Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.07.2020, Az. 5 StR 146/19

5. Strafsenat | REWIS RS 2020, 774

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Gegenstand

Missbrauch von Ausweispapieren


Leitsatz

1. Auch durch Vorlage der Kopie oder durch elektronische Übersendung des Bildes eines echten Ausweises zur Identitätstäuschung kann ein Ausweispapier im Sinne von § 281 Abs. 1 Satz 1 StGB zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht werden (Aufgabe von BGH, Urteil vom 4. September 1964 - 4 StR 324/64, BGHSt 20, 17).

2. Zur Fälschung beweiserheblicher Daten durch Anmeldung bei einer Auktionsplattform und durch Online-Verkaufsangebote unter falschem Namen.

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 6. Dezember 2018 wird mit der Maßgabe verworfen, dass die tateinheitliche Verurteilung wegen Fälschung beweiserheblicher Daten im Fall 38 entfällt.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Adhäsionsklägern hierdurch im Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen zu tragen.

Die Kostenbeschwerde des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges in 38 Fällen, davon in zehn Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, in neun Fällen in Tateinheit mit Fälschung beweiserheblicher Daten, in drei Fällen in Tateinheit mit Missbrauch von Ausweispapieren, in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Missbrauch von Ausweispapieren und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Missbrauch von Ausweispapieren und Fälschung beweiserheblicher Daten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt, eine Einziehungsentscheidung und Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die mit der allgemeinen Sachrüge geführte Revision des Angeklagten erzielt lediglich den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

I.

2

Das [X.] hat Folgendes festgestellt:

3

1. Der mittel- und wohnungslose einschlägig vorbestrafte Angeklagte mietete sich Anfang 2017 in einem [X.] ein. Um sich das dafür notwendige Geld zu beschaffen und weil er Gefallen an einem luxuriösen Lebensstil gefunden hatte, beging er ab Januar 2017 zahlreiche Straftaten.

4

In einem ersten Tatkomplex (Fälle 1 bis 26) bot er über das [X.] Luxusgüter - zumeist hochwertige Armbanduhren - zum Kauf an, obwohl er diese weder liefern konnte noch wollte. Im Vertrauen auf seine falschen Versprechen überwiesen zahlreiche Käufer den vereinbarten Kaufpreis vorab, erhielten jedoch nicht den gekauften Gegenstand (gewertet als Betrug in 26 Fällen). In einigen dieser Fälle hatte der Angeklagte kurz zuvor auf [X.] einen Account auf nicht existierende Personen unter Angabe fingierter Kontaktdaten angelegt oder trat bei den Verkaufsverhandlungen unter falschem Namen auf, um über seine Identität zu täuschen (gewertet als tateinheitliche Fälschung beweiserheblicher Daten).

5

In einem zweiten Tatkomplex (Fälle 27 bis 38) schloss er mit der [X.] eine Reihe von [X.] mit einer Laufzeit von 24 Monaten ab und spiegelte dabei wahrheitswidrig vor, die Verträge würden nach Vertragsschluss von zahlungsfähigen und -willigen [X.] übernommen. Selbst zahlungswillig oder -fähig war er nicht. In diesem Zusammenhang legte er Mitarbeitern der [X.] gefälschte Dokumente und Kopien von gefälschten Dokumenten vor und fälschte Unterschriften. Er erhielt zahlreiche hochwertige Mobiltelefone, ohne dass der [X.] ein entsprechender Gegenwert zufloss. Bei einer Durchsuchung wurden in dem vom Angeklagten genutzten Hotelzimmer diverse für seine Taten genutzte, teils gefälschte Identitätsdokumente gefunden.

6

2. Soweit ein tateinheitlicher Schuldspruch wegen Missbrauchs von Ausweispapieren erfolgt ist, hat die [X.] folgende Feststellungen getroffen:

7

a) Am 28. Mai 2017 trat der Angeklagte auf dem Online-Markt „Uhrforum“ unter dem Namen „     [X.]“ auf und übersandte im Rahmen von Verkaufsgesprächen über eine Herrenarmbanduhr „[X.]“ an den Kaufinteressenten die elektronische Datei des Personalausweises von    [X.], um über seine Identität zu täuschen.    [X.] hatte seinen Ausweis einige Monate zuvor verloren; wie der Angeklagte in den Besitz des Ausweises kam, ließ sich nicht aufklären. Der Geschädigte überwies an den Angeklagten 7.800 Euro (Fall 6).

8

b) Am 13. Januar 2018 trat der Angeklagte gegenüber einem Kaufinteressenten als „      [X.] “ auf und übersandte zur Täuschung über seine Identität eine digitale Lichtbilddatei des Personalausweises von      [X.], woraufhin ihm der Käufer 6.750 Euro für eine Herrenarmbanduhr „[X.]“ überwies.        [X.] hatte dem Angeklagten rund zwei Monate zuvor im Rahmen von Verkaufsverhandlungen eine digitale Lichtbilddatei seines Ausweises übersandt (Fall 23).

9

c) Am 7. Februar 2018 trat der Angeklagte gegenüber einem weiteren Kaufinteressenten wiederum als „       [X.] “ auf und übersandte zur Täuschung über seine Identität eine digitale Lichtbilddatei des Personalausweises von      [X.] , woraufhin ihm der Käufer 3.500 Euro für eine Herrenarmbanduhr „[X.]“ überwies (Fall 25).

d) Mit Rahmenvertrag vom 8. Mai 2018 erhielt der Angeklagte von der [X.] fünf [X.] im Wert von 5.749,75 Euro, für die er 999,75 Euro in bar zahlte. Später reichte er fünf Übernahmeverträge ein, die angeblich von „        [X.]     “, tatsächlich aber vom Angeklagten unterschrieben waren. Dabei legte er ohne dessen Wissen und Billigung die Kopie einer echten [X.] Identitätskarte des      [X.]    vor (Fall 37).

e) Mit Rahmenvertrag vom 11. Mai 2018 erhielt der Angeklagte von der [X.] fünf [X.] im Wert von 5.749,75 Euro, für die er 999,75 Euro in bar zahlte. Später reichte er fünf Übernahmeverträge online ein, die angeblich von „     S.    “, tatsächlich aber von ihm unterschrieben worden waren. Neben einer gefälschten Meldebestätigung übersandte er online ohne Wissen und Billigung des Betroffenen eine Bilddatei der echten [X.] Identitätskarte von    S.    (Fall 38).

II.

Die Revision des Angeklagten erzielt lediglich den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen tragen die auf einer [X.] Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen den Schuldspruch. Auch die [X.] weisen keinen den Angeklagten [X.] Rechtsfehler auf. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:

1. Die jeweils tateinheitliche Verurteilung wegen Missbrauchs von Ausweispapieren ist rechtsfehlerfrei. Der Angeklagte hat in allen fünf Fällen jeweils zur Täuschung über seine Identität (vgl. hierzu [X.], Urteile vom 5. April 1961 - 2 StR 71/61, [X.]St 16, 33, 34; vom 15. November 1968 - 4 [X.], bei [X.], [X.] 1969, 360; vom 3. November 1981 - 5 [X.]) ein für einen anderen ausgestelltes echtes Ausweispapier gebraucht, um einen Vertragspartner zu einem rechtserheblichen Verhalten zu veranlassen.

a) Der Begriff des [X.] ist nach Auffassung des [X.]s in § 281 Abs. 1 Satz 1 StGB wie in § 267 Abs. 1 StGB auszulegen. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] macht von einer Urkunde Gebrauch, wer dem zu täuschenden Gegenüber die sinnliche Wahrnehmung der Urkunde ermöglicht (vgl. nur [X.], Urteile vom 20. März 1951 - 2 StR 38/51, [X.]St 1, 117, 120; vom 11. Dezember 1951 - 1 StR 567/51, [X.]St 2, 50, 52; vom 21. Dezember 1988 - 2 StR 613/88, [X.]St 36, 64, 65; vgl. bereits [X.], 144, 146 f.; 66, 298, 312 f.). Dies kann nicht nur durch Vorlage der Urkunde selbst, sondern auch dadurch geschehen, dass der Täter dem zu [X.] eine Fotokopie oder ein Lichtbild einer - in dieser Weise körperlich tatsächlich vorhandenen - Urkunde zugänglich macht, denn hierdurch wird die sinnliche Wahrnehmung der abgebildeten Urkunde selbst ermöglicht (st. Rspr., vgl. nur [X.], Urteile vom 30. November 1953 - 1 [X.], [X.]St 5, 291, 292; vom 11. Mai 1971 - 1 StR 387/70, [X.]St 24, 140, 142; vom 23. September 2015 - 2 StR 434/14, [X.], 884, 886; Beschluss vom 2. Mai 2001 - 2 StR 149/01, [X.]R StGB § 267 Abs. 1 Gebrauchmachen 4; vgl. bereits [X.], 228). Auch durch Vorlage der Kopie oder durch elektronische Übersendung des Bildes eines echten Ausweises zur Identitätstäuschung kann deshalb ein Ausweispapier im Sinne von § 281 Abs. 1 Satz 1 StGB zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht werden.

b) Nach diesen Maßstäben erfüllen die Übersendung einer Lichtbilddatei (Fälle 1 bis 3 und 5) und die Vorlage der Kopie eines echten Ausweises (Fall 4) jeweils die Alternative des [X.]. Die übrigen Voraussetzungen von § 281 Abs. 1 Satz 1 StGB sind in diesen Fällen ebenfalls erfüllt.

c) An dieser Entscheidung ist der [X.] nicht durch abweichende Rechtsprechung anderer [X.]e gehindert.

Zwar hat der 4. Strafsenat des [X.] im Jahr 1964 entschieden, dass ein Gebrauchen im Sinne von § 281 Abs. 1 Satz 1 StGB nur durch Vorlage des [X.] erfolgen kann ([X.], Urteil vom 4. September 1964 - 4 [X.], [X.]St 20, 17). Auf die Anfrage des [X.]s nach § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG, ob er an dieser Auffassung festhält (vgl. Beschluss vom 8. Mai 2019 - 5 [X.]), hat der 4. Strafsenat entschieden, dass er unter Aufgabe abweichender Rechtsprechung der Rechtsauffassung des erkennenden [X.]s folgt (Beschluss vom 4. Dezember 2019 - 4 [X.]). Die übrigen mit der Anfrage befassten Strafsenate haben erklärt, dass eigene Rechtsprechung der beabsichtigten Entscheidung nicht entgegensteht (1. Strafsenat, Beschluss vom 3. September 2019 - 1 ARs 13/19, 2. Strafsenat, Beschluss vom 13. Mai 2020 - 2 [X.], 3. Strafsenat, Beschluss vom 2. Oktober 2019 - 3 [X.]). Von einer - das Verfahren weiter verzögernden - Befragung des zum 15. Februar 2020 neu eingerichteten [X.] hat der [X.] abgesehen, weil dessen bislang noch übersichtliche Rechtsprechung der beabsichtigten Entscheidung ersichtlich nicht entgegensteht.

d) Der [X.] hält an seiner gemäß Beschluss vom 8. Mai 2019 (5 [X.]) beabsichtigten Entscheidung ungeachtet der vom 2. Strafsenat (aaO) und im Schrifttum (vgl. [X.], [X.], 450; Dehne-Niemann, [X.] 2019, 405, 407) erhobenen Einwände fest (im Sinne der bisherigen Rechtsprechung auch die h.L., vgl. [X.]/[X.], 12. Aufl., § 281 Rn. 9; [X.]/[X.]/ [X.]/[X.], 30. Aufl., § 281 Rn. 5; MüKo-StGB/[X.], 3. Aufl., § 281 Rn. 8; NK-StGB/Puppe/[X.], 5. Aufl., § 281 Rn. 7; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 281 Rn. 6; [X.]/[X.]/[X.], 29. Aufl., § 281 Rn. 3; [X.], StGB, 2. Aufl., § 281 Rn. 5; [X.]/[X.], 3. Aufl., § 281 Rn. 5; [X.] GA 1997, 525, 535 f.; [X.], JA 2013, 433, 436; [X.], [X.] 2019, 522, 524; [X.] StGB/Weidemann, [X.]., § 281 Rn. 6.2). Hierfür sind folgende Gründe maßgebend:

aa) Aus dem Wortlaut von § 281 Abs. 1 Satz 1 StGB ergibt sich keine Einschränkung der Tathandlung auf besondere Formen des Gebrauchs eines Ausweispapiers. Wie bereits das [X.] - und ihm folgend der [X.] - überzeugend herausgearbeitet hat, gebraucht eine Urkunde, wer deren sinnliche Wahrnehmung ermöglicht, also die Urkunde zur Kenntnis der zu täuschenden Person bringt ([X.], 144, 146 f.; 66, 298, 312 f.; [X.], Urteile vom 20. März 1951 - 2 StR 38/51, [X.]St 1, 117, 120; vom 11. Dezember 1951 - 1 StR 567/51, [X.]St 2, 50, 52; vom 21. Dezember 1988 - 2 StR 613/88, [X.]St 36, 64, 65). Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch kann dies auch vermittelt wie etwa durch Vorlage eines Abbildes geschehen, denn dass die Urkunde unmittelbar dem zu [X.] in die Hand gegeben werden muss, setzt der Begriff des [X.] als solcher nicht voraus (vgl. [X.], 228, 230 f.; [X.], Urteile vom 30. November 1953 - 1 [X.], [X.]St 5, 291, 292; vom 11. Mai 1971 - 1 StR 387/70, [X.]St 24, 140, 142).

Eine vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichende Auslegung der Tathandlung lässt sich nicht lediglich am Tatobjekt festmachen (vgl. demgegenüber 2. Strafsenat, Beschluss vom 13. Mai 2020 - 2 [X.]). Die Unterschiede hinsichtlich des [X.] machen lediglich verständlich, weshalb von § 281 Abs. 1 StGB auch das Überlassen eines Ausweispapiers an einen anderen erfasst wird (vgl. 2. Strafsenat, aaO). Schon das Gesetz macht damit deutlich, dass bereits der Zuordnung eines Ausweispapiers zum berechtigten Inhaber ein hoher Stellenwert zum Schutz des Rechtsverkehrs zukommt.

Soweit sich die in der Literatur erhobenen Einwände ganz grundsätzlich gegen eine auch mittelbare Formen der Wahrnehmungsverschaffung erfassende Auslegung des Begriffs „gebrauchen“ in § 267 Abs. 1 StGB richten und aus diesem Grund eine Änderung der Rechtsprechung zu § 281 Abs. 1 StGB abgelehnt wird (vgl. nur [X.], [X.], 450), vermag der [X.] dem angesichts des abweichenden Ansatzes der Rechtsprechung schon im Ausgangspunkt nicht zu folgen.

bb) Nach der Gesetzessystematik und dem Willen des Gesetzgebers ist der Begriff „gebraucht“ in § 281 Abs. 1 Satz 1 StGB wie in § 267 Abs. 1 StGB auszulegen.

Die gleichlautende Verwendung desselben Begriffs in zwei Strafnormen im selben Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs spricht dafür, dass der Begriff in beiden Tatbeständen gleich ausgelegt werden muss (vgl. [X.], Beschluss vom 4. Dezember 2019 - 4 [X.]). Zudem führt es - wie der 4. Strafsenat im Einzelnen dargelegt hat (aaO) - zu schwer verständlichen Wertungswidersprüchen, wenn die Tathandlung des [X.] in § 267 Abs. 1 und § 281 Abs. 1 StGB bezogen auf Kopien echter oder verfälschter Ausweise bzw. [X.] unterschiedlich ausgelegt wird. Eine solche mit dem Wortlaut und der Gesetzessystematik in Einklang stehende Auslegung entspricht auch dem Willen des historischen Gesetzgebers (vgl. dazu näher [X.], Beschluss vom 8. Mai 2019 - 5 [X.]).

cc) Diese Auslegung wird auch dem Sinn und Zweck von § 281 StGB gerecht. Dieser dient dem Schutz des Rechtsverkehrs durch [X.]. Wer ein für einen anderen ausgestelltes echtes Ausweispapier (oder ein diesem gleichgestelltes Papier) im Rechtsverkehr zur Täuschung über seine Identität nutzt, macht sich die besondere Beweiswirkung des [X.] zunutze. Dies geschieht nicht nur bei Vorlage des [X.] (so aber 2. Strafsenat, Beschluss vom 13. Mai 2020 - 2 [X.]), sondern auch bei der vom Rechtsverkehr heutzutage weitgehend akzeptierten Nutzung (digitaler) Kopien. Der Rechtsverkehr vertraut besonders darauf, dass nur derjenige zum Identitätsnachweis ein amtliches (oder gleichgestelltes) Ausweispapier nutzt, der berechtigter Inhaber ist (vgl. auch § 281 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 StGB). Dieses besondere - von § 267 StGB abweichende - Vertrauen wird ebenfalls beeinträchtigt, wenn der Täter als angeblich berechtigter Inhaber das Ausweispapier eines anderen durch Übersendung oder Vorlage einer elektronischen Bilddatei oder einer Kopie nutzt und in dieser Weise über seine Identität in einer Weise täuscht, die aufgrund der veränderten technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 8. Mai 2019 - 5 [X.]) der Vorlage des [X.] nach der Auffassung des Rechtsverkehrs weithin gleichsteht.

Heute ist - auch im Verkehr mit Behörden - ganz weitgehend die elektronische Kommunikation üblich, bei der verbreitet digitale Kopien von Urkunden verwendet werden (vgl. nur [X.], Beschluss vom 19. Juni 2018 - 4 StR 484/17, NStZ-RR 2018, 308). Dies betrifft gerade auch die Verwendung von Ausweispapieren, an deren Übermittlung zur Identitätsprüfung der Rechtsverkehr ein besonderes Interesse hat. Schon das [X.] hat darauf hingewiesen, dass die Art und Weise, in der ein Gegenstand sinnlich wahrnehmbar gemacht werden kann, von den Hilfsmitteln abhängt, die nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft und Technik zur Verfügung stehen ([X.], 228, 230). Die Gefahr des Missbrauchs von Urkunden im Rechtsverkehr durch bildgebende Medien besteht im Zeitalter der Digitalisierung mehr denn je ([X.], Beschluss vom 4. Dezember 2019 - 4 [X.]).

Angesichts der veränderten Rahmenbedingungen sieht der [X.] die Erwägung, den Schutz des § 281 StGB verdiene angesichts seiner besonderen Beweiswirkung nur das im Original vorgelegte Ausweispapier, als weitgehend überholt an. Da seine Auslegung mit dem Wortlaut, der Systematik, dem Schutzzweck der Norm und dem Willen des historischen Gesetzgebers übereinstimmt, besteht für den [X.] kein Anlass, von der gebotenen Vereinheitlichung bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „gebrauchen“ im Rahmen der Urkundendelikte abzusehen und die Klärung dieser Frage etwa dem Gesetzgeber zu überlassen (so aber 2. Strafsenat, Beschluss vom 13. Mai 2020 - 2 [X.]).

2. Auch der tateinheitliche Schuldspruch wegen Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 StGB) durch Anmeldung eines [X.] unter falschen Personalien und Verwendung dieser Personalien im Fall 13 hält rechtlicher Überprüfung stand.

a) Nach § 269 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer zur Täuschung im Rechtsverkehr beweiserhebliche Daten so speichert oder verändert, dass bei ihrer Wahrnehmung eine unechte oder verfälschte Urkunde vorliegen würde, oder derartige Daten gebraucht. Nicht nur Veränderungen an einem bestehenden [X.]-Konto unterfallen diesem Straftatbestand (näher [X.], Beschluss vom 21. April 2015 - 4 [X.], [X.], 635), sondern auch die Einrichtung eines [X.]-Mitgliedskontos unter falschen Personalien (vgl. KG, [X.], 576; [X.], [X.], 553; [X.], [X.], 375; [X.], [X.], 774, 777 f.; vgl. auch Puppe, [X.], 961; [X.], [X.], 775).

b) Mit dem Einrichten des Mitgliedskontos bei [X.] durch Ausfüllen und Absenden des entsprechenden [X.] gibt der Kunde die Gedankenerklärung ab, dass die angegebene Person mit den angegebenen Personalien einen Nutzungsvertrag mit [X.] abschließen möchte, die [X.] anerkennt und beim Handel auf der Plattform unter dem gewählten Mitgliedsnamen auftritt ([X.], aaO, [X.]; [X.], aaO, [X.]; [X.], [X.], 337, 340).

Diese Erklärung ist zum Beweis geeignet und bestimmt. Die Beweisbestimmung folgt aus dem rechtlichen Interesse des Betreibers, gegenüber seinem Vertragspartner etwaige Ansprüche durchsetzen und ihn in Ausfluss der Störerhaftung des Diensteanbieters (vgl. § 10 TMG) effektiv sanktionieren zu können ([X.], aaO). Der [X.], also der objektiven Eignung des Mittels, auf die Überzeugungsbildung im rechtserheblichen Kontext mitbestimmend einzuwirken [X.], StGB, 67. Aufl., § 267 Rn. 14 mwN), steht nicht entgegen, dass der Nutzer selbst seine Daten eingibt; dies ist lediglich eine Frage des [X.] ([X.], aaO, [X.]; [X.], aaO). Eine besondere Gewährleistung der Authentizität der Erklärung ist dafür nicht erforderlich ([X.], aaO).

c) Auch die übrigen Voraussetzungen des § 269 Abs. 1 StGB liegen vor. Die Daten wurden bei der Anlegung des Mitgliedskontos so gespeichert, dass bei ihrer Wahrnehmung eine unechte Urkunde vorliegen würde. Denn der aus der Datenurkunde ersichtliche Aussteller der Erklärung stimmte nicht mit dem wirklichen Aussteller überein, obwohl für den Vertragspartner gerade die Identität des Ausstellers relevant war (vgl. [X.], aaO, [X.]; [X.], aaO, S. 556; vgl. zur Täuschung über die Identität durch Angabe eines falschen Geburtsdatums und einer falschen Anschrift auch [X.], Urteil vom 29. Juni 1994 - 2 StR 160/94, [X.]St 40, 203; kritisch dazu [X.], [X.] 1995, 209). Der Angeklagte hat auch zur Täuschung im Rechtsverkehr gehandelt, weil er nicht nur den Betreiber [X.] bei Vertragsschluss über seine Identität täuschen, sondern über die unter falschen Personalien angelegten Konten auch betrügerische Verkäufe abwickeln wollte.

d) Das [X.] hat zutreffend angenommen, dass § 269 StGB mit § 263 StGB im Fall 13 in Tateinheit steht, denn der Angeklagte hat plangemäß für seine Betrügerei den unter falschen Personalien angelegten [X.]-Account genutzt (vgl. [X.], Beschluss vom 21. April 2015 - 4 [X.], aaO).

3. Auch in den [X.], 8, 9, 12, 22 und 24 ist der tateinheitliche Schuldspruch wegen Fälschung beweiserheblicher Daten rechtsfehlerfrei.

a) Soweit sich der Angeklagte in diesen Fällen nicht bei der Auktionsplattform [X.], sondern bei der Verkaufsplattform [X.]-Kleinanzeigen unter falschen Personalien angemeldet hat, fällt zwar nicht schon die Einrichtung eines entsprechenden Nutzerkontos unter § 269 Abs. 1 StGB. Denn bei der Auktionsplattform [X.] und der davon zu unterscheidenden Anzeigenplattform [X.]-Kleinanzeigen handelt es sich um rechtlich und tatsächlich getrennte Anbieter mit unterschiedlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (näher [X.], jurisPR-ITR 19/2014 [X.]). Bei [X.]-Kleinanzeigen werden die persönlichen Daten zunächst nicht abgefragt, sondern zur Registrierung genügen eine E-Mail-Adresse und ein Passwort. Die Übermittlung der persönlichen Angaben erfolgt zwischen den Vertragspartnern selbst und in der Regel erst dann, wenn sich die Parteien über die Abwicklung des Geschäftes einig geworden sind ([X.], aaO).

b) Der Angeklagte hat aber in jedem dieser Fälle spätestens durch sein an die einzelnen Geschädigten unter falschem Namen kommuniziertes konkretes Verkaufsangebot eine unechte Datenurkunde im Sinne von § 269 Abs. 1 StGB hergestellt bzw. gebraucht.

Die Erklärung, wer Vertragspartner eines über eine Online-Plattform vermittelten Kaufs wird, ist in derartigen Fällen zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt. Denn der Käufer kann und soll davon ausgehen, sich im Falle von Schwierigkeiten bei der Verkaufsabwicklung an den benannten Vertragspartner wenden und unter Umständen auch rechtlich gegen ihn vorgehen zu können ([X.], aaO, [X.]). Diese Datenurkunde ist in Fällen wie dem vorliegenden auch unecht, weil nicht die unter ihrem angeblichen „Klarnamen“ auftretende Person die Erklärung abgegeben hat, sondern eine andere Person, die sich gerade nicht an der Erklärung festhalten lassen will; eine straflose bloße „Namenstäuschung“ liegt darin nicht (ausführlich [X.], aaO, S. 378). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 269 Abs. 1 StGB liegen in diesen Fällen vor.

4. Was für die Verkaufsplattform [X.]-Kleinanzeigen gilt, trifft auch für die vom Angeklagten in den Fällen 5 und 7 genutzte Online-Plattform [X.] zu, bei der nach den (seit 30. Mai 2017 geltenden) [X.] zur Anmeldung ebenfalls eine E-Mail-Adresse und ein Passwort ausreichen.

5. Im Fall 38 muss allerdings die tateinheitliche Verurteilung wegen Fälschung beweiserheblicher Daten entfallen. Denn die Speicherung der falschen Personaldaten durch die [X.] war lediglich Folge der zuvor begangenen (und tateinheitlich verurteilten) Urkundenfälschung und führte nicht selbst zu einer unechten Datenurkunde (vgl. zu den Konkurrenzen [X.], aaO, § 281 Rn. 6). Dies stellt den Strafausspruch in diesem Fall nicht in Frage, weil sich das [X.] bei der Zumessung der Einzelstrafen lediglich an den Schadensbeträgen der Betrugstaten orientiert hat, nicht aber daran, ob zusätzlich tateinheitlich weitere Delikte verwirklicht wurden. Der [X.] kann deshalb ausschließen, dass die [X.] bei zutreffender rechtlicher Bewertung eine niedrigere Einzelstrafe verhängt hätte.

III.

Die [X.] hat keinen Erfolg, weil die Kostenentscheidung dem Gesetz entspricht (vgl. § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Cirener    

        

Berger    

        

[X.]

        

Köhler    

        

[X.]    

        

Meta

5 StR 146/19

21.07.2020

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 13. Mai 2020, Az: 2 ARs 228/19, Beschluss

§ 269 Abs 1 StGB, § 281 Abs 1 S 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.07.2020, Az. 5 StR 146/19 (REWIS RS 2020, 774)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 774


Verfahrensgang

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Az. 5 StR 146/19

Bundesgerichtshof, 5 StR 146/19, 21.07.2020.

Bundesgerichtshof, 5 StR 146/19, 08.05.2019.


Az. 3 ARs 14/19

Bundesgerichtshof, 3 ARs 14/19, 02.10.2019.


Az. 4 ARs 14/19

Bundesgerichtshof, 4 ARs 14/19, 04.12.2019.


Az. 1 ARs 13/19

Bundesgerichtshof, 1 ARs 13/19, 03.09.2019.


Az. 2 ARs 228/19

Bundesgerichtshof, 2 ARs 228/19, 13.05.2020.


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