Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.06.2019, Az. 3 StR 130/19

3. Strafsenat | REWIS RS 2019, 6137

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Gegenstand

Strafverfahren wegen Wohnungseinbruchsdiebstählen: Konkurrenzverhältnisse bei Mittäterschaft in einer Deliktsserie; Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot durch Berücksichtigung der psychisch erheblichen Beeinträchtigungen der Tatopfer bei der Strafzumessung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. November 2018 geändert

a) im Schuldspruch dahin, dass der Angeklagte des schweren Wohnungseinbruchdiebstahls in 33 Fällen, wobei es in 4 Fällen beim Versuch blieb, schuldig ist;

b) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes des [X.] dahin, dass gegen den Angeklagten die gesamtschuldnerische Haftung in Höhe des gesamten [X.] von 82.000 € angeordnet wird.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen [X.]s (in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung, § 244 Abs. 4 StGB) in 45 Fällen, wobei es in sieben Fällen beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes des durch die Tat [X.] in Höhe von 82.000 € - hiervon in Höhe von 6.400 € in gesamtschuldnerischer Haftung mit einem [X.] - angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Annahme von jeweils selbständigen, real konkurrierenden Taten in den Fällen [X.] und 8, [X.] 11 und 13, [X.] 18, 19 und 20, [X.] 27, 28 und 29, [X.] 31 und 32, [X.] 38 und 39, [X.] 40 und 41, [X.] 42 und 43 sowie [X.] 44, 45 und 46 der Urteilsgründe hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

3

a) Nach den Feststellungen fuhr der Angeklagte in sämtlichen zur Verurteilung gelangten 45 Fällen wechselnde Mittäter mit einem Kraftfahrzeug in die Nähe von Wohnsiedlungen. Dort stiegen die Mittäter aus und brachen in - zumindest - eine dauerhaft genutzte Privatwohnung ein oder versuchten dies. Der Angeklagte wartete derweil im Fahrzeug. Im [X.] nahm er seine Mittäter - im Falle der Vollendung des Diebstahls mitsamt der Beute - wieder auf und entfernte sich mit ihnen. In 24 Fällen schloss sich an die Fahrt des Angeklagten zum Tatort lediglich ein Einbruch in eine Wohnung an, wobei es in vier dieser Fälle beim Versuch blieb. In den o.g. übrigen Fällen begingen die Mittäter, nachdem sie aus dem Fahrzeug ausgestiegen waren, jeweils zwei (Fälle [X.] und 8, [X.] 11 und 13, [X.] 31 und 32, [X.] 38 und 39, [X.] 40 und 41 sowie [X.] 42 und 43 der Urteilsgründe) bzw. drei (Fälle [X.] 18, 19 und 20, [X.] 27, 28 und 29 sowie [X.] 44, 45 und 46 der Urteilsgründe) Einbruchdiebstähle, bevor sie wieder vom Angeklagten aufgenommen wurden; dabei blieb es in den Fällen [X.] 18, [X.] 39 und [X.] 46 der Urteilsgründe beim Versuch.

4

b) Sind an einer Deliktserie mehrere Personen als Mittäter beteiligt, ist bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen. Maßgeblich ist dabei der Umfang des erbrachten [X.]. Leistet ein Mittäter für alle oder einige [X.] einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten - soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der [X.], durch die alle oder mehrere [X.] seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (vgl. [X.], Beschluss vom 17. September 2013 - 3 StR 259/13, juris Rn. 3; vom 30. Juli 2013 - 4 StR 29/13, [X.], 641; vom 22. Dezember 2011 - 4 StR 514/11, [X.], 146; Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 [X.], [X.]St 49, 177, 182 f.; [X.] StGB/[X.], § 25 Rn. 52.3).

5

c) Gemessen hieran ist das Verhalten des Angeklagten in den in Rede stehenden Fällen jeweils als eine einheitliche Tat des Diebstahls in zwei bzw. drei tateinheitlichen Fällen zu bewerten. Die Mitwirkung des Angeklagten bestand darin, dass er seine Tatgenossen zum Tatort brachte und sie nach den Einbrüchen wieder abholte. Die jeweils zwei bzw. drei von den Mittätern tatmehrheitlich begangenen (versuchten) Diebstähle werden dabei in der Person des Angeklagten durch seine Fahrdienste zu einer Handlung verknüpft. Darüber hinaus gehende, konkrete Mitwirkungshandlungen des Angeklagten an den jeweiligen [X.] hat das [X.] nicht festgestellt.

6

d) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend, wobei er gemäß § 260 Abs. 4 Satz 5 StPO davon absieht, in der Urteilsformel die gleichartige Tateinheit zum Ausdruck zu bringen (zur Bezeichnung der Taten s. im Übrigen [X.], Beschluss vom 19. März 2019 - 3 StR 2/19, juris Rn. 6). Für die rechtliche Bezeichnung der Tat und zur Klarstellung des Schuldumfangs reicht - auch in den Fällen, in denen einer der zwei bzw. drei tateinheitlich zusammentreffenden Diebstähle nicht vollendet wurde - die Angabe aus, dass sich der Angeklagte des Diebstahls schuldig gemacht hat (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Juli 1999 - 4 StR 192/99, [X.], 30, 31). § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der Angeklagte bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung des Tatgeschehens nicht wirksamer hätte verteidigen können.

7

2. Infolge der Schuldspruchänderung entfallen die Einzelstrafen in den Fällen [X.] (zwei Jahre und drei Monate), [X.] 11 (zwei Jahre und drei Monate), [X.] 18 und 19 (ein Jahr und sechs Monate sowie zwei Jahre und drei Monate), [X.] 27 und 28 (jeweils zwei Jahre und drei Monate), [X.] 31 (zwei Jahre und drei Monate), [X.] 39 (ein Jahr und sechs Monate), [X.] 41 (zwei Jahre und drei Monate), [X.] 42 (zwei Jahre und sechs Monate) sowie [X.] 44 und 46 der Urteilsgründe (zwei Jahre und drei Monate sowie ein Jahr und sechs Monate).

8

Der Senat setzt in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO die jeweils höchsten Einzelstrafen von zwei Jahren und drei Monaten in Fall [X.] 8, von zwei Jahren und sechs Monaten in den Fällen [X.] 13 und [X.] 20, von zwei Jahren und drei Monaten in den Fällen [X.] 29, [X.] 32 und [X.] 38 sowie von zwei Jahren und sechs Monaten in den Fällen [X.] 40, [X.] 43 und [X.] 45 der Urteilsgründe als alleinige Einzelstrafen fest; denn ist auszuschließen, dass das [X.] bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung auf geringere Einzelstrafen erkannt hätte.

9

Einer Aufhebung der Gesamtstrafe bedarf es nicht. Angesichts der verbleibenden Einzelstrafen - einmal drei Jahre, elfmal zwei Jahre und sechs Monate, siebenmal zwei Jahre und drei Monate, einmal zwei Jahre sowie viermal ein Jahr und sechs Monate - ist auszuschließen, dass die [X.] bei zutreffender Bewertung des [X.], die den Unrechts- und Schuldgehalt des Tuns des Angeklagten unberührt lässt (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Dezember 2011 - 4 StR 514/11, juris Rn. 5), auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

3. Soweit das [X.] im Rahmen der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat, dass die Geschädigten der [X.] psychisch erheblich beeinträchtigt wurden, ist hiergegen von Rechts wegen nichts zu erinnern. Insbesondere liegt darin kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB (vgl. zu § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB bereits [X.], Beschluss vom 31. März 2011 - 2 StR 39/11, juris; ferner [X.], Beschluss vom 27. Juli 2010 - 1 [X.], [X.], 374, 375 in Abgrenzung zu [X.], Beschluss vom 23. Mai 2002 - [X.], [X.], 247, 248). § 244 Abs. 4 StGB, der als Qualifikationstatbestand den [X.] in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung mit erhöhter Strafe bedroht, setzt den Eintritt psychischer Beeinträchtigungen tatbestandlich nicht voraus. Sie sind jedenfalls dann, wenn sie das Maß an Erheblichkeit erreichen, das die [X.] in den betreffenden Fällen rechtsfehlerfrei festgestellt hat, auch nicht regelmäßige Folge der Tatbestandsverwirklichung (vgl. hierzu [X.]/[X.]/Kinzig, StGB, 30. Aufl., § 46 Rn. 45c mwN). Dies korrespondiert mit der Einschätzung des Gesetzgebers, der zwar davon ausgegangen ist, dass der [X.] nach § 244 Abs. 4 StGB stets einen schwerwiegenden Eingriff in den persönlichen Lebensbereich von Bürgern darstellt, der aber den Eintritt gravierender psychischer Folgen nicht als Regelfall angesehen, sondern lediglich darauf abgestellt hat, dass diese eintreten können (vgl. BT-Drucks. 18/12359, [X.] und 7).

4. [X.] ist dahin zu ändern, dass der Angeklagte hinsichtlich des gesamten Einziehungsbetrages von 82.000 € als Gesamtschuldner haftet. Denn die Feststellungen belegen, dass er - über die Fälle hinaus, hinsichtlich derer die [X.] in Höhe von 6.400 € samtverbindliche Haftung mit dem [X.] angeordnet hat - auch bei den übrigen Taten gemeinsam mit seinen unbekannt gebliebenen Mittätern faktische Mitverfügungsgewalt an der [X.] erlangte. Da es einer individuellen Benennung der Gesamtschuldner nicht bedarf, hat der Senat die Änderung der Einziehungsentscheidung auf die Anordnung gesamtschuldnerischer Haftung als solcher beschränkt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 2. April 2019 - 3 StR 63/19, juris Rn. 3; vom 18. Juli 2018 - 2 StR 245/18, juris Rn. 10).

5. Angesichts des geringen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

Schäfer     

        

Wimmer     

        

Tiemann

        

Berg     

        

Anstötz     

        

Meta

3 StR 130/19

25.06.2019

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg), 14. November 2018, Az: 1 KLs 39/18

§ 25 Abs 2 StGB, § 46 Abs 3 StGB, § 52 Abs 1 StGB, § 53 StGB, § 244 Abs 4 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.06.2019, Az. 3 StR 130/19 (REWIS RS 2019, 6137)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6137

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