Bundespatentgericht, Urteil vom 25.07.2012, Az. 5 Ni 19/11

5. Senat | REWIS RS 2012, 4306

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsklageverfahren - "Bildaufzeichnungssystem (interaktive Raumbilderfassung)" - zur Vertagung bei andauernder Krankheit der patentanwaltlich vertretenen Partei - Anforderung von Übersetzungen fremdsprachlicher Entgegenhaltungen liegt im Ermessen des Gerichts - zur Streitwertherabsetzung


Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das [X.] Patent 198 47 403

hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. Juli 2012 durch [X.], die Richterin [X.] sowie [X.], [X.] und [X.]. Univ. [X.]. Wollny

für Recht erkannt:

[X.] Das [X.] Patent 198 47 403 wird im Umfang des Patentanspruchs 3 sowie der Patentansprüche 4 bis 9, soweit letztere - direkt oder indirekt - auf Patentanspruch 3 zurückbezogen sind, für nichtig erklärt.

I[X.] Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

II[X.] [X.] ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des am 14. Oktober 1998 angemeldeten [X.] Patents 198 47 403 (Streitpatent), das die innere Priorität der [X.] Anmeldung mit dem Aktenzeichen 197 46 482.3 vom 22. Oktober 1997 in Anspruch nimmt. Das Streitpatent trägt die Bezeichnung "Bildaufzeichnungssystem (interaktive Raumbilderfassung)" und umfasst 9 Patentansprüche, von denen Patentanspruch 3 sowie die Patentansprüche 4 bis 9, letztere soweit direkt oder indirekt auf Patentanspruch 3 rückbezogen, mit der Nichtigkeitsklage angegriffen sind.

2

Der nebengeordnete Patentanspruch 3 hat nach der [X.] ([X.] 198 47 403 B4) folgenden Wortlaut:

3

3. Bildaufzeichnungssystem mit einer Aufnahmeeinrichtung (1), einer Speichereinheit (2) sowie mindestens einer Wiedergabeeinheit (3), wobei die Aufnahmeeinrichtung ([X.] Erfassung eines vollständigen 360°-Sichtfeldes eine Vielzahl nebeneinander angeordneter, feststehender, hochauflösender elektronische Aufnahmeeinheiten aufweist, und die Speichereinheit (2) eine mehreren Benutzern zugängliche elektronische Speichereinheit (2) ist, von der jeder Benutzer frei wählbare Bildausschnitte zur Darstellung auf der jeweiligen Wiedergabeeinheit (3) abrufen kann.

4

Mit ihrer Teilnichtigkeitsklage macht die Klägerin im angegriffenen Umfang mangelnde Patentfähigkeit geltend. Der Gegenstand des Patentanspruchs 3 und die Gegenstände der darauf direkt oder indirekt zurückbezogenen Patentansprüche 4 bis 9 des Streitpatents seien durch den Stand der Technik neuheitsschädlich getroffen, jedenfalls beruhten sie nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

5

Die Klägerin stützt ihr Vorbringen auf folgende Unterlagen:

6

[X.] Berechtigungsanfrage der P… Video UG, K…… in [X.]…, vom 19. August 2010 an die [X.] Niederlassung der Klägerin

7

K2 Antwortschreiben der Klägerin vom 14. September 2010

8

K3 E-Mail der P… Video UG, K… in [X.]…, an die Klägerin vom 23. Dezember 2010

9

K4 [X.] [X.] 198 47 403 B4

K5 Merkmalsgliederung des angegriffenen Patentanspruchs 3

K6 WO 97/31482 A1

K7 [X.], [X.]: [X.]: [X.], In: [X.] IMAGING, Juli 1995, Seiten 48, 50, 95

K8 [X.] 5,539,483 mit [X.]r Maschinenübersetzung (Anlage K8a)

[X.] [X.] 5,130,794 mit [X.]r Maschinenübersetzung (Anlage [X.]a).

Die Klägerin beantragt,

das [X.] Patent 198 47 403 im Umfang des Patentanspruchs 3 sowie der Patentansprüche 4 bis 9, soweit letztere auf Patentanspruch 3 zurückbezogen sind, für nichtig zu erklären.

Der Beklagte, der den angegriffenen Teil des Streitpatents nur mehr in eingeschränkter Form verteidigt, beantragt,

die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die nach Haupt- und Hilfsantrag verteidigten Fassungen des Streitpatents, überreicht in der mündlichen Verhandlung, richtet.

Hauptantrag verteidigten Fassung lautet wie folgt:

3. Bildaufzeichnungssystem für Video und Fernsehen mit einer Aufnahmeeinrichtung (1), einer Speichereinheit (2) sowie mindestens einer Wiedergabeeinheit (3), wobei die Aufnahmeeinrichtung (1) zur Erfassung eines vollständigen 360°-Sichtfeldes eine Vielzahl nebeneinander angeordneter, feststehender, hochauflösender elektronische Aufnahmeeinheiten aufweist, und die Speichereinheit (2) eine mehreren Benutzern zugängliche elektronische Speichereinheit (2) ist, von der jeder Benutzer frei wählbare Bildausschnitte zur Darstellung auf der jeweiligen Wiedergabeeinheit (3) abrufen kann, wobei jede der Aufnahmeeinheiten als Stereoaufnahmeeinheit mit zwei nebeneinander angeordneten Aufnahmeeinheiten ausgebildet ist.

Hilfsantrag verteidigten Fassung lautet wie folgt:

3. Bildaufzeichnungssystem für Video und Fernsehen mit einer Aufnahmeeinrichtung (1), einer Speichereinheit (2) sowie mindestens einer Wiedergabeeinheit (3), wobei die Aufnahmeeinrichtung (1) zur Erfassung eines vollständigen 360°-Sichtfeldes eine Vielzahl nebeneinander angeordneter, feststehender, hochauflösender elektronische Aufnahmeeinheiten aufweist, und die Speichereinheit (2) eine mehreren Benutzern zugängliche elektronische Speichereinheit (2) ist, von der jeder Benutzer frei wählbare Bildausschnitte zur Darstellung auf der jeweiligen Wiedergabeeinheit (3) abrufen kann, wobei jede der Aufnahmeeinheiten als Stereoaufnahmeeinheit mit zwei nebeneinander angeordneten Aufnahmeeinheiten ausgebildet ist, und wobei in der Aufnahmeeinrichtung (1) wenigstens zwei Mikrophone (10) zur räumlichen Klang-/Geräuscherfassung vorgesehen sind, indem die Aufnahmeeinrichtung (1) eine Anzahl von beabstandet angeordneten Mikrophonen (10) aufweist, so dass für jede Aufnahmerichtung aus verschiedenen Mikrophonsignalen ein Stereoton ausgewählt oder generiert werden kann.

Wegen des Wortlauts der verteidigten Fassungen im Übrigen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25. Juli 2012 Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 29. Juli 2011 hat der Senat den Antrag des Beklagten, ihm Verfahrenskostenhilfe für das [X.] zu bewilligen, wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung zurückgewiesen. Unter Bezugnahme auf diese Entscheidung und unter Berücksichtigung eines zwischenzeitlich geänderten [X.] des Beklagten hat der Senat den Parteien seine vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Hinweis vom 16. Mai 2012 nach § 83 Abs. 1 [X.] mitgeteilt.

K8 und [X.] seien nicht zu berücksichtigen, da sie in [X.] abgefasst seien. In der Kürze der [X.] habe er weder eine Übersetzung beschaffen noch eine sachgerechte Stellungnahme abgeben können. Die von der Klägerin übermittelten Maschinenübersetzungen seien unbrauchbar.

K8 und [X.].

Der Senat hat im Termin nach Erörterung mit den Parteien den Streitwert für das [X.] auf 250.000,-- € endgültig festgesetzt. In diesem Beschluss hat er gleichzeitig dem Antrag des Beklagten auf Streitwertbegünstigung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 [X.], den die Klägerin für rechtsmißbräuchlich ansieht, stattgegeben und angeordnet, dass sich die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Gerichtskosten nach einem Teilstreitwert in Höhe von 25.000,-- € bestimmt.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Akteninhalt, insbesondere die gewechselten Schriftsätze, sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die auf Nichtigerklärung des Streitpatents im Umfang des nebengeordneten Patentanspruchs 3 sowie der auf diesen direkt oder indirekt zurückbezogenen [X.] 4 bis 9 gerichtete Klage ist zulässig und begründet, da der Gegenstand des Streitpatents - soweit angegriffen und vom Beklagten verteidigt - nicht als neu gilt (§ 22 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3 [X.]) bzw. sich in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt und damit nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend angesehen werden kann (§ 22 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 [X.]).

Der Antrag der Klägerin war dahingehend auszulegen, dass von ihrem Teilangriff auf das Streitpatent neben Patentanspruch 3 auch die diesem nachgeordneten [X.] 4 bis 9 umfasst sein sollten und zwar auch insoweit, als sich dieser Rückbezug nur in mittelbarer Hinsicht ergibt.

1. Es konnte im Termin in der Sache verhandelt werden, da dem [X.] des Beklagten mangels erheblicher Gründe im Sinne des § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 99 Abs. 1 [X.] nicht stattzugeben war.

Zwar ist die krankheitsbedingte Verhinderung einer Partei, die durch die im Termin überreichte fachärztliche Stellungnahme vom 19. Juli 2012 erneut bescheinigt wurde, als unverschuldet anzusehen (§ 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO). Jedoch erscheint vorliegend die Fortdauer der Erkrankung des Beklagten nicht absehbar, da bereits ein ärztliches Attest vom 14. Mai 2012 die Unfähigkeit des Beklagten, zu reisen, bestätigt hatte, so dass nicht gewährleistet ist, dass er etwa zwei oder drei Monate später an einer mündlichen Verhandlung werde teilnehmen können, wobei die angespannte Terminslage des [X.]s eine entsprechende kurzfristige Verlegung ohnehin nicht zugelassen hätte. Somit träte eine längere Verzögerung des Rechtsstreits ein, die aber weder der Klägerin zuzumuten wäre, die glaubhaft ausgeführt hat, aufgrund der behaupteten Patentverletzung einer massiven Marktverunsicherung ausgesetzt zu sein, noch vereinbar erscheint mit dem auch im Patentnichtigkeitsverfahren geltenden Beschleunigungs- und Konzentrationsgebot. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Beklagte durch seine Patentanwältin im Termin vertreten war und schriftsätzlich mehrfach Stellung genommen sowie neue Anspruchsfassungen vorgelegt hat, ist sein Anspruch auf rechtliches Gehör unter den aufgezeigten Gesamtumständen hinreichend gewährleistet.

2. Nachdem das Streitpatent im Umfang des Teilangriffs nur mehr in einer gegenüber der Erteilung eingeschränkten Fassung verteidigt wird, ist es ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären, soweit es nicht mehr verteidigt wird ([X.], Urteil vom 19. Dezember 2006 - [X.], [X.], 404 Rn. 15 - Carvedilol II).

II.

1. [X.], umfassend neun Patentansprüche, betrifft ein Bildaufzeichnungssystem (interaktive Raumbilderfassung) mit einer Aufnahmeeinrichtung und einer Speichereinheit sowie zumindest einer Wiedergabeeinheit (vgl. Streitpatentschrift, Absatz [0001]). Bei einem derartigen, in der Praxis bekanntem Bildaufzeichnungssystem wird als Nachteil empfunden, dass der Benutzer zu jeder Zeit sich nur den Bildausschnitt wiedergeben kann, der bei der Bildaufzeichnung durch den Bediener der Aufnahmeeinheit vorgegeben worden ist. Zur Behebung dieses Nachteils sei daher vorgeschlagen worden, mehrere Bildaufzeichnungssysteme parallel zur Aufnahme eines Ereignisses zu betreiben, so dass der Benutzer sich wahlweise eine andere Ansicht wiedergeben lassen könne, was aufgrund der Bereitstellung mehrere [X.] aber sehr kostspielig sei (vgl. Streitpatentschrift, Absatz [0003]). Diese Nachteile würden im Stand der Technik nach der EP 0 599 470 [X.] und der [X.] 197 06 392 [X.] dadurch überwunden, dass Aufnahmeeinrichtungen zur Anwendung kämen, die zur Aufnahme eines Rundumbildes in einem Winkel zur Aufnahmeeinrichtung rotierende [X.] aufwiesen. Die damit aufgenommenen Daten würden in einer Datenverarbeitung gespeichert und könnten über Wiedergabeeinheiten ständig in beliebiger Weise ausgelesen werden (vgl. Streitpatentschrift, Absatz [0004]). Problematisch bei dieser Methode sei, dass mit den [X.] rotierende Bauteile mit einer entsprechenden Masse vorgesehen seien und dass eine Signalübertragung von einem rotierenden auf ein feststehendes Bauteil erforderlich sei (vgl. Streitpatentschrift, Absatz [0005]).

Hauptantrag ein Bildaufzeichnungssystem vor, das sich in folgende Merkmale gliedern lässt:

Bildaufzeichnungssystem für Video und Fernsehen, mit

[X.] einer Aufnahmeeinrichtung (1);

[X.] einer Speichereinheit (2); sowie

M3 mindestens einer Wiedergabeeinheit (3), wobei

M4 die Aufnahmeeinrichtung (1) zur Erfassung eines vollständigen 360°-Sichtfeldes eine Vielzahl nebeneinander angeordneter, feststehender, hochauflösender elektronische [X.] aufweist und

[X.] die Speichereinheit (2) eine mehreren Benutzern zugängliche elektronische Speichereinheit ist, von der

M6 jeder Benutzer frei wählbare Bildausschnitte zur Darstellung auf der jeweiligen Wiedergabeeinheit (3) abrufen kann, wobei

[X.] jede der [X.] als Stereoaufnahmeeinheit mit zwei nebeneinander angeordnete [X.] ausgebildet ist.

2.1 [X.] wendet sich bezüglich der anstehenden Fragen nach der Neuheit und des Zugrundeliegens einer erfinderischen Tätigkeit an einen Diplomingenieur (FH) der elektrischen Nachrichtentechnik, der mit der Entwicklung von Bildaufnahme- und Bildwiedergabesystemen beschäftigt ist.

2.2 Ausgehend vom Fach- und Erfahrungswissen dieses Fachmanns legt der [X.] die Begrifflichkeit "Bildaufzeichnungssystem für Video und Fernsehen" als eine zweckgebundene Gerätschaft aus, mit der Bilder aufgezeichnet werden, die einem Betrachter auf einer dafür geeigneten Bildanzeige dargestellt werden können. Das Bildaufzeichnungssystem umfasst in seiner Allgemeinheit sowohl die Aufzeichnung bewegter Bilder im Sinne eines Films, die Aufzeichnung von Bildsequenzen als auch die Aufzeichnung von Einzelbildern (still video), um diese bspw. im Rahmen eines [X.] auf einer [X.], bspw. einem Fernsehgerät, wiederzugeben.

Aufnahmeeinrichtung", respektive "elektronische Aufnahmeeinrichtung" ist in Anbetracht der technischen Zielrichtung des Streitpatents jedes Gerät zu verstehen, mit dem optische Bildsignale in elektrische Signale umgesetzt werden können.

[X.] vorgegeben, die feststehend nebeneinander angeordnet sein sollen (Merkmal M4).

[X.]), will der Beklagte ausschließlich dahingehend verstanden wissen, dass jede der [X.] als Pärchen zweier [X.] gebildet wird. Eine solche einschränkende Auslegung des Merkmals [X.] hält der [X.] nicht für gerechtfertigt. Neben der von dem Beklagten in Betracht gezogenen räumlich-körperlichen Ausgestaltung als "Stereokamera" sind zahlreiche weitere Ausbildungen der Stereoaufnahmeeinheit denkbar, die zwei nebeneinander angeordnete [X.] aufweisen. Die beiden nebeneinander angeordneten [X.] sollen nämlich lediglich einen gewünschten dreidimensionalen Bildeindruck beim Betrachter mittels einer stereometrischen Abbildung eines Bildbereichs hervorzurufen. Damit umfasst das Merkmal zur Überzeugung des [X.]s aber auch die rein wirkungsmäßige Zusammenfassung zweier nebeneinander angeordneter [X.] zu einer Stereoaufnahmeeinheit, ohne eine konkrete Ausgestaltung der Stereoaufnahmeeinheit auf eine herkömmliche Stereokamera festzulegen.

Wiedergabeeinheit verbindet der Fachmann sämtliche Gerätschaften, die elektronische Bildsignale für den Benutzer wahrnehmbar darstellen können. Darunter fallen neben den allgemein üblichen Bildschirmen und Projektoren auch visuelle Ausgabegeräte in Brillenform (Head-Mounted-Display).

Bildausschnitt definiert im Allgemeinen einen beliebigen Teilbereich eines Bildes.

3. Hauptantrag

Unter Zugrundelegung der vorstehenden Auslegung gilt das Bildaufzeichnungssystem für Video und Fernsehen nach dem Patentanspruch 3 gemäß Hauptantrag nicht als neu.

[X.] ist ein Bildaufzeichnungssystem für Video und Fernsehen als vorbekannt entnehmbar, das eine auf einem Stativ montierte [X.] aufweist, die aus 11 in einem zwölfflächigem Körper (Dodekaeder) angeordneten hochauflösenden [X.] zusammengesetzt ist (vgl. Bild auf Seite 48 i. V. m. Seite 50 linke Spalte, Zeilen 56 bis 65 und rechte Spalte, Zeilen 41 bis 44) (Merkmal [X.]), wodurch eine Aufnahmeeinrichtung realisiert ist, bei der eine Vielzahl feststehender hochauflösender elektronischer [X.] nebeneinander angeordnet sind, so dass ein vollständiges 360°-Sichtfeld erfassbar ist (Merkmal M4).

[X.] unmittelbar, dass ein dort beschriebenes Bildaufzeichnungssystem neben der Aufnahmeeinrichtung mindestens eine jedem Nutzer zugängliche elektronische Speichereinheit aufweisen muss (Merkmale [X.] und [X.]), wobei nutzerseitig für die Bildwiedergabe mindestens eine Wiedergabeeinheit, bspw. in Form der Projektionseinrichtung eines Kuppelkinos, eines Monitors eines Personalcomputers oder nicht zuletzt eines Head Mounted Displays bereitgehalten wird (vgl. Seite 50, rechte Spalte, Zeilen 15 bis 17) (Merkmal M3).

M6).

[X.] ist des Weiteren im Hinblick auf die Erzielung eines dreidimensionalen Bildeindrucks auch die Weiterentwicklung der dort in Rede stehenden Aufnahmeeinrichtung dahingehend angesprochen, dass benachbarte [X.] ([X.]) mit [X.] ausgestattet werden, so dass die für die Generierung eines 3-D-Bildes notwendige stereoskopische Überlappung gewährleistet ist (vgl. Seite 50, rechte Spalte, Zeilen 41 bis 44). Mithin wird auch in der Druckschrift [X.] zumindest die vom [X.] (vgl. hierzu Ausführungen unter 2.2) wirkungsmäßige Zusammenfassung zweier, nebeneinander angeordneter [X.] ([X.]) zu einer funktionsmäßigen Stereoaufnahmeeinheit vorweggenommen (Merkmal [X.]).

[X.] ein Bildaufzeichnungssystem offenbart, das alle Merkmale des verteidigten Patentanspruchs 3 gemäß Hauptantrag aufweist.

Hinsichtlich der [X.] 2 und 6 bis 9 ist ein weitergehender erfinderischer Gehalt von dem Beklagten weder geltend gemacht noch sonst für den [X.] ersichtlich (vgl. [X.], Urteil vom 12. Dezember 2006 - [X.], [X.], 309 Rn. 42 - Schussfädentransport).

4. Hilfsantrag

Der Patentanspruch 3 in seiner hilfsweise verteidigten Fassung umfasst die Merkmale des Patentanspruchs 3 gemäß Hauptantrag und unterscheidet sich von diesem durch das weitere Merkmal

M8 wobei in der Aufnahmeeinrichtung (1) wenigstens zwei Mikrophone (10) zur räumlichen Klang-/Geräuscherfassung vorgesehen sind, indem die Aufnahmeeinrichtung (1) eine Anzahl von beabstandet angeordneten Mikrophonen aufweist, so dass für jede Aufnahmerichtung aus verschiedenen Mikrophonsignalen ein Stereoton ausgewählt oder generiert werden kann.

[X.] beschriebenen Bildaufnahmesystem in erfinderischer Weise dadurch unterscheide, dass dort Mikrophone für eine Tonaufnahme explizit nicht erwähnt seien, geschweige denn Mikrophone so einzusetzen seien, dass aus jeder Raumrichtung ein Stereoton erzeugt werden könne, kann er damit nicht durchdringen.

[X.] befasst sich zwar schwerpunktmäßig mit dem elektrooptischen Aufbau und den Betriebsmöglichkeiten einer 360°-Anordnung mehrerer elektronischer hochauflösender Kameras, lässt aber im Hinblick auf damit herzustellende sphärische Videoproduktionen, bspw. eines Basketball-Spieles, die Unterlegung desselben mit 3-D "holophonem" Audio nicht unerwähnt (vgl. [X.], Seite 50, linke Spalte, letzter Absatz bis rechte Spalte, erster Absatz). Der Fachmann erhält damit unmittelbar den Hinweis, dem Nutzer als Endprodukt ein sphärischen Video anzubieten, welches nicht nur einen räumlichen Bildeindruck, sondern auch einen mit diesem synchronisierten Höreindruck vermittelt. Aus seinem Fachwissen heraus ist dem Fachmann bewusst, dass ein derartiger audio-visueller Gesamteindruck nur dann vermittelt werden kann, wenn für die Aufnahme der akustischen Ereignisse eine Vielzahl von Mikrophonen eingesetzt wird, von denen einzelne gezielt mit den jeweils in einer gewünschten Blickrichtung ausgerichteten Kameras synchron aktiviert werden. In Anbetracht des beabsichtigten holophonen Eindrucks und der damit einhergehenden akustischen Tiefenwirkung sind dafür selbstverständlich, je nach darzustellendem Bildausschnitt und den diesen charakterisierenden akustischen Ereignis, mehrere Mikrophonsignale zusammenzuschalten.

M8 sind dem Fachmann, ausgehend von der [X.], somit nahe gelegt.

Mit dem Patentanspruch 3 in der mit dem Hilfsantrag verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben. Dass in den direkt oder indirekt rückbezogenen [X.]n 4, 8 und 9 eigenständig erfinderische Gegenstände enthalten seien, hat der Beklagte weder geltend gemacht, noch ist dies für den [X.] ersichtlich (vgl. [X.], Urteil vom 12. Dezember 2006 - [X.], [X.], 309 Rn. 42 - Schussfädentransport).

5. Bei dieser Sachlage konnte es auch dahingestellt bleiben, ob die dem Gegenstand des Streitpatents im angegriffenen Umfang näher kommende Entgegenhaltung [X.], die in [X.] abgefasst ist, trotz der Einlassung des Beklagten, er verfüge diesbezüglich nicht über ausreichende Sprachkenntnisse, zur Beurteilung der Patentfähigkeit hätte herangezogen werden können. Nach der im Patentnichtigkeitsverfahren maßgeblichen Vorschrift des § 142 Abs. 3 ZPO liegt es im Ermessen des Gerichts, ob es Übersetzungen fremdsprachlicher Entgegenhaltungen anfordert. Insoweit ist jedoch auf die Sprachkenntnisse des Gerichts abzustellen und nicht auf die der Parteien. Letztere sind gehalten, sich gegebenenfalls selbst Übersetzungen anfertigen zu lassen (vgl. [X.], [X.], 8. Auflage, § 126, Rz. 15 sowie B[X.]E 44, 47 - Künstliche Atmosphäre). Jedenfalls hat die Klägerin die Druckschrift [X.] innerhalb der im Hinweis des Gerichts den Parteien gesetzten Frist zum Vorbringen neuer Angriffs- oder Verteidigungsmittel, die am 20. Juni 2012 endete, und damit rechtzeitig eingereicht. Inwieweit entgegen der Ansicht des Beklagten, der sich zu den ebenfalls in [X.] abgefassten Druckschriften [X.] und [X.] nicht gehindert sah, sachgerecht Stellung zu nehmen, die nachgereichte Maschinenübersetzung zusammen mit seinem und dem Sachverstand seiner anwaltlichen Vertreterin ausreichend erscheinen könnten, um sein Recht auf ein faires Verfahren zu gewährleisten, braucht daher ebenfalls nicht näher erörtert zu werden.

[X.]

Als Unterlegener hat der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Seine Verpflichtung zur Zahlung der Gerichtskosten bemisst sich jedoch nicht nach dem in der mündlichen Verhandlung festgesetzten Streitwert in Höhe von 250.000,-- €, sondern nach dem der wirtschaftlichen Lage des Beklagten angepassten Teilstreitwert von 25.000,-- € gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 [X.] i. V. m. § 2 Abs. 2 Satz 5 PatKostG, den der [X.] auf Antrag des Beklagten vom 20. Juni 2012 im Termin ebenfalls festgesetzt hat.

Nach dieser Vorschrift kann das Gericht auf Antrag einer Partei anordnen, dass sich ihre Kostentragungspflicht nach einem geringeren Wert berechnet, sofern die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Wert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde und sie dies glaubhaft macht. Der Beklagte, der entsprechende Bewilligungsunterlagen vorgelegt hat, ist derzeit Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und trägt vor, einschließlich geringer Lizenzzahlungen aus dem Streitpatent weniger als … € monatlich zur Verfügung zu haben und ansonsten mittellos zu sein. Eine erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lage des Beklagten bei Zugrundelegung des vollen Streitwertes, bei dem sich allein die Gerichtskosten auf ca. 15.000,-- € belaufen, liegt daher auf der Hand.

Der Antrag wurde vom Beklagten auch rechtzeitig vor der Verhandlung gestellt (§ 144 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Nachdem eine Festsetzung des Streitwerts erst in der Verhandlung erfolgte, erscheint überdies fraglich, ob diese Vorschrift dem Beklagten hätte entgegen gehalten werden können, wenn er den Antrag auf Streitwertherabsetzung erst im Rahmen der Verhandlung über dessen Festsetzung gestellt hätte.

Der Antrag auf Herabsetzung des Streitwerts ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht rechtsmissbräuchlich gestellt. Ihrem Vortrag, der Beklagte hätte es in der Hand gehabt, frühzeitig die Kosten eines [X.] durch Verzicht auf das Streitpatent zu mindern bzw. zu vermeiden, ist entgegen zu halten, dass sich der zunächst nicht anwaltlich vertretene Beklagte des [X.] bei einer Nichtigkeitsklage als Reaktion auf seine finanziellen Forderungen an die Klägerin wegen angeblicher Verletzung des Streitpatents wohl nicht bewusst war. Inzwischen hat er seine Bereitschaft zur Begrenzung des Schadens auf Seiten der Klägerin bekundet und dieser sogar eine Aufwandsentschädigung angeboten. Den nach dem Beschluss des [X.]s vom 29. Juli 2011 fehlenden Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung ist er durch mehrmalige Einschränkungen gegenüber der erteilten Fassung des Streitpatents entgegengetreten.

Dem [X.] erscheint vorliegend ein Teilstreitwert von 25.000,-- € als angemessen. Er berücksichtigt, dass dem Beklagten ein gewisses Kostenrisiko verbleiben soll, das in einem angemessenen Verhältnis zum normalen Risiko, dem erhöhten Risiko der Gegenpartei und den Vermögensverhältnissen des Beklagten steht (vgl. [X.]; Beschluss vom 29. Juli 2010 - [X.]; Busse/Keukenschrijver, [X.], 6. Auflage, §144, Rdnr. 13; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Auflage, § 144 Rdnr. 7 m. w. N.). Dieser Betrag errechnet sich auf der Grundlage der vom Beklagten angegebenen Lizenzeinnahmen, gemessen an der Restlaufzeit des Streitpatents.

Wegen der Folgen der Streitwertherabsetzung auf die außergerichtlichen Kosten des [X.] wird auf § 144 Abs. 1 Satz 2 und 3 [X.] Bezug genommen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 [X.], § 709 ZPO.

Meta

5 Ni 19/11

25.07.2012

Bundespatentgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

§ 227 Abs 1 S 1 ZPO § 142 Abs 3 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 25.07.2012, Az. 5 Ni 19/11 (REWIS RS 2012, 4306)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4306

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