Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.05.2020, Az. 2 ARs 228/19

2. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1786

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Beantwortung der Anfrage des 5. Strafsenats vom 8. Mai 2019, 5 StR 146/19: Missbrauch von Ausweispapieren durch Vorlage einer Fotokopie)


Tenor

Der beabsichtigten Rechtsprechungsänderung steht Rechtsprechung des [X.] nicht entgegen.

Gründe

1

Der 2. Strafsenat war mit der Rechtsfrage, die Gegenstand der Anfrage des 5. Strafsenats in seinem Beschluss vom 8. Mai 2019 - 5 [X.] (NStZ 2019, 675 ff. mit [X.] [X.], [X.] 2019, 405 ff.; [X.]/[X.], [X.] 2019, 522 ff.) ist, bisher noch nicht befasst. Er neigt allerdings, anders als auch der 4. Strafsenat ([X.], Beschluss vom 4. Dezember 2019 - 4 ARs 14/19, NStZ-RR 2020, 106, 107) zu der Ansicht, dass an der bisherigen Rechtsprechung ([X.], Urteil vom 4. September 1964 - 4 [X.], [X.]St 20, 17) festzuhalten ist.

2

Das Merkmal des Gebrauchens in § 281 StGB kann grundsätzlich zwar wie in § 267 StGB verstanden werden, jedoch muss als Tatobjekt hier gerade ein echtes Ausweispapier verwendet werden. Die Vorlage einer Fotokopie reicht nicht aus. Das entspricht nicht nur der bisherigen Rechtsprechung des [X.], sondern auch der herrschenden Meinung im Schrifttum ([X.], [X.] 2019, 405, 407 ff.; MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 281 Rn. 8; [X.], [X.] 1997, 525, 535; [X.]/[X.]/[X.], 29. Aufl., StGB § 281 Rn. 3; [X.]/[X.], 9. Aufl., § 281 Rn. 5; [X.], 2. Aufl., StGB § 281 Rn. 5; NK-StGB/Puppe/[X.], 5. Aufl., § 281 Rn. 7; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], 30. Aufl., § 281 Rn. 5; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 281 Rn. 5; LK/Zieschang, StGB, 12. Aufl., § 281 Rn. 7; a.A. [X.]/[X.], [X.] 2019, 522 ff.; BeckOK-StGB/Weidemann, [X.]., § 281 Rn. 6.2).

3

Der Wortlaut der Norm spricht damit zwar, wie der 5. Strafsenat mit Zustimmung des 4. Strafsenats zutreffend betont, nicht gegen die von ihm beabsichtigte Auslegung, allerdings auch nicht dafür ([X.], [X.] 2019, 405, 407). Die Gesetzessystematik und der Normzweck weisen hingegen in eine andere Richtung.

4

Der Gebrauch des für einen anderen ausgestellten Ausweispapiers erfolgt dadurch, dass der Täter das Originaldokument einem anderen zur unmittelbaren Wahrnehmung zugänglich macht. Das folgt, unbeschadet der Gesetzesänderungen bei § 18 Abs. 3 [X.], § 20 Abs. 2 [X.], aus der besonderen Bedeutung amtlicher Ausweispapiere. Aus diesem Grund sieht § 281 Abs. 1 StGB auch die Handlungsvariante des Überlassens eines Ausweispapiers an einen anderen vor, die keine Entsprechung bei § 267 Abs. 1 StGB hat. Der Rechtsverkehr verlangt zur Identifizierung einer Person - worauf der 4. Strafsenat in seiner Antwort zutreffend hinweist - in vielen Fällen weiterhin die Vorlage der Urschrift des Ausweispapiers, insoweit reichen eine Ablichtung oder eine Kopie nicht aus. Nur wer ein echtes Ausweispapier zur Täuschung nutzt, nicht aber derjenige, der nur eine Ablichtung oder Kopie vorlegt, macht sich deshalb die besondere Beweiswirkung eines (amtlichen) Identitätspapiers zunutze, dessen Schutz § 281 StGB bezweckt.

5

Die Tatsache, dass vom Standpunkt der Rechtsprechung die Möglichkeit des mittelbaren Gebrauchmachens von einer falschen Urkunde durch Vorlage einer Kopie zu einem anderen Ergebnis führt, beruht demgegenüber nicht auf einer sachwidrigen Bewertung des [X.] („... zur Täuschung im Rechtsverkehr ... gebraucht“), sondern auf der Berücksichtigung seines Gegenstands. Bei § 267 Abs. 1 StGB geht es um eine unechte oder verfälschte Urkunde, bei § 281 Abs. 1 StGB um ein echtes Ausweispapier. Die Erwägung, der gleichlautende Wortlaut beider Vorschriften bei dem Merkmal „... zur Täuschung im Rechtsverkehr ... gebraucht“ gebiete es, auch zu demselben Ergebnis der Rechtsanwendung in Fällen der Vorlage oder Übermittlung einer Kopie zu gelangen, trägt daher die beabsichtigte Rechtsprechungsänderung nicht.

6

In der Vorlage oder Übersendung der Kopie oder Abbildung eines echten Ausweispapiers ein Gebrauchmachen des echten Ausweises zu sehen, hieße, den strafrechtlichen Schutz des Rechtsverkehrs der Sache nach auf die Kopie oder Abbildung des echten Ausweispapiers zu erstrecken. Auch mit dem Gesetz zur Förderung des elektronischen Identitätsnachweises vom 7. Juli 2017 hat der Gesetzgeber jedoch nicht die Absicht verfolgt, im Rechtsverkehr eine Kopie an die Stelle der Urschrift eines Ausweispapiers treten zu lassen ([X.], Beschluss vom 4. Dezember 2019 - 4 ARs 14/19, NStZ-RR 2020, 106).

7

Soweit Täuschungen im Rechtsverkehr durch Vorlage oder Übermittlung einer Kopie oder Abbildung eines Ausweises einer anderen Person mit dem Ziel der Irrtumserregung und Verursachung einer Vermögensverfügung mit der Folge der Vermögensschädigung eines anderen erfolgen, bleibt das Verhalten als Betrug strafbar. Eine verbleibende Strafbarkeitslücke im fragmentarischen Strafrecht wäre jedenfalls bis zu einer abweichenden Entscheidung des Gesetzgebers hinzunehmen.

Franke     

        

Krehl     

        

Eschelbach

        

Zeng     

        

Meyberg     

        

Meta

2 ARs 228/19

13.05.2020

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: ARs

vorgehend BGH, 8. Mai 2019, Az: 5 StR 146/19, Beschluss

§ 267 Abs 1 StGB, § 281 Abs 1 S 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.05.2020, Az. 2 ARs 228/19 (REWIS RS 2020, 1786)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1786


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 5 StR 146/19

Bundesgerichtshof, 5 StR 146/19, 21.07.2020.

Bundesgerichtshof, 5 StR 146/19, 08.05.2019.


Az. 3 ARs 14/19

Bundesgerichtshof, 3 ARs 14/19, 02.10.2019.


Az. 4 ARs 14/19

Bundesgerichtshof, 4 ARs 14/19, 04.12.2019.


Az. 1 ARs 13/19

Bundesgerichtshof, 1 ARs 13/19, 03.09.2019.


Az. 2 ARs 228/19

Bundesgerichtshof, 2 ARs 228/19, 13.05.2020.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 146/19 (Bundesgerichtshof)

Missbrauch von Ausweispapieren


4 ARs 14/19 (Bundesgerichtshof)

Täuschung im Rechtsverkehr durch Vorlage einer Kopie oder elektronische Übersendung des Bildes eines echten Ausweises


5 StR 146/19 (Bundesgerichtshof)

Anfrage an die Strafsenate: Täuschung im Rechtsverkehr durch Vorlage einer Kopie oder elektronische Übersendung des …


1 StR 467/18 (Bundesgerichtshof)


3 StR 238/22 (Bundesgerichtshof)

Versuch der Ausländereinschleusung bei Festnahme an griechischem Flughafen


Referenzen
Wird zitiert von

5 StR 146/19

Zitiert

5 StR 146/19

4 ARs 14/19

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.