Bundessozialgericht, Urteil vom 25.08.2011, Az. B 11 AL 13/10 R

11. Senat | REWIS RS 2011, 3736

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Gegenstand

Arbeitslosengeld - fiktive Bemessung unter Berücksichtigung der Bezugsgröße West - Vermittlungsbemühung im Bundesgebiet - Anspruchsentstehung - Revisionsverfahren - Änderungsbescheid


Leitsatz

Bei fiktiver Bemessung des Arbeitslosengelds aufgrund Fehlens von ausreichenden Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt im Bemessungszeitraum ist nicht die Bezugsgröße, die für den Ausbildungs- oder Wohnort galt (Bezugsgröße Ost), sondern die Bezugsgröße West zugrunde zu legen (Anschluss an und Fortführung von BSG vom 18.5.2010 - B 7 AL 49/08 R = SozR 4-4300 § 122 Nr 8).

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 29. April 2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Arbeitslosengeld dem Kläger auch für die [X.] vom 1. Januar 2008 bis 16. März 2008 nach einem Bemessungsentgelt von 98,00 Euro (täglich) zu zahlen ist.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Revisionsverfahren (nur) noch darüber, ob dem Kläger für die [X.] vom 1.10.2007 bis 16.3.2008 höheres Arbeitslosengeld ([X.]) unter Zugrundelegung der Bezugsgröße West zusteht.

2

Der 1980 geborene Kläger (ledig, keine Kinder, Lohnsteuerklasse I) absolvierte in der [X.] von August 2001 bis Juni 2004 eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Vom 1.10.2004 bis 30.9.2007 studierte er an der [X.] Das Studium schloss er als "Diplom-Betriebswirt (Berufsakademie) - Dipl.-Betriebswirt ([X.])" in der Studienrichtung Bauwirtschaft ab. Während seines Studiums absolvierte er in [X.] eine betriebliche Berufsausbildung, für die keine Ausbildungsvergütung vereinbart und auch tatsächlich nicht gezahlt wurde. Vielmehr wurden lediglich während der gesamten Dauer des Ausbildungsvertrags für den Kläger Beiträge zur Arbeitslosenversicherung unter Zugrundelegung eines Arbeitsentgelts in Höhe von 1 % der Bezugsgröße (vgl § 342 [X.] <[X.]>) entrichtet.

3

Auf seinen Antrag vom 27.9.2007 gewährte die Beklagte dem Kläger [X.] ab 1.10.2007 bis 16.3.2008 unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts von 22,59 Euro (täglich) entsprechend der tariflichen Ausbildungsvergütung vergleichbarer Auszubildender (drittes Ausbildungsjahr, West). Der tägliche [X.] belief sich auf 10,71 Euro (Bescheid vom 8.10.2007; Widerspruchsbescheid vom 30.10.2007).

4

Das Sozialgericht (SG) hat mit Gerichtsbescheid vom 14.10.2008 die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger [X.] auf der Grundlage einer fiktiven Bemessung nach § 132 [X.] zu gewähren. Das [X.] ([X.]) hat mit Urteil vom [X.] die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf die Anschlussberufung des [X.] und seine weitergehende Klage die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide (einschließlich des Änderungsbescheids vom 28.2.2008) verurteilt, dem Kläger bei Zuordnung zur Qualifikationsgruppe I [X.] vom 1.10.2007 bis 16.3.2008 auf der Grundlage einer fiktiven Bemessung nach § 132 Abs 2 Satz 2 Nr 1 [X.] und unter Heranziehung der Bezugsgröße West zu gewähren. Zur maßgeblichen Bezugsgröße hat das [X.] ausgeführt, § 408 [X.] sei für den Kläger nicht einschlägig. Laut dieser Vorschrift sei zwar die Bezugsgröße für das in Art 3 des [X.] genannte Gebiet (Beitrittsgebiet) maßgebend, wenn der Beschäftigungsort im Beitrittsgebiet liege, soweit Vorschriften dieses Gesetzbuchs (des [X.]) bei Entgelten an die Bezugsgröße anknüpfen. § 408 Nr 1 [X.] stelle jedoch erkennbar auf das Entgelt aus einer ausgeübten Beschäftigung ab, was durch die Bezugnahme auf den konkreten Beschäftigungsort (§ [X.] ) deutlich werde. Die Vorschrift sei folglich bei der vorliegenden Fallgestaltung einer fiktiven Bemessung weder direkt noch analog anwendbar, zumal bei einem Arbeitslosen, der keinerlei Einschränkungen seiner Verfügbarkeit geltend gemacht habe. Dem Wohnsitz eines Arbeitslosen könne keine zwangsläufige Bedeutung zugemessen werden, wenn er sich für Vermittlungsbemühungen im gesamten [X.] zur Verfügung stelle. Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus § 121 Abs 4 [X.]. Diese Vorschrift regele nur, welche [X.] einem Arbeitslosen zumutbar sei. Dies schließe nicht aus, dass er eine Arbeit außerhalb des zumutbaren [X.]s aufnehmen dürfe. Dem Kläger stehe daher für die [X.] vom 1.10. bis 31.12.2007 [X.] unter Zugrundelegung eines täglichen Arbeitsentgelts in Höhe von (einem Dreihundertstel der Bezugsgröße West <29 400,00 Euro> =) 98,00 Euro und für die [X.] vom 1.1. bis 16.3.2008 [X.] unter Zugrundelegung eines täglichen Arbeitsentgelts in Höhe von (einem Dreihundertstel der Bezugsgröße West <29 829,00 Euro> =) 99,40 Euro zu.

5

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte - nachdem sie mit Änderungsbescheid vom [X.] für die [X.] vom 1.10.2007 bis 16.3.2008 [X.] auf der Grundlage einer fiktiven Bemessung nach § 132 Abs 2 Satz 2 Nr 1 [X.] unter Heranziehung der Bezugsgröße Ost gewährt und insoweit ihre Revision zurückgenommen hat - nur noch eine Verletzung von § 408 Nr 1 [X.]. Diese Vorschrift sei hier anzuwenden. Der Kläger habe sich zwar der Arbeitsvermittlung uneingeschränkt zur Verfügung gestellt. Er habe jedoch im Beitrittsgebiet eine Ausbildung absolviert und vor Beginn der Ausbildung seinen Beschäftigungsort ausschließlich im Beitrittsgebiet gehabt. Trotz der uneingeschränkten Vermittelbarkeit des [X.] seien auch die Vermittlungsbemühungen der zuständigen Agentur gemäß § 121 Abs 4 Satz 1 bis 3 [X.] in erster Linie auf Beschäftigungen im [X.] zu erstrecken. Insoweit sei auch auf § 121 Abs 4 Satz 4 [X.] zu verweisen, wonach ein Umzug zur Aufnahme einer Beschäftigung außerhalb des zumutbaren Pendelbereichs (nur dann) zumutbar sei, wenn nicht zu erwarten sei, dass der Arbeitslose innerhalb der ersten drei Monate der Arbeitslosigkeit eine Beschäftigung innerhalb des zumutbaren Pendelbereichs aufnehmen werde. Um eine Benachteiligung von Arbeitslosen, deren Entgelt nach §§ 130, 131 [X.] ermittelt werde, gegenüber Arbeitslosen, deren Entgelt fiktiv nach § 132 [X.] bemessen werde, zu vermeiden, müsse auf ein objektives Kriterium abgestellt werden. Es könne nicht auf die subjektive Arbeitsbereitschaft und die bloße Erklärung des Arbeitslosen, für Beschäftigungen im gesamten [X.] zur Verfügung zu stehen, abgestellt werden.

6

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen [X.]s vom [X.] insoweit abzuändern, als damit auf die Anschlussberufung des [X.] und seine weitergehende Klage die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 8.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.10.2007 und des Bescheids vom 28.10.2008 verurteilt worden ist, dem Kläger [X.] vom 1.10.2007 bis 16.3.2008 unter Heranziehung der Bezugsgröße West zu gewähren.

7

Der im Revisionsverfahren nicht vertretene Kläger hat keinen Antrag gestellt und sich im Revisionsverfahren nicht zur Sache geäußert.

8

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2 SGG einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der [X.]n hat nur hinsichtlich der aus dem Entscheidungssatz ersichtlichen Maßgabe Erfolg (hierzu unter 2c). Der [X.]läger hat Anspruch auf höheres [X.], und zwar unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts von 98,00 Euro.

1. Von Amts wegen zu beachtende [X.] stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind der Bescheid vom 8.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.10.2007 und der Änderungsbescheid vom 28.2.2008 (zum Änderungsbescheid vom [X.]). Die [X.] hat ihre Revision ausdrücklich insoweit zurückgenommen, als sie vom [X.] zur Gewährung höheren [X.] bei Zuordnung zur Qualifikationsgruppe 1 auf der Grundlage einer fiktiven Bemessung nach § 132 Abs 2 Satz 2 [X.] verurteilt worden ist. Damit bleibt weiterhin Streitgegenstand die Höhe der Leistung, wenn auch zwischen den Beteiligten nur noch die Frage streitig ist, ob der Bemessung des [X.] die Bezugsgröße Ost oder West zugrunde zu legen ist (zur Unzulässigkeit einer reinen Elementenfeststellung vgl B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] AL 49/08 R - [X.] 4-4300 § 122 [X.] RdNr 9).

2. Zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf [X.] (§§ 117, 118 [X.]), ohne deren Vorliegen auch eine [X.]lage auf höhere Leistung keinen Erfolg hätte (stRspr; vgl zuletzt Urteile des [X.] - B 11 AL 7/08 R - [X.] 4-4300 § 130 [X.] Rd[X.]3 und vom 3.12.2009 - B 11 AL 42/08 R - [X.], 94 ff = demnächst in [X.] 4-4300 § 132 [X.] Rd[X.]0), hat das [X.] für das Revisionsgericht bindend festgestellt (§ 163 [X.]G), dass sich der [X.]läger am 27.9.2007 mit Wirkung zum 1.10.2007 arbeitslos gemeldet hat (§ 118 Abs 1 [X.], § 122 Abs 1 [X.]). Nach den Feststellungen des [X.] war der [X.]läger ab 1.10.2007 beschäftigungslos und hat sich uneingeschränkt der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt, sodass er arbeitslos iS der § 118 Abs 1 [X.], § 119 ff [X.] war. Den Feststellungen des [X.] ist ferner zu entnehmen, dass der [X.]läger die Anwartschaftszeit erfüllt hatte (§ 118 Abs 1 [X.], §§ 123, 124 [X.]).

Zur Höhe des Anspruchs hat das [X.] zu Recht entschieden, dass dem [X.]läger für die [X.] ab 1.10.2007 ein Anspruch auf [X.] unter Zugrundelegung eines täglichen Arbeitsentgelts in Höhe von (einem Dreihundertstel der Bezugsgröße West <29 400,00 Euro> =) 98,00 Euro zusteht. Diese im Jahr der [X.] 2007 maßgebliche Bezugsgröße bleibt allerdings - entgegen der Rechtsansicht des [X.] - nicht nur für die [X.] bis 31.12.2007 maßgebend, sondern auch für die weitere Dauer des Leistungsanspruchs bis 16.3.2008.

a) Gemäß § 132 Abs 2 Satz 2 [X.] ist bei der Qualifikationsgruppe 1 ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertstel der Bezugsgröße zugrunde zu legen. Die dabei maßgebliche Bezugsgröße West für das [X.] beträgt 29 400,00 Euro (vgl § 2 Abs 1 [X.] vom 2.12.2006, [X.], 2746); hieraus errechnet sich für die streitige [X.] ab 1.10.2007 bis 16.3.2008 der Betrag von 98,00 Euro (= ein Dreihundertstel der Bezugsgröße West). Entgegen der Rechtsansicht des [X.] ist dieser Wert der Bezugsgröße West für den gesamten [X.]raum zugrunde zu legen (dazu unter c).

b) Die in den angefochtenen Bescheiden der [X.]n vorgenommene Bemessung nach der niedrigeren Bezugsgröße Ost ist rechtswidrig. Sie lässt sich nicht auf § 408 [X.] iVm § 132 [X.] stützen.

aa) Nach § 408 [X.] ist, soweit Vorschriften dieses Buches bei Entgelten oder [X.] an die Bezugsgröße anknüpfen, die Bezugsgröße für das in Art 3 des [X.] genannte Gebiet (Beitrittsgebiet) maßgebend, wenn der Beschäftigungsort im Beitrittsgebiet liegt.

Wie bereits der 7. Senat des Bundessozialgerichts (B[X.]) in seiner Entscheidung vom [X.] ([X.] AL 49/08 R - [X.] 4-4300 § 122 [X.], Rd[X.]9, mwN) ausgeführt hat, stellt § 408 [X.] erkennbar auf das Entgelt aus einer ausgeübten Beschäftigung ab, was durch die Bezugnahme auf den konkreten Beschäftigungsort (§ 9 [X.]B IV) deutlich wird. Wie der 7. Senat in der genannten Entscheidung weiter ausgeführt hat, geht es bei der Anwendung des § 132 [X.] jedoch nicht um das früher erzielte Entgelt, sondern darum, auf welche Tätigkeit die [X.] ihre Vermittlungsbemühungen zu erstrecken hat. Der 7. Senat hat daraus gefolgert, dass die Ausgangslage beider Vorschriften nicht identisch sei und sich damit auch eine generelle analoge Anwendung verbiete. Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat nach eigener Prüfung an.

bb) Soweit die [X.] dieser Rechtsprechung entgegenhält, der [X.]läger habe nicht nur seine Ausbildung in den neuen Bundesländern (im Beitrittsgebiet) zurückgelegt, sondern im [X.]punkt der [X.]-Antragstellung seinen Wohnsitz im Beitrittsgebiet gehabt, und demzufolge sei die zuständige Agentur (vgl § 327 Abs 1 [X.]) - trotz der uneingeschränkten [X.] des [X.]lägers - gemäß § 121 Abs 4 [X.] zunächst zu einer wohnortnahen Vermittlung, also zur Vermittlung im [X.] um seinen bisherigen Wohnsitz, gehalten gewesen, vermag diese Argumentation nicht zu überzeugen.

Nach den von der [X.]n nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen und daher gemäß § 163 [X.]G bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] hatte sich der (ledige und kinderlose) [X.]läger der Arbeitsvermittlung uneingeschränkt zur Verfügung gestellt. Sein zukünftiger "Beschäftigungsort" war also - ebenso wie bei der vom 7. Senat des B[X.] entschiedenen Fallgestaltung (aaO) - nicht auf das Beitrittsgebiet beschränkt. Demzufolge sind alle Beschäftigungen zu berücksichtigen, die ein nicht ortsgebundener Arbeitsloser auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im gesamten [X.] verrichten kann (ebenso [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl 2008, § 132 Rd[X.]9; Eicher in [X.], [X.], § 408 Rd[X.]0, Stand Einzelkommentierung Dezember 2010; [X.] in Gagel, [X.]/[X.], § 132 [X.] Rd[X.]3, Stand Einzelkommentierung März 2011).

§ 327 Abs 1 [X.], wonach für Leistungen an Arbeitnehmer die [X.] zuständig ist, in deren Bezirk der Arbeitnehmer bei Eintritt der [X.] Tatbestände seinen Wohnsitz hat, regelt (nur) die örtliche Zuständigkeit im Bereich des Leistungsrechts (vgl [X.] in Niesel/[X.], [X.], 5. Aufl 2010, § 327 Rd[X.], 5 ff; [X.] in [X.]/[X.], [X.] § 327 RdNr 76 ff, 88 ff, Stand Einzelkommentierung Juli 2007; Striebinger in Gagel, [X.]/[X.], § 327 [X.] RdNr 9 ff, Stand Einzelkommentierung Juli 2009). Demzufolge hat der [X.]läger; der im [X.]punkt der Antragstellung seinen Wohnsitz in [X.] hatte, bei der [X.] [X.] seinen Leistungsantrag gestellt. Diese örtliche Zuständigkeitsregelung ist indes nicht geeignet, als objektives [X.]riterium für eine Begrenzung der Verfügbarkeit eines Leistungsempfängers zu dienen. Auch die von der [X.]n geltend gemachte (angebliche) unauflösbare Diskrepanz zwischen den [X.] des § 121 Abs 4 [X.] und den Regelungen zur fiktiven Bemessung des [X.] - im Falle einer Nichtanwendbarkeit des § 408 [X.] - ist nicht ersichtlich.

§ 121 Abs 4 [X.] regelt nur - worauf bereits das [X.] zu Recht hingewiesen hat -, welche [X.] einem Arbeitslosen zumutbar ist. Nach § 121 Abs 1 [X.] sind einem Arbeitslosen alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstehen. In den Absätzen 2 bis 4 des § 121 [X.] sind die allgemeinen Gründe (Abs 2), die personenbezogenen Gründe hinsichtlich des Arbeitsentgelts (Abs 3) und die personenbezogenen Gründe hinsichtlich Pendelzeiten (Abs 4) näher erläutert. Die in § 121 [X.] enthaltenen Durchbrechungen des Grundsatzes der Zumutbarkeit sind also Schutzvorschriften zugunsten des Arbeitslosen. Sie schließen keineswegs aus, dass er auch innerhalb der ersten drei Monate der Arbeitslosigkeit eine Arbeit außerhalb des zumutbaren [X.]s aufnehmen darf. Hat sich also, wie hier vom [X.] festgestellt, der [X.]läger zu Beginn seiner Arbeitslosigkeit für Vermittlungsbemühungen im gesamten [X.] zur Verfügung gestellt, bestehen gerade auch vor dem Hintergrund der persönlichen Lebensumstände des [X.]lägers (ledig, kinderlos, Arbeitsaufnahme am [X.]) keine Anhaltspunkte, die Schlussfolgerung des [X.], der [X.]läger sei uneingeschränkt vermittelbar gewesen, revisionsrechtlich zu beanstanden. Es bedarf deshalb auch keiner weiteren Vertiefung, dass die [X.] in ihrem Ausgangsbescheid vom 8.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.10.2007 zunächst selbst das tarifliche Entgelt im dritten Ausbildungsjahr "West" zugrunde gelegt hat.

cc) Entgegen der Rechtsansicht der [X.]n führt die Nichtanwendbarkeit es § 408 [X.] bei Arbeitslosen, deren Anspruch auf [X.] nach einem fiktiven Arbeitsentgelt gemäß § 132 [X.] bestimmt wird, nicht zu einer sachwidrigen Benachteiligung von Arbeitslosen, deren Entgelt nach §§ 130, 131 [X.] ermittelt wird. Denn es handelt sich insoweit um unterschiedliche Sachverhaltsgestaltungen und Personengruppen. Während bei Arbeitslosen, deren Entgelt nach den §§ 130, 131 [X.] ermittelt wird, an eine zuletzt ausgeübte Beschäftigung angeknüpft werden kann, ist dies bei der fiktiven Bemessung nach § 132 [X.] gerade nicht der Fall; deshalb kann auch an keinen (zukünftigen) Beschäftigungsort angeknüpft werden (vgl 7. Senat, Urteil vom [X.], aaO). Aus Sicht des erkennenden Senats bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots nach Art 3 Abs 1 Grundgesetz. Im Gegenteil würden, wollte man der Rechtsansicht der [X.]n folgen, die Schutzvorschriften des § 121 Abs 3 und 4 [X.] in ihr Gegenteil verkehrt.

c) Die Revision der [X.]n hat jedoch insoweit Erfolg, als das [X.] des [X.]lägers für die [X.] vom 1.1. bis 16.3.2008 - anders als vom [X.] in den Entscheidungsgründen (die insoweit als Ergänzung seines Entscheidungssatzes zu verstehen sind) ausgeführt - nach dem für das [X.] maßgebenden Wert der Bezugsgröße West zu berechnen ist.

Das fiktive Arbeitsentgelt wird ausgehend von den Verhältnissen bestimmt, die zum [X.]punkt der Entstehung des Anspruchs auf [X.] vorliegen. Dies hat das B[X.] in einer Entscheidung vom 23.11.1988 ([X.], 174, 175 = [X.] 4100 § 112 [X.]2 S 198) zur früheren Regelung des § 112 Abs 7 Arbeitsförderungsgesetz ([X.]) bereits klargestellt. Daran hat sich nach Inkrafttreten des [X.] und mit der ab 1.1.2005 eingeführten Vorschrift des § 132 [X.] durch das [X.] ([X.] 2848) insoweit nichts geändert (vgl [X.] in [X.], [X.], § 132 Rd[X.]0, Stand Einzelkommentierung Januar 2006). In gleicher Weise wie das reguläre Bemessungsentgelt nach § 131 [X.] bleibt das fiktive Arbeitsentgelt nach § 132 [X.] bis zur Erschöpfung des Anspruchs für die Bemessung des [X.] maßgebend (ebenso [X.] in [X.], aaO; [X.] in Gemeinschafts-[X.]omm, [X.], § 132 Rd[X.]1, Stand Einzelkommentierung November 2010). Entgegen der Rechtsansicht des [X.] ist also der Wert der Bezugsgröße West 2007 für den gesamten streitigen [X.]raum und nicht nur für die [X.] bis zum 31.12.2007 zugrunde zu legen. Der Entscheidungssatz des Berufungsurteils war daher entsprechend klarzustellen.

3. Auf dieser Grundlage ist der Rechtsstreit abschließend erledigt, ohne dass der Änderungsbescheid vom [X.] nach § 171 Abs 2 [X.]G "als mit der [X.]lage beim Sozialgericht angefochten" gälte. Denn insoweit ist der in der genannten Vorschrift geregelte Ausnahmetatbestand verwirklicht, dass "dem [X.]lagebegehren durch die Entscheidung des [X.] zum ersten Verwaltungsakt in vollem Umfange genügt wird". Die Rechtshängigkeit beim [X.], die mit Bekanntgabe des Bescheids vom [X.] eingesetzt hat, wird durch die vorliegende Entscheidung wieder beseitigt (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 9. Aufl 2008, § 171 Rd[X.]; [X.] in Nomos-[X.]omm, [X.]G, 3. Aufl 2009, § 171 Rd[X.]; [X.] in Breitkreuz/Fichte, [X.]G, § 171 Rd[X.]4).

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 11 AL 13/10 R

25.08.2011

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Chemnitz, 14. Oktober 2008, Az: S 33 AL 22/08, Gerichtsbescheid

§ 132 Abs 1 SGB 3 vom 23.12.2003, § 132 Abs 2 S 1 SGB 3 vom 23.12.2003, § 132 Abs 2 S 2 Nr 1 SGB 3 vom 23.12.2003, § 327 Abs 1 SGB 3, § 408 Nr 1 SGB 3, § 121 Abs 4 SGB 3, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 25.08.2011, Az. B 11 AL 13/10 R (REWIS RS 2011, 3736)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3736

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