Bundessozialgericht, Beschluss vom 26.04.2022, Az. B 9 V 39/21 B

9. Senat | REWIS RS 2022, 2467

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - soziales Entschädigungsrecht - internationale Krankheitenklassifikation - zeitliche Anwendbarkeit der ICD-11 - kein revisibles Recht - Maßgeblichkeit des neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstands - generelle Tatsachen - sozialgerichtliches Verfahren - fehlerhafte Berücksichtigung keine Verletzung materiellen Rechts - eingeschränkte revisionsgerichtliche Überprüfung - Verfahrensrüge oder offensichtliche Fehlerhaftigkeit im zugelassenen Revisionsverfahren - Klärungsfähigkeit - GdS-Feststellung - unterschiedliche Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen - Divergenz - fehlerhafte Auslegung eines BSG-Urteils - Bezeichnung eines divergierenden abstrakten Rechtssatzes - Darlegungsanforderungen


Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 21. Oktober 2021 wird als unzulässig verworfen.

Der Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe

1

I. In dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die Klägerin gegen die Absenkung des bei ihr festgestellten Grads der Schädigungsfolgen ([X.]).

2

Wegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung ([X.]) im Vollbild hatte der Beklagte einen [X.] von 30 festgestellt (Bescheid vom 9.10.2014). Aus Anlass eines Neufeststellungsantrags der Klägerin überprüfte der Beklagte den [X.] und setzte diesen auf 20 herab, weil sich die vormals festgestellte, kausale Schädigungsfolge wesentlich gebessert habe. Das Vollbild einer [X.] liege nicht mehr vor, da nicht alle nach der [X.], Version 10 ([X.]), geforderten Symptome vorhanden seien (Bescheid von 8.5.2017; Widerspruchsbescheid vom 19.5.2017). Die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage hat das [X.] abgewiesen (Urteil vom 19.12.2019). Auf die Berufung der Klägerin hat das L[X.] das [X.]-Urteil und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es - gestützt auf ein während des Berufungsverfahrens eingeholtes Sachverständigengutachten - ausgeführt, die bei der Klägerin vorliegende Gesundheitsstörung sei unter Anwendung der [X.], Version 11 ([X.]-11), als aktuellem Stand der Wissenschaft weiterhin mit einem [X.] von 30 zu bewerten (Urteil vom 21.10.2021).

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Beklagte Beschwerde beim B[X.] eingelegt und mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie einer Abweichung des L[X.] von der Rechtsprechung des B[X.] begründet.

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung genügt nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G gebotenen Form. Der Beklagte hat die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der danach vorgeschriebenen Weise dargetan.

5

1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das [X.] bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB B[X.] Beschluss vom [X.] [X.] 3/20 B - juris Rd[X.]4; B[X.] Beschluss vom 19.10.2011 - [X.] R 241/11 B - [X.] 4-4200 § 25 [X.] Rd[X.] 9 mwN). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung des Beklagten nicht.

6

Der Beklagte misst folgenden Fragen grundsätzliche Bedeutung zu:

"a. In dem vorliegenden Sachverhalt ist damit die Rechtsfrage zu klären, ob die [X.]-11 als aktueller Stand der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin entsprechend § 2 [X.] auch schon vor deren Veröffentlichung durch die [X.] am 25.5.2019 bei Begutachtungen und Beurteilungen nach dem Sozialen Entschädigungsrecht zu berücksichtigen war.

b. Sofern die Auffassung vertreten wird, dass die [X.]-11 auch schon vor deren Veröffentlichung entsprechend des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft im o. g. Sinne zu berücksichtigen war, stellt sich die Frage, seit wann diese Änderung bei Begutachtungen und Beurteilungen im Sozialen Entschädigungsrecht Gültigkeit hat."

7

Hierzu führt er aus, durch die Anwendung der [X.]-11 könne gegenüber der [X.] für die Diagnose einer [X.] auf eine bestimmte Anzahl von Symptomen verzichtet werden. Dies sei insbesondere dann von Bedeutung, wenn es um die Beurteilung einer [X.] im Vollbild oder als Teilsymptomatik gehe. Die Grundsätze zur Bewertung von Schädigungsfolgen und zur Feststellung des [X.] iS der §§ 1, 30, 35 [X.] ([X.]) seien durch das [X.] ([X.]) in den als Anlage zu § 2 [X.] ([X.]) erlassenen Versorgungsmedizinischen Grundsätzen ([X.]) geregelt. Die [X.] seien auf Grundlage des aktuellen Stands der Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin ([X.]) erstellt und unterlägen der ständigen Fortschreibung. Psychische Gesundheitsstörungen seien entsprechend Teil [X.] 3 [X.] zu bewerten und [X.] unter Teil [X.] 3.7 [X.] zu fassen. Deren Beurteilungskriterien habe das [X.] mit einem Rundschreiben vom [X.] definiert und mit zwei weiteren Rundschreiben vom [X.] und [X.] aktualisiert. Demnach seien die Diagnosekriterien der [X.]-11 seit Juni 2020 als international anerkannter Stand der Wissenschaft anzuwenden. Auf Grundlage der [X.] ebenfalls zu beachten seien wissenschaftliche Leitlinien der Stufen [X.] und [X.] Die S3-Leitlinie zur [X.] empfehle in ihrer aktuellsten Version vom 19.12.2019 die Diagnostik der [X.] anhand der jeweils gültigen Version der [X.]. Dies sei bis zum 31.12.2021 die [X.] gewesen. Deren Revision sei 2007 durch die [X.] ([X.]) veranlasst worden. Die daraufhin erarbeitete Entwurfsfassung der [X.]-11 sei 2017 einer weltweiten [X.] unterzogen worden. Nach Änderungsvorschlägen sei erstmals am 20.6.2018 die Fassung veröffentlicht worden, die am 25.5.2019 von der [X.] verabschiedet worden und am 1.1.2022 in [X.] getreten ist. Die [X.]-11 sei daher nicht vor dem 25.5.2019 bei der Begutachtung und Beurteilung nach dem Sozialen Entschädigungsrecht als Stand der medizinischen Wissenschaft zu berücksichtigen gewesen.

8

Es kann dahinstehen, ob der Beklagte damit eine oder mehrere hinreichend konkrete Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Norm des [X.]rechts (vgl § 162 [X.]G) mit höherrangigem Recht aufgeworfen und in den weiteren Ausführungen den vom [X.] erwarteten klärenden Schritt ausreichend konkret dargelegt hat, oder ob er vielmehr im [X.] Fragen zur Rechtsanwendung im Einzelfall gestellt hat. Zweifel hieran ergeben sich aus dem Umstand, dass es sich weder bei der [X.] noch bei den vom Beklagten gleichfalls angesprochenen medizinischen Leitlinien oder gar den Rundschreiben des [X.] um revisibles Recht handelt. Jedenfalls hat er - die Qualität als Rechtsfrage jeweils unterstellt - die Klärungsbedürftigkeit und die Klärungsfähigkeit der formulierten Fragen nicht den nach § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G diesbezüglich geltenden Anforderungen genügend dargelegt.

9

Bezogen auf die Klärungsbedürftigkeit fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der bereits vorliegenden Rechtsprechung des B[X.]. Eine Rechtsfrage ist nämlich dann nicht (mehr) klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als bereits höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das [X.] oder das [X.] diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl B[X.] Beschluss vom 5.6.2020 - [X.] SB 87/19 B - juris Rd[X.] 9; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] 3-1500 § 160 [X.] - juris Rd[X.] 7). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des B[X.] zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu dem angesprochenen [X.] noch keine Entscheidung vorliege oder durch die schon ergangenen Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet sei (vgl B[X.] Beschluss vom 23.4.2021 - [X.] R 67/20 B - juris Rd[X.] 7 mwN).

Im [X.] stellt der Beklagte die Frage, ab wann die [X.]-11 anstelle der [X.] für die Begutachtung im Rahmen des Sozialen Entschädigungsrechts heranzuziehen ist. Einer Auswertung der Rechtsprechung des B[X.] hätte es bereits deshalb bedurft, weil durch diese geklärt ist, dass medizinische Fragen, insbesondere zur Verursachung von Gesundheitsstörungen, auf der Grundlage des im Entscheidungszeitpunkt neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstands zu beantworten sind (B[X.] Beschluss vom [X.]/16 B - juris Rd[X.]0; B[X.] Urteil vom 7.4.2011 - [X.] VJ 1/10 R - [X.] 4-3851 § 60 [X.] Rd[X.]2 mwN). Ebenfalls geklärt ist, dass allgemeine medizinische Erkenntnisse generelle Tatsachen darstellen können und dass dies nur zur Durchbrechung der nach § 163 [X.]G angeordneten strikten Bindung des [X.]s an die tatsächlichen Feststellungen des L[X.] verbunden mit der Befugnis bzw der Aufgabe für das [X.] führt, entsprechende generelle Tatsachen selbst zu ermitteln und festzustellen. Die unterlassene oder die fehlerhafte Berücksichtigung genereller Tatsachen durch das Berufungsgericht bewirkt jedoch keine Verletzung materiellen Rechts (B[X.] Urteil vom 7.4.2011 - [X.] VJ 1/10 R - [X.] 4-3851 § 60 [X.] Rd[X.] 30 f mwN). Zum Umfang der Bindung des [X.]s an Feststellungen zu medizinischen [X.] auf Rüge eines Verstoßes gegen § 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G im (zugelassenen) Revisionsverfahren - die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann hierauf nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 [X.] 3 Halbsatz 2 [X.]G) - hat sich das B[X.] ebenfalls bereits geäußert (B[X.] Urteil vom [X.] B[X.]E 118, 255 = [X.] 4-5671 Anl 1 [X.] 2108 [X.] 6). Die Beschwerdebegründung hätte daher aufzeigen müssen, dass die vom Beklagten formulierten Fragen nicht nur die vermeintlich fehlerhafte Feststellung einer (generellen) Tatsache im Einzelfall betreffen, sondern auf Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung des B[X.] nicht beantwortet sind oder es sich bei ihnen um noch nicht beantwortete Fragen zur Auslegung einer revisiblen Norm wie zB des § 2 [X.] oder der [X.], welche Bestandteil dieser [X.] sind (§ 2 Satz 1 [X.]) handelt. Hieran fehlt es.

Auch die Klärungsfähigkeit der formulierten Fragen hat der Beklagte nicht formgerecht dargelegt. Hierzu finden sich in der Beschwerdebegründung keinerlei Ausführungen. Diese wären aber erforderlich gewesen, weil nicht ohne Weiteres erkennbar ist, dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die Frage der Anwendbarkeit der [X.] oder der [X.]-11 ankommen könnte. Denn anders als die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im [X.] Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht ([X.]) 1983 bis 2008 enthält die [X.] keine Bestimmungen über die Kausalitätsbeurteilung bei einzelnen Krankheitsbildern (B[X.] Urteil vom 7.4.2011 - [X.] VJ 1/10 R - [X.] 4-3851 § 60 [X.] Rd[X.]1 mwN). Vielmehr ist der [X.] nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen zu beurteilen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind (§ 30 Abs 1 Satz 1 [X.]). Damit ist er ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und [X.] Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens (Teil A [X.] 2 Buchst a Satz 4 [X.]). Dementsprechend wird die Diagnose einer [X.] in dem auch nach Meinung des Beklagten einschlägigen Teil [X.] 3.7 [X.] nicht erwähnt, welcher hinsichtlich der Höhe des [X.] nicht nach bestimmten Krankheiten, sondern nach der Stärke der Störungen differenziert. Der Beklagte hätte daher darstellen müssen, dass die sich seiner Auffassung nach durch die Anwendung der verschiedenen Versionen der [X.] ergebenden unterschiedlichen Diagnosen auch eine unterschiedliche Beurteilung der Schwere der bei der Klägerin festgestellten Störungen bedingen. Auch dies ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.

2. Divergenz iS von § 160 Abs 2 [X.] 2 [X.]G bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das [X.] tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt sind. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung einer Divergenz sind ein oder mehrere entscheidungstragende Rechtssätze aus der Berufungsentscheidung und zu demselben Gegenstand gemachte und fortbestehende aktuelle abstrakte Aussagen aus einer Entscheidung des B[X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.] einander gegenüberzustellen (stRspr; zB B[X.] Beschluss vom 25.10.2018 - [X.] V 27/18 B - juris Rd[X.] mwN). Zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des L[X.] auf der Abweichung beruht (stRspr; vgl B[X.] Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 [X.] 65/11 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] 32 Rd[X.] 21; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.]a [X.]/06 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.]3 Rd[X.]7). Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht infrage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge). Denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] V 22/21 B - juris Rd[X.]6; B[X.] Beschluss vom [X.] - B 7 [X.] 142/02 B - [X.] 3-1500 § 160a [X.] 34 - juris Rd[X.]3).

Diese Darlegungsanforderungen werden mit der Beschwerdebegründung des Beklagten nicht erfüllt. Dieser rügt allein eine Abweichung der angefochtenen L[X.]-Entscheidung vom Urteil des B[X.] vom [X.] (B 3 [X.] 2/12 R - B[X.]E 113, 167 = [X.] 4-2500 § 137c [X.] 6). Dessen Leitsatz laute: Eine nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlungsmethode kann im Krankenhaus auch dann nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, wenn der Gemeinsame [X.]ausschuss kein Negativ-Votum zu ihr abgegeben hat. Unter Bezug hierauf argumentiere das L[X.], bei der [X.]-11 sei der aktuelle Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft gegeben, weil dies die Auffassung der Mehrheit der im Fachbereich veröffentlichenden Wissenschaftler sei. Diese Bezugnahme des L[X.] gehe jedoch fehl, weil diese Feststellung nach Auffassung des B[X.] im Regelfall voraussetze, dass über Qualität und Wirksamkeit einer Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden könnten und sich deren Erfolg aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien ablesen lasse. Die [X.]-11 habe jedoch zumindest noch bis Ende des Jahres 2017 der weltweiten Revision unterlegen. Das Urteil des L[X.] weiche folglich von den [X.]aussagen des B[X.] hinsichtlich der Bewertung des aktuellen medizinischen [X.] ab.

Damit versäumt es der Beklagte bereits, dem zitierten Leitsatz des B[X.]-Urteils vom [X.] (aaO) einen divergierenden abstrakten Rechtssatz des L[X.] aus dem angefochtenen Berufungsurteil gegenüberzustellen. Statt dessen führt er aus, warum das L[X.] das Urteil des B[X.] seiner Auffassung nach falsch ausgelegt habe und daher zu einem den [X.]aussagen des B[X.] widersprechenden Ergebnis gelangt sei. Damit benennt der Beklagte aber keinen Widerspruch im Grundsätzlichen, sondern lediglich eine fehlerhafte Anwendung der vom B[X.] im genannten Urteil aufgestellten Rechtssätze, auf die sich das L[X.] für seine Rechtsauffassung ausdrücklich bezieht. Über eine unbeachtliche Subsumtionsrüge geht die Beschwerdebegründung damit nicht hinaus.

Dass der Beklagte das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann als solches nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB B[X.] Beschluss vom 28.10.2020 - B 10 EG 1/20 BH - juris Rd[X.]1; B[X.] Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 [X.] 114/10 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] 22 Rd[X.]).

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

4. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 [X.]G durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

5. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 [X.]G.

                Kaltenstein                [X.]. [X.]

Meta

B 9 V 39/21 B

26.04.2022

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: V

vorgehend SG Kassel, 19. Dezember 2019, Az: S 8 VE 13/17, Urteil

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 162 SGG, § 163 SGG, § 128 Abs 1 S 1 SGG, § 30 Abs 1 S 1 BVG, § 2 VersMedV, Anlage Teil A Nr 2 Buchst a VersMedV, Anlage Teil B Nr 3.7 VersMedV, ICD-10-GM

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 26.04.2022, Az. B 9 V 39/21 B (REWIS RS 2022, 2467)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2467

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 9 V 88/16 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - unbeachtlicher Rechtsanwendungsfehler - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - soziales Entschädigungsrecht - Gewaltopferentschädigung - …


B 9 V 2/22 B (Bundessozialgericht)

(Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - Impfschadensrecht - Kann-Versorgung nach § 61 S 2 …


B 9 SB 9/22 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - sozialgerichtliches Verfahren - allgemeine Pflicht der Verwaltungsträger zur Entsendung von sach- und rechtskundigen …


B 9 SB 67/19 B (Bundessozialgericht)

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Prozess- statt Sachurteil - Subsidiarität eines Feststellungsantrags - …


B 9 V 48/16 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Untersuchungsgrundsatz - Darlegung der Verfahrens- und Prozessgeschichte sowie …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.