Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19.08.2010, Az. 2 C 13/10

2. Senat | REWIS RS 2010, 3949

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Gegenstand

Disziplinarmaßnahme bei kinderpornographischen Dateien im Besitz von Beamten; außerdienstliches Dienstvergehen


Leitsatz

1. Wird der Beamte wegen einer vorsätzlich begangenen außerdienstlichen Straftat verurteilt, für die das Strafgesetzbuch zumindest eine mittelschwere Strafdrohung (Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren) vorsieht, so liegt in aller Regel ein Dienstvergehen im Sinne von § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG vor.

2. Dem außerdienstlichen Besitz kinderpornographischer Schriften lässt sich wegen der Variationsbereite der denkbaren Fallgestaltungen nicht eine bestimmte Disziplinarmaßnahme im Sinne einer Regelmaßnahme zuordnen.

3. Weist der erstmalige außerdienstliche Besitz kinderpornographischer Schriften keinen Bezug zu den dienstlichen Pflichten des Beamten auf, so ist die Schwere des Dienstvergehens und damit die angemessene Disziplinarmaßnahme in Anlehnung an die gesetzliche Strafdrohung zu ermitteln.

4. Kann eine im konkreten Fall als angemessen anzusehende Zurückstufung des Beamten aus laufbahnrechtlichen Gründen nicht verhängt werden, so ist die Kürzung der Dienstbezüge auch neben einer im Strafverfahren ausgesprochenen Geldstrafe stets im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 BDG erforderlich, um den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten.

Tatbestand

1

Der 1952 geborene Beklagte wurde zum 1. Oktober 1970 als Zollanwärter in das Beamtenverhältnis auf Widerruf berufen. Mit Wirkung vom 12. August 2005 wurde er zum Zollinspektor ernannt.

2

Das [X.] verurteilte den Beklagten durch rechtskräftiges Urteil vom 20. Juni 2006 wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften in 136 tateinheitlichen Fällen zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils hatte der Beklagte im Zeitraum von Anfang 2004 bis zur Beschlagnahme seines privaten Computers im November 2005 mindestens 102 Bilddateien sowie 34 Video-Sequenzen jeweils mit kinderpornographischem Inhalt, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, auf die Festplatte seines Computers geladen.

3

Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Oberwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, durch den vorsätzlichen Besitz von mindestens 20 verschiedenen ungelöschten kinderpornographischen Bilddateien und mindestens 17 verschiedenen ungelöschten kinderpornographischen Video-Sequenzen habe der Beklagte ein sehr schweres außerdienstliches Dienstvergehen begangen. Das hohe Eigengewicht eines solchen Dienstvergehens leite sich daraus ab, dass die Herstellung kinderpornographischer Darstellungen den sexuellen Missbrauch von Kindern durch Erwachsene zwingend voraussetze. Wer als Beamter kinderpornographisches Material besitze, beweise erhebliche Persönlichkeitsmängel mit der Folge einer nachhaltigen Ansehensschädigung oder gar des völligen Ansehensverlustes. Das im Verlaufe des Straf- und Disziplinarverfahrens erkennbar gewordene Persönlichkeitsbild des Beklagten gebe keine Veranlassung zu der Annahme, er habe den Unrechtsgehalt seines Handelns erkannt und auf der Basis einer solchen Erkenntnis Einsicht in seine Mitverantwortung als Konsument kinderpornographischer Darstellungen für den sexuellen Missbrauch von Kindern gewonnen. Zwar unterziehe sich der Beklagte inzwischen einer Verhaltenstherapie. Seine Äußerungen ließen aber erkennen, dass die bescheinigten Therapiesitzungen nach wie vor keine Erkenntnis des [X.] der Tat, Reue oder kritische Betrachtung des eigenen Handelns bewirkt hätten.

4

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Revision, mit der er beantragt,

die Urteile des [X.] vom 29. September 2009 und des Verwaltungsgerichts des [X.] vom 27. Februar 2009 aufzuheben und die [X.] abzuweisen,

hilfsweise auf eine mildere Disziplinarmaßnahme als die Entfernung aus dem Dienst zu erkennen.

5

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

[X.]ie Revision des Beklagten ist mit der Maßgabe der Zurückverweisung nach § 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO begründet. [X.]as Berufungsurteil verletzt revisibles Recht. [X.]as Berufungsgericht hat die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Entfernung aus dem Beamtenverhältnis aufgrund einer Bemessungsentscheidung bestätigt, die nicht den gesetzlichen Vorgaben des § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 und Abs. 2 Satz 1 [X.] genügt. [X.]a die Tatsachenfeststellungen im Berufungsurteil nicht ausreichen, um dem Senat eine abschließende Entscheidung über die [X.] zu ermöglichen, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO, § 70 Abs. 2 [X.]).

7

1. [X.]er Beklagte hat durch den vorsätzlichen Besitz kinderpornographischer Schriften im Sinne von § 11 Abs. 3 StGB, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, ein außerdienstliches [X.]ienstvergehen begangen (§ 54 Satz 3 [X.] a.F. i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 2 [X.] a.F.).

8

a) Maßgeblich ist die Rechtslage zum Tatzeitpunkt, weil sich aus der Neufassung des Bundesbeamtengesetzes durch das [X.] vom 5. Februar 2009 ([X.]) für den Beklagten kein materiellrechtlich günstigeres Recht ergibt (Urteile vom 25. August 2009 - BVerwG 1 [X.] 1.08 - [X.] 232.0 § 77 [X.] 2009 Nr. 1, Rn. 33 und 51 bis 53 und vom 25. März 2010 - BVerwG 2 [X.] 83.08 - zur Veröffentlichung in den Entscheidungssammlungen BVerwGE und [X.] vorgesehen - Rn. 17).

9

[X.]er Beklagte hat das [X.]ienstvergehen außerdienstlich begangen, weil sein pflichtwidriges Verhalten nicht in sein Amt und in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war (Urteil vom 25. August 2009 - BVerwG 1 [X.] 1.08 - a.a.[X.] Rn. 54). Er hatte die kinderpornographischen [X.]ateien ausschließlich auf seinen privaten [X.]omputern abgespeichert.

[X.]as Verhalten eines Beamten innerhalb und außerhalb des [X.]ienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert (§ 54 Satz 3 [X.] a.F.). Besitzt ein Beamter vorsätzlich kinderpornographische Schriften im Sinne von § 11 Abs. 3 StGB, so verstößt er gegen diese Pflicht.

Ein Verhalten des Beamten außerhalb des [X.]ienstes erfüllt den objektiven Tatbestand eines [X.]ienstvergehens, wenn die besonderen qualifizierenden Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 2 [X.] a.F. (ebenso § 77 Abs. 1 Satz 2 [X.] n.F.) erfüllt sind. Es muss nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet sein, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des [X.] bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. [X.]ie [X.]isziplinarwürdigkeit außerdienstlichen Verhaltens nach diesen Kriterien ist von der Bemessung der [X.]isziplinarmaßnahme nach § 13 [X.] zu unterscheiden.

Grund für die Einfügung der besonderen Anforderungen für die Annahme eines außerdienstlichen [X.]ienstvergehens durch das [X.] des [X.] vom 20. Juli 1967 ([X.]) war das Bestreben des Gesetzgebers, den Tatbestand des [X.]ienstvergehens im Bereich außerdienstlichen Verhaltens von Beamten einzuschränken. [X.]er geänderten Stellung der Beamten in der Gesellschaft, von denen außerdienstlich kein wesentlich anderes Sozialverhalten als von jedem Bürger erwartet wird, sollte Rechnung getragen werden (Urteile vom 30. August 2000 - BVerwG 1 [X.] 37.99 - BVerwGE 112, 19 <23 und 26 f.> = [X.] 232 § 54 Satz 3 [X.] Nr. 23 S. 22 und 25 und vom 25. März 2010 - BVerwG 2 [X.] 83.08 - Rn. 15).

[X.]as Merkmal "in besonderem Maße" bezieht sich auf die Eignung zur Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung und ist nur erfüllt, wenn das Verhalten des Beamten in quantitativer oder qualitativer Hinsicht über das für eine jede Eignung vorausgesetzte Mindestmaß an Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung hinausgeht. Ist eine derart qualifizierte Möglichkeit der Beeinträchtigung gegeben, kommt es weiterhin darauf an, ob diese Beeinträchtigung bedeutsam wäre. [X.]as Merkmal "in bedeutsamer Weise" bezieht sich auf den "Erfolg" der möglichen Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung. [X.]ie zur Beeinträchtigung in besonderem Maße geeignete Pflichtverletzung weist Bedeutsamkeit auf, wenn sie in qualitativer oder quantitativer Hinsicht das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß an disziplinarrechtlicher Relevanz deutlich überschreitet (Urteil vom 8. Mai 2001 - BVerwG 1 [X.] 20.00 - BVerwGE 114, 212 <219 f.> = [X.] 232 § 54 Satz 3 [X.] Nr. 29 S. 40).

[X.]ie Beeinträchtigung der Achtung und des Vertrauens muss sich entweder auf das Amt des Beamten im konkret-funktionellen Sinne ([X.]ienstposten), d.h. auf die Erfüllung der dem Beamten konkret obliegenden [X.]ienstpflichten, oder auf das Ansehen des Berufsbeamtentums als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beziehen (Urteile vom 30. August 2000 - BVerwG 1 [X.] 37.99 - a.a.[X.] S. 25, vom 12. [X.]ezember 2001 - BVerwG 1 [X.] 4.01 - [X.] 232 § 54 Satz 3 [X.] Nr. 32 S. 53 f. und vom 25. August 2009 - BVerwG 1 [X.] 1.08 - a.a.[X.] Rn. 52).

b) [X.]as strafrechtlich geahndete außerdienstliche [X.]ienstvergehen des Beklagten weist keinen Bezug zu seinem [X.]ienstposten auf. [X.]er [X.]ienstbezug ist gegeben, wenn das außerdienstliche Verhalten Rückschlüsse auf die [X.]ienstausübung zulässt oder den Beamten in der [X.]ienstausübung beeinträchtigt. [X.]aran fehlt es. Weder hatte der Beklagte dienstlich Kontakt mit Kindern noch gehörte die Bekämpfung von Kindesmissbrauch oder Kinderpornographie zu seinen dienstlichen Tätigkeiten. Allein der Umstand, dass der Beklagte als Beamter der "Finanzkontrolle Schwarzarbeit" dienstlich mit der Verfolgung und Ahndung von Rechtsverstößen [X.]ritter befasst war, begründet ebenfalls keinen solchen [X.]ienstbezug. Rückschlüsse aus dem außerdienstlichen Fehlverhalten des [X.] auf seine künftige Amtsführung oder eine Beeinträchtigung in derselben können nicht gezogen werden.

Bei erstmaligem außerdienstlichem Fehlverhalten ist die Eignung zur Beeinträchtigung von Achtung und Vertrauen im Hinblick auf das Ansehen des [X.] bereits unter Hinweis auf die gesetzgeberischen Wertungen auch bei der Begehung einer Straftat zum Nachteil des Staates (vgl. § 48 Satz 1 Nr. 2 [X.] a.F., § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]) oder der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wegen einer vorsätzlich begangenen schwerwiegenden Straftat (vgl. § 48 Satz 1 Nr. 1 [X.] a.F., § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]) angenommen worden (Urteile vom 30. August 2000 - BVerwG 1 [X.] 37.99 - a.a.[X.] S. 26 f. und vom 25. März 2010 - BVerwG 2 [X.] 83.08 - Rn. 18).

Unabhängig von diesen Fallgruppen lässt der Strafrahmen Rückschlüsse auf das Maß der disziplinarrechtlich relevanten Ansehensschädigung zu. [X.]ie [X.]isziplinarwürdigkeit eines erstmaligen außerdienstlichen Verhaltens eines Beamten im Sinne von § 77 Abs. 1 Satz 2 [X.] a.F. (n.F.) ist regelmäßig anzunehmen, wenn das außerdienstliche Verhalten im Strafgesetzbuch als Vergehen mit einer Freiheitsstrafe im mittleren Bereich belegt ist. [X.]urch die Festlegung des Strafrahmens bringt der Gesetzgeber verbindlich den Unrechtsgehalt eines [X.]elikts zum Ausdruck. An dieser Wertung hat sich auch die Entscheidung über die Eignung zur Vertrauensbeeinträchtigung im Sinne von § 77 Abs. 1 Satz 2 [X.] a.F. (n.F.) zu orientieren, wenn andere Kriterien, wie etwa ein [X.]ienstbezug oder die Verhängung einer Freiheitsstrafe bei einer vorsätzlich begangenen Straftat ausscheiden. Hierdurch wird hinsichtlich der Frage der [X.]isziplinarwürdigkeit außerdienstlichen Verhaltens eine Entscheidung gewährleistet, die an nachvollziehbare Kriterien anknüpft.

[X.]urch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. [X.]ezember 2003 ([X.]) hat der Gesetzgeber den Strafrahmen für den Besitz kinderpornographischer Schriften von einem auf zwei Jahre Freiheitsstrafe erhöht. Gemessen an den Kriterien des Strafgesetzbuches handelt es sich um eine Strafandrohung im mittleren Bereich.

Wer kinderpornographische Schriften besitzt (§ 184b Abs. 4 Satz 2 StGB), trägt durch seine Nachfrage nach solchen [X.]arstellungen zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern (§ 176a Abs. 2 StGB) und damit zum Verstoß gegen ihre Menschenwürde und körperliche Unversehrtheit bei. [X.]er sexuelle Missbrauch eines Kindes ist in hohem Maße persönlichkeits- und sozialschädlich. Er greift in die sittliche Entwicklung eines jungen Menschen ein und gefährdet die harmonische Bildung seiner Gesamtpersönlichkeit sowie seine Einordnung in die [X.], weil ein Kind wegen seiner fehlenden oder noch nicht hinreichenden Reife intellektuell und gefühlsmäßig das Erlebte in der Regel gar nicht oder nur schwer verarbeiten kann. Zudem degradiert der Täter die sexuell missbrauchten kindlichen Opfer zum bloßen auswechselbaren Objekt geschlechtlicher Begierde oder Erregung (Urteile vom 6. Juli 2000 - BVerwG 2 W[X.] 9.00 - BVerwGE 111, 291 <294 f.> = [X.] 236.1 § 17 SG Nr. 33 S. 25 und vom 25. September 2007 - BVerwG 2 W[X.] 19.06 - [X.] 450.2 § 38 W[X.]O Nr. 23 S. 19).

2. [X.]ie Bemessungsentscheidung des Berufungsgerichts verstößt gegen § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 und Abs. 2 Satz 1 [X.].

a) [X.]ie Verwaltungsgerichte erkennen aufgrund einer eigenen Bemessungsentscheidung gemäß § 13 Abs. 1 und 2 [X.] auf die erforderliche [X.]isziplinarmaßnahme, wenn sie nach umfassender Sachaufklärung (§ 58 [X.] sowie § 86 Abs. 1 und 2 VwGO) zu der Überzeugung gelangen, dass der Beamte die ihm in der [X.]schrift zur Last gelegten dienstpflichtwidrigen Handlungen begangen hat, und dem Ausspruch der [X.]isziplinarmaßnahme kein rechtliches Hindernis entgegensteht (§ 60 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 [X.]). Sie sind dabei an die tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Wertungen des klagenden [X.]ienstherrn nicht gebunden (Urteile vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 [X.] 9.06 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 3 Rn. 11 und vom 25. März 2010 - BVerwG 2 [X.] 83.08 - Rn. 9 sowie Beschluss vom 14. Juni 2005 - BVerwG 2 B 108.04 - [X.] 235.1 § 58 [X.] Nr. 1 S. 2).

Welche [X.]isziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 [X.] nach der Schwere des [X.]ienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das [X.]ienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung.

[X.]en Bedeutungsgehalt dieser gesetzlichen Begriffe hat der Senat in den Urteilen vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 [X.] 12.04 - (BVerwGE 124, 252 <258 ff.> = [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 1 Rn. 21 ff.) und vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 [X.] 9.06 - (a.a.[X.] Rn. 13 ff.; seitdem stRspr) näher bestimmt. [X.]anach ist [X.] für die Bestimmung der [X.]isziplinarmaßnahme gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 [X.] die Schwere des [X.]ienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten [X.]ienstpflichten, [X.]auer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für [X.]ritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens. [X.]as [X.] "Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des [X.]ienstherrn oder der Allgemeinheit" gemäß § 13 Abs. 1 Satz 4 [X.] erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion.

Aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 [X.] folgt die Verpflichtung der Verwaltungsgerichte, über die erforderliche [X.]isziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche [X.]isziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen [X.]ienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums zu gewährleisten (Urteil vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 [X.] 9.06 - a.a.[X.] Rn. 16).

b) Für das außerdienstlich begangene [X.]ienstvergehen des Besitzes kinderpornographischer Schriften scheidet eine Regeleinstufung wie sie in der Rechtsprechung für schwerwiegendes innerdienstliches Fehlverhalten entwickelt worden ist (Urteil vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 [X.] 9.06 - a.a.[X.] Rn. 20 m.w.N.), aus. [X.]anach kommt regelmäßig die Entfernung aus dem [X.]ienst (bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts) dann in Betracht, wenn die Schwere des innerdienstlichen [X.]ienstvergehens das für die weitere dienstliche Tätigkeit notwendige Vertrauensverhältnis endgültig zerstört hat (z.B. Urteil vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 [X.] 12.04 - BVerwGE 124, 252 <261> = [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 1 Rn. 28). Im Bereich der Sexualdelikte hat der Senat den mit Freiheitsstrafe geahndeten außerdienstlichen sexuellen Missbrauchs eines Kindes (§ 176 Abs. 1 StGB) als derart schwerwiegend erachtet, dass die [X.] indiziert ist, wenn es insgesamt an hinreichend gewichtigen entlastenden Umständen fehlt (Urteil vom 25. März 2010 - BVerwG 2 [X.] 83.08 - a.a.[X.]) Anders als bei einem solchen unmittelbaren Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung ist beim Besitz kinderpornografischer Schriften eine Regeleinstufung nicht angezeigt, weil die Variationsbreite der jeweiligen Schwere der außerdienstlichen Verfehlung zu groß ist. [X.]ies gilt für den Besitz kinderpornografischer Schriften namentlich dann, wenn es an einem dienstlichen Bezug des strafbaren Verhaltens fehlt. In diesen Fällen hat sich die Maßnahmebemessung als Richtschnur an der jeweiligen Strafandrohung auszurichten. [X.]enn durch die Strafandrohung bringt der Gesetzgeber seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck. [X.]ie Anknüpfung an den Strafrahmen gewährleistet auch insoweit eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarrechtliche Ahndung von [X.]ienstvergehen. Ebenso wie bei einer Regeleinstufung sind die Verwaltungsgerichte auch bei der Bestimmung eines Orientierungsrahmens gehalten, über die erforderliche [X.]isziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. [X.]ie Verwaltungsgerichte dürfen ihre eigene Einschätzung des [X.] eines [X.]elikts nicht an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen, wenn sie den Strafrahmen für unangemessen niedrig halten. [X.]as Ausmaß des Ansehensschadens, der durch eine außerdienstlich begangene Straftat herangerufen wird, wird maßgeblich durch den Strafrahmen bestimmt.

Auf der Grundlage des vom Gesetzgeber im Jahr 2003 angehobenen Strafrahmens für das Vergehen des Besitzes kinderpornographischer Schriften, der im mittelschweren Bereich liegt, hat sich die Zuordnung einer [X.]isziplinarmaßnahme für derartige außerdienstliche Verfehlungen als Richtschnur an der Maßnahme der Zurückstufung (§ 9 [X.]) zu orientieren. Anders als das [X.]elikt der außerdienstlichen Trunkenheitsfahrt ist der außerdienstliche Besitz kinderpornografischer Schriften in besonderem Maße geeignet, das Ansehen des [X.] in bedeutsamer Weise zu beeinträchtigen. [X.]ies folgt aus den mit dem [X.]elikt einhergehenden Eingriff in die Menschenwürde des Kindes, das zum bloßen Objekt sexueller Begierde degradiert wird. [X.]ieser Unrechtsgehalt hat im Strafrahmen seinen Ausdruck gefunden.

3. [X.]ie tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts reichen in mehrfacher Hinsicht für eine Bestimmung der angemessenen [X.]isziplinarmaßnahme im konkreten Fall durch den Senat nicht aus:

a) [X.]as Ausmaß des [X.]ienstvergehens des Beklagten ist vom Berufungsgericht nicht eindeutig festgestellt worden. Bei der disziplinarrechtlichen Ahndung des [X.]ienstvergehens des Besitzes kinderpornographischer Schriften kommt es auch auf deren Anzahl an. Insoweit sind die Angaben im Berufungsurteil unklar. Einerseits ist das Berufungsgericht im [X.] an das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, auf den [X.]omputern des Beklagten seien 20 verschiedene ungelöschte kinderpornographische Bilder und 17 verschiedene ungelöschte kinderpornographische Filme vorhanden gewesen. Andererseits ist im Berufungsurteil mehrfach die Rede davon, der Beklagte habe "mindestens" diese Anzahl von verschiedenen ungelöschten Bildern und Videosequenzen abgespeichert. [X.]ie Verwendung des Wortes "mindestens" schließt nicht aus, dass die tatsächliche Zahl der [X.]ateien höher ist. [X.]amit ist aber das dem Beklagten zur Last gelegte Fehlverhalten nicht hinreichend deutlich festgestellt. Zugleich lassen es die häufige Verwendung des Wortes "mindestens" sowie die Ausführungen zu den vom Berufungsgericht angenommenen Persönlichkeitsmängeln des Beklagten als möglich erscheinen, dass dem Beklagten der sonstige Inhalt der Festplatten seiner [X.]omputer (gelöschte Bilder und Videosequenzen, sog. Posingbilder und tierpornographische Filme), doch angelastet worden ist.

b) [X.]ie tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil zu den Auswirkungen der Verhaltenstherapie, die der Beklagte im März 2009 im Hinblick auf den Besitz kinderpornographischer Schriften begonnen hat, sind unzureichend. Hierzu eigene Feststellungen zu treffen, ist dem Revisionsgericht versagt.

Auch das Verhalten des Beamten nach der Entdeckung der Tat und dem Beginn der Ermittlungen ist für die Entscheidung der Verwaltungsgerichte nach § 13 [X.] relevant. [X.]ies gilt zu Lasten des Beamten wie auch zu seinen Gunsten. [X.]as Persönlichkeitsbild und die Verhaltensprognose sind ungünstig, wenn eine im Hinblick auf das [X.]ienstvergehen begonnene Therapie ohne Erfolg bleibt. [X.]ies macht zudem deutlich, dass der Beamte uneinsichtig ist und sich die im Strafverfahren ausgesprochene Geldstrafe nicht als Pflichtenmahnung hat dienen lassen (Urteil vom 25. August 2009 - BVerwG 1 [X.] 1.08 - a.a.[X.] Rn. 70 und Beschluss vom 5. März 2010 - BVerwG 2 [X.] - NJW 2010, 2229 <2231>). [X.]emgegenüber können nachträgliche Therapiemaßnahmen bei der Bemessung der [X.]isziplinarmaßnahme mildernd berücksichtigt werden, wenn eine günstige Zukunftsprognose gestellt werden kann (Urteil vom 27. November 2001 - BVerwG 1 [X.] 64.00 - Rn. 35 m.w.N., juris). Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit festzustellen, inwieweit eine vom Beamten im Hinblick auf sein Fehlverhalten begonnene Therapie Erfolg hat. Bei der Würdigung ist zu berücksichtigen, dass entlastende Umstände nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" schon dann beachtlich sind, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen gegeben sind und eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist (Urteil vom 24. September 2009 - BVerwG 2 [X.] 80.08 - [X.] 235.1 § 55 [X.] Nr. 4 Rn. 22 m.w.N.).

Für die Beurteilung des Erfolgs einer Verhaltenstherapie bedarf es besonderer Sachkunde, über [X.] regelmäßig nicht verfügen. [X.]as Berufungsgericht hat eine eigenständige Bewertung der bisherigen Ergebnisse der Therapie vorgenommen, ohne aber die angenommene eigene Sachkunde nachvollziehbar zu belegen. Für seine erneute Entscheidung wird das Berufungsgericht zur Aufklärung der Ergebnisse der Therapie entweder den behandelnden Therapeuten als sachverständigen Zeugen vernehmen oder aber einen bisher nicht mit der Behandlung des Beklagten befassten Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragen müssen.

c) Bei seiner erneuten Bemessungsentscheidung wird das Berufungsgericht ferner zu beachten haben, dass dem Beamten bei der Gesamtwürdigung aller Umstände rechtlich zutreffende Äußerungen nicht zum Vorwurf gemacht werden können. [X.]ies gilt hier insbesondere für das Vorbringen, es handele sich um ein außerdienstliches [X.]ienstvergehen, für dessen disziplinarrechtliche Ahndung besondere Regelungen gelten.

4. Sollte das Berufungsgericht bei seiner neuen Ermessensentscheidung nach § 13 [X.] zu dem Ergebnis kommen, angemessene [X.]isziplinarmaßnahme sei die Zurückstufung des Beklagten nach § 9 [X.], so wäre diese aus laufbahnrechtlichen Gründen von vornherein ausgeschlossen (Urteil vom 12. April 2000 - BVerwG 1 [X.] 12.99 - [X.] 232 § 73 [X.] Nr. 20 S. 20). [X.]enn der Beklagte wurde nach den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil nach erfolgreichem Abschluss des [X.] im August 2005 zum Zollinspektor ernannt und befindet sich noch im [X.] der Laufbahn des gehobenen [X.]ienstes (Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 BLV).

Ist eine Zurückstufung aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen, ist auf die nächstmildere Maßnahme der Kürzung der [X.]ienstbezüge zu erkennen. In diesem Fall ist § 14 Abs. 1 Nr. 2 [X.] zu berücksichtigen, weil gegen den Beklagten wegen desselben Sachverhalts im Strafverfahren unanfechtbar eine Geldstrafe verhängt worden ist. Bleibt der Beamte aus laufbahnrechtlichen Gründen von der an sich gebotenen [X.]isziplinarmaßnahme der Zurückstufung nach § 9 [X.] verschont und wird allein deshalb eine Kürzung der [X.]ienstbezüge (§ 8 [X.]) ausgesprochen, so sind die besonderen Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Nr. 2 [X.] stets erfüllt. [X.]er Ausschluss der Zurückstufung lässt die mildere Maßnahme der Kürzung der [X.]ienstbezüge neben der im Strafverfahren verhängten Strafe als erforderlich erscheinen, um den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten. Auf das Vorliegen konkreter Umstände für eine Wiederholungsgefahr (vgl. Urteil vom 23. Februar 2005 - BVerwG 1 [X.] 13.04 - BVerwGE 123, 75 <80> = [X.] 235.1 § 85 [X.] Nr. 8 S. 18) kommt es in diesem Fall nicht an.

Nach § 15 Abs. 4 und 5 [X.] ist eine Ahndung des [X.]ienstvergehens des Beklagten mit einer Kürzung der [X.]ienstbezüge noch möglich.

Meta

2 C 13/10

19.08.2010

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, 29. September 2009, Az: 7 A 323/09, Urteil

§ 11 Abs 3 StGB, § 184b Abs 4 S 2 StGB, § 13 Abs 1 BDG, § 13 Abs 2 BDG, § 9 BDG, § 14 Abs 1 Nr 2 BDG, § 77 Abs 1 S 2 BBG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19.08.2010, Az. 2 C 13/10 (REWIS RS 2010, 3949)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3949

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

38 K 1330/22

3 CS 16.409

16a DZ 13.177

M 19 DK 14.1889

35 K 214/21

Zitiert

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