Bundessozialgericht, Urteil vom 06.07.2022, Az. B 5 R 41/21 R

5. Senat | REWIS RS 2022, 6648

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Gegenstand

Berechnung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung - Berücksichtigung von Entgeltpunkten bei einer Tätigkeit an verschiedenen Orten im Beitrittsgebiet ohne eine feste Arbeitsstätte und Sitz des Arbeitgebers in den alten Bundesländern


Leitsatz

1. Ob Entgeltpunkte (Ost) für Zeiten mit Beiträgen für eine Beschäftigung im Beitrittsgebiet anzusetzen sind, bestimmt sich nach dem Beschäftigungsort.

2. Ist eine feste Arbeitsstätte nicht vorhanden und wird die Beschäftigung an verschiedenen Orten ausgeübt, ist Beschäftigungsort der Ort, an dem der Betrieb seinen Sitz hat.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 3. November 2020 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Überprüfungsverfahren darüber, ob der Berechnung der Regelaltersrente des [X.] für die Beitragszeit vom 19.6.1990 bis zum [X.] Entgeltpunkte (Ost) zugrunde zu legen sind.

2

Der im Dezember 1949 geborene Kläger war ab dem 19.6.1990 zunächst bei der [X.] und nach einer Betriebsübernahme ab dem [X.] bis zum [X.] bei der [X.] versicherungspflichtig beschäftigt. Seine Tätigkeit bestand im Aufstellen und Betreuen von Zigarettenautomaten in der [X.] und [X.]. Beide Arbeitgeber hatten ihren Sitz in [X.] ([X.]).

3

Mit Bescheid vom 25.2.2015 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Regelaltersrente und berücksichtigte bei der Rentenberechnung Entgeltpunkte für Pflichtbeitragszeiten auch für den Zeitraum vom 19.6.1990 bis zum [X.]. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte wegen fehlender Begründung mit Widerspruchsbescheid vom 16.6.2015 zurück. Den Antrag des [X.] vom 17.7.2015 auf Überprüfung der Rentenberechnung, weil er durchgängig in den neuen Bundesländern gearbeitet habe, lehnte die Beklagte ab. Die Beiträge für den streitbefangenen Zeitraum seien nach Mitteilung der [X.] als der zuständigen Einzugsstelle dem "[X.] [X.]" zuzuordnen (Bescheid vom 6.4.2016; Widerspruchsbescheid vom 29.6.2016).

4

Das Klageverfahren ist erfolgreich gewesen. Das [X.] hat die Beklagte unter Aufhebung ihrer Verwaltungsentscheidung verpflichtet, den [X.] vom 25.2.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.6.2015 dahingehend zu ändern, dass für die [X.] vom 19.6.1990 bis zum [X.] Entgeltpunkte (Ost) zu berücksichtigen sind. Es lägen Pflichtbeiträge für eine Beschäftigung im Beitrittsgebiet vor. Dafür sei bei Außendienstmitarbeitern maßgeblich, wo sie ihre Tätigkeit tatsächlich verrichteten (Gerichtsbescheid vom 3.7.2019). Auf die Berufung der Beklagten hat das L[X.] die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Beschäftigungsort bestimme sich nach § 9 [X.]B IV. Danach sei Beschäftigungsort hier der Sitz des Arbeitgebers in [X.] ([X.]), weil keine feste Arbeitsstätte vorhanden gewesen und die Beschäftigung an verschiedenen Orten ausgeübt worden sei (Urteil vom 3.11.2020).

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 254d Abs 1 Nr 1 [X.]B VI und § 9 [X.]B IV. Er habe seine Tätigkeit ausschließlich im Beitrittsgebiet ausgeübt. Der Beschäftigungsort iS von § 9 [X.]B IV sei nicht maßgebend. Die Vorschrift sei schon nicht einschlägig. Sie regele primär die örtliche Zuständigkeit von Sozialversicherungsträgern. § 254d Abs 1 Nr 1 [X.]B VI nehme sie auch nicht in Bezug.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 3. November 2020 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des [X.] vom 3. Juli 2019 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie ist der Auffassung, das L[X.] habe zu Recht auf den Beschäftigungsort iS von § 9 [X.]B IV abgestellt. Für den Anwendungsbereich des § 254d Abs 1 Nr 1 [X.]B VI könne nichts anderes gelten als für andere Vorschriften des Versicherungs-, Beitrags- und Rentenrechts. Die Vorschrift enthalte keine Sonderregelung zur Ermittlung des Beschäftigungsortes. Der Arbeitgeber habe die Beitragszeiten zum Rechtskreis [X.] gemeldet und die Einzugsstelle habe dies nicht beanstandet.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des [X.] hat in der Sache keinen Erfolg (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).

1. Nach Schließung des 13. Senats gemäß § 202 Satz 1 SGG iVm § 130 Abs 1 Satz 2 GVG (Erlass des [X.] vom [X.]) ist die Zuständigkeit für die Streitsache gemäß Geschäftsverteilungsplan (Stand 1.7.2021) auf den 5. Senat übergegangen. Die nach Zulassung durch den 13. Senat (Beschluss vom [X.] R 305/20 B) statthafte Revision (§ 160 Abs 1 SGG) ist zulässig erhoben und genügt den Anforderungen an eine formgerechte Begründung iS des § 164 Abs 2 Satz 1 und Satz 3 SGG (vgl dazu BSG Beschluss vom 13.6.2018 - [X.] 1/17 - BSGE 127, 133 = [X.] 4-1500 § 164 Nr 9).

2. Gegenstand der revisionsrechtlichen Überprüfung ist im Verfahren nach § 44 [X.] das klägerische Begehren, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] zu verpflichten, den bestandskräftigen [X.] vom 25.2.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.6.2015 zu ändern, einen Rentenwert unter Berücksichtigung von Entgeltpunkten ([X.]) für den [X.]raum vom 19.6.1990 bis zum [X.] festzusetzen sowie die Beklagte zu verurteilen, entsprechend höhere monatliche Beträge zu zahlen. Dafür war nach § 54 Abs 1 und 4 SGG eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage zu erheben (vgl [X.] vom 24.4.2014 - B 13 R 3/13 R - [X.] 4-1300 § 44 [X.] Rd[X.]3).

Die Klage ist zulässig erhoben, insbesondere fehlt dem Kläger nicht die notwendige Klagebefugnis für die begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Änderung des [X.] vom 25.2.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.6.2015. Zwar haben die Tatsachengerichte keine Vergleichsberechnung dahingehend vorgenommen, in welchem Umfang die begehrten Entgeltpunkte ([X.]) bei Anwendung des aktuellen Rentenwerts ([X.]) zu einer höheren Rente führen würden. Gleichwohl erscheint nicht ausgeschlossen, dass dem Kläger aufgrund des [X.] iS des § 44 Abs 1 Satz 1 [X.] Rentenleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Mit den im Versicherungsverlauf gespeicherten Entgelten lag der Kläger weit unter den für das Beitragsgebiet bestimmten Beitragsbemessungsgrenzen (Anlage 2a des [X.]), sodass er bei Anwendung des § 256a Abs 1 Satz 1 [X.] nach Vervielfältigung seines Verdienstes mit den Werten der Anlage 10 des [X.] von höheren Entgeltpunkten ([X.]) profitieren könnte (vgl dazu auch [X.] Urteil vom 14.8.2020 - L 5 R 4087/18 - juris Rd[X.]3).

Auch darüber hinaus stehen einer Sachentscheidung des Senats keine verfahrensrechtlichen Hindernisse entgegen. Die [X.] war nicht notwendig nach § 75 Abs 2 Alt 1 SGG zum Verfahren beizuladen (zu den Voraussetzungen für eine Beiladung vgl ua [X.] vom 16.12.2014 - B 1 KR 31/13 R - [X.], 40 = [X.] 4-2500 § 51 [X.], Rd[X.]3 mwN). Über das Begehren des [X.] kann entschieden werden, ohne dass dadurch zugleich in die Rechtssphäre der früheren Einzugsstelle unmittelbar eingegriffen würde. Die [X.] hat keine Entscheidung nach § 28h Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 [X.] getroffen (vgl dazu [X.] vom 23.9.2003 - B 12 RA 3/02 R - [X.] 4-2400 § 28h [X.]). Die früheren Arbeitgeber des [X.] zahlten bei unstreitiger Versicherungs- und Beitragspflicht sowie Beitragshöhe die Gesamtsozialversicherungsbeiträge ohne vorherige Entscheidung der Einzugsstelle (vgl [X.] vom [X.] R 14/19 R - [X.], 86 = [X.] 4-2600 § 212a [X.], Rd[X.]7). Bei der Frage, ob Entgeltpunkte ([X.]) zu berücksichtigen sind, geht es allein um die rentenrechtliche Bewertung der Entgelte.

3. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] und auf Verpflichtung der Beklagten, den bestandskräftigen [X.] vom 25.2.2015 zu ändern. Die Beklagte hat zutreffend die Pflichtbeitragszeiten vom 19.6.1990 bis zum [X.] mit Entgeltpunkten bewertet und die Sonderregelung des § 254d [X.] für Entgeltpunkte ([X.]) nicht angewendet.

Nach § 44 Abs 1 Satz 1 [X.] ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich - unter anderem - im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt worden ist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der [X.] vom 25.2.2015 war bei seinem Erlass, dh zum [X.]punkt der Bekanntgabe iS von § 37 [X.] rechtmäßig. Die Beklagte hat der Rentenberechnung für die Beschäftigung in der [X.] vom 19.6.1990 bis zum [X.] rechtmäßig keine Entgeltpunkte ([X.]) zugrunde gelegt.

Nach § 254d Abs 1 [X.] [X.] in der hier einschlägigen, ab dem [X.] geltenden Fassung des [X.] für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen und zur Änderung anderer Gesetze vom [X.] ([X.] 2940) treten Entgeltpunkte ([X.]) an die Stelle der ermittelten Entgeltpunkte für [X.]en mit Beiträgen für eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit im Beitrittsgebiet. Beitrittsgebiet ist gemäß § 18 Abs 3 [X.] das in Art 3 des [X.] ([X.]I 889) genannte Gebiet. Für [X.]en mit Beiträgen für eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit in diesem Gebiet bestimmt § 254d Abs 1 [X.] [X.] als Rechtsfolge, dass der Rentenberechnung nach § 64 [X.] Entgeltpunkte ([X.]) zugrunde zu legen sind. Eine Regelung zur örtlichen Bestimmung des Beschäftigungs- oder Tätigkeitsortes enthält die Vorschrift selbst nicht. Das [X.] hat daher zu Recht den Beschäftigungsort nach den allgemeinen, auch für die gesetzliche Rentenversicherung maßgeblichen Vorgaben in § 9 [X.] bestimmt.

Nach § 9 Abs 1 [X.] ist Beschäftigungsort der Ort, an dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird. Dieser Grundsatz wird in den nachfolgenden Absätzen 2 bis 6 des § 9 [X.] für bestimmte Fälle modifiziert und es werden fiktive (rechtliche) Beschäftigungsorte festgelegt (vgl [X.] vom [X.] - [X.] 2200 § 234 [X.]). Für den Fall, dass eine feste Arbeitsstätte nicht vorhanden ist und die Beschäftigung an verschiedenen Orten ausgeübt wird, gilt nach § 9 Abs 5 [X.] als Beschäftigungsort der Ort, an dem der Betrieb seinen Sitz hat (zum Beschäftigungsort eines Verkaufsförderers vgl auch [X.] [X.] Urteil vom 17.3.2004 - L 5 RA 53/03). Das war hier nach den für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) der Fall. Ebenfalls bindend festgestellt hat das [X.] als Betriebssitz der Arbeitgeber in dem streitbefangenen [X.]raum jeweils [X.] (West).

Die gemeinsamen Vorschriften für die Sozialversicherung gelten auch für die gesetzliche Rentenversicherung (§ 1 Abs 1 Satz 1 [X.]). Angesichts dieser generellen Geltungsanordnung bedarf es keiner ausdrücklichen Bezugnahme in § 254d [X.], um die Anwendbarkeit einer Vorschrift des [X.] zu begründen. Es hätte vielmehr umgekehrt klarer Hinweise bedurft, wenn § 9 [X.] in diesem Zusammenhang keine Anwendung finden sollte. § 9 [X.] dient auch nicht nur der Abgrenzung der örtlichen Zuständigkeit der Sozialversicherungsträger. Die Vorschrift findet gleichermaßen im materiellen Recht Anwendung, insbesondere im Rahmen der Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung nach § 3 [X.] [X.] (zum Beschäftigungsort im Ausland vgl [X.] vom 10.8.1999 - B 2 U 30/98 R - [X.] 3-2400 § 4 [X.]). Die Regelungen in § 9 [X.] dienen - ebenso wie im hiesigen Zusammenhang etwa § 18 Abs 3 [X.] - zur Konkretisierung der in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung verwendeten Begriffe. Insofern determinieren sie mittelbar auch das Leistungsrecht. So hat das BSG die Frage, ob Beitragszeiten im Geltungsbereich der [X.] zurückgelegt wurden, anhand von § 153 [X.], der Vorgängervorschrift zu § 9 [X.], entschieden (vgl [X.] vom [X.] - [X.] [X.] R - juris Rd[X.]2). Dies korrespondiert mit der Rechtsprechung zu Leistungsansprüchen nach dem Recht der Arbeitsförderung. Das BSG knüpft etwa für die Bestimmung des Ortes einer selbstständigen Tätigkeit an § 9 [X.] an (vgl zum früheren Existenzgründungszuschuss [X.] vom [X.] [X.] 22/07 R - [X.], 224 = [X.] 4-4300 § 421l [X.], Rd[X.]7). Bei den Sonderregelungen im [X.] zur Anwendung der Bezugsgröße für das Beitrittsgebiet nimmt das BSG ebenfalls zum Begriff "Beschäftigungsort" die Vorschrift des § 9 [X.] in Bezug (vgl [X.] vom 25.8.2011 - B 11 [X.] 13/10 R - [X.] 4-4300 § 132 [X.] Rd[X.]6; [X.] vom [X.] - B 7 [X.] 49/08 R - [X.] 4-4300 § 122 [X.] Rd[X.]9).

Auch in den Gesetzesmaterialien zu § 254d [X.] finden sich Anhaltspunkte für eine Anknüpfung an § 9 [X.]. Durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung ([X.]) vom [X.] ([X.] 554) wurde § 254d Abs 3 Satz 1 [X.] aF zum 1.1.2010 aufgehoben. Nach dieser Vorschrift galten für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente die für diesen Kalendermonat ermittelten Entgeltpunkte ([X.]) als Entgeltpunkte, wenn im selben Kalendermonat bereits Entgeltpunkte vorlagen. Diese Regelung wurde als unbefriedigend erachtet. Deshalb sollten zukünftig die Entgeltpunkte auch innerhalb eines Kalendermonats "in Abhängigkeit vom Beschäftigungsort" ermittelt werden (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der [X.] und [X.] zum [X.], BT-Drucks 16/3794 [X.]). Nach welchen Kriterien der Beschäftigungsort zu ermitteln ist, bestimmt sich allgemein nach § 9 [X.].

Soweit der Kläger damit argumentiert, dass § 254d Abs 1 [X.] [X.] wie § 228a Abs 1 Satz 1 [X.] auszulegen sei, geht er zu Recht davon aus, dass eine einheitliche Rechtsanwendung geboten ist. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die möglicherweise unterschiedliche Beitragsbemessungsgrundlage bei Anwendung der Beitragsbemessungsgrenze ([X.]). Ein tragfähiger Einwand gegen eine Anwendung des § 9 [X.] für die Bestimmung des nach § 254d [X.] maßgeblichen Beschäftigungsortes ergibt sich hieraus nicht.

Die Anwendung des § 9 [X.] steht grundsätzlich auch im Einklang mit Sinn und Zweck des § 254d Abs 1 [X.] [X.]. Diese Vorschrift soll dazu dienen, dass Beitragszeiten im Beitrittsgebiet auf [X.] werden. Dazu werden gemäß § 256a Abs 1 Satz 1 [X.] für die Ermittlung der Entgeltpunkte ([X.]) Verdienste im Beitrittsgebiet mithilfe eines in der Anlage 10 des [X.] festgelegten Faktors umgerechnet und erst danach dem versicherten Durchschnittsentgelt in den alten Bundesländern (Anlage 1 des [X.]) gegenübergestellt (zum Verfahren im Einzelnen vgl [X.] vom [X.] - [X.] 4-2600 § 255a [X.] Rd[X.]9). Das geringere Lohnniveau in den neuen Bundesländern soll sich nicht in der späteren Rente verfestigen (vgl zuletzt Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Gesetz über den Abschluss der Rentenüberleitung - Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz, BT-Drucks 18/11923 [X.]). In dem von § 9 Abs 1 [X.] erfassten Regelfall ist Beschäftigungsort der Ort, an dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird. Liegt dieser Ort im Beitrittsgebiet, entspricht dies wiederum dem Regelfall des § 254d Abs 1 [X.] [X.], für den das geringere Lohnniveau im Beitrittsgebiet ausgeglichen werden soll.

Dass die Anwendung der Sondervorschrift des § 9 Abs 5 [X.] im Einzelfall dazu führen kann, dass ein Versicherter zwar ausschließlich im Beitrittsgebiet tätig ist, jedoch die Beschäftigung dem Rechtskreis West zugeordnet wird, weil sein Arbeitgeber in einem der alten Bundesländer seinen Sitz hat, ist Folge der Besonderheit einer Beschäftigungsausübung an verschiedenen Orten. § 9 Abs 5 [X.] trägt dem Umstand Rechnung, dass eine eindeutige örtliche Zuordnung der Beschäftigung in solchen Konstellationen praktisch nicht erfolgen kann, im Interesse der Rechtssicherheit aber zumindest fiktiv erforderlich ist. Würde bei Tätigkeiten, die an verschiedenen Orten erbracht werden, nicht auf den Betriebssitz, sondern auf den Ort der jeweiligen Arbeitsleistung abgestellt, wäre die Zuordnung von Entgeltpunkten oder Entgeltpunkten ([X.]) in vielen Fällen erschwert oder kaum möglich, etwa wenn die Beschäftigung in zeitlich kurzen Abständen an wechselnden Orten im alten [X.] und im Beitrittsgebiet ausgeübt wird. Das Ineinandergreifen der speziellen Vorschrift des § 254d [X.] und der allgemeinen Vorschrift des § 9 [X.] wird durch mögliche Unzuträglichkeiten im Einzelfall nicht in Frage gestellt. Die Anwendung - auch - des § 9 Abs 5 [X.] dient der Rechtssicherheit und Praktikabilität bei der Bearbeitung von [X.] im Rahmen der leistenden Massenverwaltung, der die gesetzliche Rentenversicherung zuzurechnen ist (vgl zu diesem Aspekt [X.] vom [X.] R 5/20 R - [X.], 202 = [X.] 4-2600 § 88 [X.], Rd[X.]0).

Die Anknüpfung an den Sitz des Betriebes in diesen Fällen dürfte im Übrigen vielfach der Rechtsanwendung im Tarifrecht entsprechen. Wenn nämlich eine tarifliche Regelung zum räumlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages (Tarifgeltung [X.]/West) fehlt und zB ein Monteur oder ein angestellter Handelsvertreter seine Arbeitsleistung außerhalb des "eigentlichen" Tarifgebiets erbringt, wird zur Bestimmung des einschlägigen Tariflohns regelmäßig ebenfalls auf den Betriebssitz abgestellt (vgl [X.], [X.]-Tarife oder [X.]? - Ein kollisionsrechtliches Problem, [X.] 1991, 1622, 1623 mwN; vgl auch [X.] Urteil vom [X.] - 6 [X.] - juris Rd[X.]4).

4. [X.] beruht auf § 193 SGG.

[X.]                [X.]

Meta

B 5 R 41/21 R

06.07.2022

Bundessozialgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Dresden, 3. Juli 2019, Az: S 22 R 989/16, Gerichtsbescheid

§ 9 Abs 1 SGB 4, § 9 Abs 5 SGB 4, § 254d Abs 1 Nr 1 SGB 6, § 256a Abs 1 S 1 SGB 6, Anl 10 SGB 6

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 06.07.2022, Az. B 5 R 41/21 R (REWIS RS 2022, 6648)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6648

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