Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.11.2017, Az. 2 StR 460/16

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 1552

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:291117U2ST[X.]460.16.0

BUN[X.]SGE[X.]ICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

U[X.]TEIL
2 St[X.] 460/16
vom
29. November
2017
in der Strafsache
gegen

wegen Vergewaltigung u.a.

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 29. November
2017, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Dr. [X.]

als Vorsitzender,

[X.] am [X.]
Zeng,
[X.]in am [X.]
Wimmer,
die [X.] am [X.]
Dr. [X.],
[X.],

Oberstaatsanwalt beim [X.]

in der Verhandlung,
Staatsanwalt beim [X.]

bei der Verkündung,

als Vertreter der [X.],

[X.]echtsanwalt

,
[X.]echtsanwalt

als Verteidiger,

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für [X.]echt erkannt:
-
3
-

Die [X.]evision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 16. Juni 2016 wird mit der Maßgabe als unbe-gründet verworfen, dass der Angeklagte wegen Vergewaltigung in zwei Fällen und
wegen
Nötigung, jeweils in Tateinheit mit vorsätz-licher Körperverletzung, zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt ist.
Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer die Kosten und Auslagen des [X.]evisionsverfahrens aufzuerlegen; jedoch hat er seine eigenen und die
der Nebenklägerin
im [X.]evisionsverfahren
entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von [X.]echts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen
und wegen Nötigung, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverlet-zung zu einer ugendstrafe

von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine [X.]evision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen [X.]echts rügt, bleibt ohne Erfolg.
Lediglich die offensichtlich versehentliche Falschbezeich-nung der Sanktion
im Tenor war zu berichtigen.
[X.] Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen.
1
2
-
4
-
1. Der Angeklagte war seit Jahren bei Freunden und Bekannten dafür bekannt, dass er bei jeder Gelegenheit wahllos und in aufdringlicher Weise Mädchen anmachte

und mit seinen teilweise auch erfundenen [X.] prahlte. In [X.] Netzwerken rühmte er sich einer außergewöhnlich
ho-

a) Im Oktober 2013 nahm der Angeklagte an einer Klassenfahrt in die [X.] teil. Am ersten Abend kehrte die [X.]eisegruppe nach einem Innenstadtbe-such in ihr Hotel zurück. Trotz [X.] fanden sich einige Schüler auf dem von ihnen bewohnten [X.] zum gemeinsamen
Konsum von alkoholischen
Getränken zusammen. Im Laufe der Nacht suchte

[X.]

, eine Mitschülerin des Angeklagten, einen Freund und betrat das
Zimmer des Angeklagten. Diese Gelegenheit nutzte der stark alkoholisierte und dadurch in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkte Angeklagte aus, um seine sexuellen Bedürfnisse

auch gegen ihren Willen

durchzuset-zen, indem er die sich wehrende

[X.]

an den Oberarmen festhielt,
sie gegen die Wand des Zimmers drückte und auf
den Mund küsste. Als ein Mitschüler
[X.] betrat, ließ der Angeklagte von

[X.]

ab und
verließ den [X.]aum. Aufgrund dieses Vorfalls wurde der Angeklagte vorzeitig nach Hause geschickt und wechselte, nachdem die Schulleitung ihm dies [X.] hatte, freiwillig die Schule.
b) Am 24. Juli 2015 begegnete der Angeklagte bei einem Volksfestbe-such in E.

der Geschädigten

A.

,
mit der er 2013 und 2014
bei mindestens zwei Gelegenheiten sexuellen Kontakt gehabt hatte. Zum [X.]-punkt
der Begegnung wollte die Geschädigte in Begleitung einer Freundin das Fest gerade verlassen. Der Angeklagte erkannte, dass die Geschädigte stark angetrunken war. Da er eine günstige Gelegenheit für sexuelle Handlungen mit ihr sah, sprach er sie direkt auf
ihre früheren gemeinsamen Sexualkontakte an 3
4
5
-
5
-

A.

brachte mehrfach zum Ausdruck, dass sie dies nicht wolle;
ihre Begleiterin forderte den Angeklagten auf,

A.

in [X.]uhe zu
lassen. Der Angeklagte wollte seine sexuellen Wünsche jedoch unbedingt durchsetzen, folgte den Mädchen und ließ sich nicht abwimmeln. Auf ihrem Weg über das Festgelände trafen die beiden Frauen an einem Bierstand alte Bekannte und entschlossen sich, noch einige [X.] dort zu bleiben. Als die Freundin der Geschädigten kurz abwesend war, begann der Angeklagte

A.

intensiv zu küssen, wobei er ihr fordernd und aggressiv seine Zunge
in den Mund schob. Er erkannte, dass die Geschädigte aufgrund ihrer Alkoholi-sierung völlig wehrlos war;
er zog sie von den anderen Gästen weg, um weitergehende
sexuelle Handlungen

auch gegen ihren Willen

durchzuset-zen. Er zerrte die stark torkelnde Geschädigte zwischen zwei bereits geschlos-sene Verkaufsstände und begann erneut, sie zu küssen und anzufassen. Die Geschädigte schob den Angeklagten von sich und gab ihm zu verstehen, dass sie nicht wolle. Dennoch packte er sie an den Armen oder Schultern und zwang sie auf die Knie. Um ihre starke Gegenwehr zu unterbinden, schlug er ihren Kopf mehrere Male seitlich auf ein am Boden liegendes Metallgitter und drückte die Geschädigte zu Boden. Er öffnete seine [X.] und führte mehrfach auf grobe
Art und Weise seinen erigierten Penis tief in den Mund der Geschädigten ein, um so den Oralverkehr zu erzwingen. Als eine unbekannte Person, die auf das Geschehen aufmerksam geworden war, etwas in [X.]ichtung des [X.] rief, ließ dieser von

A.

ab und entfernte sich.
c) Am 7. November 2015 besuchte der
Angeklagte mit der Geschädigten

W.

eine Diskothek in

[X.].

. Die Geschädigte war seit
mehreren Jahren mit dem Angeklagten befreundet, eine Liebesbeziehung hatte zu keinem [X.]punkt bestanden. Nach einem mehrstündigen Aufenthalt in
der Diskothek bat die Geschädigte den Angeklagten, sie nach Hause zu bringen. 6
-
6
-
Der Angeklagte wollte diese Situation ausnutzen, um mit der Geschädigten sexuelle
Handlungen durchzuführen und brachte sie zu seinem Fahrzeug. Statt die Geschädigte nach Hause zu bringen, fuhr er den Wagen in einen unbe-leuchteten Abschnitt eines Feldwegs und versuchte die Geschädigte zu küssen. Auf ihre Äußerung hin, sie wolle dies nicht, ließ er zunächst von ihr ab. Als die Geschädigte sich auf die [X.]ückbank des Pkw begab, um ihre Tasche zu holen, entschloss sich der Angeklagte, seine sexuellen Wünsche auch mit Gewalt durchzusetzen. Er folgte der Geschädigten in den Fond des Wagens und begann
sie gegen ihren Willen zu küssen. Versuche der Geschädigten, den Wagen zu verlassen, scheiterten. Der Angeklagte hielt die Geschädigte fest, zog und riss an ihren Haaren und fasste sie an der Brust und zwischen den Beinen an, um sich sexuelle Befriedigung zu verschaffen. Obwohl die [X.] Gegenwehr leistete und bettelte aufzuhören, ließ der Angeklagte nicht von vor weiterer Gewalt und in der Hoffnung auf ein Ende der Übergriffe kam die Geschädigte der Forderung des Angeklagten kurz nach. Als sie sich dann erneut
wehrte, drückte der Angeklagte sein Knie in ihren Bauch und fixierte ihre Arme. Er zog [X.] und Unterhose der Geschädigten gegen deren Willen nach unten und führte mehrere Finger tief in ihre Scheide ein, was ihr erhebliche Schmerzen verursachte. Als die Geschädigte den Angeklagten anflehte [X.] aufgrund des Widerstands der Geschädigten nicht die gewünschte sexuelle Befriedigung bekommen hatte, ließ der Angeklagte von
der
Geschädigten ab und begann sich selbst zu befriedigen. In dieser Situation konnte sich die Geschädigte
aus dem Fahrzeug befreien und flüchten.
2. Das [X.] hat die Taten als Nötigung und Vergewaltigung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung gewürdigt. Es hat festgestellt, dass der zu den [X.], 20 Jahre und neun Monate 7
-
7
-
sowie 21 Jahre alte Angeklagte nach seiner geistigen und sittlichen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstehe, und hat deshalb Jugendstrafrecht zur Anwendung gebracht. Ausgehend vom Vorliegen schädlicher Neigungen und sechs Monaten verhängt. Bei der Bemessung der Höhe der Jugendstrafe hat das [X.] zu Lasten

e-ben dem Bedürfnis eines gerechten Schuldausgleichs gerade auch aus dem sei.
I[X.] Die [X.]evision ist unbegründet.
1. Die Verfahrensrüge bleibt aus den Gründen der Zuschrift des [X.] ohne Erfolg.
2. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils zum Schuldspruch hat keinen [X.]echtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Die Entscheidung des [X.]s, gemäß § 32 [X.] einheitlich Jugendstrafrecht
anzuwenden, ist frei von [X.]echtsfehlern.
aa) Nach § 32 [X.] gilt für mehrere Straftaten, die gleichzeitig abgeurteilt werden und auf die teils Jugendstrafrecht und teils allgemeines Strafrecht anzuwenden
wäre, einheitlich das Jugendstrafrecht, wenn das Schwergewicht bei den Straftaten liegt, die nach Jugendstrafrecht zu beurteilen wären; ist dies nicht der Fall, so ist einheitlich
das allgemeine Strafrecht anzuwenden. Diese [X.]egelungen gelten gemäß §
105 Abs.
1 [X.] auch im Verfahren gegen Heran-wachsende. Da für die Eigenschaft als Heranwachsender (§
1 Abs.
2 [X.]) al-8
9
10
11
12
13
-
8
-
lein der [X.]punkt der Tatbegehung entscheidend ist ([X.]-[X.]/Schlehofer, 7.
Edition,
§
105 [X.]n.
2), war der Angeklagte bei zwei der drei Taten [X.]; bei der letzten Tat war er Erwachsener. Das [X.] hat [X.] zu [X.]echt geprüft, bei welchen Teilakten das Schwergewicht liegt. Diese Be-urteilung ist im wesentlichen
Tatfrage, die der Tatrichter nach seinem pflichtge-mäßen Ermessen zu entscheiden hat und daher der Nachprüfung des [X.]evisi-onsgerichts grundsätzlich entzogen ([X.], Urteil vom 22.
Juni 1988

3
St[X.] 93/88, [X.][X.] [X.] §
32 Schwergewicht 1; Senat, Urteil vom
29.
Juli 1992

2
St[X.] 20/92, [X.][X.] [X.] §
32 Schwergewicht 3; [X.], [X.], 19.
Aufl., §
32 [X.]n.
21). Maßgeblich für die Bestimmung des Schwergewichts ist insbe-sondere, ob sich die späteren Straftaten als in den früheren bereits angelegt darstellen, ob sie bei Betrachtung der Persönlichkeitsentwicklung ihren Ur-24.
März 1954

6
St[X.] 84/54, [X.]St 6, 6, 7; Urteil vom 27.
Juni 1989

1
St[X.] 266/89, Beck[X.]S 1989, 01495; Senat, Beschluss vom 15.
Juni 1994

2
St[X.] 229/94, [X.] bei [X.] NStZ 1995, 535, 537;
[X.] aaO §
32 [X.]n.
12; [X.], NK-[X.], 10.
Aufl. §
32
[X.]n. 12).
[X.]) Bei seiner Wertung des Schwergewichts hat das [X.] in nicht zu beanstandender Weise darauf abgestellt, dass die im Erwachsenenalter begangene
Straftat des Angeklagten ohne Zäsur in seinen im Jugend-
und Heranwachsendenalter entwickelten Neigungen wurzelte und Ausdruck einer bereits im jugendlichen Alter entwickelten fehlerhaften und eigensüchtigen Einstellung
zur Sexualität und zum Umgang mit Frauen darstelle.
b) Entgegen der Ansicht des [X.] und des [X.] begegnet weder die Verhängung einer Einheitsjugendstrafe noch die Festsetzung der konkreten Strafhöhe rechtlichen Bedenken.
14
15
-
9
-
aa) Die Entscheidung des [X.]s, gegen den Angeklagten eine Jugendstrafe zu verhängen, ist nicht zu beanstanden. Das [X.] ist unter Zugrundelegung des jeweils zutreffenden Maßstabs und mit tragfähiger Be-gründung davon ausgegangen, dass beim Angeklagten im Sinne des §
17 Abs.
2 [X.] schädliche Neigungen vorliegen und Schwere der Schuld gegeben ist.
[X.]) Dass das [X.] bei der Zumessung der Jugendstrafe neben dem Bedürfnis eines gerechten Schuldausgleichs auch dem Erziehungsgedan-ken im
Sinne von §
18 Abs.
2 [X.] bei dem zum [X.]punkt der Verkündung
des Urteils 21 Jahre und acht Monate alten Angeklagten Bedeutung beigemessen hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
(1) Gemäß § 18 Abs. 2 [X.] ist die Jugendstrafe so zu bemessen, dass die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist. Grundsätzlich ist zwar die in den gesetzlichen [X.]egelungen des allgemeinen Strafrechts zum Ausdruck gelangende Bewertung des Ausmaßes des in der Straftat hervorgetretenen Unrechts
auch bei der Bestimmung der Höhe der Jugendstrafe zu [X.]. [X.] darf aber die Begründung wesentlich oder gar ausschließlich nach solchen Zumessungserwägungen vorgenommen werden, die auch bei Erwachsenen in Betracht kommen. Die Bemessung der Jugendstrafe erfordert vielmehr von der [X.], das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen
der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abzuwä-gen. Denn auch bei einer wegen der Schwere der Schuld verhängten [X.] bemisst sich ihre Höhe vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten. Die Urteilsgründe müssen daher in jedem Fall erkennen lassen, dass dem [X.]n
die ihm zukommende Beachtung geschenkt worden ist (st. [X.]spr., vgl. etwa
[X.], Beschluss vom 19.
April 2016

1
St[X.] 95/16, [X.], 683).
16
17
18
-
10
-
(2) Der [X.] hat mehrfach darauf hingewiesen,
dass dem [X.]n mit fortschreitendem Alter des [X.] ein immer geringe-res Gewicht zukomme. Aus den Entscheidungen ergibt sich jedoch keine starre Altersobergrenze, jenseits
der die Berücksichtigung des [X.] unzulässig wäre. Im Einzelnen:
-
In Beschlüssen vom 17. Juni 1997 und 5. April 2017 hat der 1.
Senat diesen Grundsatz im [X.]ahmen allgemeiner Ausführungen
zur Bedeutung der Berücksichtigung des [X.] bei der Strafzumessung betont
([X.], Beschluss vom 17.
Juni 1997

1
St[X.] 288/97

[X.], 334; Beschluss vom 5.
April 2017

1
St[X.] 76/17, NStZ-[X.][X.] 2017, 231).
-
In seiner Entscheidung vom 31.
August 2004 hat der 1.
Senat ausge-führt, die Verurteilung eines zur Tatzeit 20 Jahre alten und zum [X.]punkt der Verurteilung 25-jährigen Angeklagten wegen schweren [X.]aubes zu einer
Jugendstrafe von drei Jahren begegne keinen rechtlichen Beden-e-danken gervom 31. August 2004

1
St[X.] 213/04).
-
In einem Beschluss vom 17.
März 2006, der die Verurteilung eines zur Tatzeit 19-
bzw. 20-jährigen und zum [X.]punkt der Urteilsverkündung 36 Jahre alten Angeklagten
zu einer achtjährigen Jugendstrafe betraf, sah der 1.
Senat keinen [X.]echtsfehler darin, dass das Tatgericht dem Erzie-hungsgedanken nur untergeordnete Bedeutung beigemessen hatte ([X.], Beschluss vom 17.
März 2006

1
St[X.] 577/05, [X.], 587, 588).
-
In einem Beschluss vom 26.
Oktober 2016, mit dem er ein Urteil im Strafausspruch einer Jugendstrafe aufhob, hat der erkennende Senat u-gendstrafe den [X.]n genauer als bisher zu [X.], zum [X.]punkt der Urteilsverkündung 22 Jahre und sieben Monate alt (Senat, Beschluss vom 26. Oktober 2016

2
St[X.] 214/16
juris [X.]n.
5).
-
In einem Beschluss vom 20. August
2015 hat der 3.
Senat in einem Fall, in dem der Angeklagte zur Tatzeit 16 Jahre und zum [X.]punkt der [X.] des erstinstanzlichen Urteils bereits 23 Jahre und sieben Mona-te alt war, die verhängte Jugendstrafe aufgehoben, bei deren Bestim-19
-
11
-
mung sich das

n-tiert hatte ([X.], Beschluss vom 20. August 2015

3 St[X.] 214/15).
-
Die Entscheidung des 3. Senats vom 8. März 2016 betraf einen Fall, in welchem das Tatgericht gegen zwei zur Tatzeit 18 und 19 bzw. 20 Jahre
alte
Angeklagte, die im [X.]punkt der Verurteilung bereits 24 und 25 Jah-re alt waren, zur erzieherischen Einwirkung [X.] verhängt hatte. Der 3. Senat hob das Urteil jeweils im [X.]echtsfolgenausspruch auf, da die [X.] nicht bedacht habe, dass
dem [X.]n bei der Bestimmung von Art und Dauer der Sanktion für die Tat der zum [X.]punkt der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils im strafrechtli-chen Sinne erwachsenen Angeklagten ein allenfalls geringes Gewicht zukomme ([X.], Beschluss vom 8.
März 2016

3 St[X.] 417/15, juris [X.]n.
19, [X.], 680, 681).

Die in diesen Entscheidungen vertretene Auffassung, dass der Erzie-hungsgedanke grundsätzlich immer zu berücksichtigen sei, mit [X.] des Angeklagten aber an Bedeutung verliere, wird von zahlreichen Stimmen im Schrifttum geteilt ([X.]/[X.], [X.], 2.
Aufl., 105 [X.]n.
59; [X.]/Dölling, [X.], 13.
Aufl., §
105 [X.]n.
36; [X.]/[X.]/Brögeler, 7.
Edition, §
18 [X.]n.
12; [X.]/[X.]/[X.], Jugendstrafrecht, 3.
Aufl., [X.]n.
759; [X.]/[X.]/[X.], Jugendstrafrecht, 15.
Aufl., [X.]n.
473; ausführlich und grundlegend [X.] in: Festschrift für [X.], S.
403
ff.; auf das Ziel der positiven Individualprävention abstellend [X.], NK-[X.], aaO, §
105 [X.]n.
31).
In den beiden zuletzt genannten Entscheidungen ließ der 3.
Senat aus-drücklich offen, ob darüber hinaus Anlass bestehen könnte, die bisherige [X.]echtsprechung dahin weiter zu entwickeln, dass bei der Verhängung von Sanktionen gegen Straftäter, die zum [X.]punkt ihrer Verurteilung bereits das 21.
Lebensjahr vollendet haben und somit im strafrechtlichen Sinne als erwach-sen gelten, der [X.] nicht mehr nur von geringem Gewicht sein kann, sondern insgesamt kein taugliches Strafzumessungskriterium mehr
ist (so 20
21
-
12
-
auch [X.], Jugendstrafrecht für Erwachsene? 2005, S.
105 ff.; MüKo-StGB/[X.]/[X.], 3. Aufl., § 46 [X.]n. 242; [X.], aaO, §
17 [X.]n.
34b, §
18 [X.]n.
32). Nach den Erwägungen des 3.
Senats kommt dies mit Blick auf §
89b Abs.
1 Satz
2 [X.] jedenfalls bei solchen Tätern in Betracht, die zum [X.]punkt der Verurteilung das 24.
Lebensjahr vollendet haben und deren Ju-gendstrafe deshalb regelmäßig im Strafvollzug für Erwachsene zu vollziehen ist (vgl. auch [X.], JA 2016, 623, 627: Altersgrenze bei 25 Jahren).
Der Senat sieht keinen Anlass, von der bisherigen [X.]echtsprechung
ab-zuweichen. Wie die

auch hier zur Anwendung kommende

[X.]egelung des §
32 Satz
1 [X.] zeigt, können selbst Straftaten, die im Erwachsenenalter be-gangen worden sind, nach den
[X.]egeln des Jugendstrafrechts abgeurteilt wer-den, wenn der Schwerpunkt bei Taten liegt, die nach Jugendstrafrecht zu beur-wodurch auf §
2 Abs.
1 [X.] und die vorrangige Ausrichtung der [X.]echtsfolgen und des Verfahrens am [X.]n Bezug genommen wird. Die [X.] übersieht zudem, dass es häufig dem Zufall geschuldet ist, ob die Hauptverhandlung kurz vor oder kurz nach dem 21. Geburtstag des Ange-klagten stattfindet.
Auch die [X.]egelung des §
89b [X.] spricht für die Berück-sichtigung des [X.] bei erwachsenen Angeklagten. Nach §
89b Abs.
1 Satz
1 [X.] geht das Gesetz bei 18-
bis 23-jährigen zu [X.] Verurteilten davon aus, dass die Jugendstrafe regelmäßig im [X.] zu vollziehen ist, der Verurteilte somit mit den Methoden des als Erziehungsvollzug ausgestalteten Jugendstrafvollzugs erreicht werden kann. Im Hinblick darauf, dass nach Vollendung des 24.
Lebensjahrs des Verurteilten die Jugendstrafe nach den Vorschriften des [X.] vollzogen

89b Abs.
1 Satz
2 [X.]), ist in Ausnahmefällen sogar eine Un-terbringung im Jugendstrafvollzug von über 24
Jahren alten Gefangenen zuläs-sig. Dass der Gesetzgeber auch bei über 21-Jährigen den [X.]n 22
-
13
-
für relevant hält, folgt auch aus der Gesetzesbegründung für die Änderung des §
105 Abs.
3 Satz
2 [X.], mit dem
die maximale
Jugendstrafe für heranwach-sende Mörder wegen der besonderen Schwere der Schuld von zehn auf 15
Jahre erhöht wurde (vgl. [X.], aaO, S.
403, 411 ff.). Nach der gesetzgeberischen
Konzeption soll
die Verhängung dieser weit in das Erwach-senenalter reichenden
Jugendstrafe nämlich zur Voraussetzung
haben, dass
ist (BT-Drucks. 17/9389, S. 20).

(3) Vor diesem
Hintergrund und im Hinblick auf die
Feststellungen zu dem beim Angeklagten bestehenden Erziehungsbedarf ist es nicht rechtsfeh-lerhaft, dass das [X.] angenommen hat, dass hier
unter dem Gesichts-punkt des gerechten Schuldausgleichs und aufgrund des [X.] eine längerfristige Jugendstrafe erforderlich ist. Das [X.] hat im [X.]ahmen der Strafzumessung im engeren Sinne zunächst wesentliche
Zumessungser-wägungen vorgenommen, die auch bei Erwachsenen in Betracht kommen. Ausgehend von der in allen Taten zum Ausdruck gekommenen
Einstellung des Angeklagten und der dabei zu Tage getretenen Bedenkenlosigkeit hat das [X.] dann die Notwendigkeit einer längerfristigen erzieherischen Einwir-kung festgestellt und abgewogen, welche Folgen die gegen den Angeklagten 23
-
14
-
verhängte Jugendstrafe für dessen weitere Entwicklung haben wird. Es hat sich somit nicht ausschließlich am [X.]n orientiert und hält sich
da-mit im [X.]ahmen des tatrichterlichen Ermessens.

[X.] am [X.]

Zeng

Wimmer
Dr. [X.] ist krankheitsbedingt
an der Unterschrift gehindert.

Zeng

[X.]

[X.]

Meta

2 StR 460/16

29.11.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.11.2017, Az. 2 StR 460/16 (REWIS RS 2017, 1552)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 1552

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 StR 460/16

3 StR 214/15

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