Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.08.2017, Az. 1 StR 648/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 6233

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Gegenstand

Ermittlung des Tatbeitrags eines Mittäters einer Deliktserie erforderlich


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. Juli 2016, soweit es den Angeklagten betrifft,

a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen, des Wohnungseinbruchdiebstahls sowie der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist;

b) aufgehoben

aa) in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen I.1. bis [X.] der Urteilsgründe und

bb) im Gesamtstrafenausspruch.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in vier Fällen, versuchten schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen, Wohnungseinbruchdiebstahls in zwei Fällen und versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls sowie wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es ein sichergestelltes Päckchen Kokain eingezogen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel erzielt mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. [X.] ist nicht in der gebotenen Form ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

3

2. Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge führt zur Änderung des Schuldspruchs und zur Teilaufhebung im Strafausspruch. Im Übrigen weist das Urteil keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

4

a) Die Urteilsfeststellungen werden von einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung getragen. Aus den in der Antragsschrift des [X.] genannten Gründen tragen sie auch die Verurteilung des Angeklagten wegen in Mittäterschaft begangenen (versuchten) schweren Bandendiebstahls in den Fällen I.1. bis [X.]. der Urteilsgründe und mittäterschaftlich begangenen (versuchten) Wohnungseinbruchdiebstahls in den Fällen [X.] bis [X.] der Urteilsgründe.

5

b) Der Schuldspruch kann allerdings in konkurrenzrechtlicher Hinsicht nicht unverändert bestehen bleiben, weil die Annahme jeweils selbständiger, real konkurrierender [X.] rechtlicher Nachprüfung nicht standhält.

6

aa) Sind an einer Deliktserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des erbrachten [X.]. Leistet ein Mittäter für alle oder einige [X.] einen individuellen, nur diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten – soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt – als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der [X.], durch die alle oder mehrere [X.] seiner [X.] gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 11. April 2017 – 4 [X.], Rn. 4; vom 2. Juli 2014 – 4 StR 176/14, [X.], 437 und vom 30. Juli 2013 – 4 StR 29/13, [X.], 641; Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 [X.], [X.]St 49, 177, 182 f.).

7

bb) In den Fällen I.1. bis [X.]., [X.] bis [X.]. sowie [X.] bis [X.] der Urteilsgründe hat das [X.] eine individuelle, nur jeweils diese Taten fördernde Mitwirkung des Angeklagten nicht festgestellt. Hierzu hat der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt:

Der Tatbeitrag des Angeklagten „erschöpfte sich nach der Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Urteil ... jeweils darin, seine(n) [X.] an den verschiedenen Tattagen mit dem Pkw in zur Begehung von [X.] geeignet erscheinende Wohngebiete zu fahren, sie (ihn) dort abzusetzen und nach Beendigung von mehreren Einbrüchen in Wohnungen in [X.] wieder abzuholen. Die Fälle I.1 bis [X.], [X.] bis [X.] sowie [X.] bis [X.] der Urteilsgründe, in denen die vom Angeklagten in [X.] abgesetzten und später wieder abgeholten [X.] jeweils mehrere Wohnungseinbrüche begingen, sind daher für den Angeklagten konkurrenzrechtlich jeweils zu einheitlichen Taten des schweren Bandendiebstahls oder des Wohnungseinbruchdiebstahls zusammenzufassen.“

8

cc) Da ergänzende Feststellungen, welche eine andere Beurteilung der Konkurrenzfrage rechtfertigen könnten, nicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch unter Verzicht auf eine ausdrückliche Kennzeichnung der gleichartigen Tateinheit entsprechend ab (vgl. [X.], Beschlüsse vom 11. April 2017 – 4 [X.], Rn. 6 und vom 28. März 2017 – 4 StR 82/17, Rn. 7, mwN). § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte, der seine Tatbeteiligung bestritten hat, gegen den geänderten Schuldspruch nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

9

dd) Die Schuldspruchänderung hat die Aufhebung der Einzelstrafen I.1. bis [X.] der Urteilsgründe sowie der Gesamtstrafe zur Folge. Demgegenüber haben die den aufgehobenen Einzelstrafaussprüchen und der Gesamtstrafe zugrundeliegenden Feststellungen, die von dem Rechtsfehler in der konkurrenzrechtlichen Beurteilung der Taten nicht betroffen sind, Bestand. Der neue Tatrichter kann ergänzende, mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen treffen.

Graf     

      

Jäger     

      

Cirener

      

Bär     

      

Hohoff     

      

Meta

1 StR 648/16

23.08.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mannheim, 22. Juli 2016, Az: 6 KLs 307 Js 34660/15

§ 52 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.08.2017, Az. 1 StR 648/16 (REWIS RS 2017, 6233)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6233

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