Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.03.2011, Az. 4 StR 657/10

4. Strafsenat | REWIS RS 2011, 8040

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Gegenstand

Bestechlichkeit: Tatbestandliche Handlungseinheit bei mehreren Vorteilsannahmen auf Grund einer Unrechtsvereinbarung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]     gegen das Urteil des [X.] vom 13. Juli 2010 wird

a) das Verfahren gegen ihn und den Angeklagten P.     in den Fällen 1 bis 21 der Urteilsgründe eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen der Angeklagten [X.]    und P.     der Staatskasse zur Last;

b) das genannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte [X.]     der Bestechlichkeit in Tateinheit mit Untreue in 54 Fällen und der Angeklagte [X.]der Bestechung in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue in 54 Fällen schuldig ist;

c) das genannte Urteil im [X.] gegen den Beschwerdeführer aufgehoben.

2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten [X.]     wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]     wegen Bestechlichkeit in Tateinheit mit Untreue in 75 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten und den Angeklagten [X.]       wegen Bestechung in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue in 75 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der gegen den Angeklagten [X.]     verhängten Strafe hat das [X.] zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten [X.]     , mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus dem [X.] ersichtlichen Teilerfolg.

2

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils war der Angeklagte [X.]     Leiter der [X.] des Klinikums M.      , einer Anstalt des Öffentlichen Rechts. Spätestens ab 1999 ließ er sich von dem Mitangeklagten [X.]     , der zwei Krankenhausservicefirmen betrieb, für die Auftragserteilung 10 % des Umsatzes versprechen. [X.]       erhöhte die Rechnungen der von ihm betriebenen Firmen, indem er die Anzahl der Stunden oder den Materialaufwand heraufsetzte, so dass außer dem Anteil für den Angeklagten [X.]       auch ein Anteil von 5 % für ihn selbst verblieb, was [X.]     nicht wusste. Der Angeklagte [X.]      durfte Rechnungen bis 15.000 € als sachlich und rechnerisch richtig abzeichnen; die Rechnungen wurden dann ohne weitere Überprüfung zur Zahlung angewiesen. Auch soweit 15.000 € geringfügig überschritten wurden, fand eine Überprüfung der vom Angeklagten [X.]      abgezeichneten Rechnungen nicht statt. Der Angeklagte [X.]     erstellte zwischen dem 26. Januar 2002 und dem 5. Oktober 2008 über 600 überhöhte Rechnungen mit einem Gesamtrechnungsbetrag von 2.383.444,56 €, die der Angeklagte [X.]         abzeichnete und die bezahlt wurden. Der Angeklagte [X.]  notierte sich die Rechnungen sowie die Zahlungen des Angeklagten [X.]       und hielt ihn zur Zahlung an, wenn 10 % des Umsatzes nicht erreicht waren. Der Angeklagte [X.]       erhielt zwischen dem 4. Februar 2002 und dem 25. September 2008 75 Zahlungen des Angeklagten [X.]       über insgesamt 248.929,20 €.

3

1. Die Revision des Angeklagten [X.]     führt in den Fällen 1 bis 21 der Urteilsgründe zur Einstellung des Verfahrens wegen Verjährung auch hinsichtlich des nicht revidierenden Mitangeklagten [X.]      und zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs gegen den Beschwerdeführer. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten [X.]      aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 18. Januar 2011 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].

4

a) Das [X.] hat zu Recht 75 Straftaten der Bestechlichkeit (§ 332 Abs. 1 StGB) und der Bestechung (§ 334 Abs. 1 StGB) angenommen. Mehrere Vorteilsannahmen stehen untereinander grundsätzlich im Verhältnis der Tatmehrheit. Eine tatbestandliche Handlungseinheit hinsichtlich aller aus einer [X.] erlangten Vorteile hat der [X.] nur anerkannt, wenn die Annahme auf eine [X.] zurückgeht, die den zu leistenden Vorteil genau festlegt, mag er auch in bestimmten Teilleistungen zu erbringen sein ([X.], Urteile vom 18. Oktober 1995 – 3 [X.], [X.]St 41, 292, 302; 11. Mai 2001 – 3 [X.], [X.]St 47, 22, 30 und vom 20. August 2003 – 2 [X.], [X.], 29). Eine solche genaue Festlegung des Vorteils bei der [X.] ist hier nicht festgestellt. Bei ihrem Zustandekommen war lediglich der Prozentsatz vom Rechnungsbetrag vereinbart, den der Angeklagte [X.]     für die dem Angeklagten [X.]        künftig erteilten Aufträge erhalten sollte. Das genaue Volumen der Aufträge lag noch nicht fest. Dies reicht nicht aus, die späteren Zahlungsannahmen zu einer Tat zu verbinden.

5

Rechtlich zutreffend hat das [X.] Tateinheit zwischen der Untreue des Angeklagten [X.]     und der Bestechlichkeit bejaht. Die pflichtwidrige Abzeichnung der überhöhten Rechnungen als sachlich und rechnerisch richtig stellte sowohl den Missbrauch der Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen bzw. bei den einen Betrag von 15.000 € überschreitenden Rechnungen den [X.] gegenüber dem [X.]      als auch die Vornahme der vereinbarten pflichtwidrigen Diensthandlung dar. Durch die Annahme von jeweils nur einer tateinheitlichen Untreuehandlung ist der Angeklagte [X.]     nicht beschwert.

6

b) Nach den rechtsfehlerfrei vom [X.] getroffenen Feststellungen erhielt der Angeklagte [X.]     die Zahlungen in den Fällen 1 bis 21 bis zum 25. März 2004 einschließlich. Die erste die Verjährung unterbrechende Handlung erfolgte am 31. März 2009 durch den Erlass von Haftbefehlen und Durchsuchungsbeschlüssen gegen die Angeklagten. Damit war hinsichtlich dieser Fälle die Verjährungsfrist gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB bereits vor den Unterbrechungshandlungen abgelaufen und Verfolgungsverjährung eingetreten.

7

Zugunsten der Angeklagten ist davon auszugehen, dass die Beendigung der 75 Einzeltaten der Bestechlichkeit jeweils mit der Empfangnahme der Zahlungen eintrat und diesen Zahlungen eine vorherige pflichtwidrige Abzeichnung überhöhter Rechnungen zugrunde lag (zur Anwendung des Zweifelssatzes auf die die Verjährung begründenden Tatsachen vgl. [X.], Urteil vom 15. März 2001 – 5 [X.], [X.]R StGB § 78a Satz 1 Betrug 3). Das [X.] hat die über 600 pflichtwidrig abgezeichneten Rechnungen nicht den einzelnen Zahlungsempfängen des Angeklagten [X.]      zugeordnet. Der [X.] schließt jedoch aus, dass sich noch konkrete Feststellungen dahingehend treffen lassen, dass der Angeklagte [X.]      als Gegenleistung für die bis zum 25. März 2004 erhaltenen Zahlungen nach dem 1. April 2004 Rechnungen abgezeichnet hat, so dass die Beendigung der Taten der Bestechlichkeit und der Untreue erst zu diesem Zeitpunkt in nicht [X.] eingetreten wäre (vgl. [X.], Urteil vom 19. Juni 2008 – 3 [X.], [X.]St 52, 300).

8

Für die Beendigung der 75 Taten ist jeweils auf die einzelne Tat, nicht auf die Entgegennahme der letzten Zahlung bzw. der Abzeichnung der letzten überhöhten Rechnung der [X.] abzustellen (vgl. [X.], Urteil vom 18. Oktober 1995 – 3 [X.], [X.]St 41, 292, 303). Jeweils für die einzelne konkrete Tat gilt, dass sie erst mit der vollständigen Umsetzung der [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 2. Dezember 2005 – 5 [X.], [X.], 925, 927 f.) beziehungsweise mit der vollständigen Realisierung des Schadens (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juli 2004 – 5 [X.], [X.]R StGB § 78a Satz 1 Untreue 3) ihren Abschluss findet, so dass es für den Verjährungsbeginn auf die letzte Handlung zur Erfüllung der [X.] beziehungsweise auf den Zeitpunkt des letzten den Schaden vertiefenden Ereignisses ankommt.

9

2. Die Einstellung von 21 von 75 Taten hat die Aufhebung der Gesamtstrafe gegen den Beschwerdeführer zur Folge. Auch wenn die Einzelstrafen für die Taten des Angeklagten [X.]       milde bemessen sind, strafbares verjährtes Vortatverhalten – wenngleich nicht in voller Schwere – strafschärfend berücksichtigt werden darf (vgl. [X.], Beschluss vom 22. März 1994 – 4 [X.], [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 24) und die Gesamtstrafe äußerst straff zusammen gezogen worden ist, kann der [X.] letztlich nicht ausschließen, dass der Tatrichter für nur 54 Fälle eine noch geringere Gesamtstrafe verhängt hätte.

3. Die Einstellung des Verfahrens in den Fällen 1 bis 21 ist auf den Angeklagten [X.]     zu erstrecken. Es ist anerkannt, dass § 357 [X.] auch dann anzuwenden ist, wenn die Aufhebung des Urteils wegen Fehlens einer von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensvoraussetzung oder des Vorliegens von Verfahrenshindernissen erfolgt (st. Rspr., vgl. [X.], Beschlüsse vom 23. Januar 1959 – 4 [X.], [X.]St 12, 335, 340 f., vom 16. September 1971 – 1 [X.], [X.]St 24, 208, 210 f., vom 29. November 1994 – 3 [X.] und vom 29. Juli 1998 – 2 StR 197/98; [X.], [X.], 6. Aufl. § 357 Rn. 7).

Der [X.] hat davon abgesehen, auch beim Angeklagten [X.]     die Gesamtfreiheitsstrafe aufzuheben, da er ausschließen kann, dass eine neue Verhandlung zu einer milderen Bestrafung führen würde (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Januar 2002 - 1 [X.]). Das [X.] hat bei diesem Angeklagten lediglich für 19 Taten Einzelstrafen festgesetzt ([X.]). Durch die Einstellung entfallen zwar vier dieser Einzelstrafen. Bei einer Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs müssten aber Einzelstrafen für die Fälle 22 bis 24, 27, 28, 30 bis 37, 40 bis 53, 57 bis 63, 65, 66, 68, 69 und 72 neu festgesetzt werden. Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 [X.] stünde dem nicht entgegen (st. Rspr., vgl. Urteile vom 22. September 1953 – 1 StR 726/52, [X.]St 4, 346 und vom 26. Februar 1993 – 3 [X.], [X.]R [X.] § 358 Abs. 2 Satz 1 Einzelstrafe, fehlende 2.)

Ernemann                             [X.]                              Roggenbuck

                      [X.]                                            [X.]

Meta

4 StR 657/10

31.03.2011

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bielefeld, 13. Juli 2010, Az: 9 KLs 6 Js 17/09 - 23/09, Urteil

§ 52 Abs 1 StGB, § 332 Abs 1 StGB, § 334 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.03.2011, Az. 4 StR 657/10 (REWIS RS 2011, 8040)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8040

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

3 StR 103/17

1 StR 355/13

1 StR 355/13

4 StR 657/10

1 StR 328/19

3 StR 375/20

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