Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.01.2010, Az. 6 W (pat) 23/09

6. Senat | REWIS RS 2010, 10633

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – "Türaußengriff, insbesondere für Fahrzeuge" – Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr – zurechenbares Verschulden des Anwalts


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 199 35 290

hat der 6. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 7. Januar 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]. [X.], sowie [X.], [X.] und Dipl.-Ing. Ganzenmüller

beschlossen:

Die Beschwerde der Patentinhaberin gilt als nicht eingelegt.

Gründe

I.

1

[X.] ist Inhaberin des Patents 199 35 290 mit der Bezeichnung "Türaußengriff, insbesondere für Fahrzeuge". Gegen dieses Patent ist von der Beschwerdegegnerin Einspruch eingelegt worden. Mit Beschluss vom 5. Mai 2008, der der Beschwerdeführerin am 11. September 2008 zugestellt worden ist, hat die [X.] des [X.] das angegriffene Patent widerrufen.

2

Gegen diesen Beschluss hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2008, der dem [X.] per Fax am selben Tag zugegangen ist, Beschwerde eingelegt und diese begründet. Gleichzeitig mit der Beschwerdeschrift wurde eine Einzugsermächtigung für die [X.] in Höhe von 200 € per Fax übermittelt.

3

Mit am 13. November 2008 beim [X.] eingegangenen Schriftsatz vom 11. November 2008 hat die Beschwerdeführerin

4

Antrag auf Wiedereinsetzung

5

in die versäumte Frist zur Zahlung der [X.] gestellt und gleichzeitig mit einer beigelegten Einzugsermächtigung die [X.] in Höhe von 500 € entrichtet.

6

Zur Begründung des [X.] wird vorgetragen, die Fristversäumung sei ohne Verschulden der Vertreter der Patentinhaberin erfolgt. [X.], die in der Kanzlei der Vertreter für die Bearbeitung der vorliegenden Sache zuständig ist, habe die Beschwerdeschrift diktiert und unterzeichnet. Außerdem habe sie der Angestellten [X.], die für das Erstellen von Einzugsermächtigungen in der Kanzlei der Vertreter der Patentinhaberin zuständig sei, den Auftrag erteilt, eine Einzugsermächtigung für die [X.] im Einspruchsverfahren in Höhe von 500 € auszustellen. Diese Angestellte sei seit 1982 in der Kanzlei beschäftigt und seit dem [X.] in der Kanzlei für das Ausfüllen von Einzugsermächtigungen zuständig. Sie sei auf diesem Gebiet umfassend unterwiesen und verfüge laufend über die aktuellen, korrekten Gebührenlisten. Ihre Arbeitsweise werde in Stichproben überprüft, wobei bisher keinerlei Fehler festgestellt worden seien. [X.] habe sich daher vollständig auf diese Kanzleikraft verlassen können. Da die Patentanwältin, die die Beschwerdeschrift unterzeichnet hatte, sich nicht im Hause befand, als die Einzugsermächtigung fertig ausgefüllt war, legte die Kanzleikraft diese - wie in solchen Fällen üblich - dem ebenfalls in der Kanzlei tätigen Patentanwalt Dipl.-Ing. L… zur Unterschrift vor. Warum die Angestellte die falsche Gebühr auf der Einzugsermächtigung eingetragen habe und den Fehler auch später übersehen habe, könne nicht mehr geklärt werden, zumal von ihr üblicherweise nochmals nach der Unterschrift und vor dem Versand überprüft werde, ob die Schreiben unterschrieben und ob die Anlagen korrekt beigefügt worden seien.

7

Als [X.] am 6. November 2008 nach Übersendung der Beschwerdebegründung die Akte einer Überprüfung unterzog, fiel ihr der Fehler auf, worauf sie den Wiedereinsetzungsantrag stellte.

8

[X.] reicht zur Glaubhaftmachung ihres Sachvortrags eine eidesstattliche Versicherung der [X.] Frau [X.] sowie jeweils eine Kopie der falsch ausgefüllten und der richtig ausgefüllten Einzugsermächtigung ein.

9

[X.] ist der Meinung, der unterzeichnende Patentanwalt Dipl.-Ing. L… habe ohne Verschulden gehandelt, weil aus der ihm vorgelegten ausgefüllten Einzugsermächtigung nicht hervorgegangen sei, dass es sich um eine Beschwerde im Einspruchsverfahren gehandelt habe und die Kanzleiangestellte ihn darüber informiert habe, dass die eigentlich zuständige [X.] die Beschwerdeschrift bereits unterzeichnet und sie – die Kanzleikraft - zum Ausfüllen der Einzugsermächtigung angewiesen habe.

[X.]gegnerin widerspricht der Beschwerdebegründung. Hinsichtlich des [X.] regt sie die Prüfung an, ob dieser fristgerecht an der zuständigen Stelle gestellt worden sei und verweist auf die Entscheidung [X.], 269.

Wegen weiterer Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

[X.] gilt als nicht eingelegt.

1. Nach Nr. 401 100 der Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG (Gebührenverzeichnis) ist für die Beschwerde im Einspruchsverfahren (§ 73 Abs. 1 [X.]) eine Gebühr von 500 € zu zahlen. Die Gebühr ist nach § 6 Abs. 1 PatKostG innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist des § 73 Abs. 1 S. 1 [X.] zu entrichten. Erfolgt die Zahlung des vollen Betrags nicht fristgemäß, gilt die den Gebührentatbestand begründende Verfahrenshandlung als nicht vorgenommen, vorliegend also die Beschwerde als nicht eingelegt (§ 6 Abs. 2 PatKostG).

Nachdem der streitgegenständliche Beschluss der Beschwerdeführerin am 11. September 2008 zugestellt worden ist, war die [X.] von 500 € bis zum 11. Oktober 2008 zu zahlen. Dies ist nicht geschehen. Vielmehr ist die [X.] in voller Höhe erst am 13. November 2008 mit dem Wiedereinsetzungsantrag eingegangen. Somit ist die gesetzliche Fiktion des § 6 Abs. 2 PatKostG eingetreten.

2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der [X.] (§ 123 [X.]) ist zwar zulässig, aber nicht begründet.

2.1. Die Wiedereinsetzung ist fristgemäß schriftlich innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses, nämlich nachdem die Vertreterin der Beschwerdeführerin am 6. November 2008 von der fehlerhaften Zahlung erfahren hatte, beantragt worden.

Allerdings kann man daran zweifeln, ob - wie vorliegend - der Wiedereinsetzungsantrag im zweiseitigen Verfahren fristwahrend beim [X.] gestellt werden kann.

Diese - soweit ersichtlich - noch nicht intensiver in Rechtsprechung und Lehre diskutierte Frage braucht hier aber nicht entschieden zu werden, weil der Wiedereinsetzungsantrag mit Begründung jedenfalls innerhalb der am 6. Januar 2009 ablaufenden Zweimonatsfrist des § 123 Abs. 2 S. 1 [X.] vom [X.] an das für die Entscheidung zuständige [X.] abgegeben worden ist. Dies folgt daraus, dass u. a. eine Kopie der Wiedereinsetzungsbegründung am 4. Dezember 2008 der Beschwerdegegnerin von der Geschäftsstelle des Senats übersandt worden ist.

2.2. Die Frist zur Zahlung der [X.] ist jedoch nicht ohne ein der Beschwerdeführerin zurechenbares Verschulden des Anwalts (§ 85 Abs. 2 ZPO) versäumt worden, weil der anwaltliche Vertreter der Patentinhaberin die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer [X.] gelassen hat (§ 278 BGB).

Zwar hat die sorgfältig ausgebildete, stichprobenartig überwachte, zuverlässige Kanzleiangestellte [X.], deren Verschulden der Beschwerdeführerin nicht zugerechnet werden kann, die Einzugsermächtigung fehlerhaft ausgestellt und nicht Patentanwalt Dipl.-Ing. L…. Allerdings hat der Vertreter der Beschwerdeführerin die Einzugsermächtigung selbst unterschrieben, ohne den Fehler zu bemerken. Hierin liegt sein der Beschwerdeführerin zurechenbares Verschulden.

Gerade bei wichtigen Verfahrenshandlungen, wie es die Einlegung eines Rechtsmittels ist, obliegt nach allgemeiner Ansicht dem Anwalt im Interesse des Rechtssuchenden die Pflicht, sicherzustellen, dass die Handlung wirksam ist. Einer besonderen Sorgfalt bedarf es dann, wenn ein der Wirksamkeit der Handlung entgegenstehender Mangel später nicht mehr beseitigt werden kann. Im Falle der Einlegung einer gebührenpflichtigen Beschwerde muss der Anwalt deshalb selbst die Höhe der zu zahlenden Gebühr bestimmen oder zumindest - wenn er dies allgemein einer Angestellten übertragen hat - überprüfen. Die Büroorganisation einer Verfahrensbeteiligten bzw. dessen Vertreters muss gewährleisten, dass die letzte Kontrolle vor [X.] eines solchen Schriftsatzes durch den Vertreter bzw. Bevollmächtigten erfolgt (vgl. dazu etwa B[X.]E 44, 183, 185 f. - Abhaken; B[X.]E 18, 208, 211; [X.]. 2005, 368 - Schadensverhütung). Besonders sorgfältig muss nach Auffassung des Senats ein Anwalt gerade dann sein, wenn ihm - wie hier - die näheren Umstände des Falles nicht bekannt sind, in dem er eine Unterschrift leistet, die eine Wirksamkeitsvoraussetzung des Rechtsmittels betrifft. Gerade dann darf er sich nicht ohne sachliche Kontrolle darauf verlassen, dass das ihm [X.] korrekt ist, sondern muss sich von dessen Richtigkeit - eventuell unter Heranziehung der Handakte - überzeugen. Denn dem Sinn und Zweck einer Kontrolle widerspräche es, wenn man es ausreichen ließe, dass sich der Anwalt auf die Richtigkeit der Aussage der zu kontrollierenden Kanzleikraft oder die Richtigkeit und Vollständigkeit des zu überprüfenden, in sich möglicherweise plausiblen Schriftstücks, verlässt. Es entlastet den Vertreter der Patentinhaberin daher nicht, dass vorliegend der Fehler aus dem Inhalt der zu unterschreibenden Einzugsermächtigung allein nicht erkennbar war, sondern sich erst aus einer Zusammenschau mit dem Akteninhalt erschließt.

Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der [X.] kommt deshalb nicht in Betracht.

3. Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen ([X.], Patentgesetz, 8. Aufl., § 123 Rn. 161; B[X.]E 41, 130, 134).

Meta

6 W (pat) 23/09

07.01.2010

Bundespatentgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 85 Abs 2 ZPO § 278 BGB

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.01.2010, Az. 6 W (pat) 23/09 (REWIS RS 2010, 10633)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 10633

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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