Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.09.2017, Az. V ZR 103/16

5. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 4513

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

RÜCKWIRKUNG DER ZUSTELLUNG § 167 ZPO

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Demnächst erwirkte Zustellung in Wohnungseigentumssachen: Erledigungsfrist zur Einzahlung des angeforderten Gerichtskostenvorschusses; Berücksichtigung des Zeitaufwands für die Bearbeitung und Weiterleitung der Gerichtskostenvorschussrechnung durch den Anwalt


Leitsatz

1. Einer Partei ist in der Regel eine Erledigungsfrist von einer Woche zur Einzahlung des angeforderten Gerichtskostenvorschusses zuzugestehen.

2. Auch wenn die Gerichtskostenvorschussrechnung dem Anwalt verfahrensfehlerfrei zur Vermittlung der Zahlung zugesandt wurde, ist der für die Prüfung der Kostenanforderung und deren Weiterleitung an die Partei erforderliche Zeitaufwand dieser nicht als Zustellungsverzögerung anzulasten (Fortführung von Senat, Urteil vom 10. Juli 2015, V ZR 154/14, NJW 2015, 2666).

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird der Beschluss des [X.], 13. Zivilkammer, vom 14. März 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur Verhandlung und neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Wohnungseigentümerversammlung vom 26. Februar 2015 wurden mehrere Beschlüsse gefasst, u.a. zur Haussanierung. Mit der am 11. März 2015 bei dem Amtsgericht eingegangenen Anfechtungsklage wenden sich die Kläger gegen diese Beschlüsse. Die Gerichtskostenvorschussrechnung in Höhe von 4.518 € ist der Prozessbevollmächtigten der Kläger am 24. März 2015 zugegangen. Der Vorschuss ist am 23. April 2015 bei der [X.] eingegangen und die Klage am 29. April 2015 den Beklagten zugestellt worden.

2

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Dagegen wenden sich die Kläger mit der von dem Senat zugelassenen Revision. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

I.

3

Nach Ansicht des [X.] haben die Kläger die einmonatige [X.] nach § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG versäumt. Etwas anderes ergebe sich nicht aus § 167 ZPO. Die Klage sei nicht „demnächst“ zugestellt worden, weil der Vorschuss verspätet eingezahlt worden sei. Auch wenn der Zeitraum zwischen der Einreichung der Klage und dem Ablauf der [X.] am 26. März 2015 sowie das Wochenende vom 28./29. März 2015 unberücksichtigt blieben, stelle die Dauer der Zahlung von 28 Tagen eine erhebliche Verzögerung dar. Unter Berücksichtigung der kurzen Bankbearbeitungsfrist von einem Tag (§ 675s BGB) hätte es binnen einer Woche möglich sein müssen, den Vorschuss zu zahlen. Dieser Zeitraum sei nicht deshalb zu verlängern, weil die Vorschussforderung an die Prozessbevollmächtigte der Kläger und nicht an diese selbst übersandt worden sei. Das sei nicht verfahrensfehlerhaft gewesen. Eine § 31 Abs. 1, § 32 Abs. 2 KostVfg Berlin aF entsprechende Regelung habe es im [X.] in [X.] nicht gegeben.

II.

4

Diese Erwägungen des [X.] halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Kläger haben die materielle [X.] nach § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG gewahrt. Es ist auf den Eingang der Klageschrift bei Gericht abzustellen, da die Klage demnächst im Sinne von § 167 ZPO zugestellt worden ist.

5

1. Im Ausgangspunkt rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht allerdings an, dass das Merkmal „demnächst“ (§ 167 ZPO) nur erfüllt ist, wenn sich die der [X.] zuzurechnenden Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen halten. Dabei wird eine Zustellungsverzögerung von bis zu 14 Tagen regelmäßig hingenommen, um eine Überforderung des [X.] sicher auszuschließen (vgl. nur [X.], Urteil vom 12. Januar 1996 - [X.], NJW 1996, 1060, 1061 - insoweit nicht in [X.], 376 abgedruckt; [X.], Urteil vom 10. Februar 2011 - [X.], NJW 2011, 1227 Rn. 8). Dies gilt für sämtliche Fallgruppen, so dass auch für die Einzahlung des [X.] (§ 12 Abs. 1 GKG) bei der Berechnung der noch hinnehmbaren Verzögerung von 14 Tagen nicht auf die Zeitspanne zwischen der Aufforderung zur Einzahlung der Gerichtskosten und deren Eingang bei der Gerichtskasse, sondern darauf abgestellt wird, um wie viele Tage sich der ohnehin erforderliche Zeitraum infolge der Nachlässigkeit des [X.] verzögert hat ([X.], Urteil vom 10. Juli 2015 - [X.], NJW 2015, 2666 Rn. 6; Versäumnisurteil vom 25. September 2015 - [X.], [X.], 568 Rn. 9; [X.], Urteil vom 10. Februar 2011 - [X.], NJW 2011, 1227 Rn. 8).

6

2. Zutreffend lässt das Berufungsgericht für die Frage, ob die Zustellung demnächst erwirkt worden ist, den Zeitraum von der Einreichung der Klage bis zum Ablauf der [X.] des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG am 26. März 2015 unberücksichtigt. Wenn eine Klage - wie hier - bereits vor Ablauf einer durch Zustellung zu wahrenden Frist eingereicht worden ist, die Zustellung der Klage aber erst nach Ablauf der Frist erfolgt ist, sind bis zum Fristablauf eingetretene Versäumnisse nicht in den Zeitraum der hinnehmbaren Verzögerung von 14 Tagen miteinzurechnen (vgl. [X.], Versäumnisurteil vom 25. September 2015 - [X.], [X.], 568 Rn. 11; [X.], Urteil vom 16. Dezember 1987 - [X.], [X.]Z 103, 20, 30; Urteil vom 15. Januar 1992 - [X.], NJW-RR 1992, 470, 471).

7

3. Entgegen der Auffassung des [X.] liegt jedoch eine den Klägern vorwerfbare Verzögerung von mehr als 14 Tagen nicht vor.

8

a) Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass es den Klägern eine Woche zur Erledigung der Zahlung zugebilligt hat.

9

Eine [X.] muss den angeforderten [X.] (§ 12 Abs. 1 GKG) innerhalb eines angemessenen Zeitraums einzahlen. Die Auffassung des [X.], ihr sei dafür eine [X.] von bis zu drei Werktage zuzugestehen (Urteil vom 25. Oktober 2016 - [X.], [X.], 294 Rn. 25), teilt der [X.] nicht. Die [X.] muss nicht zwingend an demselben Tag tätig werden, an dem bei ihr die Anforderung eingeht. Bei der Bemessung der Frist, innerhalb der die Zahlung zu erfolgen hat, ist zudem nicht nur auf den für die Überweisung durch die Bank erforderlichen Zeitraum (§ 675s Abs. 1 Satz 1 u. 3 BGB) abzustellen. Es ist vielmehr auch die Zeitspanne zu berücksichtigen, die die [X.] im Normalfall benötigt, um für eine ausreichende Deckung des Kontos zu sorgen und die Überweisung zu veranlassen. Der [X.] ist deshalb in der Regel eine [X.] von einer Woche zur Einzahlung des angeforderten [X.] zuzugestehen. Die Frist kann sich nach Umständen des Einzelfalls angemessen verlängern, etwa wenn - wie hier - der Kostenvorschuss eine beträchtliche Höhe hat (vgl. [X.], Urteil vom 3. September 2015 - [X.], NJW 2015, 3101 Rn. 19: mehrere Tage) bzw. es mehrere Kostenschuldner gibt und eine interne Abstimmung über die Zahlung erforderlich ist. Danach beträgt sie hier für die Kläger jedenfalls eine Woche.

Anlass für eine Vorlage an den [X.] für Zivilsachen gemäß § 132 [X.] besteht nicht, weil die Annahme des II. Zivilsenat in dem Urteil vom 25. Oktober 2016 ([X.], [X.], 294 Rn. 25), die [X.] zur Einzahlung des Kostenvorschusses betrage bis zu drei Werktage, nicht entscheidungserheblich war. Bei fehlender Entscheidungserheblichkeit ist eine Vorlage an den [X.] für Zivilsachen nicht zulässig (vgl. [X.], Beschluss vom 27. März 2003 - [X.], [X.]Z 154, 288, 299 mwN).

b) Rechtsfehlerhaft rechnet das Berufungsgericht aber die für die Kenntnisnahme, Bearbeitung und Weiterleitung der Gerichtskostenvorschussrechnung durch die Prozessbevollmächtigte erforderliche Zeit den Klägern als vorwerfbare Verzögerung zu.

aa) Die Zusendung der Gerichtskostenvorschussrechnung an die Prozessbevollmächtigte der Kläger war, wie das Berufungsgericht insoweit zutreffend erkennt, verfahrensfehlerfrei. Das ergibt sich aus der Vorschrift des § 26 Abs. 6 KostVfg [X.] vom 16. April 2014 ([X.]. 2014, [X.]), die mit der entsprechenden Regelung der Kostenverfügung des [X.] vom 6. März 2014 ([X.]anzeiger, Beilage 1 vom 7. April 2014 i.d.[X.] vom 10. August 2015, [X.]anzeiger, Beilage 1 vom 25. August 2015) übereinstimmt. Danach soll, sofern der Zahlungspflichtige u.a. von einem Prozessbevollmächtigten vertreten wird, die Kostenanforderung grundsätzlich diesem zur Vermittlung der Zahlung zugesandt werden.

bb) Auch wenn die Gerichtskostenvorschussrechnung dem Anwalt verfahrensfehlerfrei zur Vermittlung der Zahlung zugesandt wurde, ist der für die Prüfung der Kostenanforderung und deren Weiterleitung an die [X.] erforderliche Zeitaufwand dieser nicht als Zustellungsverzögerung anzulasten.

Zwar hat der [X.] entschieden, dass dann, wenn der Kostenvorschuss unter Missachtung einer landesgesetzlichen Sonderregelung und damit verfahrenswidrig nicht von der [X.] selbst, sondern über deren Anwalt angefordert worden ist, die damit einhergehende Verzögerung nicht der [X.] zuzurechnen (Urteil vom 10. Juli 2015 - [X.], NJW 2015, 2666 Rn. 8 zu § 31 Abs. 1, § 32 Abs. 2 KostVfg Berlin aF; Urteil vom 3. Februar 2012 - [X.], NJW-RR 2012, 527 Rn. 11 zu § 31 Abs. 1, § 32 Abs. 2 KostVfg NRW aF). [X.] dafür war aber nicht der Verfahrensfehler, sondern der Umstand, dass die [X.] erst tätig werden muss, wenn die Gerichtskostenvorschussrechnung bei ihr eingeht. Das muss sie auch dann erst, wenn die Zusendung der Gerichtskostenvorschussrechnung verfahrensfehlerfrei an ihren Prozessbevollmächtigten erfolgt ist. Richtig ist zwar, dass die [X.] sich dessen Wissen zurechnen lassen muss (vgl. [X.], Urteil vom 16. Dezember 1959 - [X.], [X.]Z 31, 351, 354; Beschluss vom 11. Mai 2006 - [X.], [X.], 1029 Rn. 2; Beschluss vom 16. November 2016 - [X.], [X.] 2017, 147 Rn. 6). Der Prozessbevollmächtigte, dem die Gerichtskostenvorschussrechnung zugesandt wird, ist aber nur Zahlungsvermittler. Er muss die Kostenanforderung entgegennehmen, prüfen und an die [X.] zur Unterrichtung weiterleiten. Der dafür erforderliche Zeitraum ist im Allgemeinen mit drei Werktagen zu veranschlagen (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Juli 2015 - [X.], NJW 2015, 2666 Rn. 8). Er führt nicht zu einer der [X.] zuzurechnenden Verzögerung, sondern zählt zum normalen Ablauf.

c) Danach überschreitet die den Klägern zuzurechnende Zustellungsverzögerung den Zeitraum von 14 Tagen nicht. Der mit drei Tagen zu veranschlagende Zeitraum für die Prüfung und Weiterleitung der Gerichtskostenvorschussrechnung durch den Prozessbevollmächtigten begann wegen der am 26. März 2015 abgelaufenen [X.] am 27. März 2015 (Freitag) und endete am 31. März 2015 (Dienstag). Danach wäre eine Einzahlung bzw. Überweisung spätestens am 7. April 2015 zu erwarten gewesen. Es ist aber in Rechnung zu stellen, dass von einer auf die Wahrung ihrer prozessualen Obliegenheiten bedachten [X.] nicht verlangt werden kann, an Feiertagen für die Einzahlung des Kostenvorschusses Sorge zu tragen ([X.], Urteil vom 10. Juli 2015 - [X.], NJW 2015, 2666 Rn. 9; Urteil vom 3. September 2015 - [X.], NJW 2015, 3101 Rn. 19). Daher sind, was das Berufungsgericht übersehen hat, die [X.] vom 3. April 2015 ([X.]) und vom 6. April 2015 ([X.]) bei der Ermittlung des für die Einzahlung des Vorschusses ohnehin erforderlichen Zeitraums herauszurechnen. Danach war die Einzahlung bzw. Überweisung frühestens am 9. April 2015 zu erwarten. Tatsächlich haben die Kläger den Kostenvorschusses am 23. April 2015 und damit noch innerhalb von 14 Tagen nach diesem Zeitpunkt gezahlt.

III.

Nach allem unterliegt der Beschluss des [X.] der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die für eine Endentscheidung notwendigen Feststellungen getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

[X.]     

      

Schmidt-Räntsch     

      

Brückner

      

Göbel     

      

Haberkamp     

      

Meta

V ZR 103/16

29.09.2017

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Frankfurt, 14. März 2016, Az: 2-13 S 158/15

§ 167 ZPO, § 12 Abs 1 GKG, § 46 Abs 1 S 2 WoEigG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.09.2017, Az. V ZR 103/16 (REWIS RS 2017, 4513)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 177-178 REWIS RS 2017, 4513

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZR 103/16 (Bundesgerichtshof)


II ZR 281/18 (Bundesgerichtshof)

Rechtzeitige Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses binnen einer Woche


V ZR 154/14 (Bundesgerichtshof)

Voraussetzungen einer Vorwirkung "demnächstiger" Zustellung der Klageschrift in einer Wohnungseigentumssache: Berechnungsgrundsätze für eine noch hinnehmbare …


V ZR 2/14 (Bundesgerichtshof)

Rückwirkung demnächst erfolgender Klagezustellung: Hinnehmbare dem Kläger zuzurechnende Verzögerung bei Leistung des Gerichtskostenvorschusses; Berücksichtigung der …


V ZR 148/11 (Bundesgerichtshof)

Demnächstige Zustellung der Klage: Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses mehr als 2 Wochen nach der unmittelbar vor …


Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.