Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.08.2015, Az. 3 StR 214/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 6368

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Gegenstand

Verhängung einer Jugendstrafe: Berücksichtigung des Erziehungsgedankens bei einem zum Zeitpunkt der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils bereits 23 Jahre alten Angeklagten


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. November 2014, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Vergewaltigung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt und dahin erkannt, dass von dieser Strafe wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung sechs Monate als bereits vollstreckt gelten. Von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat die [X.] abgesehen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Der Schuldspruch, die [X.] und das Absehen von der Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB weisen keinen den Angeklagten belastenden materiell-rechtlichen Fehler auf.

3

2. Der Strafausspruch hält jedoch sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.

4

Das [X.] hat gegen den zur Tatzeit am 25. November 2007 16 Jahre alten Angeklagten gemäß § 17 Abs. 2 [X.] Jugendstrafe verhängt und dabei sowohl schädliche Neigungen als auch die Schwere der Schuld bejaht. Bei der Bestimmung der Strafhöhe hat es sich maßgebend am [X.]n orientiert. Einen Härteausgleich, weil mehrere in weiteren Urteilen verhängte [X.] Sanktionen bereits vollständig vollstreckt waren und die entsprechenden Entscheidungen deshalb nicht gemäß § 31 Abs. 2 [X.] einbezogen werden konnten, hat es ausdrücklich deshalb abgelehnt, weil dieser "dem [X.]n des Jugendstrafrechts zuwiderliefe".

5

Damit hat die [X.] nicht bedacht, dass dem [X.]n bei der Bestimmung von Art und Dauer der Sanktion für die Tat des zum Zeitpunkt der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils bereits 23 Jahre und fast sieben Monate alten und damit im strafrechtlichen Sinne erwachsenen Angeklagten bereits nach der bisherigen Rechtsprechung ein allenfalls geringes Gewicht zukommen kann (vgl. [X.], Beschluss vom 17. März 2006 - 1 [X.], [X.], 587, 588; Urteil vom 31. August 2004 - 1 [X.], juris Rn. 12). Schon dieser Rechtsfehler führt dazu, dass der Strafausspruch nicht bestehen bleiben kann. Der [X.] muss deshalb hier nicht entscheiden, ob er in vollem Umfang der neueren Auffassung des 1. Strafsenats zustimmen könnte, der nunmehr weiter gehend und der - soweit ersichtlich - überwiegenden Ansicht in der Literatur (vgl. [X.]/Dölling, [X.], 12. Aufl., § 17 Rn. 14b; MüKoStGB/[X.], [X.] § 17 Rn. 60; HK-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 17 Rn. 28; aA etwa [X.], [X.], 17. Aufl., § 17 Rn. 34a) folgend dazu neigt, bei einer auf die Schwere der Schuld gestützten Jugendstrafe die Erziehungsfähigkeit und -bedürftigkeit des jugendlichen oder heranwachsenden Straftäters generell nicht zu berücksichtigen ([X.], Beschluss vom 6. Mai 2013 - 1 [X.], [X.]R [X.] § 17 Abs. 2 Schwere der Schuld 5 mit Anmerkung [X.], [X.], 636). Er gibt allerdings zu erwägen, dass insbesondere auch verfassungsrechtliche Vorgaben (vgl. [X.], Jugendstrafrecht für Erwachsene?, [X.] ff.) Anlass dazu sein könnten, die bisherige Rechtsprechung dahin weiter zu entwickeln, dass bei der Verhängung von Sanktionen gegen Straftäter, die zum Zeitpunkt ihrer Verurteilung bereits das 21. Lebensjahr vollendet haben und somit im strafrechtlichen Sinne als erwachsen gelten, der [X.] nicht mehr nur von geringem Gewicht sein kann, sondern insgesamt kein taugliches Strafzumessungskriterium mehr ist. Dies könnte mit Blick auf § 89b Abs. 1 Satz 2 [X.] jedenfalls für solche Täter gelten, die zu dem genannten Zeitpunkt das 24. Lebensjahr vollendet haben und deren Jugendstrafe deshalb regelmäßig im Strafvollzug für Erwachsene zu vollziehen ist (vgl. [X.] [X.], 636, 637).

6

Die Aufhebung des Strafausspruchs lässt die [X.] unberührt ([X.], Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, [X.]St 54, 135, 138).

[X.]     

     Pfister     

Schäfer

[X.] befindet sich
im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.

Spaniol     

[X.]

Meta

3 StR 214/15

20.08.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg), 14. November 2014, Az: 6 KLs 9/14

§ 17 Abs 2 JGG, § 31 Abs 2 JGG, § 27 StGB, § 177 StGB, § 267 StPO, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.08.2015, Az. 3 StR 214/15 (REWIS RS 2015, 6368)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 6368

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