Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.11.2015, Az. 4 StR 124/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 2828

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Gegenstand

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Grenzwert für eine nicht geringe Menge bei JWH-019


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 1. August 2013 aufgehoben

a) im Strafausspruch mit den Feststellungen,

b) soweit gegen den Beschwerdeführer der Verfall von Wertersatz in Höhe von mehr als 616 € angeordnet worden ist; die weiter gehende Verfallsanordnung entfällt.

2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil dahin geändert, dass 50 Tütchen „Jamaican Gold Extreme“ und zwei Tütchen „VIP“ eingezogen werden.

3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

4. Im Umfang der Aufhebung zu Ziffer 1. a) wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an das Amtsgericht – Strafrichter – [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen fahrlässigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 190 Tagessätzen zu je 25 € verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Es hat ferner den Verfall von Wertersatz in Höhe von 1.452 € und die Einziehung von zwölf Tütchen „[X.]“ und zwei Tütchen „VIP“ angeordnet. Die gegen dieses Urteil gerichteten Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft sind jeweils auf die Sachrüge gestützt. Während der Angeklagte seinen Freispruch auch in den [X.] anstrebt, begehrt die Staatsanwaltschaft diesbezüglich eine Verurteilung u.a. wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Insoweit wird das Rechtsmittel vom [X.] nicht vertreten. Die Revisionen erzielen jeweils den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet.

[X.]

2

1. Das [X.] hat folgende Feststellungen getroffen:

3

Der Angeklagte betreibt in [X.]     ein Ladengeschäft, in dem er unter anderem Zubehör für den [X.] von Cannabis vertreibt. Spätestens im Jahr 2010 beschloss der Angeklagte, der nicht über eine Erlaubnis zum Umgang mit Betäubungsmitteln verfügt, gewinnbringend Kräutermischungen anzubieten, die synthetische Cannabinoide enthielten. Wegen der cannabisähnlichen Wirkung werden diese Kräutermischungen in [X.] als Rauschmittel konsumiert, hauptsächlich geraucht. Die Kräutermischungen enthalten getrocknetes Pflanzenmaterial, auf das synthetische Cannabinoide wie [X.], [X.] und [X.] aufgesprüht werden. Die Wirkstoffe sind üblicherweise in den Kräutermischungen nicht gleichmäßig verteilt. Der [X.]ent kann weder erkennen, welches der in der Wirkungsweise unterschiedlich starken synthetischen Cannabinoide aufgesprüht wurde, noch dessen Menge.

4

Dem Angeklagten war bekannt, dass die Kräutermischungen zum [X.] durch Rauchen verwendet wurden und dass diese eine bewusstseinsverändernde Wirkung hatten, sofern sie synthetische Cannabinoide enthielten. Mit den jeweiligen Lieferungen wurden ihm von seinem Lieferanten [X.] übersandt, die auswiesen, dass weder synthetische noch pflanzliche Cannabinoide in dem untersuchten [X.] gefunden werden konnten. Die von den Herstellern dem Labor übersandten Proben enthielten [X.] was der Angeklagte nicht wusste – im Gegensatz zu den tatsächlich vertriebenen Produkten keine synthetischen Cannabinoide.

5

Am 5. Oktober 2011 erwarb der Angeklagte bei einer [X.] Firma 30 Tütchen der Kräutermischung „VIP“ zu jeweils drei Gramm (Fall 1). Die Tütchen enthielten das zum Tatzeitpunkt noch nicht dem [X.] unterfallende [X.] und 10,2 % des dem [X.] unterfallenden [X.], mithin bezogen auf die Gesamtmenge 9,18 Gramm [X.]. Am 17. Oktober 2011 erwarb der Angeklagte bei demselben Lieferanten 50 Tütchen der Kräutermischung „[X.]“ zu jeweils drei Gramm (Fall 2). Auch diese Kräutermischung enthielt [X.] und [X.]. Bei einem Wirkstoffgehalt von 9,9 % [X.] betrug die reine Wirkstoffmenge der Gesamtlieferung 14,85 Gramm [X.]. Der Angeklagte hielt es zum Zeitpunkt der Bestellungen für möglich, dass die Kräutermischungen „[X.]“ und „VIP“ Stoffe enthielten, die dem [X.] unterfallen, nahm dies aber nicht billigend in Kauf. Von der Kräutermischung „VIP“ verkaufte der Angeklagte mit Gewinn 28 Tütchen für jeweils 22 €, so dass er 616 € einnahm. Zu Verkäufen der Kräutermischung „[X.]“ kam es nicht. Bei einer Durchsuchung am 20. Oktober 2011 wurden aus den vorgenannten Lieferungen im Ladengeschäft des Angeklagten zwei Tütchen „VIP“ und zwölf Tütchen „[X.]“ sichergestellt. Weitere 38 Tütchen „[X.]“ aus dem Geschäft vom 17. Oktober 2011 wurden in der Privatwohnung des Angeklagten gefunden.

6

2. Das [X.] hat den Sachverhalt wie folgt bewertet:

7

Der Angeklagte habe bewusst fahrlässig gehandelt. Er habe es für möglich gehalten, dass die am 5. und 17. Oktober 2011 erworbenen Kräutermischungen „VIP“ und „[X.]“ dem [X.] unterfallende Stoffe enthielten und es pflichtwidrig unterlassen, eigene tragfähige Erkundungen über die vorgenannten Produkte einzuholen. Eine am 11. Oktober 2010 wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das [X.] erfolgte Durchsuchung des Ladengeschäfts und der Privaträume des Angeklagten, die Kenntnis von der Nutzung der Kräutermischungen als Rauschmittel und der Hinweis in den [X.], dass diese sich jeweils nur auf die eingesandten Proben bezögen, hätten das Vertrauen in die Redlichkeit der Hersteller erschüttert und ihm Anlass für eigene Nachforschungen gegeben.

8

Das [X.] hat – sachverständig beraten – den Grenzwert der nicht geringen Menge von [X.] mit 2,62 Gramm (350 [X.]einheiten zu je 7,5 Milligramm) angesetzt. Die Gefährlichkeit von [X.] sei höher als die von Cannabis, aber geringer als jene von Amphetamin. Bei der Strafzumessung hat das [X.] maßgeblich berücksichtigt, dass die nicht geringe Menge in beiden Fällen in erheblicher Weise überschritten sei und hat für das fahrlässige Handeltreiben mit der Kräutermischung „VIP“ eine Einzelgeldstrafe von 90 Tagessätzen und für das fahrlässige Handeltreiben mit „[X.]“ eine solche von 150 Tagessätzen verhängt. Bei der Anordnung des [X.] ist die [X.] ausweislich der Urteilsgründe versehentlich davon ausgegangen, dass der Angeklagte nicht nur 28 Tütchen „VIP“ zu je 22 €, sondern auch 38 Tütchen „[X.]“ zum Preis von je 22 € verkauft habe.

I[X.]

9

Das Rechtsmittel des Angeklagten erzielt den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.

1. Der Schuldspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Der Wirkstoff [X.] wurde durch die 24. BtMÄndV vom 18. Dezember 2009 ([X.] I 2009, 3944) mit Wirkung vom 22. Januar 2010 in die Liste der Anlage II des [X.]es aufgenommen und war deshalb zum jeweiligen Tatzeitpunkt Betäubungsmittel.

Das [X.] hat zu Recht einen Sorgfaltspflichtverstoß des Angeklagten angenommen. Derjenige, der am Handel teilnimmt, muss sich darum kümmern, ob seine Stoffe Betäubungsmittel sind (Weber, BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 2043). Die dem Angeklagten vom Lieferanten überlassenen Laborbefunde bezogen sich ausweislich der Urteilsgründe für den Angeklagten erkennbar jeweils nur auf die vom Lieferanten eingereichte und untersuchte [X.]. Dass die zum Verkauf angebotenen Kräutermischungen „weder synthetische noch pflanzliche Cannabinoide“ ([X.]) enthielten, war angesichts ihrer dem Angeklagten bekannten und bezweckten Verwendung in der [X.]entenszene als Cannabis ersetzendes Rauschmittel fernliegend. Besondere Umstände, warum der Angeklagte auf ein [X.] Verhalten seines Lieferanten bei der Einsendung der Proben an das Labor vertrauen konnte, hat das [X.] nicht festgestellt, insbesondere hat er in keinem Fall eine eigene Kontrolluntersuchung der erworbenen Stoffe veranlasst.

2. Hingegen hält der Strafausspruch der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Das [X.] ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass in den abgeurteilten Fällen der in den Kräutermischungen „VIP“ und „[X.]“ enthaltene Wirkstoff [X.] jeweils die Grenze der nicht geringen Menge i.S.v. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erreicht hat. Der [X.] setzt jedoch – insoweit abweichend vom [X.] – den Grenzwert der nicht geringen Menge für [X.] auf eine Wirkstoffmenge von 6 Gramm fest.

Hierbei bezieht sich der [X.] auf die in ständiger Rechtsprechung vom [X.] angewandte Methode (vgl. nur [X.], Urteile vom 3. Dezember 2008 – 2 StR 86/08, [X.]St 53, 89, und vom 17. November 2011 – 3 [X.], [X.]St 57, 60). Danach ist der Grenzwert der nicht geringen Menge eines Betäubungsmittels stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und -intensität festzulegen. Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs ([X.], Urteil vom 22. Dezember 1987– 1 StR 612/87, [X.]St 35, 179). Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen [X.]einheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten [X.]enten. Das Vielfache ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials zu bemessen ([X.], Urteil vom 3. Dezember 2008 – 2 StR 86/08, [X.]St 53, 89). Lassen sich auch zum [X.]verhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen (vgl. [X.], Urteile vom 24. April 2007 – 1 StR 52/07, [X.]St 51, 318, 322, und vom 17. November 2011 – 3 StR 315/10, [X.]St 57, 60, 64).

aa) Zur Wirkung und zur Gefährlichkeit von [X.] hat der [X.] ein Gutachten des                                       Prof. Dr. rer. nat.     A.     eingeholt. Danach ergibt sich Folgendes:

(1) Die Wirkstoffe [X.] und [X.] 47,497-C8 waren als Hauptwirkstoffe in den sog. „Spice“-Produkten der ersten Generation enthalten. Nach deren Aufnahme in [X.] zum [X.] wurden sie in den [X.] sehr schnell durch [X.] ersetzt. Im weiteren Verlauf wurde eine Vielzahl teils geringfügig, teils stärker modifizierter Substanzen in entsprechenden Produkten gefunden. [X.] [chemische Bezeichnung: (Naphthalin-1-yl)(1-hexyl-1H-indol-3-yl)methanon] wurde erstmals im Oktober 2010 in einer Kräutermischung nachgewiesen. Es handelt sich wie bei [X.] um ein nach dem [X.] Chemiker        H.     benanntes vollsynthetisches [X.], das bisher nicht in klinischen Studien am Menschen getestet wurde. Die Erkenntnismöglichkeiten zur pharmakologischen Wirkung der synthetischen Cannabinoide beschränken sich auf einzelne wissenschaftliche Selbstversuche und Fallberichte, in denen neben einer ausführlichen klinischen Beschreibung auch eine umfassende toxikologische Analytik durchgeführt wurde, die einen kausalen Zusammenhang zwischen Wirkstoffaufnahme und Symptomatik belegen. Zudem stehen Daten aus [X.] sowie Ergebnissen aus in vivo-Studien (vor allem am Mausmodell) zur Verfügung, wobei eine Übertragung der daraus gezogenen Schlüsse auf den Menschen nur eingeschränkt möglich ist.

(2) Nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen wird die Wirkung der synthetischen Cannabinoide wie bei dem Wirkstoff der Cannabispflanze über das [X.] vermittelt. Diese vergleichbare Wirkungsweise hat trotz unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung zur Sammelbezeichnung als synthetische „Cannabinoide“ geführt. Das [X.] ist nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Wirbeltieren und Fischen vorhanden und an verschiedensten, teilweise sehr komplexen Prozessen beteiligt. Der Wirkstoff bindet an die Cannabinoid-Rezeptoren CB1, der in hoher Dichte im zentralen Nervensystem vorhanden ist, und CB2, der sich vorwiegend in Zellen des Immunsystems findet. Aufgrund der lipophilen Eigenschaften der Substanzen können sie die Blut-Hirn-Schranke ungehindert passieren. Durch die Bindung an den Rezeptor wird die Signalübermittlung in der zugehörigen Zelle aktiviert. Anhand des Ausmaßes der Aktivierung („intrinsische Aktivität“) kann zwischen einem vollen Agonisten und einem nur partiellen Agonisten unterschieden werden.

Anders als der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol, der am CB1-Rezeptor nur als partieller Agonist bindet, wirkt [X.] dort als voller Agonist. Dies führt dazu, dass dieser Wirkstoff wesentlich stärkere Effekte, auch solche lebensbedrohlicher Art, erzeugen kann. Es tritt – anders als bei Tetrahydrocannabinol – keine Sättigung ein, vielmehr werden die Wirkungen, also auch die unerwünschten Nebenwirkungen durch eine höhere Dosierung verstärkt. [X.] hat nicht so starke Wirkungen und ist deshalb ein [X.]. Für [X.] liegen keine gesicherten Daten vor, der Wirkstoff scheint sich tendenziell ähnlich wie [X.] zu verhalten.

(3) Ein weiterer Unterschied zwischen synthetischen Cannabinoiden einerseits und Tetrahydrocannabinol andererseits liegt in der Potenz, d.h. im Maß der für die zum Erzielen einer Wirkung erforderlichen Dosis. [X.] weist gegenüber Tetrahydrocannabinol eine deutlich – etwa drei- bis vierfach – höhere Potenz auf, d.h., dass das Maß der Wirkstärke etwa drei- bis viermal so hoch anzusiedeln ist. Demgegenüber weist der Wirkstoff [X.], der sich von [X.] chemisch-strukturell nur geringfügig unterscheidet, nach bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen, insbesondere aufgrund einer Studie an Rhesusaffen, eine eher dem Tetrahydrocannabinol vergleichbare Potenz auf. Mit Blick auf die identische Rezeptoraffinität sowie angesichts des strukturell vergleichbaren [X.] von [X.] und [X.] und des Umstands, dass beide [X.]en sind, dürfte [X.] eine ähnliche oder gleiche Potenz wie [X.] haben.

bb) Der 1. Strafsenat hat in seinem Urteil vom 14. Januar 2015 – 1 [X.], zur [X.] in [X.]St 60, 134 vorgesehen – die nicht geringe Menge für das synthetische Cannabinoid [X.] auf eine Wirkstoffmenge von sechs Gramm festgesetzt. Dabei hat der 1. Strafsenat die Festsetzung des Grenzwerts der nicht geringen Menge weder an einer äußerst gefährlichen Dosis noch an einer durchschnittlichen [X.]einheit ausgerichtet, weil zu beiden Mengeneinheiten derzeit keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen. Er hat die nicht geringe Menge vielmehr aus den in jenem Urteil näher dargelegten Gründen durch den Vergleich mit Tetrahydrocannabinol bestimmt (Urteil vom 14. Januar 2015 aaO Rn. 47 ff.).

Maßgeblich waren hierfür im Vergleich zu Tetrahydrocannabinol, für das der Grenzwert der nicht geringen Menge bei 7,5 Gramm Tetrahydrocannabinol – entsprechend 500 [X.]einheiten à 15 Milligramm – angenommen wird (vgl. [X.], Urteil vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84, [X.]St 33, 8), die höhere bzw. vergleichbare Potenz des jeweiligen Wirkstoffs, die gesteigerte Gefährlichkeit aufgrund weiter gehender unerwünschter Nebenwirkungen und deren wesentlich höhere Auftretenswahrscheinlichkeit (Urteil vom 14. Januar 2015 aaO Rn. 56 ff., 92 ff.).

cc) Der [X.] hat sich bei der Bestimmung der nicht geringen Menge des Wirkstoffs [X.] der Vorgehensweise des 1. Strafsenats angeschlossen und den Grenzwert der nicht geringen Menge durch einen Vergleich mit [X.] auf dieselbe Menge wie bei dieser Substanz festgelegt.

b) Der Strafausspruch unterliegt danach der Aufhebung. Das [X.] hat ausdrücklich strafschärfend gewertet, dass im Fall der Kräutermischung „VIP“ die nicht geringe Menge um das 3,5-fache und im Fall der Kräutermischung „[X.]“ um das 5,5-fache überschritten ist. Dies trifft bei einem Grenzwert von 6 Gramm nicht zu.

3. Auch die über den Betrag von 616 € hinausgehende Anordnung von [X.] hat keinen Bestand.

Die Höhe des nach § 73a Satz 1 StGB für verfallen zu erklärenden Geldbetrages bestimmt sich nach dem Wert des nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aus der Tat [X.], dessen Verfall aus den in § 73a Satz 1 StGB genannten Gründen nicht mehr angeordnet werden kann (vgl. [X.], Beschluss vom 10. September 2002 – 1 StR 281/02, [X.], 198, 199; [X.]/[X.], 2. Aufl., § 73a Rn. 14 mwN). Die Wertbestimmung erfolgt nach dem [X.], sodass bei Rauschgiftgeschäften, wie sie hier in Rede stehen, der tatsächlich erzielte Verkaufserlös – ohne Abzug von Einkaufspreis, Transportkosten etc. – anzusetzen ist (vgl. [X.], Urteil vom 10. Juni 1999 – 4 StR 135/99, [X.], 57, 58 mwN).

Nach den Feststellungen hat der Angeklagte von der von ihm zu Handelszwecken angekauften Kräutermischung „VIP“ lediglich 28 Tütchen zu je 22 € veräußert, so dass ihm 616 € zugeflossen sind. Der vom [X.] angeordnete [X.] von 1.452 € beruhte, wie die [X.] in den Urteilsgründen ausgeführt hat, auf der irrigen Annahme, der Angeklagte habe auch 38 Tütchen der Kräutermischung „[X.]“ zu je 22 € verkauft. Der [X.] ändert den Rechtsfolgenausspruch entsprechend ab.

II[X.]

Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft führt lediglich zur Abänderung der Einziehungsentscheidung. Darauf, dass Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft auch zu Gunsten der Angeklagten wirken (§ 301 StPO), kommt es nach dem Erfolg der Revision des Angeklagten nicht mehr an ([X.], Urteil vom 14. August 2014 – 4 StR 163/14, NJW 2014, 3382, 3384 mwN). Im Übrigen ist das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft unbegründet.

1. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils wegen fahrlässigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s zur Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit handelt der Täter vorsätzlich, wenn er den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und damit in der Weise einverstanden ist, dass er die Tatbestandsverwirklichung billigend in Kauf nimmt oder sich um des erstrebten Zieles willen wenigstens mit ihr abfindet, mag ihm auch der Erfolgseintritt an sich unerwünscht sein. Bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen dann vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft – nicht nur vage – darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten (u.a. [X.], Urteile vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, [X.], 699, und vom 4. November 1988 – 1 [X.], [X.]St 36, 1, 9 f.). Vertraut der Täter darauf, die für möglich gehaltene Folge werde nicht eintreten, so kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an, ob er das ernsthaft konnte. Da beide Schuldformen im Grenzbereich eng beieinander liegen, ist bei der Prüfung, ob der Täter vorsätzlich gehandelt hat, eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände geboten (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, [X.], 699 mwN); sowohl das Wissens- als auch das Willenselement muss grundsätzlich in jedem Einzelfall geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden.

b) Den sich hieraus ergebenden Anforderungen wird das landgerichtliche Urteil gerecht. Die [X.] hat die rechtlichen Grundlagen für die Abgrenzung des bedingten Vorsatzes von bewusster Fahrlässigkeit zutreffend gesehen und beachtet und eine entsprechende Gesamtwürdigung vorgenommen. Ihre Bewertung, bedingter Vorsatz sei insbesondere aufgrund der offenen Vertriebsstruktur nicht erwiesen, weist keinen Rechtsfehler auf. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin erschöpft sich demgegenüber in einer eigenen Bewertung der festgestellten Tatsachen.

2. Die Anordnung der Einziehung hält revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand. Das [X.] hat bei der Anordnung der Einziehung ersichtlich – wie bei der Anordnung des [X.] – übersehen, dass der Angeklagte 38 Tütchen „[X.]“ nicht verkauft, sondern in seiner Privatwohnung aufbewahrt hat. Der [X.] schließt aus, dass die [X.], wenn sie sich dieses Umstandes bewusst gewesen wäre, nach ihrem Ermessen von der Einziehung abgesehen hätte, denn eine Freigabe der Betäubungsmittel wäre rechtsfehlerhaft gewesen. Er hat deshalb die [X.] entsprechend geändert.

[X.]                              Roggenbuck                             Cierniak

                          Mutzbauer                                  [X.]

Meta

4 StR 124/14

05.11.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hagen (Westfalen), 1. August 2013, Az: 6 Ss 60/14

§ 29a Abs 1 Nr 2 BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.11.2015, Az. 4 StR 124/14 (REWIS RS 2015, 2828)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2828

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