Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.09.2020, Az. 19 W (pat) 25/20

19. Senat | REWIS RS 2020, 176

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr – bei einem Wiedereinsetzungsantrag werden nach Fristablauf nachgeschobene neue Tatsachen, die sich nicht mehr im Rahmen des bisherigen Tatsachenvortrags halten, nicht mehr berücksichtigt


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2015 110 023.1

hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] am 14. September 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.], des [X.] [X.], der Richterin [X.] sowie des [X.] Dipl.-Ing. Matter

beschlossen:

1. Der Antrag der Anmelderin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 24. Juli 2020, eingegangen per Fax am selben Tag, wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde der Anmelderin gilt als nicht eingelegt.

Gründe

I.

1

Die Prüfungsstelle für [X.] ([X.]) hat die von der Anmelderin am 23. Juni 2015 eingereichte Patentanmeldung 10 2015 110 023.1 mit der Bezeichnung „Ladestation und Verfahren zum Laden eines [X.] an einer Ladesäule“ mit am Ende der Anhörung vom 17. Januar 2020 verkündetem Beschluss zurückgewiesen. Der schriftlich begründete Beschluss ist der Anmelderin nach Aktenlage per Übergabeeinschreiben am 8. Februar 2020 zugestellt worden.

2

Mit Schriftsatz vom 24. Februar 2020, beim [X.] per Fax eingegangen am 3. März 2020, hat die Anmelderin gegen den oben genannten Beschluss Beschwerde eingelegt.

3

Mit gerichtlichem Schreiben vom 19. Juni 2020, der Anmelderin zugestellt am 25. Juni 2020, wurde darauf hingewiesen, dass die [X.] nicht gezahlt worden ist und bei dieser Sachlage festzustellen sein wird, das die Beschwerde gemäß § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt gilt.

4

Daraufhin hat die Anmelderin mit Schriftsatz von 24. Juli 2020, beim [X.] per Fax eingegangen am selben Tag, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Am selben Tag ist außerdem eine Einzugsermächtigung für eine [X.] in Höhe von [X.],- beim [X.] eingegangen.

5

Zur Begründung dieses Antrags hat die Anmelderin vorgetragen, dass ihr Bevollmächtigter im vorliegenden Verfahren, [X.], [X.], in der Abteilung Schutzrechte/IP und Lizenzen der Anmelderin als Inhouse Patentanwalt tätig und in diesem Rahmen für die Betreuung von Angelegenheiten des gewerblichen Rechtsschutzes verantwortlich sei. Er werde insoweit unterstützt von Frau [X.], die seit 13 Jahren in der Abteilung Schutzrechte/IP und Lizenzen der Anmelderin tätig sei und in der Vergangenheit die patentamtlichen Vorgänge sehr sorgsam, zuverlässig und stets fehlerfrei erledigt habe. Frau [X.] werde von der Anmelderin regelmäßig in wöchentlich stattfindenden Besprechungen zu [X.] geschult und zudem regelmäßig stichprobenartig überprüft.

6

Für den fristgerechten Versand von Unterlagen an das [X.] sehe der Büroablauf der Anmelderin den Einsatz von [X.]Direkt oder den Einsatz von Brief oder [X.] vor. Für die Bezahlung von Gebühren sehe der Büroablauf vor, dass bei der Verwendung von [X.]Direkt ein elektronisches Formular für eine Einzugsermächtigung elektronisch erstellt und über [X.]Direkt versendet werde. Bei der Verwendung von Brief- oder [X.] sehe der Büroablauf vor, dass eine dementsprechende Einzugsermächtigung zusätzlich zum Schriftsatz erstellt und per Post oder per Fax mitversendet werde. Der Büroablauf sehe in beiden Fällen vor, dass die zugehörige Frist im Fristenmanagement erst gestrichen werde, nachdem der Versand der signierten bzw. unterschriebenen Unterlagen sowie der Einzugsermächtigung erfolgt sei.

7

[X.] sei dafür zuständig, zu versendende Unterlagen und Einzugsermächtigungen zu prüfen und durch Unterschrift für den Versand freizugeben. Zu den Aufgaben von Frau [X.] gehöre es, für [X.] die zu versendenden Unterlagen und Einzugsermächtigungen vorzubereiten, ihm diese vor dem Versand zur Unterschrift vorzulegen, an das [X.] zu senden und anschließend die jeweilige Frist zu streichen.

8

Auf Anweisung von [X.] habe Frau [X.] den [X.] vom 24. Februar 2020 für den Versand vor Ablauf der Beschwerdefrist, welche dort auf den 6. März 2020 notiert gewesen sei, vorbereitet. Dabei sei ihr aufgrund ihrer Erfahrung vollkommen klar gewesen, dass mit der Einreichung einer Beschwerde an das [X.] auch die Entrichtung der [X.] verbunden sei und dies im vorliegenden Fall über eine Einzugsermächtigung zu erfolgen habe. Der [X.] sei von [X.] am 3. März 2020 unterschrieben und von Frau [X.] am selben Tag per Fax vorab an das [X.] versandt worden. Am selben Tag habe Frau [X.] – zeitlich nach dem Versenden des Faxes – die Beschwerdefrist als erledigt gestrichen. Dabei habe sie wohl aufgrund eines einmaligen individuellen Fehlers übersehen, dass keine Einzugsermächtigung für die Bezahlung der [X.] erstellt und versandt worden sei. Erst mit Eingang der gerichtlichen Mitteilung vom 19. Juni 2020 habe [X.] Kenntnis von der Nichtzahlung der [X.] erhalten. Die Frist nach § 123 Abs. 2 [X.] sei gewahrt.

9

Zur Glaubhaftmachung dieses Vortrags wurden – neben weiteren Unterlagen – jeweils eine eidesstattliche Versicherung von [X.] und von Frau [X.] vom 24. Juli 2020 vorgelegt, auf die Bezug genommen wird.

Der [X.] hat die Anmelderin mit Schreiben vom 17. August 2020 darauf hingewiesen, dass ihr Wiedereinsetzungsantrag voraussichtlich keinen Erfolg haben dürfte, da sie nach Aktenlage nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist zur Zahlung der [X.] gehindert war. Die Anmelderin hat hierzu mit Schriftsatz vom 4. September 2020, beim [X.] per Fax eingegangen am selben Tag, Stellung genommen und die Begründung ihres [X.] wie folgt ergänzt: Der Büroablauf der Anmelderin sehe vor, dass insbesondere bei wichtigen Verfahrenshandlungen die zugehörige Frist auf Anweisung des Bevollmächtigten im Fristenmanagement gestrichen werde, wenn der Versand der unterschriebenen Unterlagen und der unterschriebenen Einzugsermächtigung erfolgt sei. Ferner sehe der Büroablauf vor, dass Fristen vor ihrem Ablauf dem Bevollmächtigten zur Kenntnis gebracht würden. [X.] habe sich daher bei Unterzeichnung der Beschwerdeschrift darauf verlassen können, dass die maßgebliche Frist im Fristenmanagement in diesem Zeitraum nicht ohne seine ausdrückliche Anweisung gestrichen werde und ihm der Vorgang vor Ablauf der Frist erneut zur Kenntnis gelangen würde. Aufgrund dieser Umstände sei er subjektiv daran gehindert gewesen, auf die noch offene Frist aufmerksam zu werden und die fehlende Einzugsermächtigung rechtzeitig abzusenden.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der [X.] zu gewähren,

hilfsweise,

eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

1. Der Antrag der Anmelderin auf Wiedereinsetzung vom 24. Juli 2020 in die versäumte Frist zur Zahlung der [X.] ist zwar statthaft und zulässig (§ 123 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 [X.]), hat jedoch keinen Erfolg, weil die Versäumung der Frist nach Aktenlage auf einem Verschulden ihres Bevollmächtigten beruht und dies der Anmelderin nach § 99 Abs. 1 [X.], § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

a) Die Anmelderin hat zwar rechtzeitig Beschwerde gegen den [X.] der Prüfungsstelle vom 17. Januar 2020 eingelegt, es jedoch versäumt, innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist (§ 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG i. V. m. § 73 Abs. 2 Satz 1 [X.]) die [X.] zu zahlen.

Der begründete [X.] ist der Anmelderin nach Aktenlage am 8. Februar 2020 per Einschreiben durch Übergabe zugestellt worden. (Nach den Angaben der Anmelderin sei ihr der Beschluss bereits am 6. Februar 2020 zugestellt worden, was jedoch letztlich dahingestellt bleiben kann). Damit wurde die einmonatige Beschwerdefrist in Gang gesetzt und endete gemäß § 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 222 ZPO, § 188 Abs. 2, § 193 BGB (spätestens) mit Ablauf des 9. März 2020 (Montag). Die Einzugsermächtigung zur Zahlung der [X.] ging erst am 24. Juli 2020, mithin verspätet beim [X.] ein.

b) Die Anmelderin war zur Überzeugung des [X.]s nicht ohne Verschulden an der [X.] gehindert (§ 123 Abs. 1 [X.]).

Maßstab ist die übliche Sorgfalt eines ordentlichen Verfahrensbeteiligten, die dieser im konkreten Einzelfall angewendet haben würde.

Der Anmelderin ist dabei das Verschulden ihres Bevollmächtigten nach § 97 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 [X.], [X.], der als Inhouse Patentanwalt in der Abteilung Schutzrechte/IP und Lizenzen der Anmelderin mit der Führung des vorliegenden Verfahrens vor dem [X.] und dem [X.] betraut ist, zuzurechnen (§ 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO; vgl. [X.], [X.], 10. Aufl., § 123 Rn. 78; Busse/Keukenschrijver, [X.], 8. Aufl., § 123 Rn. 33 m. w. N.).

Ein Verschulden (sonstiger) dritter Personen wird grundsätzlich nicht zugerechnet, insbesondere nicht ein Verschulden von Büropersonal des Beteiligten und seines [X.]n, es sei denn, es liegt ein sogenanntes Organisationsverschulden vor. Aber selbst wenn ein Beteiligter bzw. sein (anwaltlicher) Bevollmächtigter bei der Auswahl von Büropersonal für die in Betracht kommenden Arbeiten, bei der Überprüfung der Zuverlässigkeit des Personals und der Unterweisung in die jeweiligen Aufgaben die notwendige Sorgfalt hat walten lassen, schließt dies ein eigenes, ursächlich gewordenes Verschulden des Bevollmächtigten nicht aus (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Januar 1976 – 5 W (pat) 416/75, [X.]E 18, 208, 211).

Zwar geht im vorliegenden Fall die Streichung der Beschwerdefrist aus dem [X.], ohne dass zuvor die für die Bezahlung der [X.] erforderliche Einzugsermächtigung erstellt, unterzeichnet und versandt worden war, offenbar auf einen Fehler der Mitarbeiterin Frau [X.] zurück. Dem Bevollmächtigten der Anmelderin, [X.], ist jedoch ein eigener Sorgfaltsverstoß dahingehend vorzuwerfen, dass er nach dem Vortrag der Anmelderin im Wiedereinsetzungsantrag vom 24. Juli 2020 die Beschwerdeschrift vom 24. Februar 2020, die ihm am 3. März 2020 von Frau [X.] zur Durchsicht und Unterschrift vorgelegt wurde, unterzeichnet hat, ohne nach der fehlenden Einzugsermächtigung zur Entrichtung der erforderlichen [X.] zu fragen bzw. zu forschen. Hierzu wäre [X.] nach dem dargestellten – und durch die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen glaubhaft gemachten – Büroablauf der Anmelderin jedoch verpflichtet gewesen, da er zum fraglichen Zeitpunkt als Inhouse Patentanwalt der Anmelderin im Rahmen der Betreuung von Angelegenheiten des gewerblichen Rechtsschutzes dafür zuständig war, zu versendende Unterlagen und Einzugsermächtigungen zu prüfen und durch Unterschrift für den Versand freizugeben. In dieser Funktion hätte ihm bei Anwendung der im Verkehr üblichen Sorgfalt daher auffallen müssen, dass der fraglichen Beschwerdeschrift keine Einzugsermächtigung zur Zahlung der [X.] beigefügt war, und er hätte dies sofort überprüfen müssen, um sicherzustellen, dass die Einzugsermächtigung ebenfalls unterschrieben und gemeinsam mit der Beschwerdeschrift vor Fristablauf an das [X.] versandt wird. Bei wichtigen Verfahrenshandlungen, wie es die Einlegung eines Rechtsmittels ist, obliegt dem anwaltlichen Bevollmächtigten die Pflicht sicherzustellen, dass die Handlung wirksam ist, und einer besonderen Sorgfalt bedarf es dann, wenn ein die Wirksamkeit der Handlung entgegenstehender Mangel später nicht mehr beseitigt werden kann. Im Falle der Einlegung einer gebührenpflichtigen Beschwerde beim [X.] muss der den [X.] unterzeichnende [X.] den Verbleib der Einzugsermächtigung überprüfen, wenn diese dem ihm zur Durchsicht und Unterschrift vorgelegten Schriftsatz nicht beigefügt ist (vgl. [X.], Beschluss vom 31. März 1976 – 27 W (pat) 13/76, MittdtschPatAnw 1976, 219; [X.], Beschluss vom 21. Januar 1976 – 5 W (pat) 416/76, [X.]E 18, 208, 211). Der Einwand der Anmelderin, dass die vorgenannten Entscheidungen des [X.]s aus dem [X.] noch zum damals für [X.] geltenden Kriterium eines „unabwendbaren Zufalls“ gemäß § 43 [X.] a. F. ergangen sind und daher auf die Neureglung in § 123 [X.], wonach es insoweit nur noch auf subjektive Umstände ankommt, nicht ohne Weiteres anwendbar sind, führt hier zu keiner anderen Beurteilung. Denn der erkennende [X.] verlangt hier keine „äußerste, den Umständen nach mögliche und zumutbare Sorgfalt“. Vielmehr sind die oben dargestellten Sorgfaltspflichten einem ordentlichen anwaltlichen Bevollmächtigten bei wichtigen, fristgebundenen Verfahrenshandlungen auch bei Anwendung eines – gegenüber der früheren Rechtslage geringeren – individuellen Sorgfaltsmaßstabs (entsprechend § 276 Abs. 2 BGB) zur Überzeugung des [X.]s nach den konkreten Umständen zuzumuten und von diesem zu erwarten (so auch Busse/Keukenschrijver, a. a. [X.], § 123 Rn. 45). Auch nach der – allerdings ebenfalls noch zu § 43 [X.] a. F. ergangenen – Rechtsprechung des [X.] gehört es zu den Pflichten eines Patentanwalts, eine Eingabe zur Wahrung einer Frist, deren Versäumung einen nicht unerheblichen Rechtsnachteil zur Folge haben kann, auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen ([X.], Beschluss vom 3. April 1979 – [X.], [X.] 1979, 626 – Elektrostatisches Ladungsbild). Dies gilt zur Überzeugung des [X.]s auch bei Anwendung des nach § 123 [X.] zu fordernden (geringeren) Sorgfaltsmaßstabs (so auch Busse/Keukenschrijver, a. a. [X.]). Die gleichen Sorgfaltsanforderungen sind an einen Inhouse Patentanwalt eines großen Unternehmens, der für die Betreuung von Angelegenheiten des gewerblichen Rechtsschutzes verantwortlich ist, wie hier der für die Anmelderin tätige und von dieser bevollmächtigte [X.], zu stellen (vgl. auch [X.], Beschluss vom 14. August 2003 – 10 W (pat) 63/01, juris).

Auch wenn daher im vorliegenden Fall ein Verschulden des [X.] an der Fristversäumnis mitgewirkt haben mag, ist nach Aktenlage ein eigenes Verschulden des Bevollmächtigten der Anmelderin, das sich diese nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, zu bejahen.

c) Das ergänzende tatsächliche Vorbringen der Anmelderin in dem am 4. September 2020 eingegangenen Schriftsatz kann nicht berücksichtigt werden, da es sich insoweit um ein unzulässiges Nachschieben neuer Tatsachen handelt.

aa) Der o. g. Schriftsatz der Anmelderin ging erst nach Ablauf der zweimonatigen [X.] des § 123 Abs. 2 Satz 1 [X.] ein. Der Zeitpunkt für den Wegfall des Hindernisses ist vorliegend der 25. Juni 2020, da an diesem Tag die gerichtliche Mitteilung vom 19. Juni 2020 der Anmelderin laut [X.] zugestellt wurde und sie damit ab diesem Zeitpunkt die Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Nichtzahlung der [X.] hatte. Die [X.] endete damit am 25. August 2020, 24 Uhr (§ 99 Abs. 1 [X.], § 222 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Auch wenn man den von der Anmelderin angegebenen Eingangszeitpunkt des oben genannten gerichtlichen Schreibens am 26. Juni 2020 zugrunde legt, war die [X.] mit Eingang des Schriftsatzes vom 4. September 2020 jedenfalls abgelaufen.

bb) Der Wiedereinsetzungsantrag vom 24. Juli 2020 enthält, was den vorgesehenen Büroablauf bei der Anmelderin betrifft, eine in sich geschlossene, klare und nicht ergänzungsbedürftige Sachdarstellung, die sich mit den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen des [X.] und der Frau [X.] vom 24. Juli 2020 deckt. Gemäß diesem eindeutigen Vortrag ist Frau [X.] für das Vorbereiten zu versendender Unterlagen und Einzugsermächtigung zur Unterschrift sowie für deren Versand und das anschließende Streichen der jeweiligen Frist zuständig, wobei die Frist im Falle einer Beschwerde erst gestrichen wird, nachdem der Versand der signierten bzw. unterschriebenen Unterlagen sowie der Einzugsermächtigung erfolgt ist. [X.] ist dafür zuständig, zu versendende Unterlagen und Einzugsermächtigungen zu prüfen und durch Unterschrift für den Versand freizugeben.

Soweit die Anmelderin in ihrem Schriftsatz vom 4. September 2020 nunmehr erstmals vorbringt, dass der Büroablauf der Anmelderin ferner vorsehe, dass insbesondere bei wichtigen Verfahrenshandlungen, wie es die Einlegung einer Beschwerde sei, die zugehörige Frist nur auf (ausdrückliche) Anweisung des Bevollmächtigten im Fristenmanagement gestrichen werde, wenn der Versand der unterschriebenen Unterlagen und der unterschriebenen Einzugsermächtigung erfolgt sei, und ferner, dass Fristen vor ihrem Ablauf dem Bevollmächtigten zur Kenntnis gebracht würden, handelt es sich um neue Umstände, die sich nicht mehr im Rahmen des bisherigen [X.] zur Begründung des [X.] halten. Es handelt sich damit um ein unzulässiges Nachschieben von Tatsachen nach Fristablauf, die nicht berücksichtigt werden können (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juli 2005 – [X.], [X.] 2005, 971; [X.], Beschluss vom 19. April 2011 – [X.], [X.], 1284; Busse/Keukenschrijver, a. a. [X.], § 123 Rn. 77; [X.], a. a. [X.], § 123 Rn. 37 und 40 m. w. N.).

Aber selbst wenn das ergänzende tatsächliche Vorbringen der Anmelderin im Schriftsatz vom 4. September 2020 berücksichtigt werden würde, fehlt es jedenfalls an einer Glaubhaftmachung der diesbezüglichen Angaben, nämlich, dass nach dem Büroablauf der Anmelderin Fristen im Falle einer Beschwerdeeinlegung nur auf ausdrückliche Anweisung des Bevollmächtigten ([X.]) gestrichen bzw. ihm vor Ablauf zur Kenntnis gebracht würden (§ 123 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]). In den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen vom 24. Juli 2020 ist keine Rede davon.

Aus oben genannten Gründen kann dahingestellt bleiben, ob die [X.] bei Berücksichtigung des neuen Vortrags der Anmelderin anders zu beurteilen wäre.

2. Da der Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet zurückzuweisen war, gilt die Beschwerde der Anmelderin gegen den [X.] des [X.] vom 17. Januar 2020 wegen der am 24. Juli 2020 verspätet gezahlten [X.] als nicht eingelegt (§ 6 Abs. 2 PatKostG).

3. Die beantragte Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der [X.] kann ohne mündliche Verhandlung abgelehnt werden (vgl. [X.]E 41, 130, 134; Busse/Keukenschrijver, a. a. [X.], § 78 Rn. 5 und § 123 Rn. 94; [X.], a. a. [X.], § 123 Rn. 169). An den Antrag der Anmelderin auf mündliche Verhandlung besteht in diesem Fall keine gesetzliche Bindung ([X.], Beschluss vom 17. März 1994 – 23 W (pat) 103/93, [X.]E 34, 186; [X.], Beschluss vom 28. September 1993 – 23 W (pat) 44/92, [X.] 94, 292). Der [X.] hält eine mündliche Verhandlung vorliegend auch nicht für sachdienlich (§ 78 Nr. 3 [X.]).

Der Anmelderin wurde auch hinreichend rechtliches Gehör vor der Entscheidung gewährt. Soweit sie im Schriftsatz vom 4. September 2020 hilfsweise um Einräumung einer Gelegenheit für weiteren ergänzenden Vortrag gebeten hat, ist anzumerken, dass nach Ablauf der [X.] Hinweise für ein Vorbringen, dass – wie hier – ein unzulässiges Nachschieben von [X.] darstellt, nicht erforderlich sind (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Januar 1996 – 17 W (pat) 6/95, [X.] 96, 872, 873).

Meta

19 W (pat) 25/20

14.09.2020

Bundespatentgericht 19. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 123 Abs 1 S 1 PatG, § 123 Abs 2 PatG, § 99 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.09.2020, Az. 19 W (pat) 25/20 (REWIS RS 2020, 176)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 176

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