Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.10.2023, Az. VI ZR 192/22

6. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 8040

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Gegenstand

Persönlichkeitsrechtsverletzung: Interessenabwägung bei identifizierender Äußerung über eine Straftat seitens des Opfers - Poetry-Slam-Szene)


Leitsatz

Sprechen gewichtige Gründe für eine identifizierende Tatschilderung seitens des Opfers, muss diese auch dann hingenommen werden, wenn sie (aufgrund einer Prangerwirkung oder Stigmatisierung) schwerwiegende Folgen für die Persönlichkeitsentfaltung des Täters hat. In der Abwägung der Interessen des Opfers an der Verbreitung der Wahrheit über eine Tat und die Identität des Täters einerseits und dem Persönlichkeitsrecht des Täters andererseits wird das Gewicht der Meinungsfreiheit des Opfers verstärkt, wenn die von ihm geschilderte Tat eine die Öffentlichkeit bzw. den Adressatenkreis des Opferberichts wesentlich berührende Frage ist und ein Interesse der Gesellschaft daran besteht, aus der Opferperspektive über die Tat informiert zu werden (vergleiche BVerfG, Beschluss vom 24. März 1998 - 1 BvR 131/96, BVerfGE 97, 391, 406 f., juris Rn. 53, 57).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des [X.] vom 9. Juni 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die [[X.]] auf Unterlassung mehrerer Äußerungen, die die [[X.]] in einer [[X.]]gruppe über den Kläger getätigt hat, sowie auf Zahlung vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch.

2

Der Kläger ist seit vielen Jahren als erfolgreicher [[X.]] und als Veranstalter und Organisator von [[X.]] bundesweit aktiv. Die [[X.]] ist Poetry-[X.]merin.

3

Am 6. März 2015 waren die Parteien, die damals ein gutes, freundschaftlich-kollegiales Verhältnis verband, anlässlich einer Poetry-[X.]-Veranstaltung in einem Mehrbettzimmer eines Hostels in [[X.]] untergebracht. Auf Bitte des [[X.]] übernachtete die [[X.]] mit diesem in einem Einzelbett; zuvor hatte sie ihn darauf hingewiesen, dass da "nichts stattfindet".

4

Die Parteien waren bei [[X.]] Mitglieder der geschlossenen Gruppe "[X.]-Intern", in der sich ca. 590 Mitglieder der [[X.]] über anstehende Veranstaltungen und die Teilnahme an diesen austauschten. In dieser Gruppe entfachte sich in der zweiten Jahreshälfte 2018 eine Debatte über sexuell übergriffiges Verhalten in der [[X.]].

5

So postete die Poetry-[X.]merin [X.] am 30. September 2018 einen Beitrag, in dem sie äußerte, dass sie sich seit etwa vier Jahren "in unregelmäßigen Abständen durch sexistisches Verhalten eines [X.]masters auf und hinter der Bühne belästigt und bedrängt" fühle. Sie schrieb: "Ich wünsche [[X.]], dass wir als Kollektiv darüber nachdenken, wie wir innerhalb unserer Szene mit solchem Sexismus umgehen, wie wir Nachwuchs fördern aber auch schützen und uns gemeinsam in mehr Respekt gegenüber den persönlichen Grenzen unserer Mitmenschen bemühen."

6

Der Kläger kommentierte diesen Post mit einem eigenen Post, in welchem er [X.] für ihren "Mut" dankte und diejenigen, die ihn "in grenzüberschreitender Weise empfunden" hätten und mit denen es noch nicht zu einem Gespräch gekommen sei, bat, sich bei ihm privat zu melden, damit sie "offen darüber reden" könnten. Weiter heißt es: "Ich bin nie wissentlich über ein 'Nein' oder 'Stopp' oder ähnliches hinweggegangen, ich habe aber sicher ein paar Situationen und ganz allgemein Nähe auf der eigenen Suche nach Nähe und Zuneigung falsch eingeschätzt und war zu sehr im eigenen Tunnel, um richtig wahrzunehmen und klar zu sehen."

7

Am 23. Juli 2019 postete [X.] in der Gruppe "[X.]-Intern" unter der Überschrift "Sexualisierte Gewalt in der [X.] (Triggerwarnung)" einen Beitrag, in dem sie unter anderem schrieb:

"Es gab 3 Taten, bei denen ich denke, dass sie (anscheinend nicht von öffentlichem aber mindestens) von [X.] internem Interesse sind. … [X.] waren ziemlich ähnlich. In Kürze: Ich musste nach dem [X.] woanders übernachten und in der Nacht kam [X.] (in beiden Fällen an dem Abend in der Rolle des Veranstalters) und ich wurde geweckt durch einen Penis in meiner Vagina und bevor ich handeln konnte war es auch schon vorbei."

8

Bezugnehmend darauf postete die [[X.]] einen Beitrag, in dem die streitgegenständlichen Äußerungen (Hervorhebung nur hier) gefallen sind und in dem es heißt:

"…Auch ich habe exakt diese Erfahrung mit [… (Vorname des Klägers)] gemacht. An Drohungen kann ich [[X.]] nicht erinnern, jedoch gab es eine Situation, die nahezu identisch war mit dem, was […[X.]] in ihrem Post schildert, auch wenn da der "Protagonist" ein anderer war und ich nicht sicher bin, inwieweit das exakt so auch auf [X.] [gemeint ist der Kläger] zutrifft.

[X.] hat sich das in [[X.]], in einem mit schlafenden Kollegen vollbesetzten [X.], im März 2015. Aus irgendwelchen Gründen war ich als Frau allein mit männlichen Kollegen im Hotelzimmer untergebracht…Am Ende eines langen Abends äußerte er die Bitte, mit in meinem Bett schlafen zu wollen. Ich hatte [[X.]] darauf, hatte allerdings - und das ist sicher eine dumme Idee - auch keine Lust auf Diskussionen, wie ich sie in diesem Zusammenhang schon [[X.]] geführt habe. Mit der Vereinbarung, dass da nichts stattzufinden hat, war ich für den Moment einverstanden, zumal ja noch genug Leute in [[X.]] waren und man da ja nicht auf Ideen kommen sollte. Dachte ich. Nun ja. Auch ich wurde wach, weil plötzlich ein Penis in [[X.]] steckte, den ich nicht eingeladen hatte. Ich habe das in dem Moment aus Überraschung, Überforderung und dem irrwitzigen Gedanken, es sei unpassend, jetzt ein Fass aufzumachen und die anderen zu wecken, geschehen lassen, unkommentiert. Darauf bin ich nicht stolz. Reagiert habe ich in der Konsequenz mit einer Vermeidungsstrategie, wie sie hier schon beschrieben wurde.

Auch ich sehe [[X.]] nicht als traumatisiert… […Vorname des Klägers] hat [[X.]] irgendwann letztes Jahr angerufen und das Gespräch gesucht, sich für die Vorfälle (dem ging etwas mehr, jedoch weniger Gravierendes voraus, sofern man das so sagen kann) entschuldigt, meine Sicht dazu erfragt

Ich weiß, dass er wohl mehrere angerufen hat. Und er sich wohl auch behandeln lässt. Das soll nichts entschuldigen oder erklären (tut es für [[X.]] nicht). Ich weiß auch nicht, ob dem tatsächlich so ist und wie da der Stand ist. Vorenthalten möchte ich das nicht, wenn ich einmal damit anfange, dazu etwas zu sagen. Auch ich möchte kein Mitleid etc. Es scheint [[X.]] aber der Zeitpunkt gekommen zu sein, Dinge auf den Tisch zu bringen und erhoffe [[X.]] mit diesem Statement vor allem, dass sich auch andere Betroffene trauen, das zu tun. Ihr seid nicht allein damit…"

9

Das [X.] hat der Klage auf Unterlassung der oben durch Unterstreichung hervorgehobenen Äußerungen der [[X.]]n stattgegeben und diese zur Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten verurteilt. Die Berufung der [[X.]]n hat das [X.] zurückgewiesen.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die [[X.]] das Ziel der Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe

A.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Bei den angegriffenen Äußerungen handle es sich um Tatsachenbehauptungen. Nach ihrem Aussagegehalt habe die [X.] die Behauptung aufgestellt, der Kläger sei ihr gegenüber bei einer gemeinsamen Übernachtung in einem Einzelbett dadurch sexuell übergriffig geworden, dass er entgegen der zuvor getroffenen Absprache mit ihr den Geschlechtsverkehr ausgeübt habe, während sie geschlafen habe. Der Vorwurf, dies sei von der [X.]n unter dem Eindruck eines in diesem Zeitpunkt vorhandenen strukturellen Machtmissbrauchs oder unter Ausnutzung einer psychischen Zwangslage oder sonst als Drohung fortwirkenden Verhaltens hingenommen worden, ergebe sich aus den Äußerungen dagegen nicht. Dies sei bei den Schilderungen der anderen Slammerinnen, auf die sich die [X.] in ihrem Post beziehe, teilweise anders. Der Leser erfahre nur, dass es nach der Darstellung der [X.]n ein aus ihrer Sicht sexuell übergriffiges Verhalten des [X.] gegeben habe, das sie lediglich im Nachhinein als belastend empfunden und deshalb mit dem Kläger nochmal erörtert habe. Aus den Äußerungen sei mangels Anwendung von Nötigungsmitteln kein Vorwurf strafbaren Verhaltens zu entnehmen, da die sexuelle Belästigung nach § 184i StGB im März 2015 noch nicht strafbar gewesen sei. Gleichwohl stelle das behauptete Verhalten des [X.] aus der Perspektive der allgemeinen Öffentlichkeit ein moralisch erheblich anstößiges und sozial geächtetes Verhalten dar. Mit der angegriffenen Äußerung, der Kläger habe sich bei ihr entschuldigt und ihre Sicht erfragt, werde die Behauptung der sexuellen Übergriffigkeit des [X.] bekräftigt und verstärkt. Der Behauptung, der Kläger habe sich inzwischen mit mehreren Slammerinnen in Verbindung gesetzt und lasse sich behandeln, entnehme der durchschnittliche Leser, der Kläger befinde sich in psychologischer Therapie wegen seines inzwischen von ihm selbst als problematisch bewerteten Sexualverhaltens.

[X.]en griffen in das Recht des [X.] auf Achtung der Privatsphäre ein, da sie den Bereich sexueller Begegnung beträfen. Dieser Bereich unterliege im Regelfall dem Geheimnisschutz. [X.]en seien ferner ehrverletzend und geeignet, den Kläger in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Denn dieser sei jedenfalls in der [X.] einem größeren Kreis bekannt und zudem Leiter einer [X.] an einem Gymnasium. In beiden Funktionen sei er besonders auf Vertrauen in seine Integrität und moralisch beanstandungsfreies Verhalten angewiesen. Dieses Vertrauen werde durch die Äußerungen empfindlich gestört.

Der Eingriff sei rechtswidrig. Die [X.] treffe die Beweislast für die Wahrheit ihrer Äußerungen. Jedoch seien die von ihr hierzu angebotenen Beweise nicht zu erheben, weil die vier Äußerungen auch dann rechtswidrig und zu unterlassen seien, wenn als wahr unterstellt würde, dass sich der Vorfall so zugetragen habe wie von ihr geschildert. In der Abwägung falle zugunsten des [X.] ins Gewicht, dass der geschilderte Vorfall als Verhalten aus dem Bereich der sexuellen Begegnung die Intimsphäre betreffe. Es gehe nicht um den Vorwurf einer Straftat, was ausnahmsweise dazu führen würde, dass der Bereich des unantastbaren [X.]bereichs höchstpersönlicher privater Lebensgestaltung verlassen würde. Der Kläger werde mit den Äußerungen öffentlich stigmatisiert und an den Pranger gestellt, was für ihn im Hinblick auf seine Tätigkeit an einer Schule und im Kontext mit dem Umgang mit Teilnehmerinnen von Slam-Veranstaltungen erhebliche Nachteile für sein Ansehen in der Öffentlichkeit habe. Denn er werde als [X.] dargestellt, der Frauen gegenüber eine unklare Lage ausgenutzt habe, um seine sexuellen Wünsche zu befriedigen. Hinzu komme, dass der Kläger im Kontext mit systemischen Missständen in der [X.] namentlich genannt worden sei, obwohl das von der [X.]n geschilderte Ereignis keine Umstände aufzeige, die auf einen Machtmissbrauch hindeuteten. Die [X.] könne sich nicht darauf berufen, die Schilderung des sexuellen Kontakts sei als Beitrag zu der in der [X.] damals geführten MeToo-Diskussion gerechtfertigt, weil es, wie gezeigt, an dem hierfür entscheidenden Merkmal, nämlich einem strukturellen Machtmissbrauch, fehle. Die behauptete sexuelle Annäherung stelle sich allenfalls als Ausnutzung einer durch die Enge gegebenen unklaren Situation dar. Das Argument der [X.]n, es sei für sie wichtig und erforderlich, das Erlebte kommunikativ zu verarbeiten, führe nicht zu einem Überwiegen ihres Interesses an der Schilderung des Geschehens innerhalb der [X.]. Denn bei Vorliegen einer bloßen privaten Zudringlichkeit sei ein Bedürfnis der Allgemeinheit an der öffentlichen Darstellung des Geschehens und einer öffentlichen Aufarbeitung nicht ersichtlich. Der Schilderung komme auch keine Warnfunktion zu. Gegen das private Bedürfnis der [X.]n an der Aufarbeitung des Vorfalls überwiege das Schutzbedürfnis des [X.] an der Geheimhaltung der Umstände der sexuellen Begegnung mit der [X.]n. Dies bleibe der privaten Auseinandersetzung mit dem Kläger persönlich vorbehalten. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass sich der Kläger mit seinem Post an der Diskussion selbst beteiligt habe. Denn auch der Beitrag des [X.] betreffe keinen MeToo-Vorwurf, da er kein Schuldeingeständnis im Sinne eines Machtmissbrauchs beinhalte. Soweit er Personen, die ihn in "grenzüberschreitender Weise" empfunden haben mögen, um "private Meldung" gebeten habe, schließe dies eine Nennung seines Namens in einer Chatgruppe gerade nicht ein. Da die [X.] einräume, dass es ein persönliches Gespräch mit dem Kläger gegeben habe, in dem sie ihren Standpunkt eingebracht habe, sei nicht nachvollziehbar, dass und warum es für die eigene Aufarbeitung noch einer Kommunikation an die übrigen Gruppenmitglieder bedurft habe. Das Argument, dass der Austausch mit anderen Frauen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, erforderlich sei, möge zwar im Rahmen von MeToo-Debatten in bestimmten Konstellationen zutreffen, ein solcher Fall liege hier aber nicht vor.

B.

Die Revision der [X.]n ist begründet und führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Im Falle der Wahrheit der von der [X.]n getätigten Tatsachenbehauptungen, von der der Senat für die revisionsrechtliche Prüfung auszugehen hat, hat der Kläger keinen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG auf Unterlassung der angegriffenen Äußerungen. Zugrunde zu legen ist dabei die tatbestandliche Feststellung des Berufungsgerichts, dass unstreitig der Kläger an dem fraglichen Abend die Bitte äußerte, mit der [X.]n in einem Bett zu schlafen. Hinsichtlich des weiteren Geschehens an dem Abend ist für die revisionsrechtliche Prüfung als wahr zu unterstellen, dass sich der Vorfall so, wie von der [X.]n behauptet, zugetragen hat. Denn das Berufungsgericht hat seine rechtliche Beurteilung auf eben diese [X.] gestützt und von der Erhebung der von der [X.]n hierzu angebotenen Beweise abgesehen. Auch von der Richtigkeit der angegriffenen Behauptungen der [X.]n zum nachfolgenden Verhalten des [X.] (Gespräch mit der [X.]n über den Vorfall, Entschuldigung, Anruf bei mehreren Personen, Behandlung) ist für die revisionsrechtliche Prüfung auszugehen, weil die [X.] diese, wie tatbestandlich festgestellt, behauptet hat und das Berufungsgericht auch hierzu keine Feststellungen getroffen hat. Dem Senat ist es verwehrt, der von der Revisionserwiderung aufgeworfenen Frage nachzugehen, welche Beweise die [X.] für welche Behauptungen angeboten hat und ob die Voraussetzungen für die beantragten Beweiserhebungen erfüllt sind.

[X.]

Die angegriffenen Äußerungen zum Geschehen am Abend des 6. März 2015 sowie zum Verhalten des [X.] gegenüber der [X.]n im Jahr 2018 (Gespräch, Entschuldigung) betreffen die Vorgeschichte der Tat, die Tat selbst sowie das Nachtatverhalten des [X.] gegenüber der [X.]n und sind einer gemeinsamen rechtlichen Beurteilung zu unterziehen.

1. [X.]en: "Auch ich habe exakt diese Erfahrung mit […] gemacht." "Am Ende eines langen Abends äußerte er die Bitte, mit in meinem Bett schlafen zu wollen." "Auch ich wurde wach, weil plötzlich ein Penis in [X.] steckte, den ich nicht eingeladen hatte" enthalten nach ihrem Aussagegehalt die Tatsachenbehauptung, der Kläger sei der [X.]n gegenüber bei einer von ihm erbetenen gemeinsamen Übernachtung in einem Bett dadurch sexuell übergriffig geworden, dass er an ihr den Geschlechtsverkehr vollzogen habe, während sie geschlafen habe. Aus dem Kontext des Posts ergibt sich ferner, dass er damit gegen eine zuvor getroffene Absprache verstieß ("Vereinbarung, dass da nichts stattzufinden hat"). Mit den Worten "exakt diese Erfahrung" nimmt die [X.] Bezug auf den zuvor von [X.] in ihrem Post geschilderten, im [X.] ähnlichen Vorfall (Geschlechtsverkehr mit schlafender Frau), auch wenn dort - so die [X.] - der "Protagonist" ein anderer gewesen sei.

[X.]: "[…] hat [X.] irgendwann letztes Jahr angerufen und das Gespräch gesucht, sich für die Vorfälle (dem ging etwas mehr, jedoch weniger Gravierendes voraus, sofern man das so sagen kann) entschuldigt, meine Sicht dazu erfragt" enthält die Aussage, dass sich der Kläger bei der [X.]n jedenfalls auch für den zuvor beschriebenen Vorfall am Abend des 6. März 2015 entschuldigt hat.

2. [X.]en greifen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des [X.] ein.

a) Nicht betroffen ist allerdings die absolut geschützte Intimsphäre des [X.].

In der Rechtsprechung des Senats und des [X.] ist anerkannt, dass die Begehung einer Sexualstraftat nicht zur Intimsphäre des [X.] zählt (Senatsurteile vom 16. Februar 2016 - [X.], NJW-RR 2017, 31 Rn. 17; vom 17. Dezember 2013 - [X.], [X.], 237 Rn. 17; vom 19. März 2013 - [X.], [X.], 250 Rn. 21 ff. [X.]; [X.], [X.], 365 Rn. 26). Es ist sehr zweifelhaft, ob ein sexuell grenzüberschreitendes (d.h. die Intimsphäre eines anderen verletzendes), aber nicht strafbares Verhalten unter den absoluten Schutz der Intimsphäre des Handelnden fällt, wie das Berufungsgericht meint. Dies kann aber dahinstehen, da die hier zu unterstellende Tat des [X.] auch schon im Zeitpunkt ihrer Begehung (2015) strafbar war. [X.] ist hier der Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen gem. § 179 StGB in der bis 9. November 2016 gültigen Fassung vom 27. Dezember 2003. Nach § 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. macht sich strafbar, wer eine andere Person, die wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung zum Widerstand unfähig ist, dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung der [X.] sexuelle Handlungen an ihr vornimmt. Eine Qualifikation mit einer Strafandrohung von Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren stellt es gemäß § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB a.F. dar, wenn der Täter dabei mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vornimmt, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind. Nach der Rechtsprechung des [X.] handelt es sich bei Schlaf um eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung i.S.d. § 179 Abs.1 Nr. 1 StGB a.F. ([X.], Urteile vom 24. September 1991 - 5 StR 364/91, [X.]St 38, 68, 71, juris Rn. 12; vom 21. März 2013 - 1 [X.] juris, [X.]). Dabei reicht es für die Vollendung dieses Tatbestands aus, dass der Täter mit einer sexuellen Handlung am Körper des widerstandsunfähigen Opfers beginnt, auch wenn dieses infolge der sexuellen Handlung aufwacht ([X.], Urteil vom 24. September 1991 - 5 StR 364/91, [X.]St 38, 68, 71, juris Rn. 12).

b) [X.]en greifen aber deshalb in das Recht des [X.] auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs und in seine persönliche Ehre ein, weil sie sein Fehlverhalten öffentlich bekannt machen und seine Person in den Augen der Adressaten negativ qualifizieren (vgl. Senatsurteile vom 18. Juni 2019 - [X.]/18, [X.]Z 222, 196 Rn. 19 [X.]; vom 16. Februar 2016 - [X.], NJW-RR 2017, 31 Rn. 17). Das gilt auch für die Äußerung über die Entschuldigung des [X.], weil sich diese auf das Fehlverhalten bezieht und es bestätigt.

3. Der Eingriff ist allerdings nicht rechtswidrig.

a) Über die [X.] ist aufgrund einer Abwägung des Rechts des [X.] auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 [X.] mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 [X.] verankerten Recht der [X.]n auf Meinungsfreiheit sowie mit ihrem durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit zu entscheiden. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der [X.] interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteil vom 16. Februar 2016 - [X.], NJW-RR 2017, 31 Rn. 18 [X.]).

aa) Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist in die Abwägung auf Seiten der [X.]n trotz des Umstandes einzustellen, dass es sich bei ihren Äußerungen um Tatsachenbehauptungen handelt. Denn der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erstreckt sich auch auf die Äußerung von Tatsachen, soweit sie - wie zweifellos hier - [X.] zur Meinungsbildung dienen können (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteile vom 22. November 2011 - [X.], [X.], 53 Rn. 14; vom 3. Februar 2009 - [X.], [X.], 555 Rn. 11; vom 22. April 2008 - [X.], [X.]Z 176, 175 Rn. 16; jeweils [X.]; [X.]E 99, 185, 197, juris Rn. 52 f.).

bb) Bei ansehensbeeinträchtigenden Tatsachenbehauptungen wie im vorliegenden Fall wird die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen ganz wesentlich vom Wahrheitsgehalt der Behauptungen bestimmt. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht. Auch wahre Tatsachenbehauptungen sind indes nicht unbeschränkt zulässig. Vielmehr können sie rechtswidrig in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eingreifen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten drohen, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 18. Juni 2019 - [X.]/18, [X.]Z 222, 196 Rn. 21 [X.]).

cc) Die genannten Grundsätze gelten nicht nur für eine Berichterstattung über eine Straftat oder ein Fehlverhalten durch die Presse, sondern auch dann, wenn das Opfer selbst über ein solches Verhalten berichtet (vgl. [X.]E 97, 391, 405, juris Rn. 49). Allerdings kann das Äußerungsinteresse des Opfers einer Straftat höher zu veranschlagen sein als das Dritter oder der Medien, die identifizierend über Straftaten berichten ([X.]E 97, 391, 403, juris Rn. 44). Denn die Äußerung des Opfers über die erlittene Tat betrifft sein höchstpersönliches Lebensschicksal. Jede Person hat aber die Freiheit zu entscheiden, ob sie sich mit Erlebnissen dieser Art überhaupt an andere oder an die Öffentlichkeit wendet. Entschließt sie sich dazu, liegt in dem Verbot, das höchstpersönliche Schicksal zu schildern, regelmäßig eine einschneidende Beeinträchtigung der Kommunikationsmöglichkeiten und der Persönlichkeitsentfaltung (vgl. [X.]E 97, 391, 402, juris Rn. 41).

Sprechen gewichtige Gründe für eine identifizierende Tatschilderung seitens des Opfers, muss diese auch dann hingenommen werden, wenn sie (aufgrund einer Prangerwirkung oder Stigmatisierung) schwerwiegende Folgen für die Persönlichkeitsentfaltung des [X.] hat (vgl. [X.]E 97, 391, 406, juris Rn. 53). In der Abwägung der Interessen des Opfers an der Verbreitung der Wahrheit über eine Tat und die Identität des [X.] einerseits und dem Persönlichkeitsrecht des [X.] andererseits wird das Gewicht der Meinungsfreiheit des Opfers verstärkt, wenn die von ihm geschilderte Tat eine die Öffentlichkeit bzw. den Adressatenkreis des [X.]s wesentlich berührende Frage ist und ein Interesse der Gesellschaft daran besteht, aus der Opferperspektive über die Tat informiert zu werden (vgl. [X.]E 97, 391, 407, juris Rn. 57).

dd) Für die den Täter identifizierende Berichterstattung der Presse über Straftaten ist im Übrigen anerkannt, dass derjenige, der den Rechtsfrieden bricht und durch seine Tat oder ihre Folgen Mitmenschen angreift oder verletzt, es dulden muss, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird. Dies schließt eine Identifizierung des [X.] dann ein, wenn die damit verbundene Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts im angemessenen Verhältnis zur Schwere des Fehlverhaltens oder zu seiner sonstigen Bedeutung für die Öffentlichkeit steht; letztere kann sich unterhalb der Schwelle der [X.] auch aus den Besonderheiten in der Person oder Stellung des [X.], der Art der Tat oder des Tathergangs ergeben (vgl. nur Senatsurteil vom 18. Juni 2019 - [X.]/18, [X.]Z 222, 196 Rn. 22 [X.]).

Das Opfer einer Straftat, das sich entschließt, sich mit einer wahrheitsgemäßen Schilderung der Tat unter Identifizierung des [X.] an die Öffentlichkeit zu wenden, kann im Hinblick auf sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit insoweit jedenfalls keinen strengeren Beschränkungen als die Presse unterliegen. Sein Äußerungsinteresse kann vielmehr, wie dargelegt, höher zu veranschlagen sein als das Berichterstattungsinteresse der Medien ([X.]E 97, 391, 403, juris Rn. 44).

b) Nach diesen Grundsätzen hält die Beurteilung des Berufungsgerichts, in der Abwägung überwögen die Interessen des [X.] selbst bei [X.] des Vortrags der [X.]n über den Vorfall am Abend des 6. März 2015 diejenigen der [X.]n, rechtlicher Überprüfung nicht stand.

aa) Zwar sind die Folgen der streitgegenständlichen Äußerungen für den Kläger schwerwiegend. Der Vorwurf, mit einer schlafenden Frau den Geschlechtsverkehr vollzogen zu haben, hat, wie dargelegt, ein strafbares Verhalten (Verbrechen) zum Gegenstand. Er wiegt umso schwerer, wenn dies gegen den zuvor geäußerten Willen der Frau geschehen ist. Der Vorwurf ist geeignet, den aufgrund der Namensnennung identifizierbaren Kläger in der [X.] "Slam-intern" mit immerhin knapp 600 Teilnehmern zu stigmatisieren und sein Ansehen als erfolgreicher, preisgekrönter [X.] und als Veranstalter von Poetry-Slams erheblich zu beschädigen. Auch in seiner Rolle als Leiter einer [X.] an einem Gymnasium droht ihm ein empfindlicher Vertrauensverlust, sollten die Behauptungen über die [X.] hinaus verbreitet werden.

bb) Andererseits ist es der Kläger, der - bei [X.] der Behauptungen der [X.]n - den Rechtsfrieden gebrochen und die Intimsphäre und das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der [X.]n erheblich verletzt hat. Sein Interesse daran, dass diese seine Tat für sich behalten oder jedenfalls nicht in die Öffentlichkeit der [X.] tragen werde, überwiegt die schutzwürdigen Interessen der [X.]n nicht. Das durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Recht der [X.]n, sich mit ihrem persönlichen Erlebnis an die - ohnehin begrenzte - Öffentlichkeit der Poetry-Slammer in der [X.] zu wenden, ist aufgrund ihrer Opferstellung höher zu veranschlagen als wenn es sich um die Berichterstattung eines [X.] über ein fremdes Schicksal handelte. Dafür, dass sie dies tun und dabei den Kläger als Täter identifizieren durfte, sprechen gewichtige Gründe. Denn das Interesse der [X.] "Slam-intern", über Tat und Täter informiert zu werden, ist auch unabhängig von der in dieser Gruppe geführten Debatte über sexuell grenzüberschreitendes Verhalten in der [X.] schon aufgrund des unmittelbaren Bezugs von Tat und Täter zu dieser Szene als hoch einzustufen: Die Straftat wurde nach einer Poetry-Slam-Veranstaltung von einem erfolgreichen und preisgekrönten [X.] und [X.] begangen. Sie wurde durch die Unterbringung der Teilnehmer der Veranstaltung in einem Mehrbettzimmer begünstigt. Die Tat steht in einem greifbaren Widerspruch zu der Vorbildfunktion, die der Kläger aufgrund seiner hervorgehobenen Stellung in der [X.] hatte. Schon wegen der so gearteten Einbindung von Tat und Täter in die [X.] ist ein Bedürfnis der von der [X.]n angesprochenen [X.] an der Darstellung und Aufarbeitung dieses Geschehens in der Gruppe ersichtlich.

cc) Diesem ohnehin schon als hoch einzustufenden Informationsinteresse ist im Hinblick auf die in der [X.] seit 2018 geführte Debatte, im Rahmen derer die [X.] ihr Erlebnis zeitlich nach den Schilderungen anderer Frauen und dem Beitrag des [X.] gepostet hat, zusätzliches Gewicht beizumessen. Dies gilt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts unabhängig davon, ob die von anderen Frauen im Rahmen dieser Debatte geschilderten Vorfälle durch die Ausnutzung einer Zwangslage oder durch einen strukturellen Machtmissbrauch gekennzeichnet waren und ob dies nach dem Aussagegehalt der streitgegenständlichen Äußerungen der [X.]n auch bei der Tat des [X.] der Fall war. Denn in der Debatte ging es jedenfalls um sexuell grenzüberschreitende Verhaltensweisen von Personen der [X.] und die Aufforderung, hierüber zu reflektieren. So thematisierte nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen tatbestandlichen Feststellungen des [X.] nicht nur das sexistische Verhalten eines Slammasters auf und hinter der Bühne, sondern rief auch dazu auf, darüber nachzudenken, wie innerhalb der [X.] mit Sexismus umgegangen werden solle, wie der Nachwuchs geschützt werden und wie man sich um mehr Respekt gegenüber den persönlichen Grenzen der Mitmenschen bemühen könne. In diese allgemeine Richtung - Verletzung der Grenzen der sexuellen Selbstbestimmung eines anderen und Austausch hierüber - zielte ausweislich seines im Tatbestand des Berufungsurteils in Bezug genommenen Posts auch der Kläger, der dafür plädierte, dass jeder für sich selbst überprüfen müsse, "an welcher Stelle er oder sie sich falsch verhalten" habe, der das Ergebnis seiner eigenen Überprüfung mitteilte, diejenigen, die sich durch ihn verletzt fühlten, aufforderte, das (private) Gespräch mit ihm zu suchen, und seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, "dass wir auf diesem Weg weitermachen, gemeinsam, nicht gespalten, aufarbeiten, versuchen entstandene Verletzungen zu heilen und dass wir uns in Zukunft alle auch in dieser Hinsicht wohler fühlen können." [X.] schilderte sodann in ihrem Post unter anderem einen Vorfall, bei dem der Veranstalter eines Poetry-Slams den Geschlechtsverkehr mit ihr vollzogen habe, als sie geschlafen habe. Als Reaktion auf eben diesen Post erfolgten die Äußerungen der [X.]n mit der Schilderung einer Situation, die aus ihrer Sicht "nahezu identisch" gewesen sei, was jedenfalls hinsichtlich des [X.]s des äußeren Geschehensablaufs zutrifft.

Der Post der [X.]n fügte sich damit zweifellos in das Thema "sexuell grenzüberschreitendes Verhalten innerhalb der [X.]" ein. Auch wenn die in der Debatte bis dahin geschilderten konkreten Vorfälle solche mit Ausnutzung einer Zwangslage oder Machtmissbrauch gewesen sein sollten und nur sie - wie das Berufungsgericht meint - die typischen Merkmale eines "[X.]" erfüllen sollten, luden schon der Post von X., aber auch der Post des [X.] selbst zu einem darüber hinausgehenden Austausch ein. Selbst wenn es an einer solchen Einladung gefehlt hätte und es erst die [X.] gewesen wäre, die mit ihrem Post das Thema von grenzüberschreitendem Verhalten mit Machtmissbrauch auf ein solches ohne Machtmissbrauch erweitert hätte, änderte dies nichts daran, dass nicht nur ihr als Opfer eines sexuellen Übergriffs innerhalb der [X.] ein gewichtiges Äußerungsinteresse innerhalb der [X.] zuzugestehen ist, sondern dass dieses - auch und gerade aufgrund des offenbaren Zusammenhangs mit dem Thema der bis dahin geführten Debatte - von einem berechtigten und gewichtigen Interesse der [X.] an der Information über Tat und Täter flankiert wird.

dd) In der Abwägung ist zugunsten der [X.]n weiter zu berücksichtigen, dass sie ausweislich ihres Posts nicht nur für sich selbst den Zeitpunkt gekommen sah, die "Dinge auf den Tisch zu bringen", sondern auch hoffte, "dass sich auch andere Betroffene trauen, das zu tun", sie seien "nicht allein". Ihr Post war damit geeignet, gesellschaftlicher Tabuisierung sexueller Übergriffe entgegenzuwirken und andere Betroffene zu eigenen Äußerungen und Handlungen zu ermutigen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch [X.]E 97, 391, 407, juris Rn. 56).

ee) Weiter hat sich die [X.] nicht kommentarlos auf die Mitteilung des tatbestandsmäßigen [X.]geschehens des sexuellen Missbrauchs einer schlafenden Person beschränkt, sondern auch ihre eigene Rolle in dem Geschehen offengelegt (Einverständnis, das Einzelbett mit dem Kläger zu teilen, [X.] nach dem Aufwachen) und sich damit kritisch auseinandersetzt ("dumme Idee", "irrwitzigen Gedanken"). Sie hat ergänzt, dass sie sich durch den Vorfall nicht traumatisiert sehe, ferner, dass der Kläger von sich aus das Gespräch gesucht und sich bei ihr für den Vorfall entschuldigt und ihre Sicht der Dinge erfragt habe. Damit hat sie Umstände aufgezeigt, die geeignet sind, sich mildernd auf die Ansehensminderung des [X.] auswirken.

ff) Ob der Zeitablauf zwischen dem Geschehen und der Veröffentlichung desselben in die Abwägung auch dann einzubeziehen ist, wenn es nicht um eine Presseberichterstattung (vgl. hierzu nur Senatsurteil vom 18. Juni 2019 - [X.]/18, [X.]Z 222, 196 Rn. 22 [X.]), sondern um den Bericht des Opfers selbst geht, kann hier dahinstehen. Denn seit dem Aufflammen der Debatte über sexuelle Übergriffe in der [X.] im Jahr 2018 gab es jedenfalls einen aktuellen Anlass für die öffentliche Aufarbeitung diesbezüglicher Ereignisse aus der Vergangenheit. Wie auch das Berufungsgericht grundsätzlich einräumt, ist ein Bedürfnis der Opfer anzuerkennen, das Erlebte auch nach Jahren aufzuarbeiten und sich hierzu zu äußern.

gg) Nicht zuletzt ist in der Abwägung zu berücksichtigen, dass der Kläger sich selbst in die Debatte eingeschaltet und erklärt hat, er habe sich nie wissentlich über ein "Nein" oder ein "Stopp" hinweggesetzt, und zu verstehen gegeben hat, dass er auf grenzüberschreitendes Verhalten (in privaten Gesprächen) hingewiesen werden wolle. Angesichts der hier als wahr zu unterstellenden Straftat musste er mit einer Reaktion seines Opfers rechnen, auch damit, dass sich dessen Reaktion nicht auf ein privates Gespräch beschränken und sein Ansehen in der [X.] mindern würde. Zugleich gab ihm der Post der [X.]n die Möglichkeit, hierauf zu antworten und seine Sicht der Dinge darzustellen. Da die Äußerungen der [X.]n in einer geschlossenen [X.] erfolgten und sich ihr unmittelbarer Wirkungsgrad auf diese beschränkte, bestanden für den Kläger gute Chancen, dass eine Reaktion seinerseits von den Mitgliedern der [X.] zur Kenntnis genommen werden würde.

I[X.]

Auch die Äußerungen "Ich weiß, dass er wohl mehrere angerufen hat. Und sich wohl behandeln lässt" verletzen den Kläger nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

1. Diese Äußerungen sind in dem Kontext des Posts dahingehend zu verstehen, dass der Kläger sein Verhalten nicht nur gegenüber der [X.]n, sondern auch gegenüber anderen Personen hinterfragt und als möglicherweise grenzüberschreitend erkannt und deswegen diese Personen angerufen haben soll; ferner, dass er sich wegen seines grenzüberschreitenden Verhaltens gegenüber der [X.]n und möglicherweise auch gegenüber anderen Personen in Behandlung begeben hat. Trotz der Einleitung "ich weiß" wird durch den Zusatz "wohl" und durch den weiteren Satz "Ich weiß auch nicht, ob dem tatsächlich so ist" deutlich, dass die [X.] hierzu (naturgemäß) keine Erkenntnisse aus eigener Wahrnehmung, sondern nur vom [X.] hat.

2. Ein Anspruch auf Unterlassung der Äußerung "Ich weiß, dass er wohl mehrere angerufen hat" scheitert an der Selbstöffnung des [X.].

a) In der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt, dass der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme dort entfallen kann, wo sich der Betroffene selbst damit einverstanden gezeigt hat, dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden; die Erwartung, dass die Umwelt die Angelegenheiten oder Verhaltensweisen in einem Bereich mit Rückzugsfunktion nur begrenzt oder nicht zur Kenntnis nimmt, muss situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck gebracht werden (vgl. nur Senatsurteil vom 14. Dezember 2021 - [X.], [X.], 449 Rn. 16 [X.]).

b) Ein solcher Fall der Selbstöffnung liegt hier vor. Nach dem vom Berufungsgericht tatbestandlich in Bezug genommenen Post des [X.] hat dieser selbst zuvor öffentlich gemacht, er habe "vor ein paar Jahren angefangen, zu überprüfen, an welchen Stellen" er sich "falsch verhalten habe, und begonnen aufzuarbeiten, zu verstehen, was schief gelaufen" sei, und "es abgestellt". Er bitte diejenigen, die ihn "in grenzüberschreitender Weise empfunden" hätten und mit denen es noch nicht zu einem Gespräch gekommen sei, sich bei ihm privat zu melden, damit sie "offen darüber reden" könnten. Dies impliziert, dass der Kläger bereits Gespräche mit Personen über möglicherweise grenzüberschreitendes Verhalten seinerseits geführt hat. Mit dem weiteren Satz: "Ich bin nie wissentlich über ein 'Nein' oder 'Stopp' oder ähnliches hinweggegangen, ich habe aber sicher ein paar Situationen und ganz allgemein Nähe auf der eigenen Suche nach Nähe und Zuneigung falsch eingeschätzt und war zu sehr im eigenen Tunnel, um richtig wahrzunehmen und klar zu sehen" hat der Kläger Fehlverhalten jedenfalls in Ansätzen eingeräumt. Da die Äußerung der [X.]n, der Kläger habe "wohl mehrere angerufen" auch in dem Kontext, in dem sie gefallen ist, keinerlei Aussage dazu trifft, welche Qualität das von ihm selbst als problematisch erkannte Verhalten gegenüber anderen Personen hatte, geht sie insoweit über den Aussagegehalt des Posts des [X.] nicht hinaus.

3. [X.] "Und er sich wohl behandeln lässt", greift in das Recht des [X.] auf Achtung der Privatsphäre ein. Der Eingriff ist aber nicht rechtswidrig.

a) Das durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 [X.] gewährleistete (vgl. nur Senatsurteile vom 10. November 2020 - [X.]/17, [X.], 32 Rn. 15; vom 26. November 2019 - [X.], [X.], 149 Rn. 13) Recht auf Achtung der Privatsphäre gesteht jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zu, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Dazu gehört auch das Recht, für sich zu sein, sich selbst zu gehören und den Einblick durch andere auszuschließen. Thematisch umfasst der Schutz der Privatsphäre insbesondere Angelegenheiten, die wegen ihres [X.] typischerweise als "privat" eingestuft werden, etwa weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst (vgl. nur Senatsurteil vom 14. Dezember 2021 - [X.], [X.], 449 Rn. 14 [X.]). Dies ist bei einer Information darüber, dass sich eine namentlich benannte Person wegen ihres sexuell grenzüberschreitenden Verhaltens in Behandlung begeben habe, ohne Weiteres der Fall. Betroffen ist insoweit der innere Bereich der Privatsphäre (vgl. Senatsurteil vom 14. Dezember 2021 - [X.], [X.], 449 Rn. 13).

Nicht berührt ist dagegen die absolut geschützte Intimsphäre des [X.]. Wie oben ([X.]) ausgeführt, zählt die Begehung einer Sexualstraftat nicht zur Intimsphäre des [X.]. Dies gilt auch für die weiteren Umstände der Tat, etwa die Beziehung des [X.] zu seinem Opfer ([X.], [X.], 365 Rn. 26), sowie für sonstige Gesichtspunkte, die einen unmittelbaren Bezug zu der Sexualstraftat aufweisen (vgl. Senatsurteil vom 19. März 2013 - [X.], [X.], 250 Rn. 15, 24 f.). Da die Mitteilung der [X.]n, der Kläger habe sich nach der von ihr geschilderten Sexualstraftat wegen seines von ihm selbst als problematisch erkannten Verhaltens in Behandlung begeben, einen unmittelbaren Bezug zu der Tat aufweist, greift sie nicht in die Intimsphäre des [X.] ein.

b) Der Eingriff in die innere Privatsphäre des [X.] ist nicht rechtswidrig. Das Schutzinteresse des [X.] überwiegt das durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 [X.] geschützte Recht auf Meinungsfreiheit der [X.]n nicht.

aa) Auch hier ist das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 [X.] gewährleistete Interesse des [X.] am Schutz seines Persönlichkeitsrechts mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 [X.] verankerten Recht der [X.]n auf Meinungsfreiheit abzuwägen. Da die Äußerung die Privatsphäre betrifft, ist von entscheidender Bedeutung, ob sie sich durch ein berechtigtes Informationsinteresse rechtfertigen lässt (vgl. Senatsurteile vom 14. Dezember 2021 - [X.], [X.], 449 Rn. 19; vom 10. November 2020 - [X.]/17, [X.], 32 Rn. 22; vom 29. November 2016 - [X.], NJW 2017, 1550 Rn. 16; [X.], [X.]E 99, 185, 196 f.).

bb) Dies ist hier der Fall. Zwar haben konkrete Informationen über den (körperlichen oder geistigen) Gesundheitszustand einer anderen Person in der Öffentlichkeit regelmäßig nichts zu suchen (vgl. Senatsurteil vom 14. März 2023 - [X.] 338/21, NJW 2023, 2479 Rn. 41). Dasselbe gilt grundsätzlich für Äußerungen darüber, dass und weshalb sich eine andere Person ärztlich oder therapeutisch behandeln lässt. Der hier zu beurteilende Einzelfall weist aber die Besonderheit auf, dass die Information darüber, dass sich der Kläger wegen seines sexuell grenzüberschreitenden Verhaltens behandeln lasse, im unmittelbaren Zusammenhang mit der Straftat des [X.] steht, über die die [X.] als Opfer berichtet hat und berichten durfte (s.o. [X.]). Sie enthält weitere Aspekte der Opferperspektive auf das Geschehen und rundet den [X.] ab. So trägt es zur Glaubhaftigkeit der Tatschilderung des Opfers bei, wenn der Täter sein Verhalten im Nachhinein als problematisch und sich selbst deshalb als behandlungsbedürftig erkannt hat. Zudem kann der Umstand, dass der Täter sein Verhalten nunmehr hinterfragt und professionelle Hilfe in Anspruch nimmt, diesen in einem günstigeren Licht erscheinen lassen. Die Information, die die [X.] ihrem Post zufolge nicht "vorenthalten" wollte und die somit auch aus ihrer Sicht als Opfer erwähnenswert erscheint, vervollständigt den Bericht hinsichtlich der Konsequenzen, die der Täter bislang aus seiner Tat gezogen hat. Daran hat die [X.] "Slam-Intern" ein ebenso berechtigtes Interesse wie an der Mitteilung der Tat selbst. Zugleich ist die Information geeignet, die Intensität des Eingriffs in die Ehre des [X.], die aus der - berechtigten - Schilderung der Straftat resultiert, abzumildern. Da Art und Inhalt der Behandlung nicht mitgeteilt werden, die Äußerung insoweit also substanzarm bleibt, wiegt zudem der Eingriff in das Recht auf Achtung der Privatsphäre nicht besonders schwer. Unter diesen besonderen Umständen ist somit auch die - hier als wahr zu unterstellende - Behauptung, der Kläger lasse sich behandeln, zulässig.

II[X.]

Nach der Zurückverweisung der Sache wird das Berufungsgericht die Feststellungen zur Frage der Wahrheit der angegriffenen Tatsachenbehauptungen nachzuholen und sich mit den diesbezüglichen Beweisanträgen der [X.]n zu befassen haben (zur Beweislast vgl. Senatsurteil vom 10. Dezember 2012 - [X.] 314/10, [X.], 57 Rn. 15 [X.]; [X.]E 114, 339, 352, juris Rn. 42). Bei der von der Entscheidung über die [X.] abhängigen Entscheidung über die Abmahnkosten wird es gegebenenfalls die von den Parteien hierzu im [X.] vorgetragenen Argumente zu berücksichtigen haben.

[X.]     

      

Müller     

      

Allgayer

      

Böhm     

      

Linder     

      

Meta

VI ZR 192/22

17.10.2023

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 9. Juni 2022, Az: 16 U 281/20

Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 5 Abs 1 GG, § 823 Abs 1 BGB, § 1004 Abs 1 S 2 BGB, Art 8 Abs 1 MRK, Art 10 MRK

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.10.2023, Az. VI ZR 192/22 (REWIS RS 2023, 8040)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8040

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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