Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.03.2023, Az. IV ZB 20/22

4. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 1777

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Gegenstand

Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung nach der EU-Erbrechtsverordnung: Antragsbefugnis einer in Polen mit der Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses betrauten Notarin


Leitsatz

Zur Antragsbefugnis für die Erteilung einer Bescheinigung nach Art. 46 Abs. 3 Buchst. b EuErbVO (hier: Antrag einer mit der Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses betrauten Notarin in Polen).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des [X.] vom 1. August 2022 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf bis 13.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Am 5. Juni 2019 verstarb an ihrem letzten Wohnsitz in S.        Frau [X.]    (im Folgenden: Erblasserin). Das Nachlassgericht erteilte einen Erbschein, der ihre Schwester [X.]    als [X.] zu einem Viertel ausweist. [X.]    verstarb am 9. Dezember 2019 in [X.]. Bezüglich der Erbfolge nach ihr wurde von einem ihrer Neffen bei der antragstellenden [X.] Notarin (im Folgenden: Beteiligte) ein Europäisches Nachlasszeugnis (im Folgenden: [X.]) beantragt. Die Beteiligte hat in der Folge beim Nachlassgericht eine Bescheinigung über eine Entscheidung in einer Erbsache nach Art. 66 Abs. 5, Art. 46 Abs. 3 Buchst. b) der Verordnung ([X.]) Nr. 650/2012 des [X.] und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in [X.] sowie zur Einführung eines [X.] ([X.] [X.]; im Folgenden: [X.]), Anhang 1 der Durchführungsverordnung ([X.]) Nr. 1329/2014 der [X.] vom 9. Dezember 2014 zur Festlegung der Formblätter nach Maßgabe der [X.] ([X.] L 359 S. 30; im Folgenden: DurchführungsVO) zum Erbschein nach der Erblasserin beantragt.

2

Ihr Antrag ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich die vom [X.] zugelassene Rechtsbeschwerde der Beteiligten.

3

II. Nach Ansicht des [X.] - soweit für die [X.] noch von Bedeutung - ist die Beschwerde zulässig, aber nicht begründet. Die Beschwerde richte sich nicht nach §§ 58 ff. FamFG, sondern es handele sich um eine sofortige Beschwerde gemäß §§ 567 ff. ZPO, modifiziert durch §§ 10 f. Internationales Erbrechtsverfahrensgesetz (im Folgenden: Int[X.]VG). Die Beschwerde sei in der Sache zurückzuweisen, weil die Beteiligte nicht antragsberechtigt sei. Sie sei nicht [X.] bzw. Beteiligte des Verfahrens oder deren Vertreter, sondern werde als für die Erteilung eines [X.] zuständige [X.] Behörde tätig, welche die beantragte Bescheinigung für die Erfüllung ihrer Amtsgeschäfte benötige. Aus Art. 47 [X.] folge, dass die Bescheinigung vom Antragsteller des Anerkennungsverfahrens im [X.] vorzulegen sei. Das sei jedenfalls nicht das für das dortige Verfahren zuständige Gericht bzw. die dort sonst befugte Stelle. Auch aus dem Recht der [X.] ergebe sich nicht, dass das zuständige Gericht des [X.]es im eigenen Namen die Erteilung der Bescheinigung beantragen dürfe. Aus Art. 66 [X.] folge ebenfalls nichts anderes. Ob die beantragte Bescheinigung gemäß Formblatt 1 oder nicht eher nach Formblatt 2 zur DurchführungsVO zu erteilen wäre, könne offenbleiben.

4

III. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

5

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

6

a) Sie ist aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht insgesamt statthaft.

7

aa) Allerdings ist die Rechtsbeschwerde nur eröffnet, wenn zuvor die eingelegte Beschwerde statthaft war. Ist dies nicht der Fall, ist eine gegen die Beschwerdeentscheidung eingelegte Rechtsbeschwerde selbst dann unstatthaft, wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat. War die Beschwerde unstatthaft, fehlt es für das Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht an einer Grundlage. Ein für den Beschwerdeführer vom Gesetz nicht vorgesehener Rechtsmittelzug kann auch durch eine Fehlentscheidung des ersten Rechtsmittelgerichts nicht eröffnet werden. Die [X.] der Beschwerde hat das Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu prüfen (vgl. Senatsbeschluss vom 14. September 2022 - [X.], [X.] 2023, 38 Rn. 13 m.w.N.).

8

bb) Im Streitfall ist die Rechtsbeschwerde eröffnet.

9

(1) [X.] kann hier, ob gegen die Entscheidung des Amtsgerichts - entsprechend dem mit § 58 Abs. 1 FamFG und § 64 Abs. 1 Satz 1 FamFG übereinstimmenden Wortlaut der Rechtsbehelfsbelehrung im Zurückweisungsbeschluss und dem Verweis auf § 68 FamFG im Nichtabhilfebeschluss - die Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG oder, wie es das Beschwerdegericht angenommen hat, die sofortige Beschwerde gemäß §§ 567 ff. ZPO statthaft war. Nach dem sogenannten Grundsatz der [X.] dürfen die Prozessparteien dadurch, dass das Gericht seine Entscheidung in einer falschen Form erlässt, keinen Rechtsnachteil erleiden. Ihnen steht deshalb sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form erlassenen Entscheidung zulässig wäre (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Februar 2018 - [X.]/17, NJW-RR 2018, 451 Rn. 13 m.w.N.). Der Grundsatz der [X.] führt allerdings nicht dazu, dass das Rechtsmittelgericht auf dem vom erstinstanzlichen Gericht eingeschlagenen falschen Weg weitergehen müsste; vielmehr hat das Rechtsmittelgericht das Verfahren so weiter zu betreiben, wie dies im Falle einer formell richtigen Entscheidung durch die Vorinstanz und des danach gegebenen Rechtsmittels geschehen wäre (vgl. Senatsbeschluss vom 14. September 2022 - [X.], [X.] 2023, 38 Rn. 14 m.w.N.).

(2) Hier hat das Amtsgericht den Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung nach Art. 46 Abs. 3 Buchst. b) [X.] zurückgewiesen unter Hinweis auf das Rechtsmittel der Beschwerde. Im Ergebnis zutreffend hat das Beschwerdegericht hiergegen die sofortige Beschwerde nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO als statthaft angesehen (vgl. [X.] [X.] 2022, 509 unter II [juris Rn. 6]; MünchKomm-FamFG/[X.], 3. Aufl. § 27 Int[X.]VG Rn. 3; [X.]/[X.]/[X.], Internationales Erbrecht 2. Aufl. § 27 Int[X.]VG Rn. 2; wohl auch [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/Wilsch, Internationales Erbrecht 3. Aufl. § 2 Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Titel (§§ 3 bis 30 Int[X.]VG) Rn. 151; a.A. Hüßtege/[X.]/[X.], [X.], [X.] - [X.]-HUP 3. Aufl. § 27 Int[X.]VG Rn. 4: "Beschwerde").

Entgegen der Ansicht des [X.] folgte die [X.] allerdings nicht aus §§ 10 f. Int[X.]VG und einem Verständnis der dort vorgesehenen Beschwerde als sofortige Beschwerde. Für die Anfechtbarkeit der Entscheidung des Amtsgerichts gelten gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 Int[X.]VG die Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Entscheidung über die Erteilung der Vollstreckungsklausel entsprechend. Die Auslegung von § 27 Abs. 2 Satz 3 Int[X.]VG ergibt, dass mit diesen Vorschriften nicht die Regelungen zur Beschwerde nach §§ 10 f. Int[X.]VG gemeint sind, sondern die über die Anfechtbarkeit der Entscheidung über eine Vollstreckungsklausel gemäß §§ 724 ff. ZPO (vgl. [X.] aaO; MünchKomm-FamFG/[X.], 3. Aufl. aaO; [X.]/[X.]/[X.], Internationales Erbrecht 2. Aufl. aaO), hier also die sofortige Beschwerde gegen die Nichterteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung durch einen Rechtspfleger des Gerichts erster Instanz, § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Juni 2020 - [X.], NJW-RR 2020, 934 Rn. 9; [X.] aaO).

Zwar ist § 27 [X.] ebenso in Abschnitt 3 des Int[X.]VG über die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus ausländischen Titeln und die Anerkennungsfeststellung geregelt wie § 10 Int[X.]VG. Die Bescheinigung nach § 27 Int[X.]VG bezieht sich aber - schon nach dessen amtlicher Überschrift und der Bezeichnung des Unterabschnitts 6 in Abschnitt 3 Int[X.]VG mit "Entscheidungen [X.] Gerichte […]" - anders als die Vollstreckbarerklärung gemäß §§ 3 ff. Int[X.]VG auf inländische Titel, wie das Beschwerdegericht selbst erkannt hat. Die "Entscheidung über die Erteilung der Vollstreckungsklausel" bei solchen Titeln bestimmt sich - wie § 27 Abs. 3 Int[X.]VG zeigt - nach § 724 ZPO. Da die Bescheinigung ebenso wie die Vollstreckungsklausel die Funktion hat, Bestand und Vollstreckbarkeit des Titels zu dokumentieren, regelt § 27 Abs. 1 Int[X.]VG die Zuständigkeit für die Erteilung der Bescheinigung entsprechend der für die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung (vgl. BT-Drucks. 18/4201, [X.]). Nach § 27 Abs. 2 Satz 3 Int[X.]VG gelten auch für die Anfechtbarkeit der Entscheidung über die Ausstellung der Bescheinigung die Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Entscheidung über die Erteilung der Vollstreckungsklausel entsprechend. Die Ansicht des [X.], in dieser Regelung fehle anders als in § 27 Abs. 3 Int[X.]VG ein ausdrücklicher Verweis auf ein anderes anzuwendendes Gesetz, ist schon deshalb nicht zutreffend, weil sich die Anfechtbarkeit nach § 27 Abs. 2 Satz 3 Int[X.]VG - wie hier gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO und § 11 RPflG - aus mehreren Gesetzen ergeben kann.

b) Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der den Senat bindenden Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig.

Die Rechtsbeschwerde ist nach zutreffender Ansicht der Beschwerdebegründung auch unbeschränkt zugelassen worden. Soweit das Beschwerdegericht zur Zulassung ausgeführt hat, dass die Bestimmung des richtigen Rechtsmittels nach nationalem Recht grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf [X.] habe und das Interesse an einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordere, weil die nationalen Gerichte die Frage der Erteilung einer Bescheinigung nach Formblatt 1 unterschiedlich handhaben, liegen darin lediglich Begründungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (vgl. Senatsurteil vom 31. März 2021 - [X.], [X.]Z 229, 266 Rn. 19).

2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Das Beschwerdegericht hat ohne Rechtsfehler ein Recht der Beteiligten auf Erteilung einer Bescheinigung nach Art. 46 Abs. 3 Buchst. b) [X.] verneint.

a) Ein solches Recht ergibt sich nicht aus der [X.].

aa) Die einheitliche Anwendung des [X.]srechts und der Gleichheitssatz verlangen, dass die Begriffe einer unionsrechtlichen Vorschrift, die für die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedsstaaten verweist, in der Regel in der gesamten [X.] autonom und einheitlich auszulegen sind, wobei diese Auslegung unter Berücksichtigung nicht nur des Wortlauts der Bestimmung, sondern auch ihres Regelungszusammenhangs und des mit ihr verfolgten Zwecks zu erfolgen hat ([X.], Urteil vom 23. Mai 2019, [X.], [X.]/17, [X.]:C:2019:444, [X.] 2019, 647 Rn. 50 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 24. Februar 2021 - [X.], [X.] 2021, 313 Rn. 18).

bb) Nach diesem Maßstab sprechen bereits der Wortlaut und die Systematik der [X.] gegen ein Antragsrecht der Beteiligten.

(1) Wie die Rechtsbeschwerde zutreffend erkennt, folgt ein Antragsrecht nicht aus Art. 46 Abs. 3 Buchst. b) [X.]. Soweit danach einem Antrag eine Bescheinigung, die von dem Gericht oder der zuständigen Behörde des Ursprungsmitgliedsstaats unter Verwendung des Formblatts ausgestellt wurde, beizufügen ist, regelt dies nicht das Recht auf Erteilung dieser Bescheinigung selbst.

(2) Ein Antragsrecht ergibt sich auch nicht daraus, dass es sich bei dem Antrag nach Art. 46 [X.] gemäß der Verweisung in Art. 39 Abs. 2 [X.] auf das Verfahren nach den Art. 45 bis 58 [X.] um den Antrag einer [X.] handelt, welche die Anerkennung einer in einem Mitgliedsstaat ergangenen Entscheidung in einem anderen Mitgliedsstaat geltend macht. Die Beteiligte begehrt keine Anerkennung des Erbscheins in [X.] durch ein Gericht oder eine andere nach Art. 45 Abs. 1 [X.] zuständige Behörde. Soweit sie geltend macht, sie entscheide gemäß Art. 39 Abs. 3 [X.] selbst inzident über die Anerkennung, kommt es nicht darauf an, ob überhaupt ein "Rechtsstreit" im Sinne dieser Regelung vorliegt und die Beteiligte, wie die Rechtsbeschwerde vorträgt, in diesem Zusammenhang als "Gericht" tätig wird. Jedenfalls muss die Anerkennung, über welche die Beteiligte entscheiden würde, auf Antrag eines Beteiligten des jeweiligen Verfahrens auf Anerkennung der Entscheidung oder Erteilung der Vollstreckbarerklärung gestellt werden, das heißt von einer dritten Person, nicht aber auf einen im eigenen Namen gestellten Antrag der über das Anerkennungsverfahren entscheidenden Stelle (vgl. Art. 39 Abs. 3 [X.]; vgl. auch [X.] [X.] 2022, 509 unter II [juris Rn. 10]).

(3) Da hier schon kein Verfahren gemäß Art. 45 bis 58 [X.] vorliegt, kann sich entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch kein Antragsrecht der Beteiligten aus dem nach Art. 46 Abs. 1 [X.] für das Verfahren der Antragstellung maßgebenden Recht des [X.]es, das heißt hier dem [X.] Recht, ergeben. Zudem wäre gemäß Art. 46 Abs. 3 Buchst. b) [X.] nur die Beifügung des vom Gericht oder der zuständigen Behörde des [X.] ausgestellten Formblatts Bestandteil dieses Verfahrens, nicht aber die Ausstellung dieses Formblatts selbst.

(4) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde folgt ein Recht der Beteiligten auf Erteilung der beantragten Bescheinigung auch weder aus Art. 66 Abs. 1 Satz 2 [X.] noch aus Art. 66 Abs. 5 [X.].

Offenbleiben kann im Streitfall, ob die Durchführung eines Verfahrens zur Ausstellung eines [X.] überhaupt ein Recht auf Erteilung einer Bescheinigung nach Art. 1 Abs. 1, Anhang 1 DurchführungsVO begründet. Jedenfalls ergibt sich weder aus Art. 66 Abs. 1 Satz 2 [X.] noch aus Art. 66 Abs. 5 [X.] ein eigenes Recht der Beteiligten auf Erteilung der beantragten Bescheinigung.

(a) Gemäß Art. 66 Abs. 1 Satz 1 [X.] überprüft die Ausstellungsbehörde, das heißt hier die Beteiligte, von Amts wegen die für die Überprüfung der vom Antragsteller des [X.] übermittelten Angaben, Erklärungen, Schriftstücke und sonstigen Nachweise und führt nach Art. 66 Abs. 1 Satz 2 [X.] die erforderlichen Nachforschungen durch, soweit ihr eigenes Recht dies vorsieht oder zulässt, oder fordert den Antragsteller auf, weitere Nachweise vorzulegen, die sie für erforderlich erachtet. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde handelt es sich bei der beantragten Bescheinigung nicht um einen Nachweis zum Erbrecht der Erblasserin, deren Erteilung die Beteiligte aufgrund ihres Rechts zur Nachforschung von Amts wegen fordern könnte. Selbst wenn unter "Nachforschung" bei weiter Auslegung des Wortlauts der Vorschrift auch das Recht auf Erteilung einer Bescheinigung zu verstehen wäre, verwendet die [X.] diesen Begriff nicht in diesem Sinne. Art. 47 [X.] regelt die Folgen der Nichtvorlage einer Bescheinigung - nach Art. 46 Abs. 3 Buchst. b) [X.] - im Einzelnen. Gemäß Art. 47 Abs. 1 [X.] kann das Gericht oder die sonst befugte Stelle nicht selbst die Erteilung einer Bescheinigung verlangen, sondern lediglich eine Frist bestimmen, innerhalb derer die Bescheinigung vorzulegen ist. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beteiligten trotz dieser ausdrücklichen gegenteiligen Regelung nach Art. 66 Abs. 1 Satz 2 [X.] weitergehende Befugnisse zustehen sollen, und zwar sogar gegenüber dem Gericht des [X.]. Dagegen spricht insbesondere auch, dass die Rechte der Ausstellungsbehörde gegenüber den zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedsstaates nach Art. 66 [X.] explizit in dessen Abs. 5 geregelt sind.

Ob ein Antragsrecht der Beteiligten aus Art. 66 Abs. 1 Satz 2 [X.] auch deshalb zu verneinen ist, weil sie - wie das Beschwerdegericht angenommen hat - nicht dargetan hat, dass ihr das [X.] Recht entsprechende Nachforschungen auferlegt, bedarf keiner Entscheidung.

(b) Gemäß Art. 66 Abs. 5 [X.] stellt die zuständige Behörde eines Mitgliedsstaates der Ausstellungsbehörde eines anderen Mitgliedsstaates "für die Zwecke dieses Artikels" auf Ersuchen, soweit sie innerstaatlich hierzu befugt ist, die Angaben zur Verfügung, die insbesondere im Grundbuch, in Personenstandsregistern und in Registern enthalten sind, in denen Urkunden oder Tatsachen erfasst werden, die unter anderem für die Rechtsnachfolge von Todes wegen erheblich sind. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, folgt aus der nur beispielhaften Aufzählung in dieser Regelung ("insbesondere") ebenfalls kein eigenes Antragsrecht der Beteiligten. Auch in dieser Vorschrift wird der Begriff "Bescheinigung" anders als in sonstigen Artikeln der [X.] nicht ausdrücklich verwendet. Erneut ist - wie schon im Hinblick auf Art. 66 Abs. 1 Satz 2 [X.] - nicht ersichtlich, warum der Beteiligten mehr Rechte in Bezug auf die Vorlage einer Bescheinigung zustehen sollen als nach Art. 47 Abs. 1 [X.] vorgesehen. Jedenfalls hat das Beschwerdegericht die beantragte Bescheinigung zu Recht schon nicht als vom Wortlaut der Regelung umfasst angesehen. Die Bescheinigung als solche ist keine Angabe, "die insbesondere im Grundbuch, in Personenstandsregistern und in Registern enthalten" ist (vgl. Art. 66 Abs. 5 [X.]). Während sich der von ihr gemäß Art. 1 Abs. 1, Anhang 1 DurchführungsVO umfasste Inhalt zudem auf ein konkretes Verfahren, nach Ansicht der Rechtsbeschwerde hier eine Entscheidung nach Art. 39 Abs. 1 [X.] bezieht, ist dieses bei den Angaben in einem Grundbuch, in Personenstandsregistern und Registern sowie vergleichbaren Quellen nicht der Fall. Diese ermöglichen erst die Durchführung eines Verfahrens, hier das der Ausstellung eines [X.].

Darauf, ob der Antrag auf Erteilung der Bescheinigung im Übrigen - wie es das Beschwerdegericht gemeint hat - nicht beim Nachlassgericht, sondern bei der [X.] zu stellen gewesen wäre, weil die Beteiligte Amtshilfe in Anspruch habe nehmen wollen, kommt es im Streitfall nicht an.

cc) Der mit den Vorschriften über die Erteilung einer Bescheinigung über eine Entscheidung in einer Erbsache gemäß Art. 1 Abs. 1, Anhang 1 DurchführungsVO verfolgte Zweck spricht ebenfalls gegen ein Antragsrecht der Beteiligten. Ziel der [X.], darunter auch der Regelungen über die gegenseitige Anerkennung ergangener Entscheidungen in [X.], ist es, Hindernisse für den freien Verkehr von Personen, denen die Durchsetzung ihrer Rechte im Zusammenhang mit einem Erbfall mit grenzüberschreitendem Bezug Schwierigkeiten bereitet, auszuräumen. Den Bürgern soll es in einem [X.] Rechtsraum möglich sein, ihren Nachlass im Voraus zu regeln. Die Rechte der Erben und Vermächtnisnehmer sowie der anderen Personen, die dem Erblasser nahestehen, und der [X.] sollen effektiv gewahrt werden (vgl. Erwägungsgründe 7, 8 und 59 [X.]). Für eine zügige, unkomplizierte und effiziente Abwicklung einer Erbsache sollen Erben, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter in der Lage sein, ihren Status und/oder ihre Rechte und Befugnisse in einem anderen Mitgliedstaat einfach nachzuweisen (vgl. Erwägungsgrund 67 [X.]; [X.], Urteil vom 16. Juli 2020, [X.]/19, [X.]:[X.], [X.] 2020, 710 Rn. 35).

Die Beteiligte zählt nicht zu dem genannten Personenkreis und verfolgt keine eigenen Rechte im Zusammenhang mit dem Ableben der Erblasserin. Selbst wenn angenommen wird, dass die Durchführung eines Verfahrens auf Ausstellung eines [X.] ein Recht auf Erteilung einer Bescheinigung nach Art. 1 Abs. 1, Anhang 1 DurchführungsVO begründet, wäre eine zügige und unkomplizierte Abwicklung der Erbsache auch dadurch möglich, dass die nach Art. 65 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit Art. 63 Abs. 1 [X.] zum Antrag eines [X.] berechtigte Person zugleich die Erteilung dieser Bescheinigung beantragt. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde folgt ein Antragsrecht auch nicht aus Erwägungsgrund 21 Satz 1 [X.]. Soweit es danach [X.] für [X.] in den Mitgliedsstaaten zuständigen Notaren ermöglicht werden soll, diese Zuständigkeit auszuüben, ergibt sich daraus keine Aussage zu ihren Befugnissen, sondern - wie die Erwägungsgründe 20 bis 22 [X.] zeigen - nur zu ihrer Zuständigkeit und Bindung an die [X.] der [X.].

dd) Der Senat hat keine Veranlassung, den Gerichtshof der Europäischen [X.] gemäß Art. 267 Abs. 1 und 3 A[X.]V um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. Es liegt ein sogenannter "acte clair" vor, der eine Vorlagepflicht ausschließt (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982, [X.], [X.]/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16; Senatsurteil vom 30. November 2022 - [X.], [X.], 178 Rn. 24 m.w.N.; [X.], Urteil vom 24. Februar 2021 - [X.], [X.]Z 229, 59 Rn. 22 m.w.N.; [X.] NJW 2022, 2828 Rn. 13). Dass die Beteiligte jedenfalls selbst nicht die beantragte Erteilung einer Bescheinigung verlangen kann, ist derart offenkundig, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt.

b) Nach zutreffender Ansicht des [X.] folgt ein Antragsrecht der Beteiligten schließlich auch nicht aus [X.] Recht, insbesondere § 27 Int[X.]VG. Diese Vorschrift regelt die Berechtigung zu einem Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung nach Art. 46 Abs. 3 Buchst. b) [X.] nicht. Ob das Beschwerdegericht im Hinblick auf § 28 Int[X.]VG zutreffend davon ausgegangen ist, dass auch der Antrag nach § 27 Int[X.]VG nur durch eine [X.] des Ausgangsverfahrens gestellt werden kann, braucht hier nicht entschieden zu werden. Den Regelungen zum [X.] in §§ 33 bis 44 Int[X.]VG lässt sich ebenfalls kein Antragsrecht der Beteiligten entnehmen.

c) Da das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei ein eigenes Antragsrecht der Beteiligten abgelehnt hat, konnte es offenlassen, ob es sich bei dem vom Nachlassgericht erteilten Erbschein um eine Entscheidung gemäß Art. 46 Abs. 3 Buchst. b) [X.], Art. 1 Abs. 1, Anhang 1 DurchführungsVO handelt.

Prof. Dr. Karczewski     

      

Harsdorf-Gebhardt     

      

Dr. Brockmöller

      

Dr. Götz     

      

Rust     

      

Meta

IV ZB 20/22

29.03.2023

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 1. August 2022, Az: 3 Wx 22/21

Art 46 Abs 3 Buchst b EUV 650/2012

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.03.2023, Az. IV ZB 20/22 (REWIS RS 2023, 1777)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1777

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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