalls 1996 wurde das gesamte Anwesen der Klägerin übereignet.
Am 22. November 1996 hatte der E[X.] der Klägerin einen Wasserschaden in der Küche des Einfamilienhauses angezeigt, den der [X.] im Januar 1997 mit einer Zahlung von 22.500 DM regu-lierte. 3 Die Klägerin richtete zusammen mit ihrem E[X.] am 10. [X.] unter Vermittlung der Versicherungsmaklerin D. GmbH an die Beklagte zwei Anträge auf Abschluss von [X.] für Haupt- und Nebengebäude. In beiden Anträgen ist auf die entsprechende Frage der [X.] bezeichnet, jedoch die Frage nach Vorschäden nur mit den Worten "in den letzten Jahren ca. 500,- [X.]" beantwortet. Der Wasserschaden blieb unerwähnt. 4 Ab dem 15. Dezember 1996 gewährte die Beklagte den Eheleuten vorläufige Deckung. Am 4. Februar 1997, einen Tag vor Annahme der [X.], meldete der E[X.] der Klägerin der [X.] einen Wasserschaden, der nach seiner Behauptung infolge einer [X.] des [X.] unterhalb des verfließten Küchenbodens eingetreten war. Am 17. Februar 1997 einigte man sich auf eine Entschädigung von 15.500 DM. Inzwischen ist der [X.] - 5 -

[X.] der Klägerin rechtskräftig wegen Betruges zu einer Geldstrafe verurteilt worden, nachdem die strafrechtlichen Ermittlungen ergeben hatten, dass die behaupteten Schadenspositionen überwiegend identisch sind mit denen des vom [X.] regulierten Wasserschadens vom 22. November 1996.
Nachdem eine im Dezember 1996 von den Eheleuten bei einem anderen Versicherer für beide Gebäude genommene Hausratversiche-rung wegen mehrerer Schadenfälle im Dezember 1997 von beiden [X.] wechselseitig gekündigt worden war, bemühte sich der E-[X.] der Klägerin ab Januar 1998 um den Abschluss einer Hausrat-versicherung bei der [X.]. Nach umfangreichem Schriftwechsel kam es am 17. August 1998 schließlich zum Abschluss einer Hausrat-versicherung. 6 Nach dem Brand vom 5. Januar 1999 trat der E[X.] seine [X.] aus den Versicherungsverträgen an die Klägerin ab. Diese for-dert von der [X.] aus der Hausratversicherung Leistungen in Höhe von 268.039,38 • und aus der Gebäudeversicherung eine Teilleistung von 51.150,90 •. 7 Mit Schreiben vom 15. Dezember 1999 hat die Beklagte gegenüber beiden Eheleuten die Anfechtung der Versicherungsverträge wegen arg-listiger Täuschung (Verschweigen von Vorschäden bei Vertragschluss) erklärt. Unter anderem deshalb hält sie sich für leistungsfrei. [X.] hat sie die Rückzahlung der wegen des behaupteten Wasserscha-dens geleisteten 7.925,02 • (15.500 DM) gefordert. 8 - 6 -

9 Das [X.] hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Klagabweisung bestätigt. Die Widerklage hat es infolge einer Ver-zichtserklärung der [X.] durch Teil-Verzichtsurteil abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:

Die Revision, mit der sich die Klägerin nur insoweit gegen das Be-rufungsurteil wendet, als ihre Berufung gegen die Abweisung der Klage zurückgewiesen worden ist, hat Erfolg. 10 [X.] Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob - wie das [X.] angenommen hatte - die von der [X.] erklärten Anfechtungen durchgreifen. Stattdessen hat es angenommen, das Leistungsbegehren der Klägerin stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar (§ 242 BGB), weil ihm ein Schadensersatzanspruch der [X.] in gleicher Höhe aus culpa in contrahendo gegenüberstehe, so dass die Klägerin das [X.] sofort zurückgewähren müsste. Der E[X.] der Klägerin habe schuldhaft vorvertragliche Pflichten verletzt, als er der [X.] vor Ausstellung der Versicherungspolice in der Gebäudeversicherung den bereits vom [X.] regulierten Wasserschaden gemeldet habe. Dass beide Schäden identisch seien, zeige ein Vergleich der geltend gemachten Schadenspositionen, die in beiden Schadensmeldungen weitgehend übereinstimmten, ohne dass die Klägerin dafür eine plausible Erklärung gefunden habe. 11 - 7 -

12 Infolge der Pflichtverletzung habe die Klägerin den Zustand wie-derherzustellen, der ohne die zum Schadensersatz verpflichtende Hand-lung des E[X.]es bestanden hätte. Die Beklagte sei so zu stellen, als seien die Versicherungsverträge nicht zustande gekommen, denn sie hätte bei Kenntnis der anderweitigen Regulierung des ihr am 4. Februar 1997 gemeldeten Wasserschadens durch den [X.] weder am 5. Februar 1997 die Gebäudeversicherung noch am 17. August 1998 die Hausratversicherung mit den Eheleuten abgeschlossen.

I[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 13 1. Die Beklagte hat keinen Schadensersatzanspruch aus [X.] bei Vertragschluss, den sie, wie das Berufungsgericht annimmt, dem Leistungsbegehren der Klägerin im Wege des [X.] nach § 242 BGB entgegenhalten könnte. 14 a) Soweit sich eine dem Versicherungsnehmer [X.] auf einen gefahrerheblichen Umstand im Sinne der §§ 16, 17 [X.] bezieht, sind die im Schuldrecht durch das Institut des [X.] geschützten Interessen in den §§ 16 bis 22 [X.] ei-genständig geregelt. Diese Vorschriften sanktionieren die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit abschließend. Grundsätzlich [X.] deshalb nach dem Gesetz insoweit nur Prämienerhöhung, Kündi-gung oder Rücktritt in Betracht. Daneben steht es dem Versicherer offen, die Anfechtung seiner Annahmeerklärung wegen arglistiger Täuschung zu erklären (§§ 22 [X.], 123 BGB). Betrifft eine Nicht- oder Falschanzei-ge gefahrerhebliche Umstände, so bestehen daneben keine Ansprüche aus culpa in contrahendo (Senatsurteile vom 22. Februar 1984 - [X.] - 8 -

63/82 - [X.], 630 unter [X.]; vom 8. Februar 1989 - [X.] - [X.], 465 unter [X.], vorangehend [X.], 458; vom 18. September 1991 - [X.] - VersR 1991, 1404 unter 2 b; [X.] VersR 1997, 863). Anderenfalls würde die ausgewogene Entscheidung des Gesetzgebers zur Sanktionierung der Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten bei Anbahnung eines Versi-cherungsvertrages verfälscht und unterlaufen (Senatsurteil vom 22. Februar 1984 aaO). Nur dort, wo die Regelungen der §§ 16 ff. nicht eingreifen, etwa bei Täuschungen über andere als gefahrerhebliche Umstände, oder wo sie andere geschützte Interessen des Versicherers nicht abschließend behandeln, kommt ein über die genannten Sanktionen hinausgehendes Leistungsverweigerungsrecht des Versicherers in Betracht. Das kann der Fall sein bei Ansprüchen aus unerlaubten Handlungen, insbesondere bei den Tatbeständen der §§ 826, 823 Abs. 2 BGB, die neben den §§ 16 ff. [X.] anzuwenden sind ([X.], Urteile vom 8. Februar 1989 aaO unter [X.]; vom 22. Februar 1984 aaO; vom 18. September 1991 aaO). 16 b) Nach diesen Grundsätzen kam hier ein Schadensersatzan-spruch des Versicherers aus culpa in contrahendo nicht in Betracht. Gleichviel, ob man dem E[X.] der Klägerin anlastet, er habe der [X.] bei Beantragung der Gebäudeversicherung den beim [X.] gemeldeten Wasserschaden verschwiegen, oder er vor [X.] der [X.] nicht offen gelegt, dass er densel-ben Schaden der [X.] zur Regulierung angezeigt habe, handelt es sich um gefahrerhebliche Umstände, die der Regelung der §§ 16 ff. [X.] unterfallen. 17 - 9 -

18 2. Für Schadensersatzansprüche der [X.] aus unerlaubten Handlungen, die andere als die bereits von den §§ 16 ff. [X.] geschütz-ten Interessen des Versicherers verletzt haben, hat das Berufungsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen.
Allein die Feststellung, der vom [X.] regulierte [X.] sei identisch mit dem pflichtwidrig bei der [X.] angezeig-ten, reicht für die Begründung eines deliktischen Schadensersatzanspru-ches in Bezug auf den Abschluss beider Versicherungsverträge nicht aus. Das Berufungsgericht hat insbesondere nicht festgestellt, die Kläge-rin oder ihr E[X.] hätten die Beklagte zum Abschluss der [X.] bereits in der vorgefassten Absicht veranlasst, die [X.] zu nutzen oder künftig Versi-cherungsfälle vorsätzlich herbeizuführen (vgl. dazu Senatsurteil vom 19 - 10 -

8. Februar 1989 aaO). Das lässt sich auch dem Zusammenhang der Ur-teilsgründe weder für den im Februar 1997 abgeschlossenen Gebäude-versicherungsvertrag, erst recht nicht für den erst im August 1998 abge-schlossenen [X.] mit ausreichender Sicherheit entnehmen.
Terno [X.] [X.] Dr. Kessal-Wulf [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 13.05.2005 - 331 O 377/01 - [X.], Entscheidung vom 24.11.2005 - 9 U 112/05 -

Meta

IV ZR 5/06

07.02.2007

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.02.2007, Az. IV ZR 5/06 (REWIS RS 2007, 5384)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 5384

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