Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.04.2018, Az. StB 5/18

3. Strafsenat | REWIS RS 2018, 10507

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Gegenstand

Statthaftigkeit einer Rechtsbeschwerde gegen einen Schutzgewahrsam


Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des [X.] vom 8. Januar 2018 wird verworfen.

2. Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde gegen den vorbezeichneten Beschluss wird zurückgewiesen.

3. Von der Auferlegung von Gebühren und gerichtlichen Auslagen des [X.] wird abgesehen.

Gründe

1

Das Amtsgericht hat gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 2 des Polizeigesetzes für [X.] ([X.]) angeordnet, den Betroffenen für zehn Stunden und 50 Minuten in [X.] zu nehmen und sodann zu entlassen, weil er 50 Minuten zuvor von Polizeibeamten "sinnlos betrunken ... angetroffen" worden sei. Die nach Beendigung der Freiheitsentziehung auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des anordnenden Beschlusses gerichtete Beschwerde hat das [X.] zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der mit eigenhändigem Schreiben (unbedingt) eingelegten Rechtsbeschwerde, für die er zugleich die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt. Beidem bleibt der Erfolg versagt.

2

1. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.

3

a) Sie ist schon nicht statthaft; denn die Vorschriften über dieses Rechtsmittel im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§§ 70 ff. FamFG) finden keine Anwendung.

4

Die §§ 70 ff. FamFG gelten als - im dortigen [X.] enthaltene - allgemeine Vorschriften zunächst für die in den weiteren Büchern näher geregelten Verfahren und für alle weiteren Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit diese durch Bundesgesetz den Gerichten zugewiesen sind (§ 1 FamFG). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Insbesondere handelt es sich bei dem vom Amtsgericht angeordneten [X.] nicht um eine Freiheitsentziehungssache nach §§ 415 ff. FamFG; diese Vorschriften betreffen grundsätzlich nur aufgrund von Bundesrecht angeordnete Freiheitsentziehungen (§ 415 Abs. 1 FamFG; vgl. [X.], Beschluss vom 7. Dezember 2010 - StB 21/10, NJW 2011, 690 f.). Rechtsgrundlage für die Ingewahrsamsnahme des Betroffenen war § 28 [X.] und damit eine landesgesetzliche Bestimmung. Soweit § 28 Abs. 4 Satz 2 [X.] für den Gewahrsam eine entsprechende Anwendung des FamFG vorsieht, bezieht sich die Verweisung seit der Gesetzesänderung vom 13. August 2014 nunmehr eindeutig ausschließlich auf die Regelungen in dessen allgemeinen Teil, nicht auf die speziellen Regelungen betreffend die Verfahren in Freiheitsentziehungssachen in [X.] des FamFG ([X.]. 15/2434, [X.]; vgl. [X.], Beschluss vom 8. September 2016 - StB 26/16, [X.], 24).

5

Aber auch aufgrund der in den maßgebenden landesgesetzlichen Vorschriften enthaltenen Verweisung auf die verfahrensrechtlichen Normen des Buches 1 des FamFG finden die §§ 70 ff. FamFG keine Anwendung. § 28 Abs. 4 Satz 2 [X.] bestimmt für das Verfahren der gerichtlichen Ingewahrsamsnahme nach § 28 Abs. 3 Satz 3 [X.] eine entsprechende Anwendung nur der Abschnitte 1 bis 3 sowie 6, 7 und 9 des Buches 1 FamFG. Die Vorschrift betrifft nicht die Rechtsbeschwerde, die im Abschnitt 5 Unterabschnitt 2 dieses Buches normiert ist. Vielmehr sieht § 28 Abs. 4 Satz 7 [X.] im Fall der amtsgerichtlichen Ingewahrsamsnahme allein das Rechtsmittel der Beschwerde vor, für das die entsprechende Geltung der Regelungen des Buches 1 Abschnitt 5 Unterabschnitt 1 des FamFG bestimmt ist (vgl. [X.]. 14/4110, S. 36; [X.], Beschluss vom 8. September 2016 - StB 26/16, [X.], 24).

6

b) Die Rechtsbeschwerde ist außerdem deshalb unzulässig, weil der Betroffene nicht durch einen beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 10 Abs. 4 Satz 1 FamFG).

7

2. Mangels Statthaftigkeit des vom Angeklagten eingelegten Rechtsmittels ist auch die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zu versagen (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 76 Abs. 1 FamFG).

8

3. Von der Erhebung von Gerichtskosten ist indes gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG abzusehen, weil sie bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären.

9

Eine die Kostenerhebung ausschließende unrichtige Sachbehandlung liegt auch dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung eine unzutreffende Belehrung über das vom Kostenschuldner eingelegte Rechtsmittel enthält, ohne die er dieses nicht betrieben hätte (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Dezember 1986 - 2 [X.], [X.] 1975 § 8 Nr. 1; [X.] Kostenrecht/Dörndorfer, § 21 GKG Rn. 4 mwN). So liegt es hier: Der Beschluss des [X.]s Stuttgart endete mit einer "Rechtsbehelfsbelehrung", der zufolge "gegen diesen Beschluss ... die Rechtsbeschwerde nach §§ 70 ff. FamFG statthaft" sei. Dafür, dass sich der Betroffene auch ohne die unzutreffende Belehrung an den [X.] gewandt hätte, besteht kein Anhalt; dies liegt vielmehr fern.

[X.]     

        

Gericke     

        

Spaniol

        

Berg     

        

Hoch     

        

Meta

StB 5/18

19.04.2018

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

§ 21 Abs 1 S 1 GVG, § 1 FamFG, § 70 FamFG, § 415 FamFG, § 10 Abs 4 S 1 FamFG, § 28 Abs 1 Nr 2 PolG BW, § 28 Abs 3 S 3 PolG BW, § 28 Abs 4 S 2 PolG BW, § 28 Abs 4 S 7 PolG BW

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.04.2018, Az. StB 5/18 (REWIS RS 2018, 10507)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 10507

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