Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.02.2013, Az. X ARZ 507/12

10. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8121

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Gegenstand

Verweisung des Rechtsstreits durch das örtlich unzuständige Gericht: Bindungswirkung trotz Ankündigung der Nichterhebung einer Zuständigkeitsrüge durch den Beklagten


Leitsatz

Die Verweisung des Rechtsstreits durch das örtlich unzuständige Gericht ist auch dann bindend, wenn der Beklagte erklärt hat, in der mündlichen Verhandlung die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht rügen zu wollen, jedoch auf die Zuständigkeitsrüge nicht verzichtet hat.

Tenor

[X.] ist das [X.].

Gründe

1

I. Die Klägerin hat die [X.] neben zwei weiteren Parteien vor dem [X.] wegen einer aus ihrer Sicht fehlgeschlagenen Beteiligung an einer Fondsgesellschaft als Gesamtschuldner auf Schadenersatz in Anspruch genommen.

2

Mit Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens hat das [X.] auf Bedenken gegen seine örtliche Zuständigkeit für die gegen die [X.] geltend gemachten Ansprüche hingewiesen. Die Klägerin hat daraufhin beantragt, das Verfahren gegen die [X.] abzutrennen und den Rechtsstreit insoweit an das [X.] zu verweisen. Die [X.] haben erklärt, eine etwa erhobene Zuständigkeitsrüge nicht aufrechtzuerhalten. Das [X.] hat das Verfahren gegen die [X.] vom Ausgangsrechtsstreit abgetrennt, sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das [X.] verwiesen. Das [X.] hat die Übernahme des Verfahrens abgelehnt.

3

Das [X.] hat die Sache gemäß § 36 Abs. 3 ZPO dem [X.] zur Bestimmung der Zuständigkeit vorgelegt.

4

II. Die Vorlage ist zulässig. Gemäß § 36 Abs. 3 ZPO hat ein [X.], das nach § 36 Abs. 2 ZPO anstelle des [X.]s mit der Zuständigkeitsbestimmung befasst ist, die Sache dem [X.] vorzulegen, wenn es in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen [X.]s oder des [X.]s abweichen will. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Das vorlegende [X.] möchte seiner Entscheidung die Auffassung zugrunde legen, dass der Verweisungsbeschluss des [X.] bindend und damit das [X.] als zuständiges Gericht zu bestimmen ist. Damit würde es von der Rechtsauffassung abweichen, die das [X.] Stuttgart einer Entscheidung (NJW-RR 2010, 792) zugrunde gelegt hat. Es hat die Verweisung durch ein örtlich unzuständiges Gericht wegen der Ankündigung des [X.], die fehlende örtliche Zuständigkeit nicht rügen zu wollen, als objektiv willkürlich und mithin nicht bindend angesehen.

5

III. Die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Das [X.] und das [X.] haben sich im Sinne dieser Vorschrift bindend für unzuständig erklärt; das [X.] durch unanfechtbaren Verweisungsbeschluss (§ 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO), das [X.] durch eine seine Zuständigkeit abschließend verneinende Entscheidung vom 10. Juli 2012. Eine solche [X.] genügt den Anforderungen, die an das Tatbestandsmerkmal "rechtskräftig" des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu stellen sind (st. Rspr., [X.], Beschluss vom 22. Februar 1978 - [X.], [X.]Z 71, 15, 17; Beschluss vom 10. Dezember 1987 - [X.] 809/87, [X.]Z 102, 338, 339).

6

IV. Zuständig zur Entscheidung über das Klagebegehren ist das [X.], da der Verweisungsbeschluss des [X.] gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend ist.

7

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s entfällt die Bindungswirkung der Verweisung nicht schon dann, wenn der Beschluss inhaltlich unrichtig oder sonst fehlerhaft ist. Ein Verweisungsbeschluss ist vielmehr nur dann nicht bindend, wenn dem Beschluss jede rechtliche Grundlage fehlt, wenn er auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht ([X.], Beschluss vom 9. Juli 2002 - [X.], NJW-RR 2002, 1498; Beschluss vom 10. September 2002 - [X.], NJW 2002, 3634) oder wenn er sonst bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheint ([X.], Beschluss vom 9. Juli 2002 - [X.], NJW-RR 2002, 1498).

8

2. Bei Anlegung dieser Maßstäbe entfällt die bindende Wirkung des [X.] nicht deshalb, weil das [X.] den Rechtsstreit vor der mündlichen Verhandlung an das [X.] verwiesen hat, obwohl die [X.] schriftsätzlich erklärt haben, eine etwa erhobene Rüge der örtlichen Unzuständigkeit nicht aufrecht erhalten zu wollen und eine solche Rüge in den vorausgehenden Schriftsätzen auch nicht erhoben hatten.

9

a) Es kann dahinstehen, ob diese Verfahrensweise des Gerichts rechtsfehlerhaft oder lediglich im Hinblick auf das offensichtliche Interesse der Parteien, zwei Rechtsstreitigkeiten vor unterschiedlichen Gerichten zu vermeiden, unzweckmäßig war. Denn auch auf Verfahrensfehler beruhende und damit rechtsfehlerhafte [X.] sind grundsätzlich bindend, wenn wie im Streitfall den Parteien vor der Verweisung rechtliches Gehör gewährt worden ist. Die Erklärung der [X.], eine Zuständigkeitsrüge nicht aufrechterhalten zu wollen, hat das [X.] auch zur Kenntnis genommen und sich hiermit auseinandergesetzt.

b) Entgegen der Ansicht des [X.] wird bei einer solchen Prozesslage durch die Verweisung nicht willkürlich in eine mögliche zukünftige Rechtsposition des [X.] eingegriffen, der angekündigt hat, die fehlende örtliche Zuständigkeit in der mündlichen Verhandlung nicht rügen zu wollen mit der Folge, dass damit die Zuständigkeit des Gerichts des ersten [X.] begründet würde (§ 39 Satz 1 ZPO). Abgesehen davon, dass der [X.] an eine derartige Ankündigung nicht gebunden ist, so dass es ihm frei steht, die fehlende örtliche Zuständigkeit ungeachtet seiner Ankündigung vor der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache zu rügen, geht § 39 Satz 1 ZPO auf die Erwägung zurück, dass es nicht hinnehmbar wäre, wenn sich der [X.] in Kenntnis der Unzuständigkeit auf eine Verhandlung vor dem an sich unzuständigen Gericht einlassen und in einem späteren Stadium des Prozesses noch die Rüge der Unzuständigkeit erheben könnte ([X.], Urteil vom 26. Januar 1979 - [X.], NJW 1979, 1104 unter Bezugnahme auf die amtliche Begründung des Gesetzentwurfes des [X.] zur Änderung der ZPO vom 27. Februar 1973, BT-Drucks. 7/268 zu Art. 1 Nr. 3). Begibt sich der Kläger jedoch der Möglichkeit, die weitere Prozessführung vor dem zunächst angerufenen Gericht dadurch zu erreichen, dass der [X.] ohne Zuständigkeitsrüge zur Sache verhandelt, indem er - wie im vorliegenden Fall - bereits vor der mündlichen Verhandlung die Verweisung an das zuständige Gericht beantragt, kann die darauf erfolgende Verweisung nicht als objektiv willkürlich angesehen werden.

c) Einen - rechtlich grundsätzlich möglichen - Verzicht der [X.] auf die Zuständigkeitsrüge musste das [X.] deren Erklärungen nicht entnehmen.

[X.]                                Bacher

                       Schuster                              Deichfuß

Meta

X ARZ 507/12

19.02.2013

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ARZ

vorgehend OLG Hamm, 7. Oktober 2012, Az: 32 SA 80/12

§ 281 Abs 2 S 4 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.02.2013, Az. X ARZ 507/12 (REWIS RS 2013, 8121)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8121

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