Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.10.2019, Az. B 13 R 360/17 B

13. Senat | REWIS RS 2019, 3033

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Divergenz - konkrete Darstellung des tatsächlichen und rechtlichen Kontexts der herangezogenen Entscheidung


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 20. September 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

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I. In dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit geht es um die Aufhebung eines [X.] im Überprüfungsverfahren nach § 44 [X.]. Die Beklagte hob den Bescheid vom [X.] über die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit Bescheid vom [X.] ab dem [X.] mit der Begründung auf, dass der Kläger einen Hinzuverdienst aus einer selbstständigen Tätigkeit erzielt, aber nicht gemeldet hatte. Mit Bescheid vom 24.10.2007 wurde die Erstattung der zu Unrecht erbrachten Leistungen wegen Erwerbsunfähigkeit für den [X.]raum vom [X.] bis 30.9.2006 gefordert. Über das Vermögen des [X.] wurde am 15.7.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum 15.7.2011 wurde Restschuldbefreiung erteilt. Mit Bescheid vom 20.1.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] lehnte die Beklagte nach Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 24.10.2007 die Erteilung eines [X.] nach § 44 [X.] ab. Die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des [X.] hat das L[X.] mit Urteil vom 20.9.2017 zurückgewiesen.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim B[X.] eingelegt. Er macht allein das Vorliegen einer Rechtsprechungsabweichung (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) geltend.

3

II. [X.] ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 23.1.2018 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn er hat den geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G gebotenen Weise bezeichnet.

4

Divergenz im Sinne von § 160 Abs 2 [X.] [X.]G bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das [X.] tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Zur ordnungsgemäßen Darlegung einer Divergenz sind ein oder mehrere entscheidungstragende Rechtssätze aus dem Berufungsurteil und zu demselben Gegenstand gemachte und fortbestehende aktuelle abstrakte Aussagen aus einer Entscheidung des B[X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.] einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des L[X.] auf der Abweichung beruht (stRspr, vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.]a [X.]/06 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] RdNr 17; B[X.] Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.]1). Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - B 7 [X.] 142/02 B - [X.] 3-1500 § 160a [X.] f; B[X.] Beschluss vom 24.4.2015 - [X.] R 37/15 B - juris RdNr 6).

5

Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

6

Der Kläger rügt eine Abweichung des angegriffenen Urteils insbesondere von dem Urteil des B[X.] vom 30.11.2011 ([X.] [X.] 22/10 R - [X.] 4-7912 § 55 Nr 1 ). Dieses enthalte folgenden tragenden abstrakten Rechtssatz:

        

"Hebt die Verwaltung nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens einen Bescheid auf, mit dem für die [X.] vor Verfahrenseröffnung Leistungen bewilligt und ausgezahlt wurden und fordert sie die Erstattung derselben, handelt es sich um eine Insolvenzforderung; maßgeblich für die Beurteilung, ob es sich um eine Insolvenzforderung handelt, ist, ob die Vermögensverschiebung vollständig in der [X.] vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattgefunden hat; unerheblich ist, ob der rechtliche Grund von Anfang an fehlt oder nachträglich wegfällt."

7

Das L[X.] habe dagegen folgenden tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt:

        

"Hebt die Verwaltung nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens einen Bescheid auf, mit dem für die [X.] vor der Verfahrenseröffnung Leistungen bewilligt und ausgezahlt wurden und fordert sie die Erstattung derselben, handelt es sich nicht um eine Insolvenzforderung, weil die Leistungen vor Insolvenzeröffnung noch aufgrund eines bestehenden Rechtsgrundes geleistet wurden; maßgeblich für die Beurteilung, ob es sich um eine Insolvenzforderung handelt, ist allein das Datum der Aufhebungsentscheidung."

8

Der Kläger zitiert damit ersichtlich keine wörtlichen Aussagen der Entscheidungen, sondern fasst aus seiner Sicht die wesentlichen Erwägungen der jeweiligen Entscheidungen abstrakt zusammen. Anders als nach dem oben Gesagten erforderlich, zeigt er aber nicht auf, dass das B[X.] die von ihm (dem Kläger) formulierte Aussage "zu demselben Gegenstand", also in Anwendung (grundsätzlich) derselben Vorschrift (vgl [X.], [X.], 2. Aufl 2010, RdNr 379 mwN) bzw der gleichen Rechtsmaterie (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 12. Aufl 2017, § 160 Rd[X.]a mwN) gemacht hat. Dafür genügt es nicht, isoliert eine einzelne aus der Entscheidung abgeleitete Passage zu referieren und - völlig losgelöst von ihrem Bezugsrahmen - zu behaupten, es handele sich um einen tragenden höchstrichterlichen Rechtssatz (vgl B[X.] Beschluss vom 2.8.2016 - B 5 R 131/16 B - BeckRS 2016, 72069 RdNr 11 mwN). Stattdessen ist der tatsächliche und rechtliche Kontext darzustellen, in dem der herangezogene bundesgerichtliche Rechtssatz steht (vgl hierzu B[X.] Beschluss vom 7.2.2007 - B 6 [X.]/06 B - juris RdNr 10). Zum Kontext der herangezogenen Entscheidung ist der Beschwerdebegründung aber nichts zu entnehmen. Sie verschweigt, welchen Sachverhalt das B[X.] zu beurteilen hatte und macht auch nicht deutlich zu welchen Normen es die vom Kläger formulierte Aussage getroffen hat. Eine konkrete Darstellung des tatsächlichen und rechtlichen Kontexts auch der herangezogenen B[X.]-Entscheidung gehört aber zu den Mindestvoraussetzungen, um die Entscheidungserheblichkeit der [X.] prüfen zu können. Denn eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung kann nur bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt vorliegen, auf den dieselben oder zumindest inhaltsgleichen Rechtsnormen anzuwenden sind. Ansonsten ergeben sich ggf nur rechtliche Anhaltspunkte, deren Reichweite im Rahmen einer sog [X.] zu prüfen wäre, die der Kläger hier aber nicht erhoben hat.

9

Im Übrigen setzt die Bezeichnung einer Abweichung im Sinne von § 160 Abs 2 [X.] [X.]G die Darlegung voraus, dass das L[X.] die Rechtsprechung des B[X.] im angefochtenen Urteil infrage stellt, was nicht der Fall ist, wenn es einen höchstrichterlichen Rechtssatz missverstanden oder übersehen und deshalb das Recht fehlerhaft angewendet haben sollte (stRspr, zB B[X.] Beschluss vom [X.] - B 7 [X.] 142/02 B - [X.] 3-1500 § 160a [X.] mwN). Zwar genügt eine objektive Abweichung ([X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 14a mwN), dennoch hätte der Kläger vertieft darauf eingehen müssen, dass das L[X.] im angefochtenen Urteil nicht lediglich die Tragweite der höchstrichterlichen Rechtsprechung verkannt, sondern dieser Rechtsprechung einen eigenen Rechtssatz entgegengesetzt hat (vgl stRspr, zB B[X.] Beschlüsse vom [X.] - [X.] V 48/16 B - juris Rd[X.]3; vom 1.6.2015 - [X.] SB 10/15 B - juris RdNr 6; vom [X.] - B 7 [X.] 142/02 B - [X.] 3-1500 § 160a [X.]; vom 27.1.1999 - [X.] RA 131/98 B - [X.] 3-1500 § 160 [X.]6 S 44 f). Sonst kritisiert die Beschwerde letztlich nur eine falsche Rechtsanwendung des L[X.] im Fall des [X.]. Die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des L[X.] im Einzelfall ist aber nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl stRspr, zB B[X.] Beschluss vom [X.] R 59/18 B - juris RdNr 14).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 [X.]G durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 [X.]G.

Meta

B 13 R 360/17 B

01.10.2019

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Trier, 17. Februar 2017, Az: S 4 R 9/16, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.10.2019, Az. B 13 R 360/17 B (REWIS RS 2019, 3033)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 3033

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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