Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.02.2021, Az. IV ZB 33/20

4. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 8429

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Gegenstand

Nachlasssache mit grenzüberschreitendem Bezug: Beurteilung einer konkludenten Rechtswahl des Erblassers im Sinne der Europäischen Erbrechtsverordnung


Leitsatz

Die Frage, ob der Erblasser eine konkludente Rechtswahl im Sinne von Art. 22 Abs. 2 EuErbVO getroffen hat, ist unionsautonom und nicht unter Rückgriff auf das hypothetisch gewählte Recht zu beurteilen (hier: Wahl des deutschen Rechts für die Bindungswirkung in einem zwischen einer deutschen Erblasserin und ihrem österreichischen Ehemann geschlossenen Erbvertrag im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. b EuErbVO).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.] - 31. Zivilsenat - vom 24. August 2020 wird auf Kosten der Beteiligten zu 1 und 2 zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf bis 500.000,- € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beteiligten zu 1 und 2 oder die Beteiligten zu 3 bis 6 Miterben der am 22. Mai 2017 verstorbenen [X.] Staatsangehörigen [X.]     (im Folgenden: Erblasserin) geworden sind. Die Erblasserin sowie ihr am 19. Juni 2003 vorverstorbener Ehemann, [X.] Staatsangehöriger, hatten ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt seit 1995 in [X.]. Am 25. März 1996 errichteten sie in zwei getrennten, aber im Wesentlichen wortgleichen eigenhändig ge- und unterschriebenen Urkunden zwei mit "Gemeinschaftliches Testament" überschriebene Schriftstücke folgenden Wortlauts:

"Ich, Frau Dr. H.B. … bin [X.] Staatsangehörige und habe keine Kinder.

Ich, Herr Prof. E.G. … bin [X.] Staatsangehöriger und habe als einzigen Abkömmling meine am … geborene Tochter …, die ihrerseits verheiratet und [X.] Staatsangehörige ist.

Wir sind miteinander seit [X.] verheiratet …

I.

Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein.

II.

Nach dem Tod des [X.] sollen gemeinsame Schlusserben

a) Frau G.G. …

b) Herr U.G. …

c) Frau B.G. …

d) Frau S.H. …

(Beteiligte zu 3 bis 6)

zu gleichen Teilen sein.

III.

Die hier getroffene Verfügung von Todes wegen (Erbeinsetzung, Schlusserbeneinsetzung u. Vermächtnisanordnung) sind wechselseitig verbindlich. Sie können zu unserer beider Lebzeiten nur gemeinschaftlich aufgehoben werden. Nach dem Tod eines von uns beiden ist der überlebende Ehegatte nicht mehr berechtigt, die [X.] und Vermächtnisanordnung abzuändern.

…"

2

Die am 10. Oktober 2017 nachverstorbene Beteiligte zu 4 ist die Schwester der Erblasserin, die Beteiligten zu 3, 5 und 6 sind die Kinder der Beteiligten zu 4. [X.] vom 7. November 2013 verfügte die Erblasserin, dass sie ihr "Haus und Inventar" sowie ihr "Barvermögen" den Beteiligten zu 1 und 2 vererbe. Bereits mit einem auf den 1. November 2011 datierten Testament hatte sie angeordnet, dass die Beteiligte zu 1 nach ihrem Ableben 30.000 € und diverse Möbelstücke erhalten solle. In einem weiteren eigenhändig ge- und unterschriebenen Schreiben der Erblasserin vom 4. Dezember 2013 heißt es unter anderem:

"Sollte meine Schwester oder mein Neffe sowie Nichten von meinen Konten Geld abgehoben haben, müssen sie diese an den Erben zurückbezahlt werden. Ich hatte ihnen nie erlaubt Geld abzuheben.

Dieses Geld gehört zur Erbmasse…"

3

Die Beteiligten zu 1 und 2 haben nach dem Tod der Erblasserin die Erteilung eines Erbscheins des Inhalts beantragt, dass sie Erben zu je 1/2 geworden sind. Das Nachlassgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 19. April 2018 zurückgewiesen, da sich die Erbfolge nach dem am 25. März 1996 errichteten gemeinschaftlichen Testament richte. Das [X.] hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom [X.] zugelassene Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 und 2, mit der sie ihren Erbscheinsantrag weiterverfolgen.

4

II. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

5

1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung unter anderem in [X.] 2021, 28 (m. Anm. von [X.] a.a.O. 38) veröffentlicht ist, hat ausgeführt, die Erbfolge nach der Erblasserin richte sich nach dem wirksamen gemeinschaftlichen Testament vom 25. März 1996, dessen Bindungswirkung den späteren Verfügungen der Erblasserin entgegenstehe. Die Zulässigkeit des [X.], das unionsrechtlich einen Erbvertrag darstelle, richte sich nach dem durch Art. 83 Abs. 3, 1. Alt. i.V.m. Art. 25 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 650/2012 des [X.] und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in [X.] sowie zur Einführung eines [X.] (im Folgenden: [X.]) berufenen [X.] Recht als Recht des Staates, in dem die Erblasserin sowie ihr Ehemann ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hätten. Das [X.] sei ferner gemäß Art. 25 Abs. 2 i.V.m. Art. 83 Abs. 3 Alt. 1 [X.] formell und materiell wirksam. Auch insoweit sei jeweils auf [X.]s Recht abzustellen. Schließlich entfalte das [X.] vom 25. März 1996 Bindungswirkung, die den späteren Verfügungen der Erblasserin entgegenstehe. Auf die Bindungswirkung des [X.] finde [X.]s Recht Anwendung. Dies ergebe sich aus einer entsprechenden konkludenten Rechtswahl. Nach Art. 25 Abs. 3 [X.] könnten die Parteien eines Erbvertrages im unionsrechtlichen Sinne auch für die Bindungswirkung ihres Erbvertrages einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung das Recht wählen, das die Person oder eine der Personen, deren Nachlass betroffen sei, gemäß Art. 22 [X.] unter den darin genannten Bedingungen hätte wählen können. Das Testament enthalte zwar keine ausdrückliche Wahl [X.] Rechts. Art. 83 Abs. 2 [X.] erfasse jedoch auch eine konkludente Wahl [X.] Rechts. Das Vorliegen einer konkludenten Rechtswahl nach der [X.] sei unionsautonom und nicht unter Rückgriff auf das hypothetische [X.] zu entscheiden. Auf dieser Grundlage hätten die Erblasserin und ihr verstorbener Ehemann für die Bindungswirkung übereinstimmend konkludent [X.]s Recht gewählt, was sich insbesondere aus der verwendeten Terminologie sowie dem Zusammenspiel der Ziffern I bis III des Testaments ergebe.

6

Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde zur Klärung der Frage zugelassen, ob das Vorliegen einer konkludenten Rechtswahl nach der [X.] unionsautonom oder unter Rückgriff auf das hypothetische [X.] zu entscheiden sei. Diese Frage sei entscheidungserheblich, da nach [X.]m Recht hier nicht von einer konkludenten Wahl [X.] Rechts auszugehen sei. Es bestünden nicht genügend Anhaltspunkte, um bei den an dem gemeinschaftlichen Testament Beteiligten ein nach [X.]m Recht für eine konkludente Rechtswahl erforderliches Erklärungsbewusstsein annehmen zu können.

7

2. Das hält der rechtlichen Überprüfung stand.

8

Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass den Beteiligten zu 1 und 2 kein Anspruch auf Erteilung eines Erbscheins zusteht, der ihre Erbfolge zu je 1/2 ausweist. Die Erbfolge der Erblasserin richtet sich vielmehr nach dem wirksamen gemeinschaftlichen Testament vom 25. März 1996, dessen Bindungswirkung gemäß §§ 2270 Abs. 2, 2271 Abs. 2 BGB den späteren Verfügungen der Erblasserin zugunsten der Beteiligten zu 1 und 2 entgegensteht.

9

a) Das Beschwerdegericht hat zunächst rechtsfehlerfrei entschieden, dass das zwischen der Erblasserin und ihrem Ehemann am 25. März 1996 errichtete [X.] einen Erbvertrag im Sinne von Art. 3 Abs. 1 b) [X.] darstellt. Die [X.] ist anwendbar, da es sich um einen Nachlass mit grenzüberschreitendem Bezug handelt, der sich hier aus der [X.]n Staatsangehörigkeit des Ehemannes der [X.] Erblasserin ergibt (zum grenzüberschreitenden Bezug vgl. etwa [X.], Urteil vom 16. Juli 2020, [X.]/19, [X.]:[X.], [X.] 2020, 628 Rn. 42-44, 39; [X.]/[X.], 8. Aufl. Art 1 [X.] Rn. 61).

Gemäß Art. 3 Abs. 1 b) [X.] ist ein Erbvertrag eine Vereinbarung, einschließlich einer Vereinbarung aufgrund gegenseitiger Testamente, die mit oder ohne Gegenleistung Rechte am künftigen Nachlass oder künftigen Nachlässen einer oder mehrerer an dieser Vereinbarung beteiligter Personen begründet, ändert oder entzieht. Hierunter fällt auch das [X.] nach [X.]m Recht, das wechselbezügliche Verfügungen im Sinne von § 2270 BGB enthält (vgl. [X.]/[X.], 8. Aufl. Art. 3 [X.] Rn. 11). Demgegenüber liegt hier kein gemeinschaftliches Testament nach Art. 3 Abs. 1 c) [X.] vor, da es an der nach dieser Regelung erforderlichen Errichtung der letztwilligen Verfügung in einer einzigen Urkunde fehlt.

Da die Erblasserin am 22. Mai 2017 verstorben ist, findet gemäß Art. 83 Abs. 1 [X.] diese Verordnung auf ihre Rechtsnachfolge Anwendung. Die Übergangsvorschrift des Art. 83 Abs. 3 [X.] bestimmt, dass eine - wie hier - vor dem 17. August 2015 errichtete Verfügung von Todes wegen zulässig sowie materiell und formell wirksam ist, wenn sie die Voraussetzungen des [X.] erfüllt oder wenn sie nach den zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung geltenden Vorschriften des Internationalen Privatrechts in dem Staat, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, oder in dem Mitgliedstaat, dessen Behörde mit der Erbsache befasst ist, zulässig sowie materiell und formell wirksam ist. Auf dieser Grundlage hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei und von der Rechtsbeschwerde zu Recht nicht angegriffen entschieden, dass das [X.] der Eheleute vom 25. März 1996 zulässig (Art. 83 Abs. 3 Alt. 1 [X.] i.V.m. Art. 25 Abs. 2 Unterabs. 1 [X.]) sowie formell (Art. 83 Abs. 3 Alt. 1 i.V.m. Art. 27 [X.]) und materiell wirksam ist (Art. 83 Abs. 3 Alt. 1 i.V.m. Art. 25 Abs. 2 Unterabs. 2 [X.]).

b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht ferner rechtsfehlerfrei entschieden, dass auf die Bindungswirkung des [X.] vom 25. März 1996 [X.]s Recht Anwendung findet. Zutreffend ist es zunächst davon ausgegangen, dass die Frage, ob auf die Bindungswirkung [X.]s oder [X.]s Recht Anwendung findet, hier nicht offenbleiben kann, da bindende Verfügungen von Todes wegen nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des [X.] nach [X.]m Erbrecht allein in Erbverträgen möglich sind, die besonderer notarieller Form bedürfen, welche hier nicht gewahrt ist.

Nach Art. 25 Abs. 3 [X.] können die Parteien für die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkung ihres Erbvertrages einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung das Recht wählen, das die Person oder eine der Personen, deren Nachlass betroffen ist, nach Art. 22 [X.] unter den darin genannten Bedingungen hätte wählen können. Die Vorschrift des Art. 25 Abs. 3 [X.] findet hier über Art. 83 Abs. 2 [X.] Anwendung. Hatte hiernach der Erblasser das auf seine Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht vor dem 17. August 2015 gewählt, so ist diese Rechtswahl wirksam, wenn sie die Voraussetzungen des [X.] erfüllt oder wenn sie nach den zum Zeitpunkt der Rechtswahl geltenden Vorschriften des Internationalen Privatrechts in dem Staat, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, wirksam ist. Die Übergangsvorschrift des Art. 83 Abs. 2 Alt. 1 [X.] erfasst nach der Rechtsprechung des Senats auch Erbverträge und gestattet eine entsprechende Rechtswahl nach Art. 22 [X.] (Senatsbeschluss vom 10. Juli 2019 - [X.], [X.], 365 Rn. 12 f.).

aa) Gemäß Art. 22 Abs. 2 [X.] muss die Rechtswahl ausdrücklich in einer Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben. Eine ausdrückliche Rechtswahl haben die Erblasserin und ihr Ehemann noch den aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Feststellungen des [X.] in dem gemeinschaftlichen Testament vom 25. März 1996 nicht getroffen.

Das Beschwerdegericht hat jedoch rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Erblasserin und ihr Ehemann konkludent [X.]s Recht für die Frage der Bindungswirkung gewählt haben. Die Frage, ob das Vorliegen einer konkludenten Rechtswahl unionsautonom oder unter Rückgriff auf das hypothetische [X.] - hier auf das [X.] Recht - zu entscheiden ist, ist nach der Lösung des [X.] entscheidungserheblich, da dieses angenommen hat, dass nach [X.]m Recht von einer konkludenten Wahl [X.] Rechts nicht auszugehen sei, weil nicht genügend Anhaltspunkte bestünden, um bei den an dem gemeinschaftlichen Testament Beteiligten ein nach [X.]m Recht für eine konkludente Rechtswahl erforderliches Erklärungsbewusstsein anzunehmen (vgl. hierzu [X.][X.], Art. 25 EGBGB Rn. 21 (Stand: 1. November 2020); Burandt/Schmuck in Burandt/[X.], [X.] Art. 22 Rn. 6; [X.]/Sonnentag, 9. Aufl., Art. 22 [X.] Rn. 20 f.; [X.]/[X.], EGBGB (2007) Art. 25 Rn. 535). Demgegenüber ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, auf der Grundlage einer unionsautonomen Auslegung des Begriffs der konkludenten Rechtswahl hätten die Erblasserin und ihr verstorbener Ehemann hier im Testament vom 25. März 1996 für die Bindungswirkung übereinstimmend [X.]s Recht gewählt.

Die Frage, worauf bei der Rechtswahl für die Bindungswirkung abzustellen ist, ist streitig. Teilweise wird vertreten, insoweit sei auf das hypothetisch gewählte Recht abzustellen (so etwa [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/Wilsch, Internationales Erbrecht 3. Aufl., Teil 1 [X.] § 4 Rn. 30; [X.]. in [X.]/Horn/[X.], [X.]., Teil 3 Internationales Erbrecht [X.] Art. 22 Rn. 10; Burandt/Schmuck in Burandt/[X.], Erbrecht 3. Aufl. Art. 22 [X.] Rn. 6; [X.]/Sonnentag, 9. Aufl. Art. 22 [X.] Rn. 20; Leitzen, [X.] 2013, 128, 129; [X.], [X.] 2016, 310, 313; wohl auch [X.], [X.] 2012, 505, 511; [X.], Die [X.]-Erbrechtsverordnung in Hereditare - Jahrbuch für Erbrecht und Schenkungsrecht 2013, [X.], 115).

Die überwiegende Auffassung nimmt demgegenüber - wie auch das Beschwerdegericht - an, dass die Frage, ob eine konkludente Rechtswahl vorliegt, unionsautonom zu bestimmen ist ([X.]/[X.], 8. Aufl. Art. 22 [X.] Rn. 14; [X.]/Looschel[X.], 3. Aufl. Art. 22 [X.] Rn. 28; [X.]/Stürner, [X.]. Art. 22 [X.] Rn. 12; [X.]/[X.], [X.]. Art. 22 [X.] Rn. 6; [X.]/[X.], [X.] Art. 22 Rn. 21 (Stand: 1. November 2020); [X.]/Grau, Praxiskommentar Erbrechtliche Nebengesetze [X.] Rn. 195; [X.] in [X.]/[X.], Kommentar zur [X.]-Erbrechtsverordnung ([X.]) 2. Aufl. Art. 22 Rn. 14; [X.], Internationales Erbrecht Art. 22 [X.] Rn. 19; O[X.]ky in [X.]/O[X.]ky, Internationales Privatrecht in der Notar- und [X.]. § 15 Rn. 117; von [X.], [X.] 2021, 38, 39; [X.]/[X.], ZfRV 2013, 263, 265; [X.], [X.] 2013, 148, 151 f.; [X.], [X.], 1956 f.; [X.], Probleme der Anknüpfung im Rahmen der [X.], S. 187 f.; [X.], in Pamboukis, [X.] Succession Regulation No 650/2012 Art. 22 Rn. 56; in diese Richtung auch [X.] [X.] 2019, 633 Rn. 10).

bb) Die letztgenannte Auffassung trifft zu. Für eine unionsautonome Auslegung der konkludenten Rechtswahl spricht schon der Wortlaut des Art. 22 Abs. 2 Alt. 2 [X.]. Hiernach muss sich die Rechtswahl aus den Bestimmungen einer Verfügung von Todes wegen ergeben. Damit hat der [X.] bereits selbst eine Bestimmung des Begriffs der konkludenten Rechtswahl vorgegeben ([X.]/Looschel[X.], 3. Aufl. Art. 22 [X.] Rn. 28). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] folgt aus den Erfordernissen sowohl der einheitlichen Anwendung des [X.]srechts als auch des Gleichheitssatzes, dass die Begriffe einer Vorschrift des [X.]srechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung - wie hier - nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der [X.] eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen ([X.], Urteil vom 1. März 2018, [X.]/16, [X.]:[X.]:2018:138, [X.] 2018, 205 Rn. 32 zur Qualifikation des § 1371 BGB).

Eine derartige Verweisung auf nationales Recht lässt sich auch der Entstehungsgeschichte nicht entnehmen. Der Kommissionsvorschlag von 2009 zu Art. 17 Abs. 2 [X.] sah noch ausdrücklich vor, dass die Wahl des auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbaren Rechts ausdrücklich erfolgen muss (vgl. [X.]/Looschel[X.] aaO Rn. 27; [X.]/[X.], 8. Aufl. Art. 22 [X.] Rn. 13; [X.], Praxiskommentar Erbrechtliche Nebengesetze, 2. Aufl. [X.] Rn. 195). Demgegenüber hat sich der Verordnungsgeber dann nach dem Vorbild von Art. 3 Abs. 1 Satz 2 [X.] entschlossen, auch eine konkludente Rechtswahl zuzulassen (vgl. [X.]/[X.], [X.] Art. 22 Rn. 20 [Stand: 1. November 2020]; [X.], Probleme der Anknüpfung im Rahmen der [X.], [X.]; [X.]/Looschel[X.], 3. Aufl. Art. 22 Rn. 27; [X.]/[X.], 8. Aufl. Art. 22 [X.] Rn. 13). Dabei werden - an[X.] als Art. 3 Abs. 1 Satz 2 [X.] - an die konkludente Rechtswahl keine qualifizierten Anforderungen gestellt. Während es gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 [X.] erforderlich ist, dass sich die Rechtswahl eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben muss, genügt für Art. 22 Abs. 2 [X.] bereits eine Rechtswahl, die sich aus den Bestimmungen einer Verfügung von Todes wegen ergibt. Dieser Unterschied rechtfertigt sich daraus, dass es bei der [X.] nicht um die konkludente Rechtswahl durch zwei Parteien eines Vertrages mit möglicherweise wi[X.]treitenden Interessen geht, sondern um eine einseitige konkludente Rechtswahl durch den Erblasser. Da hier seinem Willen zur Geltung verholfen werden soll, erschien es sachlich gerechtfertigt, für die konkludente Rechtswahl eine niedrigere Schwelle als in Art. 3 Abs. 1 Satz 2 [X.] anzusetzen ([X.]/[X.], [X.] Art. 22 Rn. 20 [Stand: 1. November 2020]). Auch im Rahmen der [X.] wurde bereits überwiegend vertreten, dass die Frage, ob das Verhalten der Parteien als konkludente Rechtswahl anzusehen ist, unionsautonom auszulegen ist ([X.]/[X.], [X.] I-VO Art. 3 Rn. 126 [Stand: 1. Februar 2020]; [X.], Probleme der Anknüpfung im Rahmen der [X.], [X.], 188 m.w.[X.]). Anhaltspunkte dafür, dass der [X.]-Verordnungsgeber im Rahmen der [X.] eine andere Anknüpfung wählen wollte, sind nicht ersichtlich.

Für eine unionsautonome Auslegung sprechen ferner in systematischer Hinsicht die Erwägungsgründe 39 und 40 der [X.]. Nach Erwägungsgrund 39 sollte eine Rechtswahl ausdrücklich in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben. Eine Rechtswahl könne als sich durch eine Verfügung von Todes wegen ergebend angesehen werden, wenn z.B. der Erblasser in seiner Verfügung Bezug auf spezifische Bestimmungen des Rechts des Staates, dem er angehöre, genommen habe oder das Recht dieses Staates in anderer Weise erwähnt habe. Der [X.]-Verordnungsgeber hat damit selbst Kriterien für eine unionsautonome Rechtswahl aufgestellt. Diese wären überflüssig, wenn es für die Frage der konkludenten Rechtswahl nicht auf eine unionsautonome Auslegung, sondern auf eine solche nach dem hypothetisch gewählten nationalen Recht ankäme ([X.]/Looschel[X.] 3. Aufl., Art. 22 [X.] Rn. 28; O[X.]ky in [X.]/O[X.]ky, Internationales Privatrecht in der Notar- und [X.], 3. Aufl. § 15 Rn. 117). Hierfür spricht auch Satz 1 von Erwägungsgrund 40. Hiernach sollte eine Rechtswahl nach dieser Verordnung auch dann wirksam sein, wenn das gewählte Recht keine Rechtswahl in [X.] vorsieht. Käme es auf das hypothetisch gewählte materielle Recht an, so wären diese Erwägungen überflüssig, wenn es in der gewählten Rechtsordnung keine - oder jedenfalls keine konkludente - Rechtswahl gäbe (vgl. auch [X.], [X.] 2013, 148, 152, 153).

Dem steht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch Art. 22 Abs. 3 [X.] nicht entgegen. Hiernach unterliegt die materielle Wirksamkeit der Rechtshandlung, durch die die Rechtswahl vorgenommen wird, dem gewählten Recht. Insoweit bestimmt Satz 2 von Erwägungsgrund 40, die materielle Wirksamkeit der Rechtshandlung, mit der die Rechtswahl getroffen werde, solle sich nach dem gewählten Recht bestimmen, d.h. ob davon auszugehen sei, dass die Person, die die Rechtswahl treffe, verstanden habe, was dies bedeute, und dem zustimme. Mit der materiellen Wirksamkeit sind hier - entsprechend der Regelung in Art. 26 Abs. 1 [X.] - etwa die Testierfähigkeit, Testierverbote, die Zulässigkeit der Stellvertretung, die Auslegung der Verfügung sowie Willensmängel gemeint. Hierauf kommt es indessen erst nach der Beantwortung der vorrangigen Frage an, ob der Erblasser - ausdrücklich oder konkludent - eine bestimmte Rechtsordnung gewählt hat (vgl. [X.] in [X.]/[X.], Kommentar zur [X.]-Erbrechtsverordnung ([X.]) 2. Aufl. Art. 22 Rn. 16; [X.], [X.] 2013, 148, 153; [X.]/Stürner, [X.]. Art. 22 [X.] Rn. 12).

Für eine unionsautonome Auslegung spricht nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ferner die Anwendung einheitlicher Kriterien zur Bestimmung, ob im jeweils zu beurteilenden Fall die Voraussetzungen für eine konkludente Rechtswahl vorliegen oder nicht. Das Abstellen auf das hypothetisch gewählte Recht hätte demgegenüber - worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung zu Recht hinweist - zur Folge, dass in vergleichbaren Fallkonstellationen gegebenenfalls unterschiedliche Anforderungen an eine konkludente Rechtswahl zu stellen wären mit der Folge einer uneinheitlichen Beurteilung, wann im Rahmen von Art. 22 Abs. 2 [X.] eine konkludente Rechtswahl vorliegt.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Übergangsbestimmungen des Art. 83 [X.] von dem Ziel geprägt sind die Wirksamkeit - früherer - Verfügungen von Todes wegen soweit irgend möglich aufrechtzuerhalten, sie aber gegebenenfalls auch zu heilen (Senatsbeschluss vom 10. Juli 2019 - [X.], [X.], 365 Rn. 28; für die Anwendung des Grundsatzes des favor testamentii auch [X.]/[X.], [X.] Art. 22 Rn. 26 [Stand: 1. November 2020]; [X.], Internationales Erbrecht Art. 22 Rn. 20; a.[X.], [X.] 2019, 8, 10; [X.] BGB/[X.], Art. 25 EGBGB a.[X.] Rn. 21 [Stand: 1. November 2020]).

cc) Ausgehend von einer unionsautonomen Auslegung der konkludenten Rechtswahl hat das Beschwerdegericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die Erblasserin und ihr Ehemann in dem gemeinschaftlichen Testament vom 25. März 1996 [X.]s Recht gewählt haben. Für die konkludente Wahl einer bestimmten nationalen Rechtsordnung kann es insbesondere sprechen, wenn der Erblasser Begriffe oder Rechtsinstitute verwendet, die gerade in dieser Rechtsordnung spezifisch sind (vgl. Satz 2 Erwägungsgrund 39 zur [X.]; ferner [X.] [X.] 2019, 633 Rn. 10: Bezugnahme auf Vorschriften [X.] Rechts in einem Testament; [X.]/Looschel[X.], 3. Aufl. Art. 22 [X.] Rn. 28; [X.]/[X.], [X.]. Art. 22 [X.] Rn. 6; [X.], Internationales Erbrecht Art. 22 [X.] Rn. 20). Hier haben die Erblasserin und ihr Ehemann unter anderem den Begriff der Schlusserben verwendet, der im [X.] Recht anerkannt ist (vgl. etwa Senatsurteil vom 28. September 2016 - [X.], [X.] 2016, 641 Rn. 13), nach den Feststellungen des [X.] im [X.]n Recht hingegen keine Verwendung findet. Außerdem haben die Ehegatten bestimmt, dass ihre Verfügung von Todes wegen wechselseitig verbindlich sein soll und zu ihren Lebzeiten nur gemeinschaftlich aufgehoben werden kann, während nach dem Tod eines Ehegatten der überlebende Ehegatte nicht mehr berechtigt ist, die [X.] und [X.] abzuändern. Auch damit haben die Erblasserin und ihr Ehemann Bezug auf die Regelungen des [X.] Rechts in den §§ 2270 Abs. 1, 2271 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB genommen, während im [X.]n Recht nach den Feststellungen des [X.] gerade keine Bindung des überlebenden Ehegatten an ein gemeinschaftliches Testament besteht.

c) Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der [X.] gemäß Art. 267 Abs. 3 A[X.]V ist im Streitfall nicht veranlasst, da die richtige Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Bestimmungen der Europäischen Erbrechtsverordnung nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik, Sinn und Zweck sowie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] zur autonomen Auslegung der Begriffe einer Vorschrift des [X.]srechts ([X.], Urteil vom 1. März 2018, [X.]/16, [X.]:[X.]:2018:138, [X.] 2018, 205 Rn. 32) derart offenkundig sind, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum verbleibt (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Juli 2019 - [X.], [X.], 365 Rn. 32; [X.], Urteile vom 28. Juli 2016, [X.], [X.]/15, [X.]:[X.], [X.]. [X.] 2016 Nr. [X.] 350 S. 11 [juris Rn. 53]; vom 1. Oktober 2015, [X.], [X.]-452/14, [X.]:[X.]:2015:644, [X.]. 2015, 1152 Rn. 43; vom 6. Oktober 1982, [X.]ILFIT, [X.]-283/81, [X.]:[X.]:1982:335, Slg. 1982, 3415 Rn. 16, 21).

III. Die Entscheidung wegen der Kosten beruht auf § 84 FamFG, die Festsetzung des [X.] auf § 61 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GNotKG.

[X.]     

      

Prof. Dr. Karczewski     

      

Dr. Brockmöller

      

Dr. Bußmann     

      

Dr. Götz     

      

Meta

IV ZB 33/20

24.02.2021

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG München, 24. August 2020, Az: 31 Wx 241/18, Beschluss

Art 3 Abs 1 Buchst b EUV 650/2012, Art 22 Abs 2 EUV 650/2012, Art 83 Abs 2 EUV 650/2012

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.02.2021, Az. IV ZB 33/20 (REWIS RS 2021, 8429)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 494-495 REWIS RS 2021, 8429


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. IV ZB 33/20

Bundesgerichtshof, IV ZB 33/20, 24.02.2021.


Az. 31 Wx 241/18

OLG München, 31 Wx 241/18, 24.08.2020.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZR 513/15

IV ZB 22/18

Literatur & Presse BETA

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