Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30.09.2015, Az. 6 C 45/14

6. Senat | REWIS RS 2015, 4633

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Gegenstand

Entziehung eines Doktorgrades wegen Täuschung über strafrechtliche Unbescholtenheit


Leitsatz

Eine Universität darf für die Zulassung eines Promotionsbewerbers zur Promotion einem strafbaren Verhalten nur insoweit Relevanz beimessen, als wissenschaftsbezogene Straftaten in Rede stehen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Diplom-Ingenieur für Energie- und Wärmetechnik. Er wendet sich dagegen, dass ihm die beklagte [X.] den von ihrer Fakultät für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnologie verliehenen akademischen Grad des [X.]. für das Fachgebiet Verbundwerkstoffe entzogen hat.

2

Mit Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - [X.] vom 11. April 2006 wurde der Kläger wegen einer im Mai 2004 begangenen sexuellen Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nachdem der Kläger in Bezug auf den Rechtsfolgenausspruch den Rechtsweg ausgeschöpft hatte, trat die uneingeschränkte Rechtskraft des Urteils am 11. Oktober 2007 ein. Am 18. Januar 2008 teilte die Staatsanwaltschaft [X.] die Verurteilung dem [X.] in das Bundeszentralregister mit.

3

Am 12. März 2008 richtete der Kläger einen [X.] an den Dekan der Fakultät für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnologie der [X.]. Der Antrag nahm Bezug auf die Dissertation, die der Kläger mit einer im Januar 2007 durch einen Hochschullehrer der [X.] erteilten Betreuerzusage zu einem werkstofftechnischen Thema angefertigt und bereits vorgelegt hatte. Der Kläger reichte zudem die nach der Promotionsordnung der [X.] ([X.]) erforderlichen Erklärungen und Urkunden ein, zu denen nach Maßgabe von § 5 Abs. 3 Nr. 8 [X.] ein höchstens drei Monate altes Führungszeugnis gehörte. Das von dem Kläger vorgelegte Führungszeugnis datierte vom 4. Januar 2008 und wies keine Eintragung auf. Die Fakultät eröffnete das Promotionsverfahren am 31. März 2008.

4

Mit Schreiben vom 14. April 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie sei wenige Tage zuvor von einer anonymen Anruferin davon in Kenntnis gesetzt worden, dass gegen den Kläger von den Behörden in [X.] wegen sexueller Nötigung strafrechtlich ermittelt werde. Der Kläger möge umgehend zu dem Vorwurf Stellung nehmen. Der Kläger erklärte daraufhin telefonisch und schriftlich, gegen ihn liefen keine strafrechtlichen Ermittlungen bzw. es seien ihm solche Ermittlungen aktuell nicht bekannt.

5

Auf der Grundlage einer positiven Bewertung der vorgelegten Dissertation und nach der von dem Kläger erfolgreich absolvierten öffentlichen Verteidigung des Werks stellte die Beklagte am 30. April 2008 die Promotionsurkunde aus und übersandte diese an den Kläger.

6

Im September 2008 wurde der [X.] von der Staatsanwaltschaft [X.] Einsicht in die den Kläger betreffenden Strafakten gewährt. Daraufhin fasste der Fakultätsrat der Fakultät für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnologie der [X.], nachdem er dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, am 13. Januar 2009 den Beschluss, den dem Kläger verliehenen Doktorgrad mit Wirkung vom 14. Januar 2009 zu entziehen. Diesen Beschluss setzte der Dekan der Fakultät mit Bescheid vom 10. Februar 2009 um und führte zur Begründung entsprechend den durch den Fakultätsrat angestellten Erwägungen aus: Der Doktorgrad werde auf der Grundlage des § 20 Abs. 1 [X.] entzogen. Der Kläger habe im Sinne dieser Vorschrift den Fakultätsrat über eine wesentliche, im [X.] dokumentierte Zulassungsvoraussetzung getäuscht. Das in § 5 Abs. 3 Nr. 8 [X.] geregelte Erfordernis, dem [X.] ein höchstens drei Monate altes polizeiliches Führungszeugnis beizufügen, habe nicht lediglich einen formalen Charakter, sondern enthalte die Verpflichtung, eintragungsfähige Vorstrafen zu offenbaren. Der geforderten Auskunft über den Leumund komme eine wesentliche Bedeutung zu. Die Verleihung des Doktorgrades stelle eine Würdigung seitens der Fakultät dar. Eine Verleihung an Personen mit schlechtem Leumund werde deshalb jedenfalls hinterfragt. Die von dem Kläger begangene Täuschung liege darin, dass er das Führungszeugnis in Kenntnis der dort nicht eingetragenen Vorstrafe vorgelegt habe. Der Fakultätsrat hätte bei [X.] das Promotionsverfahren jedenfalls anders gestaltet. Im Rahmen seines durch § 20 Abs. 1 [X.] eingeräumten Ermessens sei der Fakultätsrat zu dem Schluss gelangt, dass der Kläger die [X.] und beruflichen Folgen des Entzugs seines Doktorgrades hinzunehmen habe, weil vorrangig das Ansehen und der gute Ruf der Fakultät zu wahren seien.

7

Die auf Aufhebung der Entziehungsentscheidung gerichtete Klage, die der Kläger nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens erhoben hat, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Berufung des [X.] gegen dieses Urteil hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen: Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid sei die zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses geltende Vorschrift des § 39 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SächsHSG i.V.m. § 20 Abs. 1 [X.]. Bei dem Doktorgrad des [X.] handele es sich im Sinne des § 39 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SächsHSG um einen auf Grund des Hochschulgesetzes verliehenen Grad, der entzogen werden könne, weil er durch Täuschung erworben worden sei. Der mögliche Gegenstand einer Täuschung werde durch das [X.] Hochschulgesetz nicht näher bestimmt. Insoweit greife die Vorschrift des § 20 Abs. 1 [X.] ein, die regele, dass der Doktorgrad entzogen werden könne, wenn sich nachträglich herausstelle, dass der Promovierte den zuständigen Fakultätsrat über wesentliche, in dem [X.] dokumentierte Zulassungsvoraussetzungen oder über seine Promotionsleistungen getäuscht habe. Als wesentliche Voraussetzung für die Zulassung zur Promotion statuiere § 5 Abs. 3 Nr. 8 [X.] die Pflicht des Bewerbers, ein Führungszeugnis vorzulegen, und dadurch hinreichend deutlich zugleich die Verpflichtung zu einer inhaltlich richtigen Auskunft über vorhandene Vorstrafen. Die Vorschrift halte sich im Rahmen der landesgesetzlichen Ermächtigung der Universitäten, die Zulassung zur Promotion zu regeln. Vor dem Hintergrund des durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und Art. 21 [X.] gewährten Schutzes der Wissenschaftsfreiheit und der akademischen Selbstverwaltung seien die Hochschulen berechtigt, eigenständig und ohne staatliche Einwirkung die Promotionsvoraussetzungen festzulegen und die Inhalte der Promotionsordnungen zu gestalten. Diese Regelungsbefugnis werde nur durch die Grundrechte der Promotionsbewerber eingeschränkt. Im vorliegenden Fall ergäben sich jedoch weder aus dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und Art. 21 [X.] noch aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 28 Abs. 1 [X.] Bedenken gegen die Vorschrift des § 5 Abs. 3 Nr. 8 [X.]. Diese sei verhältnismäßig, weil der [X.] sichere Kenntnis über mögliche Vorstrafen eines Promotionsbewerbers verschafft werden solle, die unter Umständen einer Zulassung zur Promotion entgegenstehen könnten. Aus der Art der jeweils begangenen Straftaten könne gegebenenfalls auf die wissenschaftliche Nichteignung der Promotionsbewerber geschlossen werden. Es entspreche vernünftigen Erwägungen des Allgemeinwohls, Promotionsbewerber mit Vorstrafen nicht oder jedenfalls nicht ohne weitere Prüfung zur Promotion zuzulassen. Der Kläger habe den für die Promotionszulassung zuständigen Fakultätsrat durch Vorlage des formal richtigen, inhaltlich aber unzutreffenden polizeilichen Führungszeugnisses vom 4. Januar 2008 über seine seit dem 11. Oktober 2007 rechtskräftige Verurteilung wegen sexueller Nötigung getäuscht. Er habe die aus § 5 Abs. 3 Nr. 8 [X.] resultierende Offenbarungspflicht dadurch verletzt, dass er das Führungszeugnis unkommentiert vorgelegt, auf Nachfragen der [X.] den wahren Sachverhalt verschleiert und auf diese Weise bei den Mitgliedern des [X.] vorsätzlich den Irrtum erweckt habe, nicht vorbestraft zu sein. Die von dem Kläger begangene Täuschung sei ursächlich für die Vergabe des Doktorgrades gewesen. Insoweit komme es nicht darauf an, ob die Fakultät die Promotionszulassung in Kenntnis des wahren Sachverhalts verweigert hätte. Es reiche aus, dass die Beklagte den Kläger ohne die Täuschung jedenfalls nicht alsbald zur Promotion zugelassen, sondern weitere Prüfungen und Erwägungen angestellt und erst auf dieser vollständigen Grundlage ihre Entscheidung getroffen hätte. Das durch § 39 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SächsHSG und § 20 Abs. 1 [X.] eingeräumte Ermessen habe die Beklagte rechtsfehlerfrei ausgeübt.

8

Mit seiner von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren auf Aufhebung der Entziehung seines Doktorgrades weiter: Das Berufungsgericht habe bei der Auslegung des von ihm herangezogenen Landesrechts die Reichweite des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG sowie des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verkannt. Diese verfassungsrechtlichen Garantien stünden der Entziehungsentscheidung entgegen.

9

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.] ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

Als Rechtsgrundlage für die Entziehung des Doktorgrades des [X.], die die beklagte [X.] durch den streitbefangenen Bescheid vom 10. Februar 2009 verfügt hat, ist nach der den [X.] bindenden Auslegung des irrevisiblen Rechts durch das Oberverwaltungsgericht (§ 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) auf § 39 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Hochschulen im [X.] ([X.] Hochschulgesetz - [X.]) vom 10. Dezember 2008 (SächsGVBl. [X.]) abzustellen. Nach dieser Vorschrift kann ein auf Grund des [X.] verliehener Grad - und damit nach Feststellung des [X.] auch der dem Kläger von der beklagten [X.] verliehene Doktorgrad - entzogen werden, wenn er durch Täuschung erworben wurde. Was die Bestimmung des Gegenstands der Täuschung anbelangt, lässt die landesgesetzliche Entziehungsvorschrift nach dem Verständnis des [X.] Raum für eine Regelung durch universitäres Satzungsrecht. Dies begegnet [X.] ebenso wenig Bedenken wie der von dem Oberverwaltungsgericht weiter festgestellte Umstand, dass der von § 39 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 [X.] zur untergesetzlichen Regelung belassene Raum im vorliegenden Fall durch die Vorschrift des § 20 Abs. 1 der Promotionsordnung der [X.] vom 2. Juli 2001 ([X.]) ausgefüllt wird, derzufolge der Doktorgrad unter anderem dann entzogen werden kann, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Promovierte den zuständigen Fakultätsrat über wesentliche, im [X.] dokumentierte Zulassungsvoraussetzungen getäuscht hat. Nicht im Einklang mit Bundesrecht steht demgegenüber die Bestimmung des § 5 Abs. 3 Nr. 8 [X.], die in ihrer bindenden Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht die Unbelastetheit eines [X.]s von in ein Führungszeugnis aufzunehmenden Verurteilungen sowie die Pflicht zur [X.] entsprechender Vorstrafen und die Vorlage eines Führungszeugnisses als wesentliche, im [X.] dokumentierte Zulassungsvoraussetzungen umschreibt (1.). Mit diesem Inhalt stellt die landesrechtliche Satzungsnorm eine unverhältnismäßige Einschränkung der den [X.] zustehenden Grundrechte der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG (2.), der Wissenschaftsfreiheit im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG (3.) sowie der informationellen Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (4.) dar und kann deshalb keine Anwendung finden. Die Vorschrift konnte nicht dazu herangezogen werden, dem Kläger die Zulassung zur Promotion zu versagen. Die von dem Oberverwaltungsgericht festgestellte Täuschung der Mitglieder des zuständigen [X.] durch den Kläger über seine Verurteilung war für die Verleihung des Doktorgrades nicht kausal. Deshalb konnte dem Kläger der Doktorgrad nicht nach § 39 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 [X.] wegen dieser Täuschung entzogen werden. Für diese Beurteilung sind weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich. Der [X.] kann deshalb in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 VwGO).

1. Die beklagte [X.] hat in § 5 Abs. 3 Nr. 8 [X.] bestimmt, dass einem [X.] ein höchstens drei Monate altes Führungszeugnis oder die Erklärung, dass gemäß § 30 Abs. 5 BZRG ein Führungszeugnis zur Vorlage bei der [X.] beantragt worden sei, beizufügen ist. Die Vorschrift hat nach ihrer für den [X.] verbindlichen Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht eine Doppelnatur und stellt dementsprechend in zweifacher Beziehung eine Voraussetzung für die Zulassung eines Bewerbers zur Promotion auf. Sie misst zum einen in materieller Hinsicht der Belastung eines [X.]s mit Vorstrafen, die nach Maßgabe des § 32 BZRG in dem durch §§ 33 f. BZRG gezogenen zeitlichen Rahmen in ein Führungszeugnis aufzunehmen sind, Relevanz für die Zulassung zur Promotion bei. Sie erlegt dem Bewerber zum anderen in formeller Hinsicht die Pflicht auf, entsprechende Verurteilungen der für ihn zuständigen Fakultät der [X.] zu offenbaren und im Zusammenhang hiermit ein hinreichend aktuelles Führungszeugnis beizubringen. Wie das Oberverwaltungsgericht zu dem materiellen Gehalt der Norm weiter festgestellt hat, fordert die [X.] die weitgehende strafrechtliche Unbescholtenheit eines [X.]s, ohne vorab festgelegt zu haben, dass im Fall einer in ein Führungszeugnis aufzunehmenden Verurteilung die Zulassung zur Promotion zwingend zu versagen ist. Die [X.] hat andererseits nicht geregelt, unter welchen Voraussetzungen trotz Vorliegens einer solchen Verurteilung eine Zulassung zur Promotion möglich ist. Die [X.] behält sich damit eine Versagung der Zulassung in jedem einschlägigen Fall vor. Eine in ein Führungszeugnis aufzunehmende Verurteilung ist damit stets von potentieller Relevanz für die Promotionszulassung.

2. Indem sie die strafrechtliche Unbescholtenheit eines [X.]s in dem beschriebenen weiten Sinn zu einer materiellen Voraussetzung für die Zulassung zur Promotion erhebt, verletzt die Vorschrift des § 5 Abs. 3 Nr. 8 [X.] die durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Berufsfreiheit. Die Norm betrifft für eine große Zahl von [X.] den Schutzbereich des Grundrechts (a)) und schränkt dieses in verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Weise ein (b)).

a) Das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG ermöglicht als für das Arbeits- und Wirtschaftsleben zentrales Freiheitsrecht dem Einzelnen die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit zur materiellen Sicherung seiner individuellen Lebensgestaltung, schützt die selbstbestimmte berufliche Entwicklung und dient der Abwehr von in diesem weiten Sinne berufsbezogenen Belastungen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 8. März 1983 - 1 BvR 1078/80 - [X.]E 63, 266 <286 f.> und vom 7. Februar 1990 - 1 BvR 26/84 - [X.]E 81, 242 <254>; [X.], in: [X.] , Grundgesetz, 7. Aufl. 2014, Art. 12 Rn. 16; [X.], in: v. Mangoldt/[X.]/[X.] , Kommentar zum Grundgesetz, [X.], 6. Aufl. 2010, Art. 12 Abs. 1 Rn. 5, 45). In den Schutzbereich dieses Freiheits- und Abwehrrechts greift die Vorschrift des § 5 Abs. 3 Nr. 8 [X.] mit der Bestimmung, dass die Zulassung zur Promotion wegen jeder in ein Führungszeugnis aufzunehmenden Verurteilung versagt werden kann, ein.

Zwar werden sowohl die Promotion als Prüfung als auch der Doktorgrad als Leistungsnachweis durch ihren akademischen und [X.] Charakter geprägt ([X.], Beschluss vom 3. März 1993 - 1 BvR 557, 1551/88 - [X.]E 88, 129 <140>, [X.] vom 3. September 2014 - 1 BvR 3353/13 - NVwZ 2014, 1571; [X.], Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 C 9.12 - [X.]E 147, 292 Rn. 21 ff.; [X.], Promotion, in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.] , Handbuch des [X.], [X.], 2. Aufl. 1996, [X.]). Trotz dieser Wissenschaftsbezogenheit sind Beschränkungen, die den Erwerb des Doktorgrades betreffen, von erheblicher Bedeutung auch für die Verwirklichung der Berufsfreiheit der [X.]. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf die beruflichen Positionen eines Professors oder Juniorprofessors, für die die Promotion, wie sich aus § 44 Nr. 3 [X.] und § 47 Satz 1 Nr. 3 [X.] sowie entsprechenden Bestimmungen des Landesrechts ergibt, eine die Berufswahl betreffende subjektive Zulassungsvoraussetzung darstellt. Vielmehr erweist es sich auch für eine Vielzahl von beruflichen Tätigkeiten außerhalb des universitären Bereichs jedenfalls für die Berufsausübung als förderlich, wenn die Berufstätigen auf einen Doktorgrad als Nachweis einer von ihnen erbrachten wissenschaftlichen Leistung verweisen können (vgl. [X.], in: [X.], 2001, S. 583 f.; [X.], Promotion, in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.] , Handbuch des [X.], [X.], 2. Aufl. 1996, [X.]; [X.], in: [X.]/[X.] , Hochschulgesetz [X.], Stand: September 2013, § 67 Rn. 6 und der Sache nach auch bereits: [X.], Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 C 9.12 - [X.]E 147, 292 Rn. 31).

b) Der Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG in Gestalt der durch § 5 Abs. 3 Nr. 8 [X.] aufgestellten Promotionszulassungsvoraussetzung einer weitgehenden strafrechtlichen Unbescholtenheit ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Eingriffe in die Berufsfreiheit sind nur auf Grund eines Gesetzes erlaubt, das in materieller Hinsicht durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und auch im Übrigen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Juli 2000 - 1 BvR 539/96 - [X.]E 102, 197 <212 f.>, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - [X.]E 115, 276 <304>).

Die eingreifende Norm des § 5 Abs. 3 Nr. 8 [X.] erweist sich bereits deshalb als unverhältnismäßig, weil sie mit dem besagten Regelungsgehalt kein legitimes Gemeinwohlziel verfolgt. Es gibt kein schützenswertes Interesse der beklagten [X.], das sie berechtigen könnte, als Voraussetzung für die Zulassung eines Bewerbers zur Promotion dessen strafrechtliche Unbescholtenheit in dem durch § 5 Abs. 3 Nr. 8 [X.] umschriebenen Ausmaß zu fordern.

Die [X.]en sind ungeachtet ihrer Organisationsform als juristische Personen des öffentlichen Rechts Träger des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ([X.], Beschluss vom 16. Januar 1963 - 1 BvR 316/60 - [X.]E 15, 256 <262>), das sie auch in ihrem Recht auf akademische Selbstverwaltung schützt ([X.], [X.] vom 26. Juni 2015 - 1 BvR 2218/13 - juris Rn. 16 ff.; [X.], Urteil vom 23. September 1992 - 6 C 2.91 - [X.]E 91, 24 <36>). Ein besonders herausgehobener Bestandteil der akademischen Selbstverwaltung und der darin enthaltenen universitären Satzungsautonomie ist die Befugnis der [X.]en bzw. ihrer Fakultäten, auf Grund gesetzlicher Ermächtigung das Promotionswesen zu regeln ([X.], in: [X.]/[X.] , Grundgesetz, Art. 5 Abs. 3 Rn. 162, Stand Mai 1977; [X.], in: v. Mangoldt/[X.]/[X.] , Kommentar zum Grundgesetz, [X.], 6. Aufl. 2010, Art. 5 Abs. 3 Rn. 365, 400; v. [X.], in: Friauf/Höfling , [X.] Kommentar zum Grundgesetz, Stand Juni 2015, Art. 5 <3. Teil> Rn. 88). Der Umstand, der es erfordert und rechtfertigt, die Ausgestaltung der Promotion und ihrer Voraussetzungen in einem weiten gesetzlichen Rahmen der grundgesetzlich garantierten akademischen Selbstverwaltung zu überantworten, ist die Wissenschaftsbezogenheit des [X.]. Der Bezug zur Wissenschaft begrenzt andererseits das legitime universitäre Regelungsinteresse.

Die [X.]en sind generell nicht zur Abgabe und Durchsetzung von Werturteilen berufen, die außerhalb der Wissenschaft angesiedelt sind. Sie dürfen deshalb von einer gesetzlichen Ermächtigung zur Entziehung eines Doktorgrades wegen nachträglicher Unwürdigkeit nur bei [X.] Verfehlungen eines Promovierten Gebrauch machen ([X.], [X.] vom 3. September 2014 - 1 BvR 3353/13 - NVwZ 2014, 1571 Rn. 17; [X.], Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 C 9.12 - [X.]E 147, 292 Rn. 21 ff.). Ebenso ist es ihnen verwehrt, die Zulassung zur Promotion durch autonome Rechtsetzung in persönlicher Hinsicht von einer durch wissenschaftliche Erfordernisse nicht gerechtfertigten Unbescholtenheit der [X.] abhängig zu machen. Was ein strafbares Verhalten anbelangt, dürfen die [X.]en hier wie dort nur solchen Taten Relevanz beimessen, die die Funktionsfähigkeit und die Glaubwürdigkeit des [X.] in Frage stellen und deshalb einen unmittelbaren Bezug zu der mit dem Doktorgrad verbundenen fachlich-wissenschaftlichen Qualifikation aufweisen. Dies ist etwa bei einem Betrug beim Einwerben von Drittmitteln (v. Bargen, [X.], 819 <822>) oder einer Volksverhetzung in Form einer pseudowissenschaftlichen Publikation (vgl. [X.], [X.] vom 30. November 1988 - 1 BvR 900/88 - juris Rn. 9 f.; [X.], Beschluss vom 5. Mai 1988 - 7 B 8.88 - [X.] 421.11 § 4 GFaG Nr. 1 S. 3) der Fall. Hingegen sind die [X.]en nicht legitimiert, auf Straftaten ohne einen derartigen Wissenschaftsbezug mit einem Entzug des Doktorgrades oder der Versagung der Zulassung zur Promotion zu reagieren.

3. Die Regelung des § 5 Abs. 3 Nr. 8 [X.] steht mit ihrem durch das Oberverwaltungsgericht festgestellten materiellen Inhalt ferner nicht im Einklang mit der in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit. Auf dieses Grundrecht können sich die [X.] im Hinblick auf ihre Zulassung zur Promotion berufen, wenn sie die in rechtmäßiger Weise, insbesondere unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit aufgestellten Voraussetzungen für die Zulassung zur Promotion erfüllen (a)). Eine solcherart gerechtfertigte Zulassungsvoraussetzung enthält § 5 Abs. 3 Nr. 8 [X.] mit der geforderten weitgehenden strafrechtlichen Unbescholtenheit der [X.] nicht (b)).

a) Das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist nach der Rechtsprechung des [X.] zunächst ein Abwehrrecht des einzelnen Wissenschaftlers und gewährt diesem einen von staatlicher Fremdbestimmung freien Bereich persönlicher und autonomer Verantwortung. Die grundrechtliche Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit enthält darüber hinaus eine objektive, das Verhältnis der Wissenschaft zum Staat regelnde, wertentscheidende [X.], derzufolge der Staat funktionsfähige Institutionen eines freien universitären Wissenschaftsbetriebs zur Verfügung stellen und innerhalb dieses Betriebs die freie Wissenschaft durch eine geeignete Organisation schützen muss. Schließlich gewährt das Grundrecht den in der Wissenschaft Tätigen ein Recht auf Teilhabe an öffentlichen Ressourcen und an der [X.] (vgl. zu allen drei Ausprägungen etwa: [X.], Urteil vom 29. Mai 1973 - 1 BvR 424/71 - [X.]E 35, 79 <112 ff.>; Beschlüsse vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 911/00 u.a. - [X.]E 111, 333 <353 ff.> und vom 20. Juli 2010 - 1 BvR 748/06 - [X.]E 127, 87 <114 f.>; zusammenfassend: v. [X.], in: Friauf/Höfling , [X.] Kommentar zum Grundgesetz, Stand Juni 2015, Art. 5 <3. Teil> Rn. 49 ff.). Für [X.] kommt im Hinblick auf ihre Zulassung zur Promotion der teilhaberechtliche Aspekt des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit zum Tragen.

Zwar beziehen sich die von dem [X.] bisher ausdrücklich anerkannten Ausprägungen des wissenschaftsfreiheitlichen Teilhaberechts allein auf die Rechtsstellung der im [X.]sbetrieb tätigen Hochschullehrer (vgl. neben dem Recht auf Teilhabe an der [X.] etwa: [X.], Urteil vom 8. Februar 1977 - 1 BvR 79/70 u.a. - [X.]E 43, 242 <285>; Beschluss vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 911/00 u.a. - [X.]E 111, 333 <362> - Mindestausstattung mit Personal- und Sachmitteln; Beschluss vom 28. Oktober 2008 - 1 BvR 462/06 - [X.]E 122, 89 <117> - Beteiligung an der Ausbildung und der Nachwuchsförderung). Dieser Befund schließt jedoch die Annahme eines Teilhaberechts in der hier in Rede stehenden Konstellation nicht aus. Denn zum festen Bestand der bundesverfassungsgerichtlichen Grundrechtsjudikatur zählt auch das - vornehmlich aus Art. 12 Abs. 1 GG abgeleitete - Recht auf Teilhabe an staatlich monopolisierten Ausbildungsressourcen (grundlegend: [X.], Urteil vom 18. Juli 1972 - 1 BvL 32/70 u.a. - [X.]E 33, 303 <331 ff.>). In strukturell vergleichbarer Weise steht die Vergabe des Doktorgrades als Nachweis einer erbrachten wissenschaftlichen Leistung faktisch im Monopol der [X.]en. Mit dem Ziel, einen solchen Grad zu erlangen, bemühen sich die [X.] bei der Anfertigung ihrer Dissertation um neue wissenschaftliche Erkenntnisse. [X.] indes, was unbestritten ist, dieses Bemühen als solches dem Schutz des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, ist es konsequent, auch die Zulassung zur Promotion als dem mit diesem Bemühen erstrebten Abschluss bei einer Erfüllung der hierfür rechtmäßig aufgestellten Voraussetzungen dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit zuzuordnen ([X.], in: [X.], 2001, [X.]; [X.], in: [X.]/[X.] , Hochschulgesetz [X.], Stand: September 2013, § 67 Rn. 4; im Ergebnis auch [X.], Promotion, in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.] , Handbuch des [X.], [X.], 2. Aufl. 1996, [X.] f.).

b) Die Vorschrift des § 5 Abs. 3 Nr. 8 [X.] hat mit ihrem materiellen Inhalt als Schranke des auf eine Zulassung zur Promotion gerichteten Teilhaberechts der [X.] aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ebenso wenig Bestand, wie sie als Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG gerechtfertigt werden kann. Die beklagte [X.] hat die Zulassungsvoraussetzung der weitgehenden strafrechtlichen Unbescholtenheit eines [X.]s nicht in rechtmäßiger Weise aufgestellt. Wie bereits dargelegt, sind zwar die [X.]en im Rahmen ihrer gleichfalls durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten akademischen Selbstverwaltung und der darin enthaltenen Satzungsautonomie grundsätzlich berufen, die Voraussetzungen für eine Zulassung zur Promotion festzulegen und damit auch das besagte Teilhaberecht zu begrenzen (vgl. zu den aus kollidierendem Verfassungsrecht abzuleitenden Schranken der Wissenschaftsfreiheit nur: [X.], Beschluss vom 13. April 2010 - 1 BvR 216/07 - [X.]E 126, 1 <24>; [X.], Urteil vom 26. September 2012 - 6 CN 1.11 - [X.]E 144, 195 Rn. 25; v. [X.], in: Friauf/Höfling , [X.] Kommentar zum Grundgesetz, Stand Juni 2015, Art. 5 <3. Teil> Rn. 126 ff.). Sie haben dabei jedoch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Die beklagte [X.] hat diesen Grundsatz durch die Aufstellung der in Rede stehenden Zulassungsvoraussetzung verletzt, weil sie mit dieser auch Straftaten ohne Wissenschaftsbezug erfasst und damit einen von ihr nicht wahrzunehmenden Regelungszweck verfolgt.

4. Durfte die beklagte [X.] vor dem Hintergrund der grundrechtlichen Gewährleistungen aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht, wie in § 5 Abs. 3 Nr. 8 [X.] in materieller Hinsicht geschehen, die Unbelastetheit eines [X.]s von in ein Führungszeugnis aufzunehmenden Verurteilungen zu einer materiellen Voraussetzung für die Zulassung zur Promotion erheben, fehlt es an einer Grundlage für die Pflicht zur [X.] derartiger Verurteilungen und zur Vorlage eines Führungszeugnisses, die sich aus der Vorschrift in formeller Hinsicht ergibt. Mit diesem formellen Regelungsgehalt verletzt die Vorschrift das durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht der [X.] auf informationelle Selbstbestimmung (grundlegend: [X.], Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - [X.]E 65, 1 <41 ff.>).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Meta

6 C 45/14

30.09.2015

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 28. Januar 2014, Az: 2 A 315/12, Urteil

Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 5 Abs 3 S 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, § 39 Abs 4 S 1 Nr 1 HSchulG SN 2008

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30.09.2015, Az. 6 C 45/14 (REWIS RS 2015, 4633)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 1113 REWIS RS 2015, 4633

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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7 ZB 22.1396 (VGH München)

Ungültigkeit von Promotionsleistungen, Entziehung des Doktorgrads.


2 K 2158/14 (Verwaltungsgericht Hamburg)


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