Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.01.2016, Az. IX B 46/15

9. Senat | REWIS RS 2016, 17060

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Gegenstand

Vorliegen grundsätzlicher Bedeutung und Sachaufklärungsrüge nach Verzicht auf mündliche Verhandlung


Leitsatz

1. NV: Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, wenn die aufgeworfenen Rechtsfragen in der Rechtsprechung des BFH geklärt und auch nicht weiter streitig sind.

2. NV: Vertritt das FG eine abweichende Würdigung der Tatsachen und eine andere Rechtsauffassung als der Kläger, liegt darin keine Gehörsverletzung.

3. NV: Die bloße Behauptung, das FG hätte eine beantragte Beweisaufnahme durchführen müssen, genügt zur Darlegung der unterlassenen Beweisaufnahme nicht, wenn der fachkundig vertretene Beteiligte auf die mündliche Verhandlung verzichtet und damit zu erkennen gibt, dass er selbst eine Beweisaufnahme, die eine mündliche Verhandlung voraussetzt, nicht für erforderlich hält.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 26. März 2015  2 K 1602/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) sind nicht gegeben. Weder die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) vorgebrachte grundsätzliche Bedeutung der Sache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O, dazu unter 1.), eine Divergenz zur Rechtsprechung des [X.] ([X.]) oder der Finanzgerichte (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative [X.]O, dazu unter 2.) noch die gerügten Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O, dazu unter 3.) liegen vor.

3

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O; entsprechend ist auch keine Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  1. Alternative [X.]O) erforderlich. Denn die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des [X.] geklärt und auch nicht weiter streitig. Dies gilt sowohl für die Frage der Anfechtung von auf 0 € lautenden Steuerbescheiden und des Verhältnisses derartiger Einkommensteuerbescheide zu einem Verlustfeststellungsbescheid nach § 10d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- (vgl. u.a. [X.]-Urteile vom 15. April 2010 V R 11/09, [X.]/NV 2010, 1830, und vom 10. Februar 2015 IX R 6/14, [X.]/NV 2015, 812, jeweils m.w.[X.]) als auch für die Frage der Kürzung des [X.] bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer nach Maßgabe der § 10 Abs. 4a EStG, § 10 Abs. 3 Nr. 2 a.[X.]. § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG a.F. (vgl. u.a. [X.]-Urteile vom 16. Oktober 2002 XI R 25/01, [X.]E 200, 554, [X.], 546; vom 23. Februar 2005 XI R 29/03, [X.]E 209, 256, [X.] 2005, 634, und vom 19. Mai 2011 [X.], [X.]/NV 2011, 1854). Das Gleiche gilt für die Frage des Realisierungszeitpunkts eines Auflösungsverlusts nach § 17 Abs. 4 EStG (vgl. zuletzt u.a. [X.]-Urteil vom 1. Juli 2014 IX R 47/13, [X.]E 246, 188, [X.] 2014, 786, unter [X.], m.w.[X.] zur ständigen Rechtsprechung des [X.]). Auch die Frage der steuerlichen Behandlung der Zahlung von Versorgungsleistungen trotz Fortführung des Dienstverhältnisses bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer ist höchstrichterlich geklärt (vgl. [X.]-Urteile vom 5. März 2008 I R 12/07, [X.]E 220, 454, [X.] 2015, 409, und vom 23. Oktober 2013 I R 60/12, [X.]E 244, 256, [X.] 2015, 413). Soweit der Kläger sich hinsichtlich der Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung auf grundsätzliche Bedeutung beruft, hat er diese nicht den Erfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O entsprechend dargelegt. Vielmehr bringt der Kläger im Wesentlichen vor, die Entscheidung des Finanzgerichts ([X.]) sei in diesem Punkt unzutreffend. Damit wendet sich der Kläger allein gegen die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des [X.]. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung kann damit nicht erreicht werden.

4

2. Die Erforderlichkeit einer Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative [X.]O) in Gestalt einer Divergenz wurde schon mangels Gegenüberstellung tragender Erwägungen der angefochtenen Entscheidung und (vermeintlicher) Divergenzentscheidungen, also eine Abweichung im Grundsätzlichen, nicht hinreichend i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O dargelegt. Einwendungen, die nicht die Abweichung von Rechtssätzen verschiedener Entscheidungen aufzeigen, sondern lediglich die Richtigkeit der rechtlichen Würdigung des [X.] betreffen, sind dem materiellen Recht zuzurechnen und können die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen.

5

3. Die vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

6

a) Das [X.] hat den Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör i.S. von Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und § 96 Abs. 2 [X.]O verpflichtet das Gericht u.a., die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit [X.] des Vorbringens auseinander zu setzen. Dabei ist das Gericht naturgemäß nicht verpflichtet, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl. Beschluss des [X.] vom 11. Juni 2008  2 BvR 2062/07, [X.], 1056; [X.]-Beschluss vom 11. Mai 2011 V B 113/10, [X.]/NV 2011, 1523). Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 [X.]O sind erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergibt, dass das Gericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. zuletzt [X.]-Beschluss vom 10. September 2014 IX S 10/14, [X.]/NV 2015, 47). Das ist vorliegend nicht der Fall. Das [X.] hat den Vortrag des [X.] zur Kenntnis genommen und darüber entschieden. Dass das [X.] eine abweichende Würdigung der Tatsachen und eine andere Rechtsauffassung als der Kläger vertreten hat, kann eine Gehörsverletzung nicht begründen.

7

b) Auch hat das [X.] keine Überraschungsentscheidung getroffen und dadurch den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 [X.]O). Eine solche Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das [X.] sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger [X.] selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Auffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste ([X.]-Beschluss vom 23. Oktober 2015 IX B 92/15, juris, unter 1.). Das war nicht der Fall. Wie sich aus der Klageschrift vom 5. August 2013 ergibt, war dem Kläger die Problematik der Unzulässigkeit der Klage wegen Einkommensteuer 2010 und 2011 bekannt. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) hatte darauf auch bereits in den [X.] und im Klageverfahren hingewiesen, so dass die Klageabweisung durch Prozessurteil in diesem Punkt für den Kläger nicht überraschend kam.

8

c) Der vom Kläger behauptete Verfahrensfehler des Übergehens eines Beweisantrags ist schon nicht in zulässiger Weise gerügt. Die bloße Behauptung, das [X.] hätte eine beantragte Beweisaufnahme durchführen müssen, genügt zur Darlegung der unterlassenen Beweisaufnahme nicht, wenn der fachkundig vertretene Beteiligte --wie hier der [X.] auf die mündliche Verhandlung verzichtet und damit zu erkennen gegeben hat, dass er selbst eine Beweisaufnahme, die eine mündliche Verhandlung voraussetzt, nicht für erforderlich hält (vgl. z.B. [X.]-Beschlüsse vom 25. November 2009 X B 209/08, [X.]/NV 2010, 458; [X.]-Urteil vom 21. Oktober 2015 XI R 17/14, juris, unter [X.] bb).

9

d) Auch die Rüge der unterlassenen notwendigen Beiladung greift nicht durch. Wendet sich der Kläger als Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gegen die Annahme von verdeckten Gewinnausschüttungen, ist in dem die Einkommensteuer betreffenden Klageverfahren die Kapitalgesellschaft nicht nach § 60 Abs. 3 [X.]O notwendig beizuladen ([X.]-Urteil vom 2. Dezember 2014 VIII R 45/11, [X.]/NV 2015, 683).

e) Einer Aussetzung nach § 74 [X.]O aufgrund eines möglichen Strafverfahrens wegen Rechtsbeugung bedurfte es nicht. Insoweit fehlt es an Ausführungen dazu, aus welchem Grund das Klageverfahren wegen der Vorgreiflichkeit des strafrechtlichen Verfahrens oder mangels Entscheidungskompetenz des mit dem Klageverfahren befassten [X.] hinsichtlich der streitigen Frage auszusetzen war. Auch die Rüge der fehlenden Aussetzung des Verfahrens wegen ausstehender Entscheidung im Feststellungsverfahren greift nicht durch. Denn das [X.] hat über die Klage gegen die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31. Dezember 2010 und den 31. Dezember 2011 entschieden.

4. Von einer weiter gehenden Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O abgesehen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

IX B 46/15

27.01.2016

Bundesfinanzhof 9. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 26. März 2015, Az: 2 K 1602/13, Urteil

§ 76 FGO, § 96 Abs 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 10 Abs 4a EStG, § 10d Abs 4 EStG, § 17 Abs 4 EStG, § 10 Abs 3 Nr 2 EStG 2002, § 10c Abs 3 Nr 2 EStG 2002, § 173 Abs 1 Nr 1 AO, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.01.2016, Az. IX B 46/15 (REWIS RS 2016, 17060)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17060

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