Bundessozialgericht, Beschluss vom 06.02.2017, Az. B 9 V 37/16 B

9. Senat | REWIS RS 2017, 16144

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Divergenz - abweichende Rechtsprechung des BVerwG - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - soziales Entschädigungsrecht - rechtliche Qualifikation des Berichts der Radarkommission - Klärungsbedürftigkeit - Darlegungsanforderungen


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 23. Februar 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Klägerin begehrt als Witwe eines Berufssoldaten in der Hauptsache die Feststellung eines Rektum-Karzinoms mit Lebermetastasen als Schädigungsfolge einer Wehrdienstbeschädigung und entsprechende Beschädigtenversorgung. Der Antrag des am 8.4.2004 Verstorbenen war erfolglos, weil er auf der Grundlage der im "Radarbericht" vom [X.] abgegebenen Empfehlungen der vom [X.] eingesetzten "Expertenkommission zur Frage der Gefährdung durch Strahlung in früheren Radareinrichtungen der [X.] und der [X.] ("[X.]") keine q[X.]lifizierenden Tätigkeiten als Techniker, Mechaniker oder Unterstützer an Radargeräten ausgeübt habe (Bescheid vom 28.5.2002, Widerspruchsbescheid vom 15.4.2005 und Bescheid der Beklagten vom 7.3.2011; Bescheid vom [X.], Widerspruchsbescheid des zunächst beklagten [X.] vom [X.]). Das [X.] hat die Klage gegen die von der [X.]versorgungsverwaltung erlassenen Bescheide nach der Erledigung der Berufung gegen die früheren Bescheide der zwischenzeitlich zum 1.1.2015 wieder als Funktionsnachfolger des [X.] in das Verfahren eingetretenen Beklagten abgewiesen. Zur Begründung hat es [X.] ausgeführt, die auf die Belastung mit ionisierender Strahlung zurückgeführte Krebserkrankung des Verstorbenen könne nicht als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt werden, weil nicht festgestellt werden könne, dass der Verstorbene während seines Dienstes als Soldat bei der [X.] einer ausreichenden Strahlendosis durch Röntgenstrahlung oder radioaktive Leuchtfarbe ausgesetzt gewesen sei. Unmittelbare Nachweise über eine relevante Strahlenexposition fehlten. Nachweise seien auch unter Zugrundelegung der jedenfalls faktischen Beweiserleichterungen durch die [X.] nicht gegeben, die ausgehend von drei historisch unterscheidbaren Phasen des Umgangs der [X.] mit Röntgenstrahlung an Radargeräten je nach Strahlungsquelle, aufgetretener Krankheit und Latenzzeit unterschiedliche Empfehlungen ausgesprochen habe. Danach könne schon die tatsächliche Verwendung des Verstorbenen nicht als q[X.]lifizierende Tätigkeit im Sinne der Empfehlungen angesehen werden. Hinsichtlich der Inkorporation durch radioaktive Leuchtfarbe sei es bei dem Verstorbenen nicht zu den spezifisch q[X.]lifizierenden Krebsarten gekommen, welche die [X.] als Erkrankung ansehe. Im Übrigen fehle es bei der gebotenen Gesamtbetrachtung an einer ausreichenden externen Exposition (Urteil vom [X.]).

2

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Sache und macht eine Divergenz geltend.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da die aufgeführten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und Divergenz nicht ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

4

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.]) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB [X.]-1500 § 160a [X.]; [X.]-4100 § 111 [X.] f; siehe auch [X.]-2500 § 240 [X.] f mwN). Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl [X.] § 160 [X.] 17; [X.], 158 = [X.] 1500 § 160a [X.] 11; [X.] § 160a [X.] 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

5

Die Beschwerdebegründung formuliert als Rechtsfrage, welche rechtliche Q[X.]lifikation dem Bericht der [X.] einschließlich seiner … Ergänzungen zukommt und ob und in welchem Maße diese Bestimmungen die Verwaltung und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit binden. Insbesondere geht es der Klägerin um die Frage, ob dem Radarbericht durch die [X.] vom 10.11.2011 und 7.7.2016 "q[X.]si Gesetzeskraft verliehen" worden sei. Die Beschwerdebegründung zeigt indes weder den Klärungsbedarf noch die Klärungsfähigkeit in einem Revisionsverfahren auf. Eine Auseinandersetzung [X.] mit der vom [X.] auch zitierten Rechtsprechung zur Einordnung des [X.] als antizipiertes Sachverständigengutachten oder als herausragend sachverständige Äußerung und dem danach etwaig verbleibenden Klärungsbedarf für eine Q[X.]lifizierung als Gesetz erfolgt nicht. Ebenso wenig legt die Beschwerdebegründung dar, wieso diese rechtliche Einordnung hier entscheidungserheblich sein könnte, obwohl die Vorinstanz die Erkenntnisse des Berichts ihrer Entscheidung ausdrücklich iS von faktischen Beweiserleichterungen zugrunde gelegt hat und daneben zudem die im Gefüge des Sozialen Entschädigungsrechts in Betracht kommende Beweiserleichterung des § 15 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung prinzipiell ebenso für anwendbar gehalten hat wie die Grundsätze zur Beweislastumkehr im Falle einer Beweisnot, indessen die Voraussetzungen hierfür nicht als gegeben erachtet hat. Wieso eine weitergehende Q[X.]lifikation der Empfehlungen der [X.] als Gesetz zwangsläufig mit einer zugunsten des Verstorbenen wirkenden Umkehr der Beweislast verbunden sein könnte, lässt sich dem Vortrag der Klägerin nachvollziehbar nicht entnehmen. Soweit die Beschwerdebegründung in diesem Zusammenhang meint, die Beweiswürdigung des [X.] sei nicht hinnehmbar, übersieht sie, dass eine fehlerhafte Beweiswürdigung nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden kann (§ 160 Abs 2 [X.] 3 Halbs 2 SGG) und eine darüber hinausgehend behauptete Fehlerhaftigkeit der Entscheidung des [X.] ohnehin keinen Zulassungsgrund bildet ([X.] § 160a [X.] 7).

6

2. Die Klägerin legt auch die für eine Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] 2 SGG) notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des [X.], des [X.] oder des [X.] andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar seien sollen (vgl zB [X.] Beschluss vom [X.] KR 31/09 B - Rd[X.] 4; [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 26/10 B - Rd[X.] 4; [X.] Beschluss vom 22.12.2010 - [X.] KR 100/10 B - Juris Rd[X.] 4 mwN). Erforderlich ist, dass das [X.] bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB [X.] Beschluss vom 15.1.2007 - [X.] KR 149/06 B - Rd[X.] 4; [X.]-1500 § 160 [X.] 26 S 44 f mwN).

7

Die Beschwerdebegründung führt schon keinen abstrakten Rechtssatz des [X.] in seiner Entscheidung vom [X.] - 2 RU 38/96 - [X.] 3-1500 § 128 [X.] 11 - an, sondern verweist auf die freie richterliche Beweiswürdigung und Gesamtumstände im dortigen Einzelfall, aufgrund derer im Hinblick auf den Beweisnotstand der dortigen Klägerin ein Zusammenhang zwischen einer Berufskrankheit und dem Tod des Versicherten revisionsrechtlich nicht zu beanstanden gewesen wäre. Dem stellt die Beschwerdebegründung zudem keinen abstrakten Rechtssatz des [X.] gegenüber, sondern lediglich die eigene Meinung, dass [X.] habe im vorliegenden Fall den Maßstab der Beweiswürdigung nach den Gesamtumständen des Einzelfalles offensichtlich übersehen sowie schlicht falsche Ausführungen zu einer möglichen Beweislastumkehr gemacht. Erforderliche Ausführungen zu möglichen divergierenden Rechtssätzen bei der Beweislastumkehr im Sozialen Entschädigungsrecht (vgl [X.] Urteil vom [X.] - B 9a [X.]) lassen sich der Beschwerdebegründung stattdessen nicht entnehmen und könnten auch nicht dargelegt werden, nachdem sich das [X.] ausdrücklich auf die Entscheidung vom [X.] - 2 RU 38/96 - [X.] 3-1500 § 128 [X.] 11 - bezogen hat, auf die auch die höchstrichterliche Rechtsprechung zum [X.] Entschädigungsrecht (aaO) Bezug nimmt. Auf die Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom 28.4.2011 - 2 C 55/09) und die im zitierten Fall dem [X.] aufgegebenen weiteren Ermittlungen zur Strahlenexposition kommt es im Rahmen einer [X.] hingegen nicht an (vgl § 160 Abs 2 [X.] 2 SGG). Die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) hat die Beschwerdebegründung im Übrigen nicht geltend gemacht.

8

3. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).

9

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG) .

5. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Meta

B 9 V 37/16 B

06.02.2017

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: V

vorgehend SG Oldenburg (Oldenburg), 23. Februar 2010, Az: S 15 VS 28/05, Urteil

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 15 S 1 KOVVfG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 06.02.2017, Az. B 9 V 37/16 B (REWIS RS 2017, 16144)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 16144

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 C 55/09

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