Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.06.2009, Az. 3 StR 89/09

3. Strafsenat | REWIS RS 2009, 3001

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 89/09 vom 18. Juni 2009 in der Strafsa[X.] gegen wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Verhandlung vom 7. Mai 2009 in der Sitzung am 18. Juni 2009, an denen teilgenommen haben: Vorsitzender [X.] am [X.] [X.], die [X.] am [X.] [X.], von [X.], [X.], [X.] als beisitzende [X.], Oberst[X.]tsanwalt beim [X.] als Vertreter der [X.], Rechtsanwalt Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom 7. Mai 2009 -, Rechtsanwältin - in der Verhandlung vom 7. Mai 2009 - als Verteidiger, Justizangestellte - in der Verhandlung vom 7. Mai 2009 -, [X.]- bei der Verkündung am 18. Juni 2009 - als [X.] der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. Mai 2008 mit den Fest-stellungen aufgehoben. 2. Auf die Revision der St[X.]tsanwaltschaft wird das [X.] Urteil im Ausspruch über die Entschädigung für eine rechtsst[X.]tswidrige Verfahrensverzögerung mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die weitergehende Revision der St[X.]tsanwaltschaft wird verworfen. 3. Die Sa[X.] wird zu neuer Verhandlung und Ents[X.]idung, auch über die Kosten der Rechtsmittel und die dem [X.] durch die Revision der St[X.]tsanwaltschaft entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit uner-laubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen 1 - 4 - unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge so-wie wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. [X.] hat es ausgespro[X.]n, dass zur "Entschädigung für die überlange [X.]" ein Jahr und zehn Monate dieser Gesamtfreiheitsstrafe als voll-streckt gelten. Die Revision des Angeklagten wendet sich mit [X.] der Verlet-zung formellen und materiellen Rechts gegen das Urteil insgesamt. Die [X.] beanstandet mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Sachrüge gestützten Revision die Kompensationsents[X.]idung und - hieran anknüpfend - die Gesamtstrafenbildung. [X.] Revision des Angeklagten 2 1. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Zu Recht bean-standet der Beschwerdeführer die Besetzung der [X.] in der [X.] mit (nur) zwei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden (§ 76 Abs. 2 Satz 1 GVG i. V. m. § 338 Nr. 1 [X.]). Im Einzelnen: 3 a) Die St[X.]tsanwaltschaft hat den vier (früheren) Mitangeklagten des [X.] in ihrer zunächst erhobenen Anklage vom 2. Juni 2005 [X.] Straftaten vorgeworfen: 4 [X.]: Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen, hiervon in vier Fällen bandenmäßig begangen; [X.]: [X.] Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen; - 5 - [X.]: [X.] Handeltreiben mit [X.] in nicht geringer Menge in fünf Fällen, in drei dieser Fälle als Gehilfe handelnd sowie [X.]: [X.] Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen. Unter dem 15. Juli 2005 hat die St[X.]tsanwaltschaft sodann gegen den Beschwerdeführer Anklage erhoben und ihm - teilweise gemeinsam mit den vorgenannten Personen begangen - Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem Fall sowie bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 13 Fällen, in vier dieser Fälle in Tateinheit mit Anstiftung zur bandenmäßigen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zur Last gelegt. Beide Anklagen haben Handels- und Schmuggeltätigkeiten der Angeklagten mit Betäubungsmitteln in mehreren eu-ropäis[X.]n Ländern zum Gegenstand. 5 In den Anklageschriften hat die St[X.]tsanwaltschaft insgesamt 23 Zeugen und mehrere Sachverständige sowie deren Gutachten zu Finger- und DNA-Spuren, zur [X.] der aufgefundenen Betäubungsmittel, zum Stimmenvergleich sowie zur Abstammung der Angeschuldigten [X.] und [X.]benannt bzw. vorgelegt. Neben insgesamt rund 250 "Überfüh-rungsstücken" und "[X.]" sowie mehreren "Augen-s[X.]insobjekten" hat die St[X.]tsanwaltschaft dem [X.] in beiden Verfah-ren jeweils die Übersetzung von (denselben) rund 600 Telefonüberwachungs-protokollen vorgelegt. Die Akten haben damals aus 20 Bänden und mehreren - teils umfangrei[X.]n - [X.] bestanden. Im Rahmen der [X.] waren - was dem [X.] bekannt war - darüber hinaus [X.] rund 82.500 Telefonate überwacht und aufgezeichnet worden. 6 - 6 - Das [X.] hat beide Anklagen am 11. Oktober 2005 zur [X.] zugelassen, die Hauptverfahren eröffnet und gleichzeitig bestimmt, dass die Hauptverhandlung unter Mitwirkung des Vorsitzenden und eines Bei-sitzers stattfinden soll. Zugleich sind die Verfahren zu gemeinsamer Verhand-lung und Ents[X.]idung verbunden worden. Die [X.] hat zunächst zehn [X.] bestimmt. Hierzu sind die zum damaligen [X.]punkt gewählten bzw. bestellten sechs Verteidiger der Angeklagten sowie ein Dolmet-s[X.]r (für die albanis[X.] Spra[X.]), Zeugen indes "noch nicht" geladen worden. 7 Letztlich hat die Hauptverhandlung ab dem 31. Oktober 2005 an [X.] 88 Verhandlungstagen bis zum 28. Mai 2008 stattgefunden. Dabei sind u. a. rund 80 der abgehörten und aufgezeichneten Telefonate in die [X.] eingeführt worden. Das Protokoll füllt vier Stehordner. 8 Den vor Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sa[X.] von der Verteidigung des Angeklagten gegen die Besetzung der Kammer mit nur zwei Berufsrichtern erhobenen Einwand hat das [X.] zurückgewiesen. 9 b) Bei dieser Sachlage ist die - nicht präkludierte (§ 222 b Abs. 1, § 338 Nr. 1 Buchst. [X.] analog; vgl. [X.]St 44, 328, 332 f.) - [X.]. Der Umfang der Sa[X.] machte die Mitwirkung eines dritten Berufsrich-ters unumgänglich. 10 Gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG beschließt die - nicht als Schwurgericht zuständige - große [X.] bei der Eröffnung des Hauptverfahrens, dass sie in der Hauptverhandlung mit nur zwei Berufsrichtern einschließlich des [X.] besetzt ist, es sei denn, nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der 11 - 7 - Sa[X.] ers[X.]int die Mitwirkung eines dritten (Berufs-)[X.]s erforderlich. Bei dieser Ents[X.]idung steht der [X.] kein Ermessen zu; sie hat die Drei-erbesetzung zu beschließen, wenn dies nach Umfang oder Schwierigkeit der Sa[X.] notwendig ers[X.]int. Jedoch ist der großen [X.] bei der Ausle-gung dieser gesetzli[X.]n Merkmale ein weiter Beurteilungsspielraum eröffnet, bei dessen Ausfüllung allerdings die Umstände des Einzelfalles zu berücksichti-gen sind ([X.]St 44, 328, 334; [X.], 56; [X.], 250, 251). [X.] für die Bewertung des Umfangs der Sa[X.] sind etwa die Zahl der [X.], Verteidiger und erforderli[X.]n Dolmets[X.]r, die Zahl der dem oder den Angeklagten vorgeworfenen Straftaten, die Anzahl der Zeugen und ande-ren Beweismittel, die Notwendigkeit von Sachverständigengutachten, der Um-fang der Akten sowie die voraussichtli[X.] Dauer der Hauptverhandlung. In Zweifelsfällen verdient die Dreierbesetzung den Vorzug. Jedoch begründet nicht jeder Verstoß gegen § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG ei-ne durchgreifende Besetzungsrüge nach § 338 Nr. 1 [X.]. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn die [X.] ihre Ents[X.]idung auf sachfremde Erwägungen gestützt oder den ihr eingeräumten Beurteilungsspielraum in [X.] Weise überschritten hat, so dass die Besetzungsreduktion objektiv willkürlich ers[X.]int (s. insgesamt [X.]St 44, 328, 333 ff.; [X.], 56). 12 So liegt es hier. Die Hauptverhandlung war gegen fünf Angeklagte zu führen, denen eine Vielzahl schwerster, in je unterschiedli[X.]r Zusammenset-zung begangener Verbre[X.]n nach dem [X.] angelastet wurde. Den Angeklagten standen sechs Verteidiger zur Seite. Es war eine er-hebli[X.] Anzahl von Zeugen zu vernehmen, etli[X.] Sachverständige waren zu hören und umfangrei[X.] weitere Beweiserhebungen durchzuführen, für die die [X.] von vornherein mehr als zehn [X.] als [X.] - 8 - derlich ansah. Hierbei war namentlich für die Einführung der für den [X.] ents[X.]idenden Ergebnisse der Telefonüberwachung mit einem weit über das Übli[X.] hinausgehenden [X.] zu rechnen. Schon die St[X.]tsanwaltschaft hatte von den rund 82.000 abgehörten Telefonaten ca. 600 für potentiell ents[X.]idungsrelevant gehalten und dementspre[X.]nd hiervon übersetzte Protokolle der Gesprä[X.] vorgelegt. Deren Beteiligte waren zu iden-tifizieren ([X.] waren bereits im Ermittlungsverfahren ein-geholt worden), die Richtigkeit der Übersetzungen war gegebenenfalls zu [X.] und deren Inhalt zu bewerten. Angesichts dieses Umfangs der Sa[X.] war die Reduzierung der [X.]bank auch bei Beachtung des der Kammer einge-räumten weiten [X.] nicht mehr vertretbar. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass - wie sich dem Verfahrensgang, der [X.] und dem Revisionsvortrag entnehmen lässt - die [X.] zum [X.]punkt der Ents[X.]idung nach § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG offensichtlich davon [X.] ist, das Verfahren durch eine Abspra[X.] einverständlich und damit kurzfristig erledigen zu können. Dies hätte eine Besetzungsreduktion aber [X.] dann rechtfertigen können, wenn die Kammer nach dem bisherigen [X.] konkrete tatsächli[X.] Anhaltspunkte dafür gehabt hätte, dass sich die Angeklagten in der Hauptverhandlung entspre[X.]nd den Anklagevorwürfen ge-ständig zeigen werden und daher eine deutli[X.] Beschränkung der ansonsten anstehenden Beweisaufnahme zu erwarten gewesen wäre. Dafür ist indes nichts ersichtlich. Das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes nach § 338 Nr. 1 [X.] hat die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung der Sa[X.] zur Folge (§§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 [X.]). 14 - 9 - 2. Auf die sonstigen Beanstandungen der Revision des Angeklagten kommt es danach nicht mehr an. Der [X.] sieht jedoch mit Blick auf das [X.] Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen: 15 a) Unabhängig davon, ob der Beschwerdeführer mit seiner Rüge nach § 338 Nr. 8 [X.] eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung in einem für die Ents[X.]idung wesentli[X.]n Punkt, also die Möglichkeit einer konkret-kausalen Beziehung zwis[X.]n dem von ihm geltend gemachten [X.] und dem Urteil, in hinrei[X.]nder Weise dargelegt hat (vgl. [X.]St 30, 131, 135 ff.; [X.], [X.] 51. Aufl. § 338 Rdn. 59 m. w. N.), macht er [X.] im Ausgangspunkt zutreffend eine Verletzung des [X.] (§ 147 Abs. 1 [X.]) geltend. 16 [X.]) Dem liegt Folgendes zugrunde: Im Rahmen der Ermittlungen, die zu den Anklagen in vorliegendem Verfahren führten, hörten Polizei und Zoll in ei-nem [X.]raum von zehn Monaten rund 82.500 Telefonate ab und zeichneten sie auf. Hiervon legte die St[X.]tsanwaltschaft dem [X.] mit Erhebung der Anklage die Aufzeichnungen von rund 600 als beweiserheblich eingeschätzten Telefongesprä[X.]n und deren vollständige deuts[X.] Übersetzungen vor. Von den übrigen rund 81.900 Gesprä[X.]n wurden keine vollständigen Übersetzungen in die deuts[X.] Spra[X.] gefertigt, sondern (lediglich) inhaltli[X.] Zusammenfassungen in deuts[X.]r Spra[X.] und [X.] ins Deut-s[X.]. Diese wurden als Dateien auf dem Computer des [X.]s gespei[X.]rt; der St[X.]tsanwaltschaft und auch dem Gericht wurden sie nicht zur Kenntnis gebracht. 17 Kurz nach Beginn der Hauptverhandlung stellte das Gericht den Ange-klagten und ihren Verteidigern die Mitschnitte aller 82.500 in albanis[X.]r [X.] - 10 - [X.] geführten Telefonate auf Datenträgern zur Verfügung. Außerdem sorgte es dafür, dass die Angeklagten und ihre Verteidiger mit Hilfe ebenfalls ausgehän-digter Laptops sowie gerichtlich gestellter Dolmets[X.]r die Möglichkeit erhielten, diese Originalaufzeichnungen in der [X.] gemeinsam ab-zuhören. Nachdem die Angeklagten und ihre Verteidiger im Rahmen der Verneh-mung des polizeili[X.]n Ermittlungsführers im April 2006 Kenntnis davon erhal-ten hatten, dass von allen 82.500 Telefongesprä[X.]n inhaltli[X.] Zusammenfas-sungen in deuts[X.]r Spra[X.] sowie [X.] ins Deuts[X.] als Da-teien im Computer des [X.] gespei[X.]rt waren und jederzeit ausgedruckt werden konnten, verlangten die Verteidiger Einsicht in diese Unter-lagen und beantragten, das Gericht möge die St[X.]tsanwaltschaft zu ihrer Vor-lage veranlassen. Diese Anträge lehnte die [X.] durch [X.]uss vom 30. August 2006 im Wesentli[X.]n mit der Begründung ab, es handele sich bei den von der polizeili[X.]n Ermittlungsgruppe gefertigten Dateien nicht um [X.] im Sinne des § 147 [X.], sondern lediglich um ein "internes Hilfs- und Arbeitsmittel der Polizeibehörde", wel[X.]s selbst nicht zu den [X.] gehöre und als sol[X.]s nicht dem Akteneinsichtsrecht der Verteidi-gung unterliege. Durch die Beiziehung der Aufzeichnungen sämtli[X.]r über-wachten Telefonate habe die Kammer diese zwar zum Aktenbestandteil ge-macht. Auch dadurch seien jedoch die durch die [X.] gefertigten internen Vermerke und Inhaltszusammenfassungen zur Abschätzung der Rele-vanz des jeweils aufgezeichneten Telefongesprä[X.]s nicht Aktenbestandteil geworden. 19 [X.]) Entgegen der Ansicht des [X.] sind die in Rede stehenden Dateien Gegenstand des [X.] nach § 147 Abs. 1 [X.]. Dieses 20 - 11 - Recht bezieht sich auf die dem Gericht vorliegenden oder ihm im Falle der [X.] gemäß § 199 Abs. 2 Satz 2 [X.] vorzulegenden Akten. Das sind nach herrs[X.]nder Meinung die von der St[X.]tsanwaltschaft nach objektiven Kriterien (vgl. § 160 Abs. 2 [X.]) als ents[X.]idungserheblich dem Gericht zu präsentie-renden Unterlagen. Dazu gehören - verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. [X.] 63, 45; hierzu auch [X.]/[X.] in Löwe/[X.], [X.] 26. Aufl. § 147 Rdn. 35 ff.) - zwar (nur) diejenigen, die durch die Identität der Tat und der des [X.] konkretisiert werden ("formeller Aktenbegriff", vgl. [X.]St 30, 131, 138 f.; zu den sog. "materiellen und funktionalen Aktenbegriffen" vgl. [X.] in SK-[X.] § 147 Rdn. 27 ff.; [X.]/[X.] [X.]O § 147 Rdn. 41 ff.; [X.] in Löwe/[X.], [X.] 26. Aufl. § 199 Rdn. 8 ff.). Jedoch muss danach jedenfalls das gesamte vom ersten Zugriff der Polizei (§ 163 [X.]) an gesammelte Beweismaterial, einschließlich etwaiger Bild- und Tonaufnahmen nebst hiervon gefertigter Verschriftungen, zugänglich gemacht werden, das [X.] in dem gegen den Angeklagten gerichteten Ermittlungsverfahren angefal-len ist (vgl. [X.] [X.]O § 147 Rdn. 15; zum Begriff der Akten vgl. auch Schäfer NStZ 1984, 203). Eine Ausnahme gilt nur für Unterlagen oder Daten, denen eine allein innerdienstli[X.] Bedeutung zukommt. Dies können etwa poli-zeili[X.] Arbeitsvermerke im Fortgang der Ermittlungen unter Bewertung der bisherigen Ermittlungsergebnisse oder sonstige rein interne polizeili[X.]n Hilfs- oder Arbeitsmittel nebst entspre[X.]nder Dateien sein (vgl. [X.] [X.]O § 147 Rdn. 18 a). Im Bereich der Justizbehörden sind vom Akteneinsichtsrecht ausgenommen etwa entspre[X.]nde Bestandteile der st[X.]tsanwaltschaftli[X.]n Handakten, Notizen von Mitgliedern des Gerichts während der Hauptverhand-lung oder so genannte [X.]shefte (vgl. [X.] [X.]O § 147 Rdn. 32 ff.). - 12 - Nach diesen Maßstäben gehören die beim [X.] als Com-puterdateien gespei[X.]rten Unterlagen zu den nach § 199 Abs. 2 Satz 2 [X.] dem Gericht vorzulegenden Akten. Sie sind konkret in den gegen die Angeklag-ten geführten Ermittlungsverfahren wegen der Taten angefallen, die letztlich Gegenstand der Anklageschriften geworden sind. Sie sind daher nicht mit [X.] vergleichbar, die Ermittlungsergebnisse zwar zu den nämli[X.]n Straf-taten enthalten, sich aber allein auf andere Personen beziehen, die im Laufe der Ermittlungen (vorübergehend) mit diesen Taten in Verbindung gebracht wurden (s. dazu [X.]St 30, 131; [X.] 63, 59). Es handelt sich auch nicht um rein polizeiinterne Hilfs- und Arbeitsmittel. Nach dem Vortrag der Revision, der im [X.] im Einklang mit den - zum genauen Inhalt der Dateien allerdings knappen - Gründen des zurückweisenden [X.]usses der [X.] vom 30. August 2006 steht und dem im Revisionsverfahren auch nicht - etwa durch eine Gegenerklärung der St[X.]tsanwaltschaft - widerspro[X.]n worden ist, [X.] von den auf [X.] geführten Telefonaten [X.] ins Deut-s[X.] und inhaltli[X.] Zusammenfassungen in deuts[X.]r Spra[X.] erstellt und gespei[X.]rt. Derartige [X.] und inhaltli[X.] Zusammenfassungen sind aber Auswertungen gewonnenen [X.] und als sol[X.] selbst potentielle Beweismittel. Dies unters[X.]idet sie von reinen Bewertungen, die an eine derartige Auswertung anknüpfen können und allein polizeiinternes Ar-beitsmittel sind, wenn sie etwa der Strukturierung der weiteren Ermittlungen dienen. Den Verteidigern durfte danach die Einsichtnahme in die gespei[X.]rten Dateien nicht verweigert werden. 21 b) Das angefochtene Urteil lässt im Fall I[X.] 1. der Urteilsgründe (Fall 11 der Anklageschrift) die Möglichkeit offen, dass die Kuriere, die das Rauschgift vom Angeklagten übernahmen, schon zuvor fest entschlossen waren, die [X.] zum Weitertransport nach [X.] in die [X.] einzufüh-22 - 13 - ren (vgl. Fis[X.]r, StGB 56. Aufl. § 26 Rdn. 3 b m. w. N.). Zum Beleg einer dies-bezügli[X.]n Anstiftung durch den Angeklagten bedarf es daher gegebenenfalls weiterer Feststellungen. c) Im Falle einer erneuten Verurteilung ist für die Freiheitsentziehung, die der Angeklagte in [X.] erlitten hat, der Anrechnungsmaßstab festzulegen und in der Urteilsformel auszuspre[X.]n (§ 51 Abs. 4 Satz 2 StGB; vgl. Fis[X.]r [X.]O § 51 Rdn. 23). 23 I[X.] Revision der St[X.]tsanwaltschaft 24 Das zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, vom Generalbundesan-walt vertretene und auf die Kompensationsents[X.]idung sowie den Gesamt-strafenausspruch beschränkte Rechtsmittel hat nur zur Kompensation Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet. 25 1. Die Beschränkung der Revision ist wirksam; nicht etwa erfasst das Rechtsmittel wegen fehlender Trennbarkeit auch die gegen den Angeklagten verhängten Einzelstrafen. Die St[X.]tsanwaltschaft wendet sich in der Sa[X.] [X.] gegen die ihrer Ansicht nach rechtsfehlerhafte Kompensation, durch die sie auch den [X.] berührt sieht. Ein derartig eingeschränkter Rechtsmittelangriff ist in aller Regel möglich, ebenso wie es eine allein auf die Kompensationsents[X.]idung abzielende Beanstandung wäre. 26 Die Kompensation einer rechtsst[X.]tswidrigen Verfahrensverzögerung ist nach der [X.] getrennt und unabhängig von der Strafzumes-sung vorzunehmen; denn diese Form der Kompensation stellt eine rein am [X.] orientierte eigene Rechtsfolge neben der [X.] - 14 [X.] dar (vgl. [X.] - NJW 2008, 860, 863 f., 866; zum Abdruck in [X.], 124 bestimmt). Deshalb sind der Strafausspruch und die Kompensations-ents[X.]idung grundsätzlich je für sich auf Rechtsfehler überprüfbar. Nur wenn etwa die Verfahrensdauer oder die durch diese entstandenen besonderen Be-lastungen des Angeklagten rechtsfehlerhaft festgestellt werden, kann der Straf-ausspruch im Einzelfall untrennbar mit der Kompensation verknüpft sein, da diese Tatsa[X.]n für beide Ents[X.]idungsteile glei[X.]rmaßen relevant sind (vgl. [X.] [X.]O 865 f.). So liegt es hier aber nicht. Vielmehr hat das [X.] die [X.] rechtsfehlerfrei - beginnend ab der Festnahme des Beschwerdeführers in [X.] bis zur Verkündung des Urteils - festgestellt, ebenso die mit der Ver-fahrensdauer für den Angeklagten verbundenen besonderen Belastungen. In-soweit erhebt auch die Revision keine Einwendungen. Ihre Rüge betrifft allein die Frage, ob die Verfahrensdauer teilweise auf einer rechtsst[X.]tswidrigen Ver-fahrensverzögerung beruht und in wel[X.]m Umfang diese gegebenenfalls zu entschädigen ist. 28 2. Die Rüge hat zum Kompensationsausspruch Erfolg. 29 a) Nach Auffassung des [X.] wurde das Strafverfahren gegen den Angeklagten - gemessen an Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.], Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG - aus folgenden Gründen in rechtsst[X.]tswidriger Weise ver-zögert: Während der vom 31. Oktober 2005 bis zum 28. Mai 2008 dauernden Hauptverhandlung habe - wegen anderweitiger Belastungen der [X.] mit Haftsa[X.]n - nur an 88 Tagen und damit mit einer Frequenz von (lediglich) 0,7 Verhandlungstagen pro Wo[X.] verhandelt werden können. Angesichts des Maßstabes des [X.], wonach bei Verfahren mit länger 30 - 15 - andauernder Untersuchungshaft monatlich durchschnittlich an acht Tagen ganztägig zu verhandeln sei, ergebe sich rechnerisch, dass das vorliegende Strafverfahren etwa ein Jahr und fünf Monate länger gedauert habe, als dies nach den Vorgaben des [X.] erforderlich (und ange-messen) gewesen wäre. Diese Verzögerung des Strafverfahrens sei jedoch nicht allein den Strafverfolgungsbehörden und dem Gericht zuzurechnen. Zwar habe es der Angeklagte nicht zu vertreten, wenn seine Haftsa[X.] nicht binnen angemessener [X.] zum Abschluss gelange, weil dem Gericht die personellen und sächli[X.]n Mittel fehlen, die zur ordnungsgemäßen Bewältigung des Ge-schäftsanfalls erforderlich seien; jedoch könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Verzögerung des Strafverfahrens jedenfalls teilweise auch auf das Verteidigungsverhalten des Angeklagten zurückzuführen sei, dessen [X.] Prozess- und Beweisanträge nur sukzessive und auch noch nach Verstrei-[X.]nlassen der von der [X.] zur Stellung von Beweis- und sonstigen Anträgen gesetzten Frist angebracht hätten. Das [X.] ist der Ansicht, vor diesem Hintergrund genüge lediglich die ausdrückli[X.] Feststellung, dass das Verfahren in rechtsst[X.]tswidriger [X.] verzögert worden sei, zur Kompensation nicht. Daher sei auszuspre[X.]n, dass ein bezifferter Teil der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gelte. Unter Beachtung der Ents[X.]idung des Großen [X.]s für Strafsa[X.]n des [X.] sei bei nochmaliger Würdigung der Ursa[X.]n für die rechtsst[X.]tswidrige Verzögerung dieses Strafverfahrens festzulegen, dass ein Jahr und zehn Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt [X.]. 31 b) Dies hält revisionsgerichtli[X.]r Prüfung nicht stand. 32 - 16 - [X.]) Der von der [X.] zu Grunde gelegte, rein rechneris[X.] Maß-stab ist zur Feststellung einer rechtsst[X.]tswidrigen Verfahrensverzögerung und ihres Ausmaßes nicht geeignet. Vielmehr beurteilt sich die Angemessenheit der Frist, innerhalb derer über eine strafrechtli[X.] Anklage gegen einen - ggf. in Untersuchungshaft einsitzenden - Angeklagten verhandelt werden muss und ein Urteil zu ergehen hat (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 2. Halbs., Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.]), nach den besonderen Umständen des Einzelfalles, die in einer umfas-senden Gesamtwürdigung gegeneinander abgewogen werden müssen. Zu be-rücksichtigen sind dabei namentlich der durch die Verzögerungen der [X.] verursachte [X.]raum der Verfahrensverlängerung, die Gesamtdauer des Verfahrens, Umfang und Schwierigkeit des Verfahrensgegenstands, Art und Weise der Ermittlungen sowie das Ausmaß der mit dem Andauern des schwe-benden Verfahrens für den Betroffenen verbundenen besonderen Belastungen. Keine Berücksichtigung finden hingegen Verfahrensverzögerungen, die der Be-schuldigte selbst, sei es auch durch zulässiges Prozessverhalten, verursacht hat (vgl. [X.], [X.]. vom 10. März 2009 - 2 BvR 49/09; [X.] [X.]O Art. 6 [X.] Rdn. 7 a m. w. N.). Nicht eingerechnet werden auch die [X.]räume, die bei zeitlich angemessener Verfahrensgestaltung beansprucht werden durf-ten (vgl. [X.] NStZ 2008, 478). Zu beachten ist ferner, dass eine Verzögerung während eines einzelnen Verfahrensabschnitts für sich allein keinen Verstoß gegen das [X.]eunigungsgebot begründet, wenn das Strafverfahren [X.] in angemessener [X.] abgeschlossen wurde (vgl. [X.] StraFo 2008, 513 m. w. N.). 33 Zwar hat das [X.] festgestellt, dass die Verfahrensverzögerung "teilweise auch auf das Verteidigungsverhalten des Angeklagten zurückzufüh-ren ist". Den hierdurch verursachten Teil der Verfahrensdauer hat es indessen nicht benannt. Mit allen anderen Gesichtspunkten hat es sich aber überhaupt 34 - 17 - nicht auseinandergesetzt. Der Ausspruch über die Kompensation kann daher wegen des schon im Ansatz rechtsirrigen rechneris[X.]n Maßstabs und des Fehlens der gebotenen Gesamtabwägung nicht bestehen bleiben. [X.]) Aber selbst bei Zugrundelegung der vom [X.] angenomme-nen Dauer einer rechtsst[X.]tswidrigen Verfahrensverzögerung könnte das Maß der Kompensation nach den Grundsätzen der Ents[X.]idung des Großen Se-nats für Strafsa[X.]n des [X.] keinen Bestand haben, weil - wie die St[X.]tsanwaltschaft und der [X.] zu Recht beanstanden - der in der Urteilsformel für vollstreckt erklärte Teil der verhängten [X.] rechtlich nicht mehr vertretbar ist. Zwar lassen sich allgemeine Krite-rien für die Festlegung der Entschädigung nicht aufstellen; ents[X.]idend sind stets wiederum die Umstände des Einzelfalls, wie der Umfang der st[X.]tlich zu verantwortenden Verzögerung, das Maß des Fehlverhaltens der [X.] sowie die Auswirkungen all dessen auf den Angeklagten. Jedoch muss stets im Auge behalten werden, dass die Verfahrensdauer als sol[X.] so-wie die hiermit verbundenen besonderen Belastungen des Angeklagten bereits mildernd in die Strafzumessung eingeflossen sind und es daher in diesem Punkt der Rechtsfolgenbestimmung nur noch um einen Ausgleich für die rechts-st[X.]tswidrige Verursachung dieser Umstände geht (vgl. [X.] - NJW 2008, 860, 866; [X.] NStZ 2008, 527). 35 Die rechtsst[X.]tswidrige Verfahrensverzögerung wurde von der [X.] mit (höchstens) einem Jahr und fünf Monaten festgestellt: Durch die Anordnung, zu deren Entschädigung seien von der Gesamtstrafe ein Jahr und zehn Monate als vollstreckt anzusehen, hat es die Kompensation höher [X.] als es selbst nach dem vom Großen [X.] für Strafsa[X.]n ausgeschlosse-nen Maßstab des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB möglich gewesen wäre ([X.] - 36 - 18 - [X.]O). Das [X.] hat dem Angeklagten damit eine Strafreduzierung zuge-billigt, die zu einer Verkürzung der verhängten Strafe in einem Umfang geführt hat, der nicht einmal durch Anrechnung einer der festgestellten Verfahrensver-zögerung entspre[X.]nden inländis[X.]n Untersuchungshaft hätte erreicht wer-den können. Damit hat es bei der Bemessung des als vollstreckt geltenden Teils der Gesamtfreiheitsstrafe die Grenzen des dem Tatrichter insoweit zuste-henden [X.] in [X.] Weise überschritten (vgl. [X.] NStZ 2008, 477). 3. Von dem aufgezeigten Rechtsfehler ist der [X.] nicht betroffen. Er hat daher Bestand. Wegen der Einzelheiten wird auf die [X.] unter 1. Bezug genommen. 37 - 19 - 4. Sollte die nunmehr zur Ents[X.]idung berufene [X.] wiederum eine rechtsst[X.]tswidrige Verfahrensverzögerung feststellen, so wird sie bei der Kompensationsents[X.]idung zu bedenken haben, dass neben dem [X.]. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] auch einer gegen Art. 5 Abs. 3 Satz 1 2. Halbs. [X.] in Betracht kommen könnte (vgl. [X.], 474, 478; Urt. vom 26. Oktober 2006 - 65655/01 - juris; [X.] - NJW 2008, 860, 864 f.; [X.]R [X.] Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 31; [X.] StV 2008, 633, 634). 38 [X.] [X.] von [X.] [X.] Schäfer

Meta

3 StR 89/09

18.06.2009

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.06.2009, Az. 3 StR 89/09 (REWIS RS 2009, 3001)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 3001

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