Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.08.2009, Az. 3 StR 250/09

3. Strafsenat | REWIS RS 2009, 1967

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 250/09 vom 27. August 2009 in der Strafsache gegen Nachschlagewerk: ja [X.]St: ja Veröffentlichung: ja _________________________ [X.] Art. 6 Abs. 1 Satz 1; StPO § 353 Abs. 1 Die Aufhebung eines tatrichterlichen [X.]eils durch das Revisionsgericht allein im Strafausspruch erfasst grundsätzlich nicht die Frage der Kompensation einer bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrens-verzögerung. [X.], [X.]. vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09 - [X.]- 2 - wegen besonders schwerer Vergewaltigung - 3 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 27. August 2009, an der teilgenommen haben: [X.]in am [X.] [X.]als Vorsitzende, die [X.] am [X.] [X.], [X.], [X.], [X.]als beisitzende [X.], Staatsanwältin als Vertreterin der [X.], Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 4 - Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das [X.]eil des Land-gerichts [X.] vom 16. Februar 2009 im Ausspruch über die Entschädigung für eine rechtsstaatswidrige [X.] aufgehoben; der Ausspruch entfällt. Die Kosten des Rechtsmittels hat der Angeklagte zu tragen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten, der bereits rechtskräftig wegen besonders schwerer Vergewaltigung schuldig gesprochen worden war, zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und ausgesprochen, dass wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von der verhängten Freiheitsstrafe neun Monate als verbüßt gelten. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten ein-gelegten, auf die Sachrüge gestützten und vom [X.] vertrete-nen Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft, das [X.] habe zu [X.] einen Teil der verhängten Strafe als vollstreckt angesehen. Das trotz des umfassenden [X.] ausweislich der Revisionsbegründung wirk-sam auf den Kompensationsausspruch beschränkte (vgl. [X.], [X.]. vom 18. Juni 2009 - 3 StR 89/09) Rechtsmittel hat Erfolg. 1 Die angefochtene [X.] kann nicht bestehen bleiben; denn ihr steht die auch insoweit eingetretene Teilrechtskraft des in [X.] - 5 - sem Verfahren zuvor ergangenen landgerichtlichen [X.]eils vom 15. Februar 2008 entgegen. 1. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: 3 Das [X.] hatte den Angeklagten mit [X.]eil vom 15. Februar 2008 wegen besonders schwerer Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision hatte der Angeklagte unter anderem mit einer Verfahrensrüge einen Verstoß gegen Art. 6 [X.] geltend gemacht, weil das Verfahren durch unzureichende Ermittlungen des Aufenthalts der Geschädigten durch die Polizeibehörden rechtsstaatswidrig verzögert worden sei; dies habe das [X.] im [X.]eil feststellen und festlegen müssen, welcher Teil der Strafe zur Kompensation als vollstreckt gelte. Der [X.] hatte beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen, und ausge-führt, die dargestellte Verfahrensrüge sei weder in der erforderlichen Form er-hoben noch in der Sache begründet. Mit einer weiteren verfahrensrechtlichen Beanstandung hatte der Angeklagte gerügt, dass ein auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Schuldfähigkeit gerichteter Beweisantrag rechtsfehlerhaft abgelehnt worden sei. Auf diese Rüge hatte der Senat mit Be-schluss vom 7. August 2008 (3 [X.]) das [X.]eil mit den zugehörigen Feststellungen im Strafausspruch und soweit eine Entscheidung über eine Un-terbringung des Angeklagten nach § 64 StGB unterblieben war aufgehoben [X.] die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere [X.] des [X.]s zurückverwiesen; die [X.] Revision hatte er verworfen. 4 Nach der Zurückverweisung hat das [X.] das nunmehr von der Staatsanwaltschaft im Kompensationsausspruch angegriffene [X.]eil erlassen. 5 - 6 - Die nach seiner Ansicht gegebene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat es damit begründet, dass die Polizeibehörden während des [X.] den Aufenthaltsort der Geschädigten nicht intensiv genug ermittelt [X.]. 2. Das [X.] durfte die angefochtene [X.] nicht treffen. Hierzu gilt: 6 Führt die Revision nur teilweise zur [X.]eilsaufhebung, erwächst der be-stehen bleibende Teil in Rechtskraft; dieser ist im neuen Verfahren nicht mehr nachzuprüfen (vgl. [X.] in [X.]. § 353 Rdn. 32). Der neue Tatrichter, an den das Verfahren nach der Zurückverweisung gelangt, hat lediglich den noch offenen Verfahrensgegenstand neu zu verhandeln und zu entscheiden (vgl. [X.] in [X.] § 354 Rdn. 87). Hieraus folgt etwa, dass der Schuld-spruch rechtskräftig wird, wenn das angefochtene [X.]eil allein im [X.] aufgehoben wird (sog. horizontale Teilrechtskraft). Auch innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs kann horizontale Teilrechtskraft bezüglich einzelner Tatfolgen eintreten, wenn lediglich der Strafausspruch aufgehoben wird und weitere Rechtsfolgen, auf die das Tatgericht erkannt hat, von Art und Höhe der Strafe unabhängig sind. Dies richtet sich nach den für die Rechtsmittelbschrän-kung geltenden Grundsätzen (vgl. [X.], [X.] Aufl. § 353 Rdn. 8) und kann etwa der Fall sein bei Einziehungs- (vgl. [X.], [X.]. vom 16. [X.] 1998 - 2 StR 536/98 Rdn. 5) sowie [X.] (vgl. [X.] bei [X.] 1980, 454 f.; NStZ 1982, 483) oder sonstigen Maßregeln wie der Entziehung der Fahrerlaubnis (vgl. [X.], [X.]. vom 8. Juli 1983
- 3 [X.] Rdn. 4 ff.). Maßgebend für den Umfang der Aufhebung ist die Formulierung im [X.]eilstenor bzw. der [X.]ussformel der revisionsgerichtli-chen Entscheidung. Die Aufhebung des Strafausspruchs betrifft regelmäßig nur die Strafe, die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs die gesamten [X.] - 7 - folgen der Tat (vgl. [X.] aaO Rdn. 21 m. w. N.; weitergehend für § 76 a StGB aF noch [X.]St 14, 381, 382). Nach diesen Maßstäben erfasst die Aufhebung allein des [X.]s durch das Revisionsgericht grundsätzlich die Frage eines Ausgleichs für eine bis dahin eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht; vielmehr tritt insoweit horizontale (Teil-)Rechtskraft ein. Zwar wurde nach der früheren Rechtsprechung die übermäßige und von dem Angeklagten nicht zu vertretende Verzögerung des Verfahrens bei der Strafzumessung berück-sichtigt. Demgemäß umfasste damals die Aufhebung eines tatgerichtlichen Ur-teils im Strafausspruch auch die Frage der Kompensation eines rechtsstaats-widrigen Verstoßes gegen das [X.]eunigungsgebot. Jedoch hat der [X.] dieses sog. Strafabschlagsmodell mit seiner Entschei-dung vom 17. Januar 2008 ([X.]St 52, 124) aufgegeben und es durch die sog. [X.] ersetzt. Danach ist der Ausgleich für eine rechtsstaats-widrige Verfahrensverzögerung nunmehr getrennt und unabhängig von der Strafzumessung vorzunehmen. Er lässt die Frage des Unrechts, der Schuld und der Strafhöhe unberührt und stellt eine rein am [X.] orien-tierte eigene Rechtsfolge neben der Strafzumessung dar. Das Gewicht der Tat und das Maß der Schuld spielen weder für die Frage, ob das Verfahren rechts-staatswidrig verzögert ist, noch für Art und Umfang der zu gewährenden [X.] eine Rolle (vgl. [X.] aaO Art. 6 [X.] Rdn. 9 a). Deshalb sind der Strafausspruch und die [X.] grundsätzlich je für sich auf Rechtsfehler überprüfbar (vgl. [X.], [X.]. vom 18. Juni 2009 - 3 StR 89/09 Rdn. 27). Hieraus folgt im Einzelnen: 8 Enthält ein landgerichtliches [X.]eil - wie hier die ursprüngliche Entschei-dung der [X.] vom 15. Februar 2008 - keine Kompensationsentschei-dung für eine bis zur [X.]eilsverkündung eingetretene Verzögerung, kann der 9 - 8 - Angeklagte, wenn er dies für rechtsfehlerhaft hält, sich hiergegen mit seiner Revision wenden. Zu diesem Zweck muss er grundsätzlich - wenn sich die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht bereits aus den [X.]eilsgrün-den ergibt und deshalb mit der Sachrüge zur Prüfung durch das Revisionsge-richt gestellt werden kann (vgl. [X.]St 49, 342) - eine Verfahrensrüge erheben (vgl. [X.] NStZ-RR 2006, 50, 56). Dringt er wie hier mit seiner Beanstandung nicht durch, und hebt das Revisionsgericht das erstinstanzliche [X.]eil insoweit auch nicht wegen einer erheblichen Verletzung des [X.]eunigungsgebotes nach Ablauf der [X.] auf eine zulässige Revision von Amts wegen auf (vgl. [X.] NStZ-RR 2005, 320), steht rechtskräftig fest, dass der Angeklagte nicht wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 [X.] vor Ergehen der Revisionsentscheidung zu entschädigen ist. Gleiches gilt, wenn das Revisi-onsgericht das erstinstanzliche [X.]eil neben dem Strafausspruch aufhebt, so-weit eine Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten in einer Ent-ziehungsanstalt nach § 64 StGB unterblieben ist; denn die Frage, ob eine sol-che Maßregel anzuordnen ist, berührt die Kompensation wegen einer rechts-staatswidrigen Verfahrensverzögerung aus den genannten Gründen ebenfalls nicht. Es liegt zudem nahe, dass die vorgenannten Grundsätze auch dann An-wendung finden, wenn der Angeklagte keine Verfahrensrüge erhoben hat und für das Revisionsgericht auch sonst kein Anlass besteht, die Frage der [X.] ausdrücklich in den Blick zu nehmen; denn diese Umstände sind für den Eintritt und die Wirkungen der Rechtskraft einer gerichtlichen Ent-scheidung grundsätzlich ohne Belang. Dem neuen Tatrichter ist es deshalb verwehrt, dem Angeklagten nach der Teilaufhebung eines [X.]eils ausschließlich im Strafausspruch und soweit eine Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entzie-hungsanstalt nach § 64 StGB unterblieben ist allein wegen eines zeitlich vor der Entscheidung des [X.] liegenden Verstoßes gegen Art. 6 [X.] 10 - 9 - eine Entschädigung zuzusprechen; er hat vielmehr lediglich neu über die Straf-zumessung und den [X.] zu befinden. Daneben hat er, sofern hierzu Anlass besteht, allerdings zu prüfen und zu entscheiden, ob nach der Entscheidung des [X.] eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzö-gerung eingetreten und zu kompensieren ist; denn der Umstand, dass eine Ent-schädigungspflicht wegen eines bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung gegebenen Verstoßes gegen Art. 6 [X.] nicht besteht, schließt es nicht aus, dass eine Kompensation aufgrund einer erst danach aufgetretenen Verzöge-rung ausgesprochen werden kann. Diese Frage hat das Tatgericht nach den insoweit allgemein geltenden Grundsätzen zu beurteilen (vgl. [X.]St 52, 124, 146 ff.); demgemäß hat es bei seiner Bewertung das gesamte Verfahren und damit auch diejenigen Teile in den Blick zu nehmen, die vor der revisionsge-richtlichen Entscheidung liegen. Diese Gesamtbetrachtung ist ihm nicht deshalb verschlossen, weil bereits rechtskräftig entschieden ist, dass dem Angeklagten allein aufgrund von Umständen, die zeitlich vor der revisionsgerichtlichen Ent-scheidung liegen, kein Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzö-gerung zu gewähren ist. Aus alldem ergibt sich, dass die nach der Entscheidung des [X.] zur sog. [X.] ergangene teilweise Aufhe-bung des landgerichtlichen [X.]eils durch den [X.]uss des Senats vom 7. August 2008 die Frage der Entschädigung des Angeklagten für eine rechts-staatswidrige Verfahrensverzögerung in der [X.] bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung nicht betroffen hat; insoweit ist vielmehr (Teil-)Rechtskraft einge-treten. Das [X.] durfte deshalb nach der Zurückverweisung der Sache nicht einen - vermeintlichen - Verstoß gegen das [X.]eunigungsgebot im [X.] kompensieren. Der entsprechende Ausspruch muss somit entfallen; dies hat der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO selbst entschieden. 11 - 10 - 3. Der Senat hat deshalb nicht mehr in der Sache zu entscheiden, ob die Feststellungen des [X.]s die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Ver-fahrensverzögerung tragen. Die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen [X.]eils geben jedoch Anlass zu bemerken, dass nicht jedes Versäumnis der Ermittlungsbehörden einen zu kompensierenden Verstoß gegen Art. 6 [X.] zu begründen vermag. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese wie hier nicht [X.] untätig waren und der Vorwurf allein dahin geht, sie hätten möglicherweise noch intensiver ermitteln können. Der Senat neigt dazu, in solchen Fällen eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung - in Anlehnung an die in der Recht-sprechung entwickelten Grundsätze zur Kompensation von [X.]en, die allein durch eine auf die Revision des Angeklagten erfolgte Aufhe-bung des tatgerichtlichen [X.]eils und Zurückverweisung der Sache entstehen (vgl. [X.] NStZ 2009, 104) - allenfalls bei ganz erheblichen, kaum verständli-chen Ermittlungsfehlern in Betracht zu ziehen. In diesem Sinne gravierende Versäumnisse hat das [X.] nicht festgestellt. 12 [X.] [X.] [X.] Schäfer [X.]

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3 StR 250/09

27.08.2009

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.08.2009, Az. 3 StR 250/09 (REWIS RS 2009, 1967)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 1967

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