Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.07.2023, Az. B 11 AL 9/23 B

11. Senat | REWIS RS 2023, 6171

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung einer Divergenz und grundsätzlichen Bedeutung - tragender Rechtssatz - Segelanweisung - Winterbeschäftigungs-Umlage - Umlagepflicht - Garten- und Landschaftsbau - Mischbetrieb - Ermittlung der zeitlichen Inanspruchnahme - Nichtberücksichtigung der Tätigkeit des Betriebsinhabers


Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 20. Dezember 2022 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 750 Euro festgesetzt.

Gründe

1

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist unzulässig, weil weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.]) noch der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 [X.]).

2

a) Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des [X.] von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des [X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ([X.]) oder des [X.] abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das [X.], der [X.] oder das [X.] aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das [X.] diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa [X.] vom [X.] [X.] 142/02 B - [X.] 3-1500 § 160a [X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl 2022, § 160 Rd[X.]21 mwN).

3

Ein Berufungsgericht weicht nur dann iS des§ 160 Abs 2 [X.] [X.] von einer Entscheidung des [X.] ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zum selben Gegenstand gemachten und fortbestehend aktuellen abstrakten Aussage des [X.] entgegensteht ( [X.] vom 18.1.2010 - [X.] R 483/09 B - juris RdNr 6).

4

Eine solche Divergenz hat die Beklagte nicht aufgezeigt. Die Beklagte entnimmt dem Urteil des [X.] den Rechtssatz, dass für die Beurteilung, ob Mischbetriebe aus einem Zweig des Baugewerbes zur Winterbeschäftigungsumlage heranzuziehen sind, darauf abzustellen sei, ob überwiegend Bauleistungen erbracht werden, wobei "die zeitliche Inanspruchnahme des handwerklich im Betrieb tätigen Betriebsinhabers unberücksichtigt" bleibe. Hierin sieht die Beklagte einen Widerspruch zum Urteil des [X.] (10 [X.] - [X.], 203 [208] = [X.] 4100 § 186a [X.]1 S 58 f = juris Rd[X.]8), wo der Rechtssatz aufgestellt worden sei, dass es für die Beurteilung "auf die Zahl der in den jeweiligen Bereichen tätigen Personen an[komme], einschließlich des Betriebsinhabers, sofern dieser auch handwerklich im Betrieb tätig [sei]."

5

Damit ist eine Divergenz zum einen nicht dargelegt, weil sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen lässt, ob es sich bei den zitierten Formulierungen des [X.] um einen tragenden Rechtssatz gehandelt hat. Nur ein tragender Rechtssatz kann eine Divergenz im Sinne des Revisionszulassungsrechts begründen. Insbesondere wird mit sog "[X.]" im Rahmen einer Zurückverweisung kein tragender Rechtssatz entwickelt ([X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 13. Aufl 2020, § 160 Rd[X.]3; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl 2022, § 160 Rd[X.]34).

6

Zum anderen ist eine Divergenz nicht dargetan, weil die Beklagte sich nicht mit der Frage auseinandersetzt, ob das [X.] seine Rechtsprechung - unterstellt, sie sei tragend gewesen - nicht in der Folgezeit selbst aufgegeben hat. Das [X.] hat in späteren Entscheidungen nämlich nicht mehr ausgeführt, dass es auf die Zahl der in den jeweiligen Bereichen tätigen Personen einschließlich des Betriebsinhabers ankomme, sondern allein auf die "zeitliche Inanspruchnahme der Mitarbeiter" ([X.] vom 15.2.2000 - [X.] [X.] 41/99 R - [X.] 3-4100 § 75 [X.] = juris Rd[X.]6; ebenso bereits [X.] vom [X.] - [X.]/10 [X.] 6/98 R - [X.]E 83, 297 [299] = [X.] 3-4100 § 75 [X.] S 4 = juris Rd[X.]9, dort allerdings bezogen auf eine [X.]; zuletzt [X.] vom 14.10.2020 - [X.] [X.] 6/19 R - [X.]E 131, 85 = [X.] 4-4300 § 354 [X.], Rd[X.]9, allerdings bezogen auf eine GmbH). Die Beschwerdebegründung hätte aufzeigen müssen, ob das Urteil des [X.] gleichwohl noch die aktuelle Rechtsprechung des [X.] darstellt (vgl zu dieser Anforderung [X.] vom 14.3.2007 - [X.]a [X.] 143/06 B - juris Rd[X.]0; [X.] vom 18.1.2010 - [X.] R 483/09 B - juris RdNr 6; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 13. Aufl 2020, § 160a Rd[X.]5d; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl 2022, § 160a Rd[X.]29), zumal in der Literatur das Urteil vom [X.], soweit es auf die Anzahl der in den jeweiligen Bereichen tätigen Personen abgestellt hat, als "überholt" angesehen wird ([X.] in Eicher/[X.], [X.] nF, § 101 RdNr 84, Stand September 2019).

7

b) Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.]) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa [X.] vom [X.] [X.] 142/02 B - [X.] 3-1500 § 160a [X.] S 70 mwN).

8

In der Beschwerdebegründung ist aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 [X.] stellt (etwa [X.] vom 20.10.2021 - B 12 R 2/21 B - juris Rd[X.]6; [X.] vom [X.] - [X.] [X.] 58/21 B - juris Rd[X.]). Die Beschwerdebegründung muss daher eine aus sich heraus verständliche abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht formulieren (etwa [X.] vom 14.4.2022 - B 4 [X.]/22 B - juris Rd[X.] mwN).

9

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Beklagte formuliert für den Fall, dass keine Divergenz vorliege, die Frage, ob "im Rahmen der Heranziehung zur [X.] für die Beurteilung der Frage, ob es sich um einen Betrieb handelt, in dem überwiegend Bauleistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 [X.] erbracht werden, auch die arbeitszeitliche Inanspruchnahme des handwerklich im Betrieb tätigen Betriebsinhabers einzubeziehen" ist. Die Beklagte legt aber die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht dar, weil sich aus der Beschwerdebegründung nicht ergibt, weshalb sich die Frage nicht bereits anhand der Rechtsprechung des [X.], insbesondere dessen Urteils vom 15.2.2000 ([X.] [X.] 41/99 R - [X.] 3-4100 § 75 [X.] Rd[X.]6) beantworten lässt.

2. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 154 Abs 2 VwGO.

3. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3 Satz 1, § 47 Abs 3 Satz 1 [X.]. Die Mahngebühren in Höhe von insgesamt 4,65 Euro waren dabei als Kosten iS des § 43 Abs 1 [X.] (vgl Dörndorfer in Binz/Dörndorfer/[X.], [X.]/Fam[X.]/[X.], 5. Aufl 2021, § 43 [X.] Rd[X.]; [X.] in Dörndorfer/[X.]/[X.]/[X.], [X.] Kostenrecht, § 43 RdNr 9, Stand 1.1.2023; zum Kostenbegriff in § 4 ZPO etwa [X.] vom 21.12.2011 - [X.] - juris Rd[X.]; [X.] vom 12.3.2015 - [X.] - juris Rd[X.]) nicht zu berücksichtigen (anders für Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV [X.] vom [X.] - B 2 U 4/10 B - [X.] 4-1920 § 43 [X.] Rd[X.]6).

        

Söhngen

B. [X.]

Burkiczak

Meta

B 11 AL 9/23 B

12.07.2023

Bundessozialgericht 11. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AL

vorgehend Sozialgericht für das Saarland, 5. Februar 2021, Az: S 21 AL 50/12, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 354 SGB 3 vom 24.04.2006, § 171 S 1 SGB 3 vom 24.04.2006, § 1 Abs 1 Nr 1 WinterbeschV, § 1 Abs 4 BaubetrV 1980

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.07.2023, Az. B 11 AL 9/23 B (REWIS RS 2023, 6171)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6171

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