Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.10.2008, Az. 1 StR 238/08

1. Strafsenat | REWIS RS 2008, 1541

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 238/08 vom 9. Oktober 2008 in der Strafsache gegen wegen Betruges - 2 -Der 1. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 9. Oktober 2008, an der teilgenommen haben: [X.], [X.]in am [X.] Elf, [X.] am [X.] Dr. [X.], Prof. Dr. [X.], St[X.]tsanwältin als Vertreterin der [X.], Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:

- 3 -1. Auf die Revision der St[X.]tsanwaltschaft wird das [X.]eil des [X.] vom 5. November 2007 im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen, soweit es die [X.] betrifft, aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmit-tels - an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat die - im Übrigen freigesprochene - Angeklagte we-gen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstre-ckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hiergegen wendet sich die zu [X.] der Angeklagten eingelegte, wirksam auf den Strafausspruch und die zugehörigen Feststellungen - soweit es die Angeklagte betrifft - beschränkte Revision der St[X.]tsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Revision beanstandet insbesondere die von der Kammer angenom-mene rechtsst[X.]tswidrige Verfahrensverzögerung sowie das Maß der darauf beruhenden Kompensation. Das vom [X.] vertretene [X.] hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. 1 - 4 -I. 2 Die vom [X.] für die Verletzung des Gebots einer zügigen Ver-fahrenserledigung gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.], Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG vorgenommene Kompensation begegnet durchgreifenden rechtli-chen Bedenken. 1. Die [X.] hat an sich eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten als verwirkt angesehen. Sie hat sodann zum Ausgleich für eine von ihr bejahte rechtsst[X.]tswidrige Verfahrensverzögerung von vier Monaten von der eigentlich als schuldangemessen erachteten Freiheitsstrafe einen bezif-ferten Strafabschlag von sechs Monaten vorgenommen und gegen die zu kei-nem [X.]punkt des Verfahrens inhaftierte Angeklagte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt. 3 2. Dies hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung schon deshalb nicht stand, weil das [X.] der Kompensation in [X.] Weise nur unzu-reichende Feststellungen zu Grunde gelegt hat. Der [X.] kann offenlassen, ob ein sachlich-rechtlicher Fehler schon allein darin liegt, dass das [X.] bei der Frage, ob eine rechtsst[X.]tswidrige Verfahrensverzögerung vorliegt, auf ei-nen [X.]uss des [X.] vom 19. Dezember 2006 [X.] hat, der eine Entscheidung über die weitere Haftfortdauer betreffend den früheren Mitangeklagten [X.]

zum Gegenstand hat. Jedenfalls genügt diese bloße Bezugnahme hier nicht, weil das [X.] bei der Beur-teilung des Vorliegens einer rechtsst[X.]tswidrigen Verfahrensverzögerung einen anderen Maßstab anzulegen und eine andere Abwägung zu treffen hatte als das [X.]. 4 - 5 -a) Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung sind als Grundlage der Kompensation Art, Ausmaß und Ursachen der Verfahrensverzögerung zu [X.] und im [X.]eil konkret festzustellen. Diese Feststellungen dienen zunächst als Grundlage für die Strafzumessung. Insofern hat der Tatrichter in wertender Betrachtung zu entscheiden, ob und in welchem Umfang der zeitliche Abstand zwischen Tat und [X.]eil sowie die besonderen Belastungen, denen die Ange-klagte wegen der überlangen Verfahrensdauer ausgesetzt war, bei der Festset-zung der Strafe mildernd zu berücksichtigen sind. Die entsprechenden [X.] sind als bestimmende Strafzumessungsfaktoren in den [X.]eilsgründen kenntlich zu machen, § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO (st. Rspr.; vgl. nur [X.] - NJW 2008, 860, 866; [X.], [X.]. vom 9. April 2008 - 3 [X.]; [X.]. vom 11. März 2008 - 3 StR 54/08). Dabei muss grundsätzlich jedes Strafurteil aus sich heraus verständlich sein (st. Rspr.; vgl. nur [X.]St 30, 225, 227; [X.]R StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Bezugnahme 1; [X.] NStZ-RR 2007, 22). Gebotene eigene [X.]eilsfeststellungen oder Würdigungen dürfen deshalb in der Regel nicht durch Bezugnahmen ersetzt werden, da es ansonsten sachlich-rechtlich an der Möglichkeit einer Nachprüfung durch das Revisionsgericht fehlt ([X.] NStZ-RR 2007, 22 m.w.N.). 5 b) Gemessen an diesen Maßstäben erscheinen die Ausführungen des landgerichtlichen [X.]eils nicht unbedenklich. Die Kammer führt lediglich [X.] aus, ohne nähere Einzelheiten zu den jeweiligen Verfahrensschritten fest-zustellen, die Tat liege vier Jahre zurück, die Abschlussverfügung der [X.] und die Anklage datierten vom 20. Oktober 2005. Am 2. März 2006 habe die Kammer über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden, die Hauptverhandlung habe am 4. Oktober 2006 begonnen und über ein Jahr gedauert. Weiter legt sie dar, dass —nach den Feststellungen des [X.] im [X.]uss vom 19.12.2006fi (in dem wiederum auf den hinsichtlich des frü-6 - 6 -heren Mitangeklagten [X.]ergangenen [X.]uss des [X.] vom 5. Oktober 2006, [X.], 254, verwiesen wird) —es zu einer vermeidbaren Verfahrensverzögerung von 4 Monaten gekommenfi sei, —da der ursprünglich bestimmte Hauptverhandlungstermin vom 17.05.2006 aufge-hobenfi worden sei ([X.]). [X.]) Damit beschränkt sich das [X.] auf die bloße Aneinanderrei-hung der zeitlichen Abläufe und die Wiedergabe einer wertenden Beurteilung eines anderen Gerichts in einer Entscheidung über die weitere Haftfortdauer betreffend den früheren Mitangeklagten [X.]

. Die gebotenen konkre-ten Feststellungen zum Vorliegen einer rechtsst[X.]tswidrigen Verfahrensverzö-gerung in Bezug auf die Angeklagte H. W.

hat es damit jedoch nicht getroffen. 7 (1) Insbesondere hat die [X.] weder die Gründe für die Neuter-minierung mitgeteilt, noch die zur Vorbereitung und Terminierung des neuen, zudem nach einem Wechsel des Kammervorsitzes und des Berichterstatters in neuer Gerichtsbesetzung stattfindenden Hauptverhandlungstermins erforderli-chen [X.]spannen erkennbar berücksichtigt (vgl. [X.], [X.]. vom 6. März 2008 - 3 [X.]). Es wäre aber festzustellen gewesen, welcher [X.]raum bei zeitlich angemessener Verfahrensgestaltung für die Erledigung der [X.] Maßnahmen in der vorliegenden umfangreichen [X.], die wegen mehrerer Tatkomplexe gegen zwei Angeklagte geführt wurde, [X.] werden durfte. Denn dieser ist bei der Berechnung der Dauer der rechtsst[X.]tswidrigen Verfahrensverzögerung nicht einzubeziehen (vgl. [X.], [X.]. vom 27. Mai 2008 - 3 [X.]; zur Vorbereitung und Terminierung in Wirtschaftsstrafsachen vgl. [X.] NJW 2008, 2451, 2453 f.). 8 - 7 -(2) Außerdem hat sich das [X.] nicht damit auseinandergesetzt, dass der Umstand, dass das Strafverfahren während eines einzelnen Verfah-rensabschnitts verzögert betrieben wurde, für sich allein keinen Verstoß gegen das Rechtsst[X.]tsgebot des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] begründet, wenn das Strafverfahren insgesamt in angemessener [X.] abgeschlossen wurde ([X.] NStZ 2004, 504; NStZ-RR 2007, 150, 151; vgl. auch [X.], [X.]. vom 15. Juli 2005 - 57019/00). Bei der Prüfung, ob eine Strafsache insgesamt in [X.] Frist (im verbindlichen [X.] Originaltext —–within a reasonable time–fi) i.S.v. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] verhandelt worden ist, sind neben der gesamten Dauer von dem [X.]punkt an, in dem die Beschuldigte von den [X.] in Kenntnis gesetzt wurde, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens die Art und die Schwere des [X.], der Umfang und die Schwierigkeit des Verfahrens, die Art und Weise der Ermittlungen, das Verhal-ten der Beschuldigten sowie das Ausmaß der mit dem andauernden Verfahren verbundenen Belastungen für die Beschuldigte als maßgebende Kriterien fest-zustellen und zu berücksichtigen ([X.] NStZ 2004, 504). 9 bb) Der [X.] lässt - wie oben dargelegt - offen, ob für die Beurteilung dieser an sich notwendigen eigenen Darlegungen im [X.]eil der [X.]uss des [X.], auf den das landgerichtliche [X.]eil verweist, und der dort enthaltene Hinweis auf die veröffentlichte Entscheidung des Bundes-verfassungsgerichts (BVerfG [X.], 254) ergänzend herangezogen werden können. Die bloße Bezugnahme auf diese Entscheidungen verbietet sich [X.] jedenfalls deshalb, weil das Tatgericht bei der Bewertung des Beste-hens einer rechtsst[X.]tswidrigen Verfahrensverzögerung einen anderen Maß-stab anzulegen und eine andere Abwägung zu treffen hatte, als dies im Rah-men der Entscheidungen des [X.] und des [X.] - 8 -gerichts betreffend die Haftfortdauer des früheren Mitangeklagten [X.]

der Fall war. 11 (1) Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.], Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG ga-rantieren das Recht eines jeden Angeklagten auf gerichtliche Entscheidung in-nerhalb angemessener Frist. Dieser Grundsatz gilt für die gesamte Dauer des Strafverfahrens vom [X.]punkt der Kenntnis des Beschuldigten von den gegen ihn gerichteten Ermittlungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens ([X.] StV 2002, 598; [X.] in Löwe/[X.], [X.]. Art. 6 [X.] [X.]. 80 ff. m.w.N.). Unabhängig davon besteht der Anspruch des aus Gründen der Prozesssicherheit inhaftierten Angeklagten —auf ein [X.]eil innerhalb ange-messener Frist oder auf [X.] aus der Haft, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 [X.], Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Der für die Beurteilung der insoweit angemes-senen Dauer maßgebende Fristbeginn ist hierbei zunächst der tatsächliche Be-ginn der Freiheitsentziehung, das maßgebliche Fristende der Erlass des erstin-stanzlichen [X.]eils ([X.] in Löwe/[X.], [X.]. Art. 5 [X.] [X.]. 116, 117). (2) Die —angemessene Fristfi für die Untersuchungshaft ist dabei wesent-lich kürzer bemessen und unterliegt strengeren Anforderungen als die Frist, binnen der das Strafverfahren durchgeführt sein muss. Während für die Unan-gemessenheit der Verfahrensdauer als Maßstab der [X.]raum gilt, der für die sachgerechte Erledigung des jeweiligen Verfahrens bei ordnungsgemäßer [X.] im normalen Verfahrensbetrieb notwendig ist, ist bei der Frage der weiteren Haftfortdauer regelmäßig nur die bei größtmöglicher [X.]eunigung erreichbare Minimaldauer hinnehmbar (vgl. [X.] in Löwe/[X.], [X.]. Art. 5 [X.] [X.]. 114; Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl. [X.]. 828). Damit können die Fristen für die Verfahrenserledigung nach 12 - 9 -Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.], Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG länger sein als die von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 [X.], Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gesetz-ten, in denen über eine Freiheitsentziehung zu entscheiden ist. 13 (3) Hinzukommt, dass - anders als bei der Frage der Angemessenheit der Dauer des gesamten Strafverfahrens - die Angemessenheit der Dauer der Haft nicht rückblickend zu beurteilen ist, sondern ex ante von der jeweils gege-benen, aktuellen Verfahrenslage aus ([X.] in Löwe/[X.], [X.]. Art. 5 [X.] [X.]. 115). (4) Eine Verletzung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 [X.], Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ist demnach nicht zwangsweise zugleich auch ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.], Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG (so be-reits [X.], [X.]/[X.], [X.]. vom 10. November 1969 - 2178/64; vgl. auch [X.] in Löwe/[X.], [X.]. Art. 6 [X.] [X.]. 76; [X.] in [X.] Lfg. Art. 5 [X.] [X.]. 61). Dies gilt erst recht in einem Ver-fahren, das - wie gegenständlich - gegen mehrere Angeklagte geführt wird: Während ein bestimmter Verfahrensablauf für einen, noch dazu inhaftierten Mitangeklagten einen Verstoß gegen das in Haftsachen gebotene [X.]euni-gungsgebot darstellen kann, muss dies für die andere, nicht in Haft befindliche Angeklagte keineswegs zwangsläufig eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] begründen. Ob eine rechtsst[X.]tswidrige Verfahrensverzögerung vorliegt ist vielmehr nach den individuellen Umständen des Einzelfalles - insbesondere unter Berücksichtigung der persönlichen Auswirkungen der Verfahrensdauer für den jeweiligen Betroffenen - für jeden Angeklagten eigenständig zu beurteilen (vgl. [X.], [X.]. vom 21. Juli 2005 - 1 StR 78/05). Dies hat die [X.] verkannt. 14 - 10 -3. Die verhängte Freiheitsstrafe kann aber auch deshalb keinen Bestand haben, weil das [X.] für die von ihm angenommene [X.] von vier Monaten einen Strafabschlag von sechs Monaten gewährt hat. Dies überschreitet die Grenzen des dem Tatrichter insoweit zuzubilligenden Beurteilungsspielraums und erweist sich daher als rechtsfehlerhaft. 15 a) Allgemeine Kriterien für die Festlegung der für erforderlich erachteten Kompensation lassen sich zwar nicht aufstellen. Entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalles. Jedoch ist im Auge zu behalten, dass die [X.] als solche sowie die damit verbundenen Belastungen der Angeklag-ten - wie auch vorliegend - bereits strafmildernd in die Strafzumessung [X.] sind. In diesem Punkt der Rechtsfolgenbestimmung geht es daher nur mehr um einen Ausgleich für die rechtsst[X.]tswidrige Verursachung dieser [X.]. Dies schließt es regelmäßig aus, etwa den Anrechnungsmaßstab des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB heranzuziehen und das Maß der Anrechnung mit dem Umfang der Verzögerung gleichzusetzen. Vielmehr wird sich die [X.] häufig auf einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu beschränken haben ([X.] - NJW 2008, 860, 866; [X.], [X.]. vom 6. März 2008 - 3 StR 50/07; [X.]. vom 11. März 2008 - 3 StR 54/08). 16 b) Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte liegt die vom [X.] vorgenommene Reduzierung der ohne die angenommene Verfahrensver-zögerung von vier Monaten als verwirkt erachteten Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten um sechs Monate nicht mehr im Rahmen des tatrich-terlichen Ermessens. Das [X.] hat damit nicht nur eine Anrechnung ent-sprechend dem Maßstab des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB vorgenommen, sondern eine solche in Höhe des eineinhalbfachen der von ihm bejahten Verzögerung und somit einen Abschlag von einem Drittel der eigentlich als tat- und [X.] - 11 -angemessen angesehenen Freiheitsstrafe gewährt. Damit hat das [X.] der Angeklagten eine Strafreduzierung zugebilligt, die zu einer Verkürzung der gegebenenfalls noch zu vollstreckenden Strafe in einem Umfang führt, der nicht einmal durch eine viermonatige inländische Untersuchungshaft hätte erreicht werden können (vgl. § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB; [X.] StV 2008, 299). Ein derart hohes Maß an Kompensation könnte nur ausnahmsweise durch deutlich gravie-rendere individuelle Belastungen der zu keinem [X.]punkt des Verfahrens inhaf-tierten Angeklagten infolge der Verfahrensverzögerung als der hier festgestell-ten gerechtfertigt sein (vgl. [X.] [X.], 461, 462). 4. Schließlich entspricht das vom [X.] angewandte Kompensati-onsverfahren (—[X.]) nicht der - nach dem angefochtenen Ur-teil - geänderten Rechtsprechung des [X.] zur Kompensation des Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] (—Vollstreckungsmodellfi; vgl. [X.] - NJW 2008, 860 ff.). 18 II. Der Strafausspruch sowie die zugehörigen Feststellungen waren deshalb - soweit es die Angeklagte betrifft - aufzuheben, um dem neuen Tatrichter Ge-legenheit zu geben, insoweit einheitlich neue, ausreichend konkrete Feststel-lungen zu treffen. Damit entfällt auch die Grundlage der Entscheidung des [X.] über die Strafaussetzung zur Bewährung. 19 III. Für die neue Hauptverhandlung weist der [X.] auf Folgendes hin: 20 - 12 -1. Das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht wird die für eine mögliche Verletzung des Gebots einer zügigen Verfahrenserledigung maßgeb-lichen Umstände als gerichtskundige Tatsachen zu behandeln haben und sich diese Kundigkeit im Freibeweisverfahren verschaffen können ([X.]R StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 11). 21 2. Es wird zu bedenken haben, dass nicht jede geringfügige Verzöge-rung - zumal in einer komplexen Wirtschaftsstrafsache mit nicht nur einer Ange-klagten - bereits unangemessen und rechtsst[X.]tswidrig ist (vgl. [X.], [X.]. vom 23. Juli 2008 - 2 [X.]). Insbesondere führt ein lediglich vorüberge-hender Engpass in der [X.] nicht zu einem Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] ([X.] StraFo 2005, 24). 22 3. Für den Fall, dass auch das neue Tatgericht nach den neu zu treffen-den Feststellungen zu der Überzeugung gelangt, dass ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] vorliegt, so erscheint eine durch die [X.] einge-tretene Verfahrensverzögerung von - wie bisher festgestellt - vier Monaten [X.] denkbar gering. Insofern wird auch der Umstand Bedeutung erlangen, dass nach dem Vortrag der Revision als (Mit-)Ursache für die lange Dauer der Hauptverhandlung das Prozessverhalten der Angeklagten (vgl. [X.]) eben-falls in Betracht kommt. Bei diesen Gegebenheiten ist zu berücksichtigen, dass zur Kompensation der eingetretenen Verfahrensverzögerung die bloße aus-drückliche Feststellung des Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] ausrei-chen kann und ein darüber hinaus gehender Ausgleich nach der —Vollstre-ckungslösungfi nicht in jedem Fall geboten ist (vgl. [X.] - NJW 2008, 860, 866; [X.], [X.]. vom 21. Februar 2008 - 4 [X.]). Dies gilt umso mehr, als dem Abstand zwischen Tat und Aburteilung sowie dem wegen der [X.] - 13 -rensdauer vom [X.] angenommenen - an sich aber fern liegenden und jedenfalls konkret nicht belegten - psychischen Druck auf die nicht inhaftierte Angeklagte bereits im Rahmen der Strafzumessung Rechnung zu tragen ist. [X.] Wahl Elf [X.] [X.]

Meta

1 StR 238/08

09.10.2008

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.10.2008, Az. 1 StR 238/08 (REWIS RS 2008, 1541)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 1541

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.