Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.06.2001, Az. XII ZR 20/99

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2001, 2195

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[X.] DES VOLKESURTEILXII ZR 20/99Verkündet am:20. Juni 2001Küpferle,[X.] Geschäftsstellein dem [X.] 2 -Der XII. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 20. Juni 2001 durch [X.] [X.] und [X.], [X.], [X.] und Prof. Dr. Wagenitzfür Recht erkannt:Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 17. Dezember 1998 auf-gehoben.Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten der Revision, an das [X.] zu-rückverwiesen.Von Rechts [X.]:Der Kläger nimmt den Beklagten nach vorzeitiger Beendigung einesMietverhältnisses auf Schadensersatz wegen entgangener Mietzinsen in [X.].Durch Mietvertrag vom 1. Oktober 1992 vermietete die Grundstücksge-sellschaft M. , [X.]115, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts,deren einziger Vermögensgegenstand ein Geschäftshaus in [X.]war,dem Beklagten in dem betreffenden Objekt gelegene Verkaufsräume und La-gerflächen. Das auf die Dauer von fünf Jahren geschlossene [X.] -begann am 1. Oktober 1992. Als Nettokaltmiete war ein Betrag von [X.] vereinbart. Da es bereits ab September 1994 zu [X.] bei der Mietzinszahlung gekommen war und der Beklagte den Mietzins [X.] 1995 nur teilweise und für März und April 1995 überhaupt nicht zahlte,kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis mit Schreiben vom 10. April 1995wegen Zahlungsverzugs fristlos. Am 9. Mai 1995 schloß sie rückwirkend zum1. April 1995 mit der bisherigen Untermieterin des Beklagten, der S. GmbH, einen bis zum 31. März 1997 befristeten [X.] die betreffenden Räume zu einem Nettomietzins von [X.] notariellen Vertrag vom 25. September 1997 trat der einzige Mit-gesellschafter des [X.], [X.], seine Beteiligung an der Grund-stücksgesellschaft [X.] an den Kläger ab.Mit der Klage begehrt der Kläger die Zahlung der Mietdifferenz von mo-natlich 15.000 DM (33.000 DM abzüglich 18.000 DM) für die Zeit von Mai 1995bis Mai 1996, insgesamt 195.000 DM zuzüglich Zinsen. Der Beklagte hat [X.] geltend gemacht, bei Abschluß des Mietvertrages mit der [X.] sei eine Vereinbarung getroffen worden, nach der er aus [X.] Mietvertrag nicht mehr in Anspruch genommen werde.Das [X.] hat der Klage nach Beweiserhebung bis auf einen [X.] stattgegeben. Es ist davon ausgegangen, daß der [X.] behauptete [X.] nicht bewiesen habe. Auf die hiergegen ge-richtete Berufung des Beklagten, mit der ausschließlich die Beweiswürdigungdes [X.]s angegriffen worden ist, hat das Berufungsgericht die Klage(insgesamt) abgewiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wieder-herstellung des Urteils des [X.]s.- 4 -- 5 -Entscheidungsgründe:Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und [X.] der Sache an das Berufungsgericht.1. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, der Kläger habeeinen etwaigen Anspruch auf Ersatz des durch die fristlose Kündigung [X.] entstandenen Schadens verwirkt. Hierzu hat es im [X.] ausgeführt: Den Beklagten habe nach der fristlosen Kündigung die Ver-pflichtung getroffen, dem Vermieter möglichst schnell einen Nachmieter anzu-bieten, um den Schaden für sich so gering wie möglich zu halten. Da die [X.] bürgerlichen Rechts bereits am 9. Mai 1995 einen Mietvertrag mit derbisherigen Untermieterin des Beklagten als Hauptmieterin abgeschlossen ha-be, sei ihm die Möglichkeit genommen worden, selbst einen Nachmieter zu [X.], der die früheren Vertragsbedingungen akzeptiert hätte. Darüber hinaushabe der Beklagte, dem der erheblich geringere Mietzins und die gegenüberdem früheren Mietvertrag nur um sechs Monate kürzere Laufzeit des [X.] bekannt gewesen seien, die Gewißheit haben dürfen, daß essich nicht um eine vorübergehende "Notvermietung" zur Schadensminderunggehandelt habe, sondern er habe von einer langfristigen Neuvermietung [X.] können sowie davon, daß er deshalb aus dem ursprünglichen Vertragnicht mehr in Anspruch genommen werde. In diesem Glauben habe er sichsiebzehn Monate - bis zu Zustellung des Mahnbescheides im Oktober 1996 -befunden, da bis zu diesem Zeitpunkt weder eine Zahlungsaufforderung [X.] Ankündigung, ihn auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, [X.]. Im Hinblick auf diese Umstände widerspreche das Schadensersatzver-langen dem Grundsatz von [X.] und Glauben; der Kläger habe sein Recht aufSchadensersatz verwirkt. Das für diese Annahme notwendige Zeitmoment sei- 6 -erfüllt. Die erforderliche Dauer des [X.] sei abhängig von den [X.] Einzelfalles. Vorliegend sei von Bedeutung, daß der Beklagte jeden [X.] Betrag von 15.000 DM hätte aufbringen sollen, ohne dafür eine wirklicheGegenleistung zu erhalten. Wenn er nach siebzehn Monaten gleichwohl nochin Anspruch genommen werden könne, würde dies zu einer mit [X.] und Glau-ben nicht zu vereinbarenden Härte führen. Die hieraus folgende Unzulässigkeitder Rechtsausübung sei von Amts wegen zu prüfen, ohne daß es auf entspre-chenden Vortrag des Beklagten ankomme.2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht [X.]) Die Revision rügt zu Recht einen Verfahrensverstoß, weil das [X.] die Klageforderung als verwirkt angesehen hat, ohne dem Klägerzuvor einen Hinweis auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt zu geben. Nachdemkeine der Parteien die Frage der Verwirkung aufgegriffen hatte, sondern aus-schließlich der vom Beklagten behauptete Erlaß jeglicher weiterer Forderungenaus dem Mietverhältnis im Streit war und mit der Berufung allein die diese [X.] betreffende Beweiswürdigung des [X.]s angegriffen wurde, hättedas Berufungsgericht den Kläger gemäß § 278 Abs. 3 ZPO auf den Gesichts-punkt einer Verwirkung der Forderung hinweisen und ihm Gelegenheit [X.] geben müssen, bevor es seine Entscheidung hierauf stützte(vgl. [X.], Urteil vom 2. Februar 1993 - [X.] - NJW-RR 1993, 569, 570;vom 20. Juni 1990 - [X.] - NJW 1991, 637, 638 f. und vom 13. [X.] - VI ZR 216/88 - NJW 1989, 2756, 2757). Ohne einen solchen Hinweis,für den sich weder aus dem Sitzungsprotokoll noch aus dem Berufungsurteiletwas ergibt, stellt sich die Entscheidung des Berufungsgerichts als [X.] dar, mit der der Kläger erkennbar nicht [X.] -Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß das Berufungsurteil auf die-sem Verfahrensfehler beruht. Auf einen rechtzeitigen Hinweis hätte der Kläger,wie die Revision ausführt, auf sein Vorbringen aus dem ersten Rechtszug zu-rückkommen und unter anderem darlegen können, er habe den [X.] nicht erst im Oktober 1996, sondern bereits in einem vorausge-gangenen Rechtsstreit geltend gemacht, in dem er Auffüllung der wegen [X.] ab September 1994 aufgetretenen Zahlungsverzugs des Beklagten [X.] genommenen Kaution verlangt habe. Das [X.] habe in sei-nem (in erster Instanz in Ablichtung vorgelegten) Urteil vom 19. Juli 1995 derdamaligen Klage im wesentlichen stattgegeben und bezüglich des hier streiti-gen Schadensersatzanspruchs ausgeführt, nach der Kündigung wegen [X.] könnten die Vermieter für die vereinbarte Vertragslaufzeit [X.] in Höhe der Mietzinsdifferenz verlangen.b) Hiervon abgesehen begegnet das Berufungsurteil aber auch [X.] rechtlichen Bedenken. Die Frage, ob der allgemeine Rechts-gedanke der Verwirkung als eines Unterfalles der unzulässigen Rechtsaus-übung eingreift, hängt zwar im wesentlichen von den Umständen des [X.] ab. Deren Würdigung ist Sache des Tatrichters und demgemäß in [X.] nur beschränkt überprüfbar ([X.], Urteil vom 6. Dezember1988 - [X.] - NJW-RR 1989, 818 m.w.N.). Die Entscheidung des [X.]s ist aber rechtsfehlerhaft.Ein Recht ist verwirkt, wenn sich ein Schuldner wegen der [X.] Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilungdarauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehrgeltend machen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen [X.]und Glauben verstößt (st.Rspr., vgl. [X.]Z 105, 290, 298).- 8 -aa) Hinsichtlich der zeitlichen Voraussetzung der Verwirkung gilt [X.] der Grundsatz, daß um so seltener Raum für eine Verwirkung sein wird, [X.] die Verjährungsfrist ist (Senatsurteil vom 9. Dezember 1987 - [X.] - FamRZ 1988, 478, 480 m.N.). Der hier geltend gemachte Anspruch [X.] des entgangenen Mietzinses, der darauf gestützt wird, daß der Mieterdurch Verzug mit der Mietzinszahlung die fristlose Kündigung des Mietverhält-nisses verursacht hat, unterliegt den für den vereitelten Mietzinsanspruch gel-tenden Verjährungsvorschriften ([X.], Urteil vom 17. Januar 1968 - [X.]/65 - NJW 1968, 692, 693). Die Verjährungsfrist beträgt deshalb vier Jahre(§ 197 BGB). Bei den kürzer verjährenden Forderungen des täglichen [X.] den wiederkehrenden Leistungen kann eine Verwirkung vor Ablauf derVerjährungsfrist aber nur aus ganz besonderen Gründen angenommen werden([X.], Urteil vom 6. Dezember 1988 aaO 819). Diesen Gesichtspunkt hat [X.] bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt. Es hat weiternicht beachtet, daß der Anspruch auf Ersatz des [X.] erst sukzessiv inden Zeitpunkten fällig geworden ist, in denen die jeweiligen Mietzinsraten fälliggeworden wären ([X.], Urteil vom 11. Juli 1979 - [X.] - [X.], 1105). Die Mietdifferenz für Mai 1996, den letzten Monat, für den im vor-liegenden Rechtsstreit Schadensersatz verlangt wird, war im Oktober 1996mithin erst seit ca. fünf Monaten fällig.Besondere Umstände, die es trotz der geltenden kurzen Verjährungsfristrechtfertigen würden, eine Verwirkung anzunehmen, hat das [X.] festgestellt. Daß der Beklagte - im Falle des Bestehens der geltend ge-machten Forderung - jeden Monat einen Betrag von 15.000 DM aufbringenmüßte, ohne dafür eine wirkliche Gegenleistung zu erhalten, ist Folge des vonihm geschlossenen befristeten Mietvertrages, den der Kläger wegen des [X.] fristlos kündigen konnte, und stellt deshalb keinen besonderenGrund dar, der die Beurteilung des Anspruchs als verwirkt tragen könnte.bb) Was das sogenannte Umstandsmoment der Verwirkung anbelangt,ist das Berufungsgericht von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen.Die Annahme, dem Beklagten sei die Möglichkeit genommen worden, selbsteinen Nachmieter zu finden, der die Bedingungen des Mietvertrages [X.] Oktober 1992 akzeptiert hätte, läßt außer Betracht, daß die Vermieterin [X.] - unstreitigen - Beendigung des Mietverhältnisses durch die fristlose Kün-digung nicht nur berechtigt, sondern unter [X.] auch verpflichtet war, alsbald neu zu vermieten. Weshalb der Beklagte [X.] auf den Abschluß eines neuen Mietvertrages mit seiner bisherigenUntermieterin und auf die Laufzeit dieses Vertrages davon ausgehen durfte, [X.] aus dem früheren Mietvertrag nicht mehr in Anspruch genommen, istdeshalb nicht ersichtlich. Ein Vertrauenstatbestand läßt sich hieraus keinesfallsherleiten. Das gilt erst recht, wenn das Vorbringen des [X.] aus dem erstenRechtszug berücksichtigt wird, die Mietdifferenz schon 1995 in dem vorausge-gangenen Rechtsstreit zur Begründung des fortbestehenden Kautionsanspru-ches geltend gemacht zu [X.] -3. Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben. Die Sacheist unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das [X.] weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.[X.] Hahne [X.] [X.] Wagenitz

Meta

XII ZR 20/99

20.06.2001

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.06.2001, Az. XII ZR 20/99 (REWIS RS 2001, 2195)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 2195

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