Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 25.04.2018, Az. 2 BvR 2435/17

2. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2018, 10165

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Anforderungen der Rechtsschutzgarantie (Art 19 Abs 4 S 1 GG, hier iVm Art 2 Abs 2 S 1 GG) an die Begründung der Abweisung einer Klage auf Zuerkennung internationalen Schutzes sowie auf Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten als offensichtlich unbegründet - Pflicht zur "tagesaktuellen" Beurteilung der Sicherheitslage in Afghanistan steht Bildung einer insofern gefestigten obergerichtlichen Rspr entgegen, mithin keine Grundlage für Versagung subsidiären Schutzes wegen offensichtlicher Unbegründetheit - Gegenstandswertfestsetzung


Tenor

Das Urteil des [X.] vom 13. September 2017 - [X.] K 2159/17 - verletzt das Recht des Beschwerdeführers aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidung wird aufgehoben und die Sache an das [X.] zurückverwiesen.

Das [X.] hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

1. Der am 9. November 1998 geborene Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger paschtunischer Volkszugehörigkeit und stammt aus der Region [X.].

2

Der Beschwerdeführer verließ sein Heimatland im Jahr 2015. Er reiste 2016 als unbegleiteter Minderjähriger in die [X.] ein und stellte im September 2016 einen Asylantrag. Diesen begründete er damit, dass er aus [X.] geflohen sei, weil er im Zusammenhang mit einer bewaffneten [X.] mit den [X.] in seinem Heimatdorf [X.] in deren Visier geraten sei. Die [X.] hätten von seinem Vater Getreide herausverlangt. Sein Vater habe sich jedoch geweigert. Als die [X.] ihn - den Beschwerdeführer - nach Hause geschickt hätten, um Säcke zu holen, habe er den Bürgermeister des Dorfes benachrichtigt. Als dieser zusammen mit weiteren Dorfbewohnern seinem Vater zu Hilfe gekommen sei, sei es zu einem Schusswechsel mit den [X.] gekommen, bei dem sein Vater verletzt und zwei [X.] getötet worden seien. Während er bei seinem Vater in [X.] im Krankenhaus gewesen sei, seien der Bürgermeister und die Dorfbewohner, die an dem Vorfall beteiligt gewesen seien, von den [X.] erschossen worden. Seine Mutter habe berichtet, dass die [X.] zu ihnen nach Hause gekommen seien, nach ihm gefragt und anschließend das Haus niedergebrannt hätten. Sie hätten ihn als Verräter bezeichnet und ein Bild von ihm mitgenommen. Eine Woche nach dem Vorfall sei er ausgereist. Seine Eltern lebten jetzt bei seinem Großvater in [X.], wo sie keine Probleme mit den [X.] hätten.

3

2. Mit Bescheid vom 13. Februar 2017 lehnte das [X.] den Asylantrag des Beschwerdeführers als (einfach) unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 [X.] nicht vorliegen. Zugleich drohte es die Abschiebung nach [X.] an.

4

3. Der Beschwerdeführer erhob am 20. Februar 2017 Klage, die er auf die Zuerkennung internationalen Schutzes und die Feststellung von nationalen [X.] beschränkte. Er legte zur Begründung mehrere erstinstanzliche Urteile sowie einen Bericht des [X.] (Januar 2016) zum Einfluss der [X.] vor. Außerdem wies er darauf hin, dass der [X.]hof [X.] in mehreren Verfahren die Berufung gegen erstinstanzliche Entscheidungen zugelassen habe, in denen die Klage auf Zuerkennung subsidiären Schutzes und auf Feststellung von [X.] abgewiesen worden seien, und zwar wegen grundsätzlicher Bedeutung unter anderem der Frage, ob junge, gesunde, alleinstehende Männer eine ausreichende Existenzgrundlage in den als interne Schutzmöglichkeit benannten Regionen erlangen könnten. Schließlich verwies er zur allgemeinen Sicherheitslage in [X.] auf Berichte von [X.], der [X.] Flüchtlingshilfe, des [X.] und von UNAMA (Dezember 2013 bis August 2017). Ferner machte er unter Vorlage einer fachpsychologischen Stellungnahme der [X.] vom 7. September 2017 und unter Verweis auf eine Auskunft der [X.]ischen Flüchtlingshilfe vom 5. April 2017 geltend, dass er angesichts seiner psychischen Erkrankung und deren Behandlungsbedürftigkeit nicht auf eine innerstaatliche Fluchtalternative verwiesen werden könne. Aus seiner Erkrankung folge auch ein nationales Abschiebungsverbot, weil er die notwendige psychotherapeutische Behandlung in [X.] nicht erhalten könne.

5

4. Mit Urteil vom 13. September 2017, zugestellt am 6. Oktober 2017, wies das Verwaltungsgericht die Klage auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet, im Übrigen als einfach unbegründet ab. Es wertete den Vortrag des Beschwerdeführers als unglaubhaft, weil widersprüchlich und ungereimt. Da dies offensichtlich sei, werde die Klage als offensichtlich unbegründet abgewiesen. Die Einschätzung werde selbständig tragend auch auf § 30 Abs. 3 Nr. 1 [X.] gestützt.

6

Ein Anspruch auf Feststellung von [X.] nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 [X.] bestehe ebenfalls nicht. Allgemeine Gefahren wie Sicherheitsprobleme und schlechte Lebensbedingungen könnten nur dann zu einem Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 [X.] führen, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Dafür bestünden aufgrund der Berichte des [X.] vom 28. Juli 2017 und vom 19. Oktober 2016 sowie der Auskunft des [X.] von Dezember 2016 keine hinreichenden Anhaltspunkte. Dabei werde nicht übersehen, dass die Umstände in [X.] auch durch militärische Auseinandersetzungen und andere Binnenkonflikte, Selbstmordanschläge und Versorgungsmängel (mit) geprägt würden. Allerdings sei in vielen Regionen die Sicherheitslage gar nicht so schlecht und in fast allen Regionen die Arbeitslosigkeit das größte Problem. Es ergebe sich auch keine individuelle Gefahr aus der geltend gemachten psychischen Erkrankung. Die fachpsychologische Stellungnahme entspreche nicht den an solche Stellungnahmen zu stellenden Anforderungen.

7

Das Verwaltungsgericht lehnte außerdem drei in der mündlichen Verhandlung gestellte [X.] zu einer landesweit drohenden Verfolgung durch die [X.], zu einer fehlenden zumutbaren Lebensperspektive in den sogenannten "sicheren Gebieten" aufgrund der gegenwärtigen Lage in [X.] und zu einer fehlenden Behandelbarkeit der psychischen Erkrankung in [X.] ab.

8

1. Der Beschwerdeführer hat am 3. November 2017 [X.]beschwerde erhoben. Er rügt eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

9

Die angegriffene Entscheidung sei willkürlich und verletze ihn in seinem Grundrecht nach Art. 3 Abs. 1 GG. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein mache eine Gerichtsentscheidung zwar nicht objektiv willkürlich. [X.] unhaltbar sei eine fachgerichtliche Entscheidung aber dann, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet werde. Ersteres sei hier der Fall. Das Verwaltungsgericht habe die Klage sowohl hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als auch hinsichtlich der Zuerkennung subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet abgewiesen. Es habe das Offensichtlichkeitsurteil allerdings nur darauf gestützt, dass der Vortrag zum individuellen Verfolgungsschicksal krass widersprüchlich und ungereimt sei und dass die Klage insoweit als offensichtlich unbegründet abzuweisen sei. Das Urteil enthalte hingegen keinerlei Ausführungen dazu, ob aufgrund der allgemeinen Gefahrenlage in [X.] die Voraussetzungen des subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 [X.] erfüllt seien, geschweige denn, ob und weshalb die Voraussetzungen dieser Vorschrift "offensichtlich" nicht vorlägen. Diese Norm sei von dem Verwaltungsgericht offensichtlich nicht gesehen beziehungsweise angewandt worden.

Die Frage, ob aufgrund der allgemeinen Gefahrenlage in [X.] ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 [X.] vorliege, habe sich angesichts der aktuellen Auskunftslage sowie der Verschärfung der Sicherheitslage innerhalb der letzten ein bis zwei Jahre jedoch aufgedrängt und sei auch entscheidungserheblich. Dies ergebe sich aus den im Klageverfahren vorgelegten Erkenntnissen sowie aus dem [X.]-Bericht des [X.] vom Dezember 2016, in dem die Auffassung vertreten werde, dass das gesamte Staatsgebiet [X.]s von einem innerstaatlichen Konflikt betroffen sei. Der [X.]hof [X.] habe zudem mit Beschluss vom 4. April 2017 - [X.] - die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage nach einem in [X.] insgesamt bestehenden innerstaatlichen Konflikt zugelassen. Außerdem habe das Verwaltungsgericht prüfen müssen, ob bei einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach [X.] eine erniedrigende Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 [X.] in Verbindung mit Art. 3 [X.] drohe. Nach der Rechtsprechung des [X.] könnten auch schlechte humanitäre Verhältnisse unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein. Der [X.]hof [X.] habe mit Beschluss vom 24. Juli 2017 - [X.] 1647/17 - die Berufung unter anderem im Hinblick auf die Frage zugelassen, ob die schlechte humanitäre Lage in [X.] auf einen Akteur im Sinne des § 3c [X.] zurückgehe.

Es sei willkürlich, dass das Verwaltungsgericht die Versorgungslage in [X.] nicht mit Blick auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes geprüft habe, sondern nur in Bezug auf das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 [X.]. Schließlich habe das Verwaltungsgericht auch keinerlei Ausführungen zum Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 [X.] in Verbindung mit Art. 3 [X.] gemacht, obwohl hierzu einschlägige Rechtsprechung vorgelegt worden sei. Außerdem sei darauf hingewiesen worden, dass der [X.]hof [X.] die Berufung sowohl zu der Frage zugelassen habe, ob wegen der allgemeinen Versorgungslage ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 [X.] in Verbindung mit Art. 3 [X.] vorliege, als auch zu der Frage, ob es im Hinblick auf das Urteil des [X.] vom 13. Dezember 2016 - 41738/10 - ([X.]) für einen Verstoß gegen Art. 3 [X.] ausreiche, dass es im Falle einer Abschiebung zu einem ernsthaften, schnellen und unumkehrbaren Verfall der Existenzbedingungen komme, der zu [X.] oder einer signifikanten Verkürzung der Lebenserwartung führe. Die unterlassene Prüfung dieser entscheidungserheblichen Fragen begründe keinen Gehörsmangel, sondern vielmehr einen schwerwiegenden materiellen Rechtsfehler, der rechtlich nicht mehr vertretbar und damit willkürlich sei.

Das Versäumnis des [X.] führe außerdem zu einer Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die unanfechtbare Abweisung einer Klage als offensichtlich unbegründet gemäß § 78 Abs. 1 [X.] verlangten, dass sich die auf der Hand liegende Aussichtslosigkeit der Klage eindeutig aus der Entscheidung selbst ergeben müsse und die diesbezüglichen Annahmen auf einer hinreichend verlässlichen Grundlage beruhen müssten. Das Offensichtlichkeitsurteil müsse sich insbesondere auf den gesamten Streitgegenstand der [X.], also sowohl auf die Frage der Flüchtlingseigenschaft als auch auf den subsidiären Schutz erstrecken. Das Verwaltungsgericht habe die Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet jedoch allein damit begründet, dass es den Vortrag zum individuellen Verfolgungsschicksal als krass widersprüchlich und damit unglaubhaft eingestuft, und das Offensichtlichkeitsurteil auf § 30 Abs. 1 [X.] und § 30 Abs. 3 Nr. 1 [X.] gestützt habe. Soweit es um die Beurteilung der individuellen Angaben gehe, möge diese Begründung den verfassungsrechtlichen Maßstäben noch genügen. Es sei jedoch von [X.] wegen zu beanstanden, dass das Urteil zu der entscheidungserheblichen Frage, ob aufgrund der allgemeinen Gefahrenlage in [X.] ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 oder Nr. 3 [X.] drohe, keinerlei Ausführungen enthalte und sich deshalb auch nicht dazu verhalte, aus welchen Gründen die Klage auch insofern als offensichtlich unbegründet abzuweisen sei.

Der Beschwerdeführer hat im [X.]beschwerdeverfahren zur allgemeinen Gefahrenlage in [X.] und speziell in [X.] weitere Erkenntnisse vorgelegt (u.a. Schnellrecherche der [X.]ischen Flüchtlingshilfe vom 23. [X.] 2017; Länderinformationsblatt [X.] des [X.], Stand: 19. Dezember 2016; [X.]-Bericht aus November 2016 "[X.] Security Situation"; Auskunft der [X.]ischen Flüchtlingshilfe vom 14. September 2017 "[X.]: Update - Die aktuelle Sicherheitslage"; verschiedene Zeitungs- bzw. Medienberichte; Bericht von [X.] vom 30. Oktober 2017).

2. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem [X.] vorgelegen. Das [X.] des Landes [X.] hat von seinem Recht zur Äußerung keinen Gebrauch gemacht.

Die Kammer nimmt die [X.]beschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 [X.] liegen vor. Die [X.]beschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet. Die Annahme der [X.]beschwerde ist gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.] zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG angezeigt. Die für die Beurteilung der [X.]beschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das [X.] bereits geklärt.

1. Der Zulässigkeit der [X.]beschwerde steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer gegen das angegriffene Urteil keine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO erhoben hat. Denn er rügt mit der [X.]beschwerde weder ausdrücklich noch der Sache nach eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs, sondern macht geltend, dass das Verwaltungsgericht in willkürlicher, jedenfalls aber in einer effektiven Rechtsschutz vereitelnden Weise den Rechtsstandpunkt eingenommen habe, angesichts des als widersprüchlich eingestuften Vortrags des Beschwerdeführers zu seinem Verfolgungsschicksal weder andere Gründe für einen möglichen Anspruch auf subsidiären Schutz prüfen noch begründen zu müssen, warum sich die Klageabweisung als offensichtlich unbegründet auch auf diesen Anspruch beziehe. Eine etwaige Anhörungsrüge hätte diesen in einer verkürzten Prüfung der materiellen Rechtslage liegenden Verstoß nicht beheben können, weil Art. 103 Abs. 1 GG nicht davor schützt, dass das Gericht dem Vortrag der Beteiligten in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht die aus ihrer Sicht richtige Bedeutung beimisst (vgl. [X.] 22, 267 <273>; [X.], Entscheidung der [X.] des [X.] vom 4. August 2004 - 1 BvR 1557/01 -, juris, Rn. 17). Eine deswegen offensichtlich unzulässige Anhörungsrüge musste jedoch auch unter Berücksichtigung der Subsidiarität der [X.]beschwerde nicht erhoben werden (vgl. [X.] 126, 1 <18>).

2. Das angegriffene Urteil verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

a) Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG beschränkt sich nicht auf die Einräumung der Möglichkeit, die Gerichte gegen Akte der öffentlichen Gewalt anzurufen, sondern gewährleistet einen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle. Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes verlangt nicht nur, dass jeder potentiell rechtsverletzende Akt der Exekutive in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der richterlichen Prüfung unterstellt ist; vielmehr müssen die Gerichte den betroffenen Rechten auch tatsächliche Wirksamkeit verschaffen (vgl. [X.] 35, 263 <274>; 40, 272 <275>; 67, 43 <58>; 84, 34 <49>; stRspr). Das Maß dessen, was wirkungsvoller Rechtsschutz ist, bestimmt sich entscheidend auch nach dem sachlichen Gehalt des als verletzt behaupteten Rechts (vgl. [X.] 60, 253 <297>), hier des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), gegebenenfalls in Verbindung mit der Gewährleistung des Art. 3 [X.] im Lichte der Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.] 111, 307 <323 ff.>).

Ein Instanzenzug kann zwar nicht beansprucht werden. Steht aber - wie im Fall der Abweisung einer [X.] als offensichtlich unbegründet (§ 78 Abs. 1 [X.]) - nur eine Instanz zur Verfügung, so verstärkt dies die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung (vgl. [X.] 83, 24 <31>; 87, 48 <61 f.>; [X.], Beschlüsse der [X.] des Zweiten Senats vom 7. November 2008 - 2 BvR 629/06 -, juris, Rn. 12 und vom 22. Oktober 2008 - 2 BvR 1819/07 -, juris, Rn. 11; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 20. Dezember 2006 - 2 BvR 2063/06 -, NVwZ 2007, S. 1046 = juris, Rn. 12).

b) Die Abweisung einer [X.] als offensichtlich unbegründet - mit der gravierenden Folge des Ausschlusses weiterer gerichtlicher Nachprüfung - setzt nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des [X.] (§ 77 Abs. 1 [X.]) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung in Rechtsprechung und Lehre die Abweisung der Klage dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt. Aus den Entscheidungsgründen muss sich zudem klar ergeben, weshalb das Gericht zu einem Urteil nach § 78 Abs. 1 [X.] kommt, warum somit die Klage nicht nur als schlicht unbegründet, sondern als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden ist. Durch diese Darlegungspflicht wird die Gewähr für die materielle Richtigkeit verstärkt (vgl. [X.] 65, 76 <95 f.>; 71, 276 <292 f.>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 3. September 1996 - 2 BvR 2353/95 -, juris, Rn. 13). Die Entscheidungsgründe müssen die Maßstäbe erkennen lassen, die der Klageabweisung als offensichtlich unbegründet zugrunde liegen (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 16. November 2000 - 2 BvR 1684/98 -, juris, Rn. 4), und sich nach diesen Maßstäben mit dem Einzelfall auseinandersetzen. Dabei erfordert die Darlegung besondere Sorgfalt, wenn das [X.] den Asylantrag lediglich als (einfach) unbegründet abgelehnt hat (vgl. [X.], Beschlüsse der [X.] des Zweiten Senats vom 7. November 2008 - 2 BvR 629/06 -, juris, Rn. 10 und vom 22. Oktober 2008 - 2 BvR 1819/07 -, juris, Rn. 12; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 20. Dezember 2006 - 2 BvR 2063/06 -, juris, Rn. 10; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 9. November 1993 - 2 BvR 1214/93 -, juris, Rn. 12). Die schlichte Behauptung, die Klage sei offensichtlich unbegründet, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht (vgl. [X.], Beschlüsse der [X.] des Zweiten Senats vom 7. November 2008 - 2 BvR 629/06 -, juris, Rn. 10 und vom 2. Juli 2008 - 2 BvR 877/06 -, juris, Rn. 15; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 20. Dezember 2006 - 2 BvR 2063/06 -, juris, Rn. 10).

Diese Grundsätze gelten nicht nur für das Asylgrundrecht, sondern auch für Verfahren, die auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 [X.] i.V.m. § 60 Abs. 1 [X.]), auf die Gewährung subsidiären Schutzes (§ 4 [X.] i.V.m. § 60 Abs. 2 [X.]) oder auf die Feststellung von nationalen [X.] (§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 [X.]) gerichtet sind (vgl. zu § 60 Abs. 1 [X.] und § 60 Abs. 7 Satz 1 [X.]: [X.], Beschlüsse der [X.] des Zweiten Senats vom 7. November 2008 - 2 BvR 629/06 -, juris, Rn. 11 und vom 22. Oktober 2008 - 2 BvR 1819/07 -, juris, Rn. 14; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 20. Dezember 2006 - 2 BvR 2063/06 -, juris, Rn. 11). Die verfassungsrechtlichen Anforderungen ergeben sich insoweit aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Auch im Anwendungsbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG muss den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen wirksam Rechnung getragen werden (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 7. November 2008 - 2 BvR 629/06 -, juris, Rn. 11; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 20. Dezember 2006 - 2 BvR 2063/06 -, juris, Rn. 11).

c) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt das angegriffene Urteil nicht.

Das Verwaltungsgericht hat hinsichtlich der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes nach § 78 Abs. 1 Satz 2 [X.] ausgeführt, dass die den Kernbereich des behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals betreffenden Angaben des Beschwerdeführers krass widersprüchlich und ungereimt seien. Da dies offensichtlich sei, werde die Klage als offensichtlich unbegründet abgewiesen. Diese Einschätzung werde selbständig tragend auch auf § 30 Abs. 3 Nr. 1 [X.] gestützt. Das lässt erkennen, dass das Verwaltungsgericht das Offensichtlichkeitsurteil der Sache nach auch auf die allgemeine Regelung des § 30 Abs. 1 [X.] gestützt hat, wonach ein Asylantrag offensichtlich unbegründet ist, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen.

aa) Diese Begründung wird bereits in formeller Hinsicht den verfassungsrechtlichen Darlegungsanforderungen an die Abweisung einer Klage als offensichtlich unbegründet nicht gerecht, soweit es die begehrte Zuerkennung subsidiären Schutzes angeht.

Ein Asylantrag im Sinne des § 78 Abs. 1 Satz 2 [X.] umfasst das Begehren auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 13 Abs. 1 und 2 [X.]); diese wiederum umfasst gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 [X.] die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 [X.]) und die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 [X.]). Das Offensichtlichkeitsurteil nach § 78 Abs. 1 Satz 2 [X.] kann daher bezüglich der drei selbstständigen Streitgegenstände "Anerkennung als Asylberechtigter", "Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft" und "Zuerkennung subsidiären Schutzes", soweit sie Gegenstand des Verfahrens sind, nur einheitlich erfolgen. Deshalb können die Anforderungen an die Abweisung einer Klage als offensichtlich unbegründet im Hinblick auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes keine anderen sein als im Hinblick auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder im Hinblick auf die Anerkennung als Asylberechtigter (vgl. zu § 51 Abs. 1 [X.] - heute § 60 Abs. 1 [X.] - im Verhältnis zur Asylanerkennung: [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 20. September 2001 - 2 BvR 1392/00 -, juris, Rn. 18; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 3. September 1996 - 2 BvR 2353/95 -, juris, Rn. 14; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 9. August 1994 - 2 BvR 2576/93 -, juris, Rn. 3). Daher ist für jeden einzelnen Streitgegenstand eine Begründung der Offensichtlichkeitsentscheidung erforderlich, und es müssen die Entscheidungen zu jedem einzelnen Streitgegenstand auf einer hinreichend verlässlichen Grundlage beruhen.

Der Hinweis des [X.] auf die Widersprüchlichkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zur behaupteten Verfolgung durch die [X.] vermag das Offensichtlichkeitsurteil im Hinblick auf die Versagung subsidiären Schutzes nicht zu begründen. Erweist sich das Vorbringen eines Asylsuchenden zu den individuellen [X.] wegen Widersprüchlichkeit in wesentlichen Punkten insgesamt als unglaubhaft, kann dies die Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet lediglich in diesem Umfang rechtfertigen. Es steht damit jedoch nicht ohne Weiteres fest, dass Gleiches für die außerdem geltend gemachten - selbstständig zu beurteilenden - Gründe für das Schutzersuchen und damit für die [X.] insgesamt gilt (vgl. zu selbstständigen Nachfluchtgründe: [X.], Beschlüsse der [X.] des Zweiten Senats vom 22. Mai 2000 - 2 BvR 349/97 -, juris, Rn. 4 und vom 3. September 1996 - 2 BvR 2353/95 -, juris, Rn. 15). Eine Widersprüchlichkeit des Vorbringens zum Verfolgungsschicksal vermag daher lediglich das Offensichtlichkeitsurteil im Hinblick auf die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder, sofern ein flüchtlingsrelevanter [X.] im Sinne des § 3b [X.] nicht vorliegt, im Hinblick auf die Versagung subsidiären Schutzes wegen eines ernsthaften Schadens in Form von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung durch einen Akteur (§ 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2, § 3c [X.] i.V.m. Art. 3 [X.]) zu begründen. Die Ausführungen zum offensichtlichen Nichtbestehen individueller Verfolgungsgründe sind jedoch nicht geeignet, das Offensichtlichkeitsurteil auch im Hinblick auf die Versagung subsidiären Schutzes zu tragen, soweit dieser Anspruch damit begründet wird, dass dem Beschwerdeführer als Zivilperson aufgrund der schlechten humanitären Verhältnisse in [X.] ein ernsthafter Schaden in Form einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (§ 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 [X.] i.V.m. Art. 3 [X.]) oder aufgrund der allgemeinen Gefahrenlage wegen einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht (§ 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 [X.]). Denn soweit diese Bestimmungen eine individuelle Gefahr für Leben und Unversehrtheit des Betroffenen voraussetzen, beruht diese doch auf Gefahren, die in erster Linie in den allgemeinen Verhältnissen im Herkunftsland begründet sind und als solche keinen Zusammenhang mit den individuellen [X.] aufweisen (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 26. Juni 2017 - 2 BvR 1353/17 -, juris, Rn. 2).

Andere Gründe im Sinne von § 30 [X.] oder Art. 31 Abs. 8 der Richtlinie 2013/32/[X.] des [X.] und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes - [X.] - ([X.]), um das Schutzersuchen des Beschwerdeführers auch im Hinblick auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet abzulehnen, hat das Verwaltungsgericht nicht genannt. Eine nähere Darlegung dazu, welchen Maßstab es bei der Abweisung der Klage auf Zuerkennung subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet zugrunde legt und worauf es sein "Offensichtlichkeitsurteil" im Einzelnen stützt, war aber schon deshalb erforderlich, weil das [X.] den Asylantrag lediglich als einfach unbegründet abgelehnt hat.

bb) Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht auch in materieller Hinsicht die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Abweisung der Klage auf Zuerkennung subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet verfehlt.

(1) Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass eine Schutzgewährung wegen allgemeiner Gefahren nur dann - in Form eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 [X.] - in Betracht komme, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Diese Voraussetzungen hat es mit der Begründung verneint, dass hierfür keine hinreichenden Anhaltspunkte bestünden und insofern auf zwei Auskünfte des [X.] (Lagebericht vom 19. Oktober 2016 und Lagebeurteilung vom 28. Juli 2017) sowie auf die Anmerkungen des [X.] zur Situation in [X.] von Dezember 2016 verwiesen. Trotz der militärischen Auseinandersetzungen, Selbstmordanschläge und Versorgungsmängel sei die Sicherheitslage in vielen Regionen gar nicht so schlecht und in fast allen Regionen das größte Problem die Arbeitslosigkeit.

Diese nur rudimentären Erwägungen vermögen schon die einfache Abweisung der Klage auf Zuerkennung subsidiären Schutzes inhaltlich nicht nachvollziehbar zu rechtfertigen. Erst recht bieten sie keine tragfähige Grundlage für die Annahme einer auf der Hand liegenden Aussichtslosigkeit der Klage insoweit und damit für die Rechtfertigung der Klageabweisung als offensichtlich unbegründet. Indem das Verwaltungsgericht die von dem Beschwerdeführer geltend gemachten allgemeinen Gefahren ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 [X.] gewürdigt hat, hat es die für die Zuerkennung subsidiären Schutzes maßgebliche Rechtsvorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 [X.] und die dort vorgesehenen rechtlichen Voraussetzungen (unmenschliche oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Art. 3 [X.] sowie ernsthafte Bedrohung für Leib und Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts) vollständig unberücksichtigt gelassen.

(2) Das Urteil des [X.] lässt auch sonst nicht erkennen, dass im Hinblick auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes unter dem Gesichtspunkt einer ernsthaften individuellen Bedrohung als Folge einer allgemeinen Gefahr (§ 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 [X.]) die besonderen Voraussetzungen für die Abweisung einer Klage als offensichtlich unbegründet erfüllt gewesen sein könnten. Weder lag im Zeitpunkt der Entscheidung die erforderliche gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung vor, noch hat das Verwaltungsgericht eine solche festgestellt.

Zwar wurde in der jüngeren obergerichtlichen Rechtsprechung das Vorliegen der Voraussetzungen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts für Zivilpersonen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 [X.] in Bezug auf [X.] insgesamt, namentlich in Bezug auf bestimmte Regionen verneint (vgl. [X.], Beschlüsse vom 21. August 2017 - 13a [X.] 17.30529 -, juris, Rn. 13 , vom 25. Juli 2017 - 13a [X.] 17.30727 -, juris, Rn. 16 , vom 19. Juni 2017 - 13a [X.] 17.30400 -, juris, Rn. 13 , vom 11. April 2017 - 13a [X.] 17.30294 -, juris, Rn. 5 <[X.]>, vom 10. April 2017 - 13a [X.] 17.30266 -, juris, Rn. 5 , vom 6. März 2017 - 13a [X.] 17.30081 -, juris, Rn. 10 , vom 3. Februar 2017 - 13a [X.] 16.31045 -, juris, Rn. 4 , vom 25. Januar 2017 - 13a [X.] 16.30374 -, juris, Rn. 11 <[X.]>; [X.], Beschluss vom 1. September 2017 - 8 [X.]005/17 -, juris, Rn. 8 ff. m.w.N. ; [X.], Beschlüsse vom 28. August 2017 - 13 A 1994/17.A -, juris, Rn. 6 ff., vom 10. Juli 2017 - 13 A 1385/17.A -, juris, Rn. 5 ff., vom 20. Juni 2017 - 13 A 903/17.A -, juris, Rn. 5 ff. und vom 9. März 2017 - 13 A 2575/16.A -, juris, Rn. 5 ff.).

Es ist jedoch nicht festzustellen, dass es sich hierbei um eine "gefestigte" Rechtsprechung im Sinne der vorstehenden Maßstäbe handelt. Zum einen fehlt es an jüngeren Berufungsurteilen, die sich mit der Frage des ernsthaften Schadens im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 [X.] unter Auswertung der aktuellen Erkenntnislage und Rechtsprechung im Einzelnen auseinandersetzen. Es handelt sich vielmehr um Beschlüsse, mit denen die Zulassung der Berufung mangels hinreichender Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache abgelehnt wurde. Insbesondere liegt auch kein aktuelleres Urteil des für das Verwaltungsgericht zuständigen und damit maßgeblichen Obergerichts zur Frage eines Anspruchs auf Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 [X.] vor (vgl. zuletzt VGH [X.], Urteile vom 14. August 2013 - [X.] 688/13 -, juris, Rn. 23 ff. und vom 27. April 2014 - [X.] 3079/11 -, juris, Rn. 20 ff. <[X.]>).

Zum anderen kann von einer gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung auch deswegen nicht gesprochen werden, weil die Verwaltungsgerichte bei einem Land, das - wie [X.] - aufgrund der Dynamik des dort herrschenden Konflikts von einer äußerst volatilen und zudem regional sehr unterschiedlichen Sicherheitslage geprägt ist und in dem wegen einer stetigen Verschlechterung der Sicherheitslage in den letzten zwei Jahren die Gefahr besteht, dass die Schwelle des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 [X.] überschritten sein könnte, verpflichtet sind, sich laufend über die tatsächlichen Entwicklungen zu unterrichten und nur auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse zu entscheiden (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 27. März 2017 - 2 BvR 681/17 -, juris, Rn. 11 und Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 21. April 2016 - 2 BvR 273/16 -, juris, Rn. 11). Besteht aber eine Pflicht zu einer gleichsam "tagesaktuellen" Erfassung und Bewertung der entscheidungsrelevanten Tatsachengrundlage, kann sich schon aufgrund der in zeitlicher Hinsicht nur begrenzten Belastbarkeit der Tatsachenfeststellungen eine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung, die die Abweisung der Klage auf Zuerkennung subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet rechtfertigen könnte, nicht sicher herausbilden. Dies gilt umso mehr, als die Beurteilung, ob eine ernsthafte individuelle Gefahr für Leib und Unversehrtheit im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts vorliegt, nach der - verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden - fachgerichtlichen Rechtsprechung neben den tatsächlichen Feststellungen zu etwaigen gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen auch stets umfangreiche und komplexe tatsächliche Feststellungen im Hinblick auf das Niveau willkürlicher Gewalt beziehungsweise die Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung erfordert. Im Rahmen der jeweils gebotenen wertenden Gesamtbetrachtung kann aber schon bei Veränderung nur eines der maßgeblichen Tatsachenkomplexe eine rechtliche Neubewertung der Gefahrenverdichtung insgesamt veranlasst sein.

Der Annahme einer eindeutigen und gesicherten Auskunftslage, die ein Offensichtlichkeitsurteil tragen könnte, steht auch der Umstand entgegen, dass im Hinblick auf die Belastbarkeit und Validität des Datenmaterials, das für die Feststellung der Gefahrendichte im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 [X.] erforderlich ist, grundlegende allgemeine Bedenken erhoben werden (vgl. etwa Entscheidung des [X.]ischen Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Oktober 2017 - [X.]/2016 - zur Unzulänglichkeit eines lediglich auf Opferzahlen abstellenden Ansatzes; insbesondere Abschnitte [X.] und E 6.3.1.).

3. Angesichts des Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG bedarf die weiter erhobene Grundrechtsrüge (Art. 3 Abs. 1 GG) wegen willkürlicher Sachbehandlung keiner Entscheidung.

4. Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem festgestellten Grundrechtsverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass das Verwaltungsgericht bei hinreichender Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu einer anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung gelangt wäre. Die Kammer hebt deshalb gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 [X.] das angegriffene Urteil auf und verweist die Sache an das Verwaltungsgericht zurück.

Die Aufhebung und Zurückverweisung ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil deutlich absehbar wäre, dass der Beschwerdeführer auch im Falle der Aufhebung und Zurückverweisung an das Ausgangsgericht mit seinem Begehren letztlich keinen Erfolg haben würde, so dass es an einem schweren Nachteil im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.] fehlte (vgl. [X.] 90, 22 <25 f.>).

Zwar hat der [X.]hof [X.] als zuständiges Obergericht inzwischen verschiedene grundsätzlich bedeutsame Fragen zur Zuerkennung subsidiären Schutzes und zur Feststellung von nationalen [X.] in [X.] (vgl. Urteile vom 3. November 2017 - [X.] 1704/17 -, juris, Rn. 96 ff. und vom 5. Dezember 2017 - [X.] 1144/17 -, juris, Rn. 228 ff.), in der Provinz [X.] (vgl. Urteil vom 17. Januar 2018 - [X.] 241/17 -, juris, Rn. 206 ff.) und in der [X.] (vgl. Urteil vom 24. Januar 2018 - [X.] 1265/17 -, juris, Rn. 129 ff.) geklärt und ist zu der Einschätzung gelangt, dass in diesen Gebieten nicht ein so hohes Niveau willkürlicher Gewalt herrsche, dass eine Zivilperson allein durch ihre Anwesenheit dort tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 [X.] ausgesetzt zu sein.

Eine Entscheidung zur Gefahrendichte in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers - [X.] - ist jedoch noch nicht ergangen. Darüber hinaus erfordert die Beurteilung der Frage, ob eine Verdichtung der allgemeinen Gefahrenlage im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 [X.] vorliegt, stets auch eine Prüfung des Einzelfalls dahin, ob besondere persönliche gefahrerhöhende Umstände in der Person des Betroffenen vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 - 10 [X.] 13.10 -, juris, Rn. 17 ff.). Solche Umstände hat der Beschwerdeführer mit dem Hinweis auf seine psychische Erkrankung und die daraus folgenden Einschränkungen in der Alltagsbewältigung geltend gemacht. Aus demselben Grund erscheint eine günstigere Entscheidung auch in Bezug auf die Feststellung des nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 [X.] in Verbindung mit Art. 3 [X.] nicht von vornherein ausgeschlossen.

Das Land [X.] hat dem Beschwerdeführer gemäß § 34a Abs. 2 [X.] die notwendigen Auslagen zu erstatten. Die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. [X.] 79, 365 <366 ff.>).

Meta

2 BvR 2435/17

25.04.2018

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 1. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend VG Stuttgart, 13. September 2017, Az: A 12 K 2159/17, Urteil

Art 2 Abs 2 S 1 GG, Art 19 Abs 4 S 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 3 AsylVfG 1992, § 4 Abs 1 S 1 AsylVfG 1992, § 4 Abs 1 S 2 Nr 2 AsylVfG 1992, § 4 Abs 1 S 2 Nr 3 AsylVfG 1992, § 78 Abs 1 S 2 AsylVfG 1992, § 60 Abs 1 AufenthG 2004, § 60 Abs 2 AufenthG 2004, § 60 Abs 5 AufenthG 2004, § 60 Abs 7 S 1 AufenthG 2004, § 14 Abs 1 RVG, § 37 Abs 2 S 2 RVG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 25.04.2018, Az. 2 BvR 2435/17 (REWIS RS 2018, 10165)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 10165

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