Bundessozialgericht, Urteil vom 26.04.2022, Az. B 1 KR 5/21 R

1. Senat | REWIS RS 2022, 2713

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Gegenstand

Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - vollstationäre Behandlung - lediglich teilstationäre Behandlung erforderlich - Vergütung nach Maßgabe eines fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens


Leitsatz

1. In dem Stufenverhältnis der unterschiedlichen Formen der Krankenhausbehandlung kommt ein Vergütungsanspruch nach Maßgabe eines fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens in Betracht, wenn eine zweckmäßige, medizinisch aber in einer höheren Stufe nicht erforderliche Behandlung durchgeführt wurde, eine Behandlung in einer niedrigeren Stufe aber gleichermaßen zweckmäßig und medizinisch erforderlich gewesen wäre, und wenn das Krankenhaus berechtigt gewesen wäre, die (fiktive) wirtschaftliche Leistung selbst zu erbringen und unmittelbar gegenüber der Krankenkasse abzurechnen.

2. Führt das Krankenhaus im Rahmen seines Versorgungsauftrags anstelle einer zweckmäßigen, erforderlichen und ausreichenden teilstationären Behandlung eine ebenfalls zweckmäßige, aber nicht erforderliche vollstationäre Behandlung durch, kann es von der Krankenkasse eine Vergütung nach Maßgabe eines fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens beanspruchen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 21. Januar 2021 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 6750,12 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.

2

Der bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) Versicherte wurde in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Klägerin (im Folgenden: Krankenhaus) vom 20.2. bis 8.4.2015 wegen einer Suchterkrankung vollstationär behandelt. Die [X.] beglich die Rechnung des Krankenhauses iHv 11 262,45 Euro und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung ([X.]) mit einer Prüfung des Behandlungsfalls. Dieser sah eine ambulante Behandlung als ausreichend und deshalb die stationäre Behandlung als nicht notwendig an (sog primäre Fehlbelegung). Die [X.] verrechnete daraufhin am 6.11.2015 den gesamten Rechnungsbetrag mit anderen unstreitigen Forderungen des Krankenhauses. Im Klageverfahren erkannten der von der [X.] erneut beauftragte [X.] und der vom [X.] beauftragte gerichtliche Sachverständige die Erforderlichkeit (lediglich) einer teilstationären Krankenhausbehandlung an. Das Behandlungsziel hätte auch durch eine tagesklinische Behandlung erreicht werden können. Der Versicherte sei hierfür ausreichend stabil gewesen. Das [X.] hat die [X.] daraufhin zur Zahlung von 6750,12 Euro nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Dem Krankenhaus habe nach dem Grundsatz des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens ein Vergütungsanspruch in der Höhe zugestanden, wie sie für die erforderliche teilstationäre Vergütung angefallen wäre ([X.]-Urteil vom [X.]). Auf die Berufung der [X.] hat das L[X.] das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Die vollstationäre Behandlung des Versicherten sei nicht erforderlich gewesen, weil teilstationäre Behandlung ausgereicht hätte. Ein Anspruch auf Vergütung als teilstationäre Behandlung im Sinne eines fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens bestehe nicht. Die teilstationäre Behandlung stelle kein Minus gegenüber einer vollstationären Behandlung dar, sondern folge einem grundsätzlich anderen Behandlungskonzept und finde in der Regel in gesonderten, räumlich getrennten Abteilungen des Krankenhauses statt. Es könne auch nicht beurteilt werden, wie sich eine fiktive teilstationäre Behandlung hinsichtlich ihres Inhalts und ihrer Dauer tatsächlich entwickelt hätte (Urteil vom 21.1.2021).

3

Mit seiner Revision rügt das Krankenhaus sinngemäß eine Verletzung von § 12 Abs 1, § 39 Abs 1, § 109 Abs 4 [X.]B V und § 103 [X.]G. Die teilstationäre Krankenhausbehandlung stelle im Vergleich zur vollstationären eine wesensgleiche Teilleistung dar. Die Erwägung des L[X.], eine teilstationäre Behandlung folge einem grundsätzlich anderen Behandlungskonzept, könne sich auf keinerlei Anknüpfungstatsachen im bisherigen Prozessverlauf stützen. Da eine vollstationäre Behandlung eher intensiver sei, liege es fern, dass eine teilstationäre Behandlung früher hätte abgeschlossen werden können.

4

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 21. Januar 2021 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 31. Juli 2019 zurückzuweisen.

5

Die Beklagte beantragt
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des klagenden Krankenhauses ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 [X.]G).

8

Der Senat kann auf Grundlage der Feststellungen des [X.] nicht entscheiden, ob dem Krankenhaus der ihm vom [X.] zuerkannte Vergütungsanspruch weiter zusteht oder ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die [X.] mit einem aus der Behandlung des Versicherten resultierenden und noch verbliebenen, über die bereits vom [X.] berücksichtigten 4521,33 [X.] hinausgehenden Erstattungsanspruch wirksam aufgerechnet hat.

9

Das [X.] hat den Erstattungsanspruch bejaht. Dabei ist es in rechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die durchgeführte vollstationäre Behandlung medizinisch nicht erforderlich war, weil eine teilstationäre Behandlung ausgereicht hätte (dazu 1.). Im Weiteren ist das [X.] davon ausgegangen, dass sich ein Vergütungsanspruch des Krankenhauses auch nicht für die medizinisch erforderliche, aber tatsächlich nicht durchgeführte teilstationäre Krankenhausbehandlung ergebe, weil diese keine wesensgleiche Teilleistung gegenüber einer vollstationären Behandlung darstelle. Dies hält einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand. In Betracht kommt ein Vergütungsanspruch des Krankenhauses für die erforderlich gewesene teilstationäre Krankenhausbehandlung nach den Grundsätzen des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens (dazu 2.). Die hierzu erforderlichen Feststellungen hat das [X.] - von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig - unterlassen und muss sie nachholen (dazu 3.).

1. Rechtsgrundlage des von der Klägerin wegen der vollstationären Behandlung des Versicherten geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs 4 Satz 3 [X.]B V iVm § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz ([X.]) (vgl B[X.] vom 8.11.2011 - [X.] KR 8/11 R - B[X.]E 109, 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], RdNr 13, 15 f; B[X.] vom 19.3.2020 - [X.] KR 20/19 R - B[X.]E 130, 73 = [X.]-2500 § 12 [X.], RdNr 11 mwN). Die Zahlungsverpflichtung der [X.] entsteht unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und wenn sie iS von § 39 Abs 1 Satz 2 [X.]B V erforderlich und wirtschaftlich ist (vgl zB B[X.] vom 8.11.2011 - [X.] KR 8/11 R - B[X.]E 109, 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], RdNr 13, 15; B[X.] vom 19.11.2019 - [X.] KR 33/18 R - [X.]-2500 § 109 [X.] Rd[X.] mwN).

Ein Vergütungsanspruch des Krankenhauses für die durchgeführte vollstationäre Krankenhausbehandlung scheitert danach vorliegend daran, dass diese medizinisch nicht erforderlich war.

Nach § 39 Abs 1 Satz 2 [X.]B V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 [X.]B V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Damit ist die vollstationäre Krankenhausbehandlung nachrangig gegenüber allen anderen Arten der Krankenbehandlung. Der Nachrang der vollstationären Behandlung trägt deren Bedeutung als medizinisch intensivster und aufwendigster Form der Krankenbehandlung Rechnung und stellt eine besondere Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots dar (vgl BT-Drucks 11/2237, [X.] Zu § 38 - Zu Absatz 1; B[X.] vom 13.12.2016 - [X.] KR 1/16 R - B[X.]E 122, 170 = [X.]-2500 § 31 [X.]8, Rd[X.]7; Wahl in jurisPK-[X.]B V, 4. Aufl 2020, § 39 RdNr 30, 56 Stand: 2.3.2021; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B V, § 39 RdNr 13, Stand: Juli 2019).

Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ist ein Krankheitszustand, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht. Als besondere Mittel des Krankenhauses hat die Rechtsprechung des B[X.] eine apparative Mindestausstattung, geschultes Pflegepersonal und einen jederzeit präsenten oder rufbereiten Arzt herausgestellt. Dabei ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der den mit Aussicht auf Erfolg angestrebten Behandlungszielen und den vorhandenen Möglichkeiten einer vorrangigen ambulanten Behandlung entscheidende Bedeutung zukommt. Ermöglicht es der Gesundheitszustand des Patienten, das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen, insbesondere durch ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege, zu erreichen, so besteht kein Anspruch auf stationäre oder teilstationäre Behandlung (vgl zum Ganzen B[X.] vom 13.12.2016 - [X.] KR 1/16 R - B[X.]E 122, 170 = [X.]-2500 § 31 [X.]8, Rd[X.]8 mwN). Ob einem Versicherten voll- oder teilstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich dabei allein nach den medizinischen Erfordernissen (vgl B[X.] vom [X.] - B[X.]E 99, 111 = [X.]-2500 § 39 [X.], RdNr 15; B[X.] vom 13.12.2016, aaO, Rd[X.]9).

Die durchgeführte vollstationäre Behandlung des Versicherten war danach medizinisch nicht erforderlich, weil von Beginn an eine teilstationäre Behandlung ausgereicht hätte. Dies hat das [X.] bindend festgestellt (§ 163 [X.]G) und ist zwischen den Beteiligten auch nicht mehr streitig.

2. In Betracht kommt allerdings ein Anspruch für die erforderlich gewesene teilstationäre Krankenhausbehandlung nach den Grundsätzen des fiktiven wirtschaftlichen Alternativerhaltens.

a) Bei unwirtschaftlicher Gestaltung erforderlicher Krankenhausbehandlung ist es nicht stets geboten, zu einem völligen Vergütungsausschluss zu gelangen, wie es bei ihrer Art nach unwirtschaftlichen Leistungsgegenständen grundsätzlich der Fall ist (vgl B[X.] vom 10.3.2015 - [X.] KR 2/15 R - B[X.]E 118, 155 = [X.]-2500 § 39 [X.]3, Rd[X.] mwN; B[X.] vom 27.10.2020 - [X.] KR 9/20 R - juris RdNr 16). Das Krankenhaus kann vielmehr die Vergütung beanspruchen, die bei [X.] wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre (vgl B[X.] vom 19.11.2019 - [X.] KR 6/19 R - [X.]-2500 § 109 [X.] Rd[X.]6 mwN; B[X.] vom 27.10.2020 - [X.] KR 9/20 R - juris RdNr 16).

b) Das B[X.] hat in seiner bisherigen Rechtsprechung einen Vergütungsanspruch nach Maßgabe eines fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens für den Fall angenommen, dass das Krankenhaus von zwei gleichermaßen zweckmäßigen und notwendigen Behandlungsalternativen die unwirtschaftliche gewählt hat. Denn der Nachweis der Wirtschaftlichkeit erfordert, dass bei Existenz verschiedener gleich zweckmäßiger und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher sind (stRspr; vgl zB B[X.] vom 7.11.2006 - [X.] KR 24/06 R - B[X.]E 97, 190 = [X.]-2500 § 27 [X.], Rd[X.]6; B[X.] vom [X.] KR 28/05 R - B[X.]E 97, 133 = [X.]-2500 § 139 [X.], Rd[X.]0; B[X.] vom [X.] - B 6 KA 13/05 R - B[X.]E 96, 261 = [X.]-2500 § 92 [X.], [X.]; B[X.] vom 3.7.2012 - [X.] KR 22/11 R - B[X.]E 111, 146 = [X.]-2500 § 35 [X.], RdNr 14; B[X.] vom 2.9.2014 - [X.] KR 3/13 R - B[X.]E 117, 1 = [X.]-2500 § 28 [X.], Rd[X.]6; B[X.] vom 10.3.2015 - [X.] KR 2/15 R - B[X.]E 118, 155 = [X.]-2500 § 39 [X.]3, Rd[X.]0; B[X.] vom 19.11.2019 - [X.] KR 6/19 R - [X.]-2500 § 109 [X.] Rd[X.]4; B[X.] vom 27.10.2020 - [X.] KR 9/20 R - juris RdNr 16).

Die Wirtschaftlichkeit einer Krankenbehandlung beurteilt sich bezogen auf das jeweilige nach § 27 [X.]B V zulässige Behandlungsziel nach ihrer Eignung, ihrem Ausreichen und ihrer Notwendigkeit aus allein medizinischen Gründen sowie bei mehreren gleich geeigneten, ausreichenden und notwendigen Behandlungen nach ihren Kosten für die [X.] (vgl B[X.] vom 10.3.2015 - [X.] KR 2/15 R - B[X.]E 118, 155 = [X.]-2500 § 39 [X.]3, Rd[X.]1).

Bejaht hat das B[X.] dementsprechend einen Vergütungsanspruch auf der Grundlage eines fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens ua bei

        

-       

überlanger Behandlungsdauer (vgl B[X.] vom 30.6.2006 - [X.] KR 24/08 R - B[X.]E 104, 15 = [X.]-2500 § 109 [X.]),

        

-       

unwirtschaftlichem [X.] (vgl B[X.] vom 1.7.2014 - [X.] KR 62/12 R - B[X.]E 116, 138 = [X.]-2500 § 12 [X.], Rd[X.]6; B[X.] vom 10.3.2015 - [X.] KR 3/15 R - juris Rd[X.]7 f; B[X.] vom 28.3.2017 - [X.] KR 29/16 R - B[X.]E 123, 15 = [X.]-2500 § 109 [X.]1, Rd[X.] ff; B[X.] vom 19.11.2019 - [X.] KR 6/19 R - [X.]-2500 § 109 [X.] Rd[X.]6; B[X.] vom 27.10.2020 - [X.] KR 9/20 R - juris RdNr 13 ff; B[X.] vom [X.] - [X.] KR 14/21 R -; siehe jetzt aber § 8 Abs 5 Satz 3 KHEntgG idF durch Art 9 [X.] Buchst c Pflegepersonal-Stärkungsgesetz vom 11.12.2018, [X.]),

        

-       

Auswahl einer gleich geeigneten und ausreichenden, aber nicht erforderlichen erlösrelevanten Behandlungsvariante (vgl B[X.] vom 10.3.2015 - [X.] KR 2/15 R - B[X.]E 118, 155 = [X.]-2500 § 39 [X.]3, Rd[X.]: [X.] anstelle von gepoolten [X.]),

        

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einer zusätzliche Kosten auslösenden ambulanten Krankenhausbehandlung anstelle der mit der Fallpauschale abgegoltenen nachstationären Krankenhausbehandlung (vgl B[X.] vom 19.4.2016 - [X.] KR 23/15 R - B[X.]E 121, 94 = [X.]-2500 § 115b [X.], RdNr 13 ff),

        

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stationärer Durchführung einer [X.] anstelle der ausreichenden ambulanten [X.] (vgl B[X.] vom 18.9.2008 - B 3 KR 22/07 R - B[X.]E 101, 252 = [X.]-2500 § 115b [X.], Rd[X.] ff).

c) Gleiches muss auch gelten, wenn das Krankenhaus anstelle einer zweckmäßigen, erforderlichen und ausreichenden teilstationären Behandlung eine ebenfalls zweckmäßige, aber nicht erforderliche vollstationäre Behandlung durchführt (vgl B[X.] vom 17.12.2020 - [X.] KR 84/19 B - juris Rd[X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B V, § 109 RdNr 164a, 180 f, Stand November 2021; aA [X.] Hamburg vom 25.2.2016 - [X.] 138/13 - juris Rd[X.]0 ff). Auch hier ist es gerechtfertigt, dass das Krankenhaus für die wegen des Nachrangverhältnisses (siehe oben Rd[X.]) nicht erforderliche vollstationäre Behandlung diejenige Vergütung beanspruchen kann, die es für die erforderliche und ausreichende teilstationäre Behandlung hätte abrechnen können.

Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei vollstationärer und teilstationärer Behandlung nicht um gleichermaßen notwendige Behandlungsmöglichkeiten handelt. Teilstationäre Behandlung unterscheidet sich nach der gesetzlichen Gesamtkonzeption von vollstationärer Behandlung im Krankenhaus im Wesentlichen dadurch, dass sie nicht auf eine Aufnahme rund um die Uhr ausgerichtet ist, sondern nur jeweils zumindest einen Teil eines Tages umfasst (vgl B[X.] vom 19.4.2016 - [X.] KR 21/15 R - B[X.]E 121, 87 = [X.]-2500 § 109 [X.]4, Rd[X.]; B[X.] vom 13.12.2016 - [X.] KR 1/16 R - B[X.]E 122, 170 = [X.]-2500 § 31 [X.]8, Rd[X.]5). Zwar ist die vollstationäre Behandlung nach § 39 Abs 1 Satz 2 [X.]B V schon nicht erforderlich, wenn das Behandlungsziel durch teilstationäre Behandlung erreicht werden kann. Indes stellt der hierin zum Ausdruck kommende Nachrang der vollstationären gegenüber der teilstationären Behandlung lediglich eine besondere Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots dar (siehe oben Rd[X.], 17 f). Die Begriffe der Erforderlichkeit und der Wirtschaftlichkeit lassen sich insofern nicht strikt voneinander unterscheiden, sondern sie überschneiden sich teilweise und stehen in einem untrennbaren inneren Zusammenhang (vgl B[X.] vom [X.] - 6 [X.] 24/59 - B[X.]E 17, 79, 84 = juris Rd[X.]7, insoweit in [X.] [X.] zu § 368n [X.] nicht abgedruckt).

Vor diesem Hintergrund kommt in dem in § 39 Abs 1 Satz 2 [X.]B V zum Ausdruck kommenden Stufenverhältnis der unterschiedlichen Formen der Krankenhausbehandlung (vollstationär oder stationsäquivalent, teilstationär, ambulant) ein Vergütungsanspruch nach Maßgabe eines wirtschaftlichen Alternativverhaltens auch dann in Betracht, wenn eine zweckmäßige, medizinisch aber in einer höheren Stufe nicht erforderliche Behandlung durchgeführt wurde, eine Behandlung in einer niedrigeren Stufe aber gleichermaßen zweckmäßig und medizinisch erforderlich gewesen wäre. Das gilt sowohl für das Verhältnis von vollstationärer oder stationsäquivalenter zu teilstationärer Krankenhausbehandlung als auch für das Verhältnis von stationärer zu ambulanter Krankenhausbehandlung.

Auf die Frage, ob es sich bei der teilstationären Krankenhausbehandlung im Verhältnis zur vollstationären Krankenhausbehandlung um eine wesensgleiche Teilleistung handele (vgl B[X.] vom 19.4.2016 - [X.] KR 21/15 R - B[X.]E 121, 87 = [X.]-2500 § 109 [X.]4, RdNr 14) oder - wie das [X.] meint - um ein Aliud, weil sie einem grundsätzlich anderen Behandlungskonzept folge und in der Regel in gesonderten, räumlich getrennten Abteilungen des Krankenhauses stattfinde, kommt es insofern nicht an. Entscheidend ist vielmehr - neben der Beachtung der sonstigen Grenzen des Leistungserbringersystems (dazu sogleich Rd[X.]4) -, dass beide Behandlungsmöglichkeiten in dem konkreten Behandlungsfall zur Erreichung des [X.] gleichermaßen geeignet bzw zweckmäßig waren. Geeignet und zweckmäßig ist eine Leistung, wenn sie auf eines der in den § 11 Abs 1 und 2 und § 27 Abs 1 Satz 1 [X.]B V genannten Ziele objektiv ausgerichtet und auch hinreichend wirksam ist, um diese Ziele zu erreichen (vgl B[X.] vom [X.] [X.]/14 R - B[X.]E 119, 57 = [X.]-2500 § 34 [X.], Rd[X.]0; B[X.] vom [X.] KA 25/15 R - [X.]-2500 § 92 [X.] Rd[X.]8, jeweils mwN; zur Deckungsgleichheit der Begriffe der Geeignetheit und der Zweckmäßigkeit vgl [X.] in jurisPK-[X.]B V, 4. Aufl 2020, § 12 Rd[X.]3, Stand: 15.6.2020).

d) Weitere Voraussetzung für eine Abrechnung auf der Grundlage eines fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens ist, dass das Krankenhaus berechtigt gewesen wäre, die fiktive wirtschaftliche Leistung selbst zu erbringen und unmittelbar gegenüber der [X.] abzurechnen (vgl in diesem Sinne für ambulante [X.]en bereits B[X.] vom 18.9.2008 - B 3 KR 22/07 R - B[X.]E 101, 252 = [X.]-2500 § 115b [X.], Rd[X.] ff; ferner Schleswig-Holsteinisches [X.] vom 23.2.2012 - [X.] 49/11 - juris Rd[X.]4). Der Vergütungsanspruch nach Maßgabe eines fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens darf nicht dazu führen, dass das Krankenhaus außerhalb seines Versorgungsauftrages tätig wird oder dass zwingende Vorgaben des Leistungserbringerrechts unterlaufen werden (vgl zu einer stationär durchgeführten Chemotherapie Sächsisches [X.] vom 30.5.2017 - [X.] 244/16 - juris RdNr 35 ff; und dazu auch B[X.] vom [X.] - [X.] KR 44/17 B - juris Rd[X.] mwN).

e) Von diesen Grundsätzen geht auch die zum 1.1.2020 neu gefasste Regelung des § 8 Abs 3 KHEntgG aus (idF durch Art 4 [X.] Buchst a MDK-Reformgesetz vom [X.], [X.]). Danach sind für den Fall, dass nach dem Ergebnis einer Prüfung nach § 275c Abs 1 [X.]B V eine vollstationäre Behandlungsbedürftigkeit nicht vorgelegen hat, die vom Krankenhaus erbrachten Leistungen nach den für vorstationäre Behandlungen nach § 115a [X.]B V getroffenen Vereinbarungen zu vergüten, soweit keine andere Möglichkeit zur Abrechnung der erbrachten Leistung besteht. Dadurch soll vermieden werden, dass das Krankenhaus trotz erbrachter Leistung gar keine Vergütung erhält. Es soll für die im Rahmen der (nicht erforderlichen) vollstationären Behandlung erbrachten Leistungen zumindest eine Vergütung erhalten, die bei einer Abklärung der Erforderlichkeit einer vollstationären Behandlung abrechenbar gewesen wäre (vgl BT-Drucks 19/13397, [X.] Zu Nummer 5 - Zu Buchstabe a). Bestehende anderweitige Abrechnungsmöglichkeiten für die erbrachten Krankenhausleistungen, zum Beispiel im Rahmen einer ambulanten [X.] nach § 115b [X.]B V, der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung nach § 116b [X.]B V oder einer ambulanten Ermächtigung, sollen davon unberührt bleiben (BT-Drucks, aaO).

Der Verweis auf die anderweitigen Abrechnungsmöglichkeiten zeigt, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass für den Fall, dass anstelle einer durchgeführten vollstationären Behandlung eine ambulante Behandlung ausreichend gewesen wäre, die [X.] die erbrachten Leistungen auch ohne eine gesonderte gesetzliche Regelung so zu vergüten hat, als wären sie von dem Krankenhaus ambulant erbracht worden. Als regelungsbedürftig wurde deshalb nur der Fall angesehen, dass eine solche anderweitige Abrechnungsmöglichkeit nicht besteht, insbesondere weil die betreffenden Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen und deshalb nicht von der [X.], sondern von der [X.] zu vergüten wären (vgl zu einem solchen Fall B[X.] vom 17.9.2013 - [X.] KR 51/12 R - B[X.]E 114, 209 = [X.]-2500 § 115a [X.], Rd[X.] ff).

f) Nach dem Gesamtzusammenhang der vom [X.] getroffenen Feststellungen hätte der Versicherte auf der Grundlage des Versorgungsauftrages des Krankenhaues dort auch teilstationär behandelt werden können (vgl auch den Krankenhausplan 2015 der [X.], [X.] 2012 S 29, 31, abrufbar unter https://docplayer.org/8373662-[X.]-2012-krankenhausplan-2015-der-freien-und-hansestadt-hamburg.html, zuletzt aufgerufen am 25.4.2022).

3. Es fehlen jedoch Feststellungen dazu, ob die vollstationäre und die teilstationäre Krankenhausbehandlung in dem vorliegenden Fall des Versicherten gleichermaßen zweckmäßig waren, um das Behandlungsziel zu erreichen. Das [X.] hat lediglich allgemein die Unterschiede zwischen einer vollstationären und einer teilstationären Behandlung herausgestellt. Die fehlenden Feststellungen sind vom [X.] nachzuholen.

Sollten sich die vollstationäre und die teilstationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten danach als gleichermaßen zweckmäßig erweisen, wäre vom [X.] im nächsten Schritt zu prüfen, wie hoch die Vergütung für die erforderliche teilstationäre Behandlung gewesen wäre. Hierzu wäre auch zu prüfen, in welchem Umfang und für welche Dauer eine teilstationäre Krankenhausbehandlung voraussichtlich erforderlich gewesen wäre. Maßgeblich dafür ist - wie auch bei der Frage nach der Erforderlichkeit der voll- oder teilstationären Behandlung (vgl dazu B[X.] vom [X.] - B[X.]E 99, 111 = [X.]-2500 § 39 [X.], Rd[X.]7 ff) - der im Behandlungszeitpunkt verfügbare Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes.

Verbleiben nach Ausschöpfung der gebotenen Aufklärung insoweit Zweifel, gingen diese nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin (vgl zB B[X.] vom 14.10.2014 - [X.] KR 27/13 R - B[X.]E 117, 82 = [X.]-2500 § 109 [X.]0, Rd[X.] f).

4. [X.] bleibt dem [X.] vorbehalten.

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 GKG.

                Schlegel                Estelmann                [X.]

Meta

B 1 KR 5/21 R

26.04.2022

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Hamburg, 31. Juli 2019, Az: S 9 KR 1014/16, Urteil

§ 109 Abs 4 S 3 SGB 5, § 12 Abs 1 SGB 5, § 39 Abs 1 S 2 SGB 5, § 8 Abs 3 KHEntgG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 26.04.2022, Az. B 1 KR 5/21 R (REWIS RS 2022, 2713)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2713

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