Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.12.2013, Az. AnwZ (Brfg) 29/12

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2013, 262

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[X.]UNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
AnwZ ([X.]) 29/12

Verkündet am:

16. Dezember 2013

[X.]oppel

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache

wegen Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung
-

2

-

Der [X.], [X.], hat auf die mündliche [X.] vom
7.
Oktober 2013
durch den Präsidenten des [X.]s Prof. Dr. Tolksdorf, die Richter
Prof. Dr. König und Seiters
sowie
die Rechts-anwälte
Prof. Dr. Qu[X.]s
und Dr. [X.]raeuer

für Recht erkannt:

Die [X.]erufung des [X.] gegen das Urteil des 1. Senats des [X.] vom 20.
Ja-nuar 2012 (1
[X.] 56/11) wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des [X.]erufungsverfahrens.

Der Gegenstandswert für das [X.]erufungsverfahren wird auf 12.500

Tatbestand:

Mit Schreiben vom 17.
Mai 2011 beantragte der Kläger bei der [X.], ihm die [X.]efugnis zu verleihen, die [X.]ezeichnung "Fachanwalt für Arbeits-recht"
zu führen. Mit [X.]escheid vom 12.
Oktober 2011 lehnte die
[X.]eklagte den Antrag mit der [X.]egründung ab, der Kläger habe nicht die [X.]earbeitung von [X.] 50 gerichts-
oder rechtsförmlichen Verfahren innerhalb der letzten drei Jahre vor Antragstellung (§
5 Abs.
1 [X.]uchst.
c [X.]) nachgewiesen. Die hierge-gen gerichtete Klage hat der [X.] mit Urteil vom 20. Januar 2012 1
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abgewiesen. Der Senat hat auf Antrag des [X.] mit [X.]eschluss vom 15. Ok-tober 2012 die [X.]erufung gegen diese Entscheidung zugelassen.

Entscheidungsgründe:

Die [X.]erufung des [X.] ist zulässig, hat in der Sache aber keinen [X.].

I.

1. Nach § 43c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 2 Abs. 1 [X.] hat der Antragsteller für die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung besondere theoretische Kenntnisse und besondere praktische Erfahrungen nachzuweisen. Solche lie-gen vor, wenn diese auf dem Fachgebiet erheblich das Maß dessen überstei-gen, das üblicherweise durch die berufliche Ausbildung und praktische Erfah-rung im [X.]eruf vermittelt wird (§ 2 Abs. 2 [X.]). Der Erwerb besonderer prakti-scher Erfahrungen
im Arbeitsrecht setzt dabei nach § 5 Abs. 1 [X.]uchst. c [X.] voraus, dass der Antragsteller innerhalb der letzten drei Jahre vor der Antrag-stellung als Rechtsanwalt persönlich und weisungsfrei 100 Fälle aus [X.] der in § 10 Nr. 1
[X.]uchst.
a bis
[X.]uchst.
e und
Nr. 2 [X.]uchst.
a
und
[X.]uchst.
b
[X.] be-stimmten Gebiete bearbeitet hat, davon mindestens 5 Fälle aus dem [X.]ereich des § 10 Nr. 2 [X.] und mindestens die Hälfte gerichts-
oder rechtsförmliche Verfahren.

2. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist §
5 Abs.
1 [X.]uchst.
c [X.], soweit danach die [X.]earbeitung von mindestens 50 gerichts-
oder rechts-förmlichen Verfahren verlangt wird, nicht verfassungswidrig.
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a) Sieht eine Norm die st[X.]tliche Anerkennung einer beruflichen Qualifi-kation vor, mit der Vorteile im beruflichen Wettbewerb verbunden sind, so wirkt sich die Verweigerung dieser Anerkennung als Eingriff in die [X.]erufsfreiheit aus. Die Fachanwaltsordnung
enthält insoweit eine an Art. 12 Abs. 1 GG zu mes-sende Regelung der [X.]erufsausübung. Eine solche ist zulässig, wenn ihr eine schutzwürdige Erwägung des Gemeinwohls zugrunde liegt, sie nach Art und Ausmaß geeignet und erforderlich ist, den vom Normgeber verfolgten Zweck zu erreichen,
und eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht
der ihn tragenden Gründe ergibt, dass die Grenze der Zumutbar-keit gewahrt ist (vgl. nur [X.], [X.]. 1998, 145
zum Gesetz über [X.] nach der [X.]undesrechtsanwaltsordnung, [X.],
vom 27. Februar 1992, [X.] I 369, außer [X.] getreten am 9. September 1994).

Diese Voraussetzungen sind in [X.]ezug auf §
5 Abs.
1 [X.]uchst.
c [X.] ge-geben. Die Vorschrift dient dem Schutz des rechtsuchenden Publikums; dies ist ein tragender Gemeinwohlbelang ([X.],
[X.]O [X.]). Das Erfordernis einer Mindestanzahl bearbeiteter Fälle ist dabei geeignet und erforderlich, um sicher-zustellen, dass bei den Fachanwälten tatsächlich besondere Fachkompetenz vorhanden ist ([X.],
[X.]O; siehe auch [X.],
NJW 1992, 816 und NJW 2007, 1945). Die Vorgabe der [X.]earbeitung von mindestens 50 gerichts-
oder rechtsförmlichen Verfahren innerhalb der letzten drei Jahre vor Antragstellung ist nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen auch nicht unverhältnis-mäßig:

[X.]) Die Notwendigkeit der [X.]earbeitung einer bestimmten Menge von [X.] innerhalb des [X.] soll sicherstellen, dass die durch-5
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-

schnittliche Zahl der Mandate des Rechtsanwalts auf dem jeweiligen [X.] die Zahl der Aufträge deutlich übersteigt, die von nicht spezialisierten [X.]e-rufskollegen im betreffenden [X.]raum auf diesem Fachgebiet bearbeitet wer-den; das Erfordernis, dass dieser [X.]raum vor der Antragstellung liegen muss, soll gewährleisten, dass sich der Rechtsanwalt mit seinen praktischen Erfah-rungen auf der Höhe der [X.] befindet (vgl. nur Senatsbeschluss vom 6.
März 2006 -
AnwZ
([X.]) 36/05, [X.]GHZ 166, 292 Rn.
14 m.w.N.). Gegen die [X.] bestehen keine verfassungsrechtlichen [X.]edenken;
mit drei Jahren ist die [X.]eurteilungszeit im Verhältnis zur Anzahl der in der Fachanwalts-ordnung
geforderten Fälle angemessen, insbesondere nicht zu kurz bemessen (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 18.
April 2005 -
AnwZ
([X.]) 31/04, NJW 2005, 1943
f. und vom 20.
April 2009 -
AnwZ
([X.]) 43/08, [X.], 2381 Rn.
10).

bb) Die Vorgabe, dass ein Teil der nachzuweisenden Verfahren aus dem forensischen oder dem [X.]ereich der rechtsförmlichen Verfahren stammen muss, soll sicherstellen, dass der Fachanwalt über seine außergerichtliche [X.]era-
tungs-, Streitverhütungs-
und Streitschlichtungstätigkeit hinaus über die erfor-derlichen prozessualen Kenntnisse und Fähigkeiten auf seinem Fachgebiet ver-fügt
(vgl. nur [X.] in [X.], [X.]erufs-
und Fachanwaltsordnung, 5.
Aufl., §
5 [X.] Rn.
258). Zwar ist, worauf der Kläger zutreffend verweist, in den [X.] Jahren die Anzahl der arbeitsgerichtlichen Klageverfahren rück-läufig, während demgegenüber die Gesamtzahl der Rechtsanwälte gestiegen ist, sodass statistisch gesehen auf jeden Anwalt eine geringere Anzahl von ar-beitsgerichtlichen Klageverfahren entfällt. Entgegen der
Auffassung des [X.] lässt sich daraus aber nicht ableiten, dass die streitgegenständliche Regelung unverhältnismäßig sei, weil -
jedenfalls für den Einzelanwalt -
keine faire Chan-ce mehr bestehe, die Vorgaben der Fachanwaltsordnung zu erfüllen.

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Zunächst entspricht ein Mindestquorum von 50 Fällen in drei Jahren le-diglich einer durchschnittlichen [X.]earbeitung von weniger als 1½ Fällen pro Mo-nat. Soweit der Kläger vorträgt, dass heutzutage ein Anwalt fast fünf Jahre brauche, um die notwendige Fallzahl zu erreichen, sind seine [X.]erechnungen in der [X.]erufungsbegründung nicht nachvollziehbar. Der Kläger geht davon aus, dass ca. 25
% aller Anwälte zumindest auch im Arbeitsrecht tätig seien,
und verteilt die Anzahl aller arbeitsgerichtlichen Klageverfahren auf diese 25
%, so dass ca. zehn Verfahren pro Jahr auf jeden Anwalt entf[X.]. Dem kann der [X.] nicht folgen: Abgesehen davon, dass die Annahme eines
Anteils
von 25
% auf einer
nicht belegten
Vermutung beruht, ist es nicht Sinn des § 5 Abs. 1
[X.]uchst.
c [X.],
jedem
Rechtsanwalt, der arbeitsrechtliche Verfahren bearbeitet, den Erwerb der [X.]ezeichnung "Fachanwalt für Arbeitsrecht"
zu ermöglichen. Mit der Festlegung der Fallzahlen konkretisiert die Vorschrift die Voraussetzung besonderer praktischer Erfahrungen. Ihr Zweck
ist die Sicherung der herausra-genden Qualität der Fachanwälte
(siehe dazu zuletzt Senat, Urteil vom 8. April 2013 -
AnwZ ([X.]) 54/11, [X.], 1599 Rn. 27); das darf nicht aus den [X.] verloren werden.

Im Übrigen übersieht der
Kläger verschiedene Umstände:

Nach §
5 Abs.
1 [X.]uchst.
c [X.] ist es nicht notwendig, 50 gerichtliche Verfahren zu bearbeiten, vielmehr reichen auch rechtsförmliche Verfahren aus. Insoweit kommen die verschiedensten Fallgestaltungen in [X.]etracht, z.[X.]. Schlichtungsverfahren gemäß §
111 ArbGG, Verfahren vor kirchlichen Schlich-tungsstellen, Widerspruchsverfahren vor dem [X.], dem [X.] im Rahmen des Kündigungsschutzes
für Schwangere oder der [X.]undesagentur für Arbeit und schließlich Einigungsstellenverfahren nach dem [X.]etriebsverfassungsgesetz
oder den [X.]undes-
und Landespersonalvertretungs-9
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gesetzen (vgl. nur [X.],
[X.]O §
5 Rn.
109;
Offermann-[X.]urckart, Fach-anwalt werden und bleiben, 3. Aufl., Rn. 573).
[X.]ei den gerichtlichen Verfahren muss es sich zudem nicht zwingend um arbeitsgerichtliche Verfahren gehandelt haben. Ein "Fall"
im [X.]ereich des jeweiligen Fachgebiets liegt dann vor, wenn ein Schwerpunkt der [X.]earbeitung im jeweiligen Fachgebiet liegt, wozu genügt, dass eine Frage aus dem Fachgebiet erheblich ist oder wenigstens erheblich werden kann bzw. Fragen aus dem jeweiligen Fachgebiet für die argumentative Auseinandersetzung eine Rolle spielen (vgl. Senat, [X.]eschlüsse
vom 6.
März 2006 -
AnwZ
([X.]) 36/05, [X.]GHZ 166, 292 Rn.
22
und vom 20. April 2009
-
AnwZ ([X.]) 48/08, [X.]. 2009, 177 Rn. 8
f.). Deshalb können unter Umständen auch Verfahren vor dem Land-, Verwaltungs-
oder Sozialgericht zählen (vgl. auch [X.], [X.]O Rn. 109, 261).

Auch ist der [X.]rahmen von drei Jahren vor Antragstellung nicht so zu verstehen, dass die
Verfahren innerhalb dieser Frist begonnen sowie abge-schlossen sein müssen. Vielmehr genügt es, dass eine -
nicht notwendig die wesentliche -
inhaltliche [X.]earbeitung innerhalb dieser [X.]spanne erfolgt ist (vgl. nur Senatsbeschlüsse
vom 6.
März 2006, [X.]O Rn.
14
und vom 20. April 2009
-
AnwZ ([X.]) 43/08, [X.], 2381 Rn. 10). Mithin sind auch Fälle zu berück-sichtigen, bei denen die [X.]earbeitung vor [X.]eginn des [X.] be-gonnen hat oder nach deren Ende abgeschlossen wurde.

Ferner können bei überdurchschnittlichem Gewicht einzelner eingereich-ter Fälle Defizite bei den Fallzahlen im Rahmen der Regelung des § 5 Abs. 4 [X.] ausgeglichen werden
(vgl. Senat, Urteil vom 8. April 2013, [X.]O Rn. 27).
Dadurch wird bei geringeren Fallzahlen, aber überdurchschnittlichem Gewicht eingereichter Fälle auch dem Interesse des [X.]ewerbers Rechnung getragen, 12
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den Fachanwaltstitel zu erlangen, ohne übermäßig hohe Hürden überwinden zu müssen.

Vor diesem Hintergrund entbehrt der Vorwurf
des [X.], die streitge-genständliche Regelung verstoße gegen Art. 12 GG, einer ausreichenden Grundlage.

b) Ebenso wenig verletzt § 5 Abs. 1 [X.]uchst. c [X.] den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, unter stetiger Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl.
[X.]E 98, 365, 385; 116, 164, 180).

Insofern verweist der Kläger darauf, dass es für
Rechtsanwälte, die in einer Sozietät tätig sind, leichter ist, praktische Erfahrung in einem Fachgebiet nachzuweisen. Das mag sein. Dafür spricht manches. Dieser Umstand
rechtfer-tigt es aber nicht, für [X.] die Anforderungen an die Qualifikation ei-nes Fachanwalts zu verringern. Die Einhaltung von Mindeststandards dient dem Schutz der Rechtsuchenden vor irreführender Werbung. Die Unterscheidung nach dem Umfang der nachgewiesenen Kenntnisse und der praktischen Erfah-rung ist sachgerecht (so bereits [X.], NJW 1992, 816). Allgemein kann
die bloße Tatsache, dass für bestimmte Gruppen von Anwälten der Nachweis prak-tischer Erfahrungen auf einem Fachgebiet leichter zu erbringen ist als für [X.], nicht zu einer Verringerung der Anforderungen an die Qualifikation der [X.]e-werber aus den "benachteiligten"
Gruppen führen
([X.],
NJW 2007, 1945).

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Dass für andere in § 5 Abs. 1 [X.] geregelte Fachgebiete teilweise [X.] als 50 Verfahren verlangt werden, spielt schon deshalb keine Rolle, da das Fallaufkommen
in den jeweiligen Fachgebieten ungleich ist und deshalb zum Nachweis besonderer praktischer
Erfahrungen (im Vergleich zu anderen Anwälten) zwangsläufig nicht identische Fallzahlen verlangt werden können. Auch sind die Regelungen in § 5 [X.] nicht durchgängig vergleichbar, weil -
je nach Fachgebiet -
von gerichtlichen Verfahren, von rechtsförmlichen Verfahren, von beidem oder auch von anderen formalisierten Verfahren die Rede ist. Im Übrigen kann, selbst wenn das Zahlenverhältnis in einzelnen anderen [X.]en etwa günstiger für die dortigen [X.]ewerber sein sollte, daraus nicht abge-leitet werden, dass der Kläger nunmehr von [X.] wegen für den Erwerb des [X.] für Arbeitsrecht keine 50 Verfahren
mehr nachweisen müsste.

Soweit statistisch gesehen auf jeden Fachanwaltsbewerber eine geringe-re Anzahl von arbeitsgerichtlichen Klageverfahren als früher entfällt und somit die [X.]edingungen für den Erwerb des [X.] schwieriger geworden sind, führt auch dies nicht zur [X.]widrigkeit von §
5 Abs.
1 [X.]uchst. c [X.]. Art.
3 Abs.
1 GG begründet keinen Anspruch darauf, dass die tatsächli-chen Rahmenbedingungen für den Erwerb eines [X.] gleichblei-bend sein müssen, was in letzter Konsequenz auch bedeuten würde, dass der [X.] ständig seine Regelung nachzubessern hätte, wenn sich die Verfahrenszahlen oder die Anzahl der [X.]erufsangehörigen ändern. Nicht zu Un-recht hat im Übrigen auch die [X.]eklagte darauf hingewiesen, dass die [X.]ewer-tung der Rahmenbedingungen durch den Kläger
nur nach den angesprochenen Zahlen einseitig ist und der Kläger z.[X.]. unberücksichtigt lässt, dass sich der Konkurrenzdruck auf dem Fachanwaltsmarkt durch die erhebliche Ausweitung -
von ursprünglich vier auf heute zwanzig -
der Gebiete, auf denen eine Fachan-18
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waltsbezeichnung erworben werden kann, entschärft hat. Denjenigen Rechts-anwälten, die am Erwerb einer Fachanwaltsbezeichnung interessiert sind, steht heute ein wesentlich breiteres Spektrum zur Verfügung, was zwangsläufig zu einer Verringerung des "Runs"
auf einzelne Gebiete führt.

3.
Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass er innerhalb der letzten drei Jahre vor der Antragstellung als Rechtsanwalt persönlich und weisungsfrei mindestens 50 gerichts-
oder rechtsförmliche Verfahren nach § 5 Abs. 1 [X.]uchst. c [X.] bearbeitet hat. Vielmehr ist von lediglich 44 Fällen auszugehen.

a) Der [X.], auf dessen zutreffende -
und von beiden [X.] im [X.]erufungsverfahren auch nicht näher in Frage gestellte -
Ausführungen der Senat [X.]ezug nimmt, hat für den Referenzzeitraum vom 17. Mai 2008 bis zum 16. Mai 2011 insgesamt 40 Fälle festgestellt. Soweit der Kläger mit Schriftsätzen
vom 22. Juli, 12. August und 22. September 2011
vier weitere Fälle mit einem Tätigkeitsbeginn nach Ende des ursprünglichen
Referenzzeit-raums nachgemeldet hat, hat der [X.] offengelassen, ob durch die damit verbundene Verschiebung des [X.]eginns des Dreijahreszeitraums auf den [X.]punkt des jeweiligen Eingangs der
Schreiben bei der [X.]eklagten
(zuletzt damit den 22. September 2011)
-
Nachmeldung als alternative Antragstellung (vgl. Senat, Urteil vom 10. Oktober
2011 -
AnwZ ([X.]) 9/11, Rn. 7) -
nicht am [X.]eginn des [X.] von den o.a. 40 Verfahren
einige entf[X.]. Dies ist allerdings nicht der Fall, da keines
der von den für den
ursprünglichen Refe-renzzeitraum vom 17. Mai 2008 bis zum 16. Mai 2011
angemeldeten Verfahren
vor dem 22. September 2008
abgeschlossen worden ist. Der Umstand, dass bei den ältesten Fällen [X.] 8 ([X.]earbeitungszeitraum 19. September 2008 bis
4.
November 2008), [X.] 15 ([X.]earbeitungszeitraum 9. September 2008 bis
12. März 2009)
und
[X.] 16 ([X.]earbeitungszeitraum 9. September 2008 bis
18. Juni 20
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-

2009) die Fallbearbeitung vor dem Stichtag (22. September 2008) begonnen hat, ist unerheblich. Es reicht aus, dass innerhalb des [X.] eine inhaltliche [X.]earbeitung stattgefunden hat, bei der es sich auch nicht um die we-sentliche [X.]earbeitung gehandelt
haben muss
(vgl. Senatsbeschluss vom 6.
März 2006 -
AnwZ
([X.]) 36/05, [X.]GHZ 166, 292 Rn.
14).

b)
Eine Erhöhung der Zahlen nachgewiesener gerichts-
oder rechtsförm-licher Verfahren ergibt sich auch nicht daraus, dass einzelne der vom Kläger bearbeiteten Sachen mit einem höheren Faktor als 1 in Ansatz zu bringen wä-ren.

Zwar ist nach der Senatsrechtsprechung (vgl. Urteil vom 8. April 2013

-
AnwZ ([X.]) 54/11, [X.], 1599 Rn. 20 ff.) im [X.] an die Ermitt-lung der berücksichtigungsfähigen Fälle jeweils zu prüfen, welches Gewicht den einzelnen Fällen zukommt, d.h. ob [X.]edeutung, Umfang und Schwierigkeit ein-zelner Fälle zu einer höheren oder niedrigeren Gewichtung
führen (§ 5 Abs. 4 [X.]). Hierbei stellt der "durchschnittliche"
und mit
dem Faktor "1"
zu bewerten-de Fall naturgemäß keine punktgenaue Größe dar, sondern umfasst eine ge-wisse [X.]andbreite. Das Spektrum durchschnittlicher Fälle reicht von Mandaten, die sich an der Grenze zur [X.] bewegen, bis hin zu Fällen, die an der Schnittstelle zur Unterdurchschnittlichkeit anzusiedeln sind ([X.]O Rn.
34). Diese Spannbreite hat zur Folge,
dass für eine Höher-
oder Minderge-wichtung tragfähige Anhaltspunkte vorliegen müssen, die eine zuverlässige [X.]e-urteilung dahin zulassen, dass sich der zu beurteilende Fall in seinem Gewicht in der einen oder anderen Richtung vom Durchschnitt abhebt, wobei,
wenn sich trotz ausreichender Fallbeschreibung (und ggfs. eingeholter Arbeitsproben) nicht abschließend beurteilen lässt, ob sich die bearbeitete Sache vom Durch-22
23
-

12

-

schnittsfall unterscheidet, sie als durchschnittliche Angelegenheit einzuordnen und mit
dem Faktor "1"
zu bewerten ist
([X.]O Rn. 35).

Anhaltspunkte für eine solche abweichende [X.]ewertung sind hier aber weder ersichtlich noch von den Parteien geltend gemacht worden.

4. Die [X.]eklagte hat auch zu Recht den Antrag des [X.] abgelehnt, ohne ihm
zuvor die Möglichkeit eines Fachgesprächs zu geben.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] führt der Ausschuss zum Nachweis der be-sonderen theoretischen Kenntnisse oder der praktischen Erfahrungen ein Fachgespräch. Er kann jedoch davon absehen, wenn er seine Stellungnahme gegenüber dem Vorstand hinsichtlich der besonderen theoretischen Kenntnisse oder der besonderen praktischen Erfahrungen nach dem Gesamteindruck der vorgelegten Zeugnisse und schriftlichen Unterlagen auch ohne ein Fachge-spräch abgeben kann
(§ 7 Abs. 1 Satz 2 [X.]).

Nach der ständigen Senatsrechtsprechung tritt das Fachgespräch damit jedoch nicht als zusätzliche Prüfung der fachlichen Qualifikation des [X.]ewerbers neben die in der Fachanwaltsordnung
geforderten Nachweise; hat ein Antrag-steller ausreichende Unterlagen (§ 6 [X.]) vorgelegt, ist für ein Fachgespräch kein Raum (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 7. März 2005 -
AnwZ ([X.]) 11/04, [X.]. 2005, 123 f., vom 6. März 2006 -
AnwZ ([X.]) 36/05, [X.], 1513 Rn. 32 und vom 30. Mai 2012 -
AnwZ ([X.])
3/12, [X.]. 2012, 243 Rn. 6).

Der Fachausschuss hat allerdings auch dann keine Veranlassung, ein Fachgespräch durchzuführen, wenn ein Antragsteller die in § 5 Abs. 1 [X.] vorgesehenen Fallzahlen -
auch unter [X.]erücksichtigung einer eventuell nach 24
25
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28
-

13

-

§
5 Abs. 4 [X.] vorzunehmenden Höhergewichtung einzelner Fälle -
verfehlt. In einem solchen Fall kann der Ausschuss seine Stellungnahme gegenüber dem Vorstand auch ohne ein Fachgespräch abgeben (§ 7 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Inso-weit unterscheidet sich die Situation beim Nachweis der besonderen theoreti-schen Kenntnisse (§ 4 [X.]) von dem Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen (§ 5 [X.]). Während der Erwerb besonderer theoretischer [X.] nach § 4 Abs. 1 [X.] nur "in der Regel"
den [X.]esuch eines fachan-waltsspezifischen Lehrgangs voraussetzt (zur Frage der Durchführung eines Fachgesprächs im Rahmen des alternativen Nachweises nach § 4 Abs. 3 [X.] vgl. Senat, Urteil vom 30. Mai 2012, [X.]O), sind die Fallzahlen in § 5 [X.] vom [X.] absolut formuliert. Der Erwerb besonderer
praktischer
Erfah-rungen im Arbeitsrecht setzt danach nicht im Regelfall, sondern -
gegebenen-falls nach angepasster Gewichtung
-
ausnahmslos die Mindestzahl von
50 ge-richts-
oder rechtsförmlichen
Verfahren
voraus
(§ 5 Abs. 1 [X.]uchst. c [X.]).

Allerdings mag
es Situationen geben, in denen ein Ausschuss -
auch durch Auflagen (§ 24 Abs. 4 [X.]) nicht behebbare -
Zweifel am Verfehlen der erforderlichen Fallzahl hat, weil ihm z.[X.]. die Wertung oder Gewichtung einzel-ner Fälle problematisch erscheint, und er sich deshalb außerstande sieht, allein anhand der schriftlichen Unterlagen eine Stellungnahme gegenüber dem [X.] abzugeben. Wird in einem solchen Grenzfall ein Fachgespräch durchge-führt, hindert dies -
bei negativem Ausgang -
den [X.]ewerber jedoch nicht, gel-tend zu machen, dass er bei richtiger [X.]ewertung die erforderliche Fallzahl er-reicht hätte.

29
-

14

-

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §
112c Abs.
1 Satz
1 [X.], §
154
Abs.
2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §
194 Abs.
1 Satz
1 [X.], §
52 Abs.
1 [X.]. Die [X.]emessung des Streitwerts mit 12.500

f-fend das Führen einer
Fachanwaltsbezeichnung entspricht der ständigen Praxis des Senats (vgl. nur Urteile vom 26.
November 2012 -
AnwZ ([X.]) 56/11, [X.], 175 Rn.
13 und vom 8.
April 2013 -
AnwZ ([X.]) 16/12, [X.], 750 Rn.
17). Umstände, die im vorliegenden Fall ein Abweichen von dieser Praxis erfordern
könnten, sind nicht ersichtlich.

Tolksdorf
König

Seiters

Qu[X.]s
[X.]raeuer
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 20.01.2012 -
1 [X.] 56/11 -

30

Meta

AnwZ (Brfg) 29/12

16.12.2013

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.12.2013, Az. AnwZ (Brfg) 29/12 (REWIS RS 2013, 262)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 262

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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