Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.08.2011, Az. V R 53/09

5. Senat | REWIS RS 2011, 3764

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Gegenstand

Anmeldung von Insolvenzforderungen durch das FA - Beendigung einer Organschaft bei Insolvenz


Leitsatz

1. Insolvenzforderungen sind nach § 251 Abs. 3 AO während eines Insolvenzverfahrens nicht durch Steuerbescheid festzusetzen, sondern durch Verwaltungsakt festzustellen.

2. Masseforderungen können nicht zur Tabelle angemeldet und durch Feststellungsbescheid festgestellt werden, sondern sie müssen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter durch Steuerbescheid festgesetzt werden.

3. Meldet das FA nicht titulierte Umsatzsteuerforderungen in einer Summe zur Insolvenztabelle an, so ist die Anmeldung wirksam erfolgt, wenn durch den Inhalt der Anmeldung sichergestellt ist, dass nur bestimmte Sachverhalte erfasst sind, die zur Verwirklichung der gesetzlichen Tatbestände des UStG geführt haben. Das ist bei einer durch Betrag und Zeitraum bezeichneten Umsatzsteuerforderung regelmäßig der Fall.

4. Die organisatorische Eingliederung einer Organgesellschaft endet, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zwar nicht in vollem Umfang auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen wird (§ 22 Abs. 1 InsO), aber faktisch für den gesamten noch verbleibenden operativen Geschäftsbereich übergeht.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der [X.] (GmbH). Unternehmensgegenstand der GmbH waren der Erwerb und die Veräußerung von Grundstücken, die Vorbereitung und Durchführung von Bauvorhaben sowie die Baubetreuung. Das Finanzgericht ([X.]) ging mit den Beteiligten davon aus, dass die GmbH seit 1. Februar 2003 Organgesellschaft der A-GbR (GbR) war.

2

Im Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der GmbH ist der Kläger mit Beschluss des Amtsgerichts M vom 13. Mai 2003 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden. Das Amtsgericht ordnete an, dass Verfügungen der GmbH über Gegenstände ihres Vermögens nur noch mit Zustimmung des [X.] wirksam waren. Mit ergänzendem Beschluss vom 20. Mai 2003 wurde der Kläger ermächtigt, zu Lasten der späteren Insolvenzmasse Masseverbindlichkeiten zu begründen und zu erfüllen, die für die Fertigstellung der Baustellen "N" und "O" notwendig waren, insbesondere für den Einkauf und die Bezahlung von Baumaterialien und Betriebsstoffen, den Abschluss von Subunternehmerverträgen für Leistungen von Gewerken, die für die Fertigstellung der Baustellen nötig sind sowie für den Abschluss und die Bezahlung von Mietverträgen, die die Insolvenzmasse für die Fertigstellung der Baustellen benötigt. Im Umfang dieser Rechtsgeschäfte wurde die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Kläger übertragen und der GmbH untersagt, Verbindlichkeiten zu begründen und zu erfüllen.

3

Von den Bauvorhaben der GmbH waren lediglich noch die verbliebenen Baustellen "N" und "O" fertigzustellen; darüber hinaus waren keine weiteren Bautätigkeiten der GmbH abzuwickeln. Zum 1. Juni 2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet.

4

Im [X.] an eine [X.] bei der GmbH vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) die Auffassung, durch Beschluss des Amtsgerichts vom 20. Mai 2003 sei die Organschaft beendet gewesen, weil weitere Bauvorhaben nicht bestanden hätten und der Kläger somit zum sog. starken Insolvenzverwalter geworden sei. Das [X.] erließ am 14. Juni 2004 eine entsprechend geänderte Berechnung über die Festsetzung der [X.] für Mai 2003 und meldete die Forderung zur Insolvenztabelle an. Nachdem der Kläger die Forderung bestritten hatte, stellte das [X.] diese durch Bescheid vom 21. September 2004, geändert durch Bescheid vom 29. April 2005, fest. Neben verschiedenen [X.] und Säumniszuschlägen stellte das [X.] die streitige "Umsatzsteuer 0503" in Höhe von 82.892,23 € fest. Dabei handelte es sich um Vorsteuerberichtigungen aus Leistungsbezügen der GmbH vor dem 31. Januar 2003, bei denen das [X.] davon ausging, dass die Forderungen der leistenden Unternehmer uneinbringlich geworden seien. Andere umsatzsteuerrechtlich relevante Vorgänge (Umsatzsteuer auf Lieferungen oder sonstige Leistungen, Vorsteuern auf Leistungsbezüge) für den Zeitraum Mai 2003 beinhaltete die Feststellung nicht.

5

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das [X.] im Wesentlichen aus, der angefochtene Feststellungsbescheid sei rechtmäßig. Die umsatzsteuerrechtliche Organschaft sei durch die mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 20. Mai 2003 angeordnete Übertragung der partiellen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beendet worden, weil zu diesem Zeitpunkt die organisatorische Eingliederung entfallen sei. Der Beschluss des Amtsgerichts vom 20. Mai 2003 habe zur Folge gehabt, dass das operative Geschäft allein dem Kläger oblegen habe; in diesem Umfang habe er die Stellung eines sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalters eingenommen. Auch wenn dem Organträger noch Befugnisse verblieben seien, habe er in Bezug auf das eigentliche unternehmerische Geschäft seinen Willen in der Organgesellschaft nicht mehr durchsetzen können.

6

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Er vertritt die Auffassung, dass die Organschaft nicht bereits mit der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung am 20. Mai 2003, sondern erst mit Insolvenzeröffnung am 1. Juni 2003 beendet worden sei. Deshalb sei der Feststellungsbescheid für die Umsatzsteuer Mai 2003 rechtswidrig. Das [X.] verkenne den Unterschied zwischen einem starken vorläufigen Insolvenzverwalter und dem hier vorliegenden Fall eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters mit lediglich partiell starker Handlungsbefugnis.

7

Durch die Rechtsprechung sei geklärt, dass mit Insolvenzeröffnung über das Vermögen einer Organgesellschaft die umsatzsteuerrechtliche Organschaft ende. Bei der Übertragung dieser Rechtsfolge auf den Fall der Anordnung einer starken vorläufigen Insolvenzverwaltung stelle der [X.] ([X.]) auf die rechtlichen Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters und nicht auf dessen tatsächliche Amtsführung ab. Eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf einen vorläufig schwachen Insolvenzverwalter, der nur partiell starke Befugnisse habe, sei nicht möglich.

8

Das Insolvenzgericht habe ihm, dem Kläger, nicht die gesamte Baustellentätigkeit inklusive sämtlicher Rechte und Pflichten ([X.] für Arbeitnehmer, Begründung von Forderungen) übertragen, sondern nur das Recht zum Einkauf von Materialien und Subunternehmerleistungen sowie zur Erfüllung der sich daraus ergebenden Verbindlichkeiten. Hinsichtlich der bautechnischen Durchführung und der arbeitsrechtlichen Ausführung des Bauvorhabens habe weiterhin die ursprüngliche Geschäftsleitung die Möglichkeit gehabt, ihren Willen durchzusetzen.

9

Auch seien die Lohn- und Sozialversicherungsverbindlichkeiten Tabellenverbindlichkeiten geworden, während sie bei einem starken vorläufigen Insolvenzverwalter Masseverbindlichkeiten geworden wären.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung vom 30. Juni 2005 und die Feststellungsbescheide vom 29. April 2005 und vom 21. September 2004 aufzuheben.

Das [X.] beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Organschaft sei zwar noch nicht durch den Beschluss des Amtsgerichts vom 13. Mai 2003, aber aufgrund des ergänzenden Beschlusses des Amtsgerichts vom 20. Mai 2003 beendet, weil dem Kläger eine vom Organträger abweichende Willensbildung in Bezug auf die einzigen Baustellen möglich gewesen sei. Soweit der Kläger auf die fehlende arbeitsrechtliche Weisungsbefugnis verweise, sei zu berücksichtigen, dass ihm der Beschluss des Amtsgerichts vom 20. Mai 2003 ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt habe, für die Fertigstellung der Baustellen Subunternehmerverträge für Leistungen zur Erbringung von Gewerken abzuschließen. Zur Abwicklung der letzten verbliebenen Bauvorhaben sei ein Rückgriff auf Arbeitnehmer der Organgesellschaft nicht erforderlich gewesen.

Es komme nicht auf die Bezeichnung als starke, schwache oder partiell starke Insolvenzverwalter an, sondern auf die ihm eingeräumten Verfügungsbefugnisse bezogen auf das Unternehmen. Das [X.] habe hierzu zutreffend festgestellt, dass die eingeschränkten Befugnisse des [X.] in Bezug auf das Betreiben des eigentlichen unternehmerischen Geschäfts dazu geführt hätten, dass der Organträger seinen Willen nicht mehr habe durchsetzen können. Dies führe zum Wegfall der organisatorischen Eingliederung und zum Ende des Organschaftsverhältnisses.

Im Übrigen habe der [X.] entschieden, dass im Falle der vorläufigen Insolvenzverwaltung die Organschaft nur "regelmäßig" bestehen bleibe. Diese Einschränkung lasse die Möglichkeit einer anderen Beurteilung in atypischen Fällen ausdrücklich offen. Durch den Beschluss des Amtsgerichts vom 20. Mai 2003 mit den dort angeordneten Verfügungsbeschränkungen sei aus dem Regelfall ein atypischer Fall geworden.

Entscheidungsgründe

II. Auf die Revision des [X.] wird die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das [X.] zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die Feststellungen des [X.] reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob die in dem angefochtenen Feststellungsbescheid festgestellten Umsatzsteuern der Höhe nach zutreffend festgestellt sind.

1. Der streitige Feststellungsbescheid vom 29. April 2005 umfasst neben unstreitigen Verspätungszuschlägen Vorsteuerberichtigungen nach § 17 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Höhe von 82.892,23 € aus bis zum 31. Januar 2003 verwirklichten Leistungsbezügen der GmbH, von deren Uneinbringlichkeit das [X.] ausgegangen ist. Sonstige im Mai 2003 entstandene Umsatzsteuern oder Vorsteuerbeträge berücksichtigt der Bescheid nicht, obwohl er den Besteuerungszeitraum Mai 2003 umfasst. Die Feststellungen des [X.] ermöglichen dem Senat nicht zu entscheiden, ob für den Besteuerungszeitraum Mai 2003 noch weitere umsatzsteuerrechtlich relevante Vorgänge bei der GmbH zu erfassen, zur Tabelle anzumelden und im Falle des Bestreitens durch den Kläger durch Feststellungsbescheid festzustellen gewesen wären. Sollte das der Fall sein, so hätte dies nicht nur zu einer wegen des Verböserungsverbots unbeachtlichen höheren, sondern auch zu einer niedrigeren Umsatzsteuerschuld als im Feststellungsbescheid ausgewiesen, führen können.

2. Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen/-verbindlichkeiten und Masseforderungen/-verbindlichkeiten richtet sich nach dem [X.]punkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Auf die steuerliche Entstehung der Forderung und deren Fälligkeit kommt es nicht an.

a) Steuerforderungen, die [X.] des § 55 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung ([X.]) sind, können nicht zur Tabelle angemeldet und nicht durch Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung ([X.]) festgestellt werden ([X.]/[X.]/[X.], Insolvenzrecht, 7. Aufl., [X.] 2008, Rz 1539, 1547; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., [X.] 2007, [X.]). Sie sind mit einem gegen den Insolvenzverwalter gerichteten Steuerbescheid festzusetzen (BFH-Urteil vom 9. Dezember 2010 [X.], unter [X.], [X.], 301) und vom Insolvenzverwalter nach § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 [X.] aus der Insolvenzmasse zu bezahlen (BFH-Urteile vom 30. April 2009 [X.], [X.], 130, [X.], 138, unter [X.]; vom 29. August 2007 IX R 4/07, [X.], 435, [X.], 145, unter III.2.).

b) Insolvenzgläubiger können gemäß § 87 [X.] nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Insolvenzforderungen i.S. von § 38 [X.] und damit ihre zur [X.] der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner "begründeten" [X.] nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Dementsprechend sind nach § 251 Abs. 3 [X.] Insolvenzforderungen aus dem Steuerschuldverhältnis während eines Insolvenzverfahrens nicht durch Steuerbescheid festzusetzen, sondern das [X.] muss sie zur Insolvenztabelle anmelden und kann sie im Falle des Bestreitens seitens des Insolvenzverwalters oder eines anderen Insolvenzgläubigers nach § 251 Abs. 3 [X.] i.V.m. § 179 Abs. 1 [X.] feststellen.

c) [X.] nach § 251 Abs. 3 [X.] besteht in der Feststellung, dass dem [X.] eine bestimmte Steuerforderung als Insolvenzforderung zusteht (BFH-Urteil vom 26. November 1987 [X.]/81, [X.], 345, [X.] 1988, 199, unter [X.]b zur KO). Dabei kann Gegenstand des Feststellungsverfahrens nur eine Forderung sein, die mit der nach § 174 [X.] angemeldeten und nach § 176 [X.] zur Erörterung gestellten identisch ist ([X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 251 Rz 30; Specovius in [X.], [X.], 4. Aufl., §§ 179-181, Rz 36). Grund dieser Forderung ist der Sachverhalt, auf dem die Forderung beruht (BFH-Urteil vom 26. November 1987 [X.]/82, [X.], 349, [X.] 1988, 124, unter II.3.). Bei der Umsatzsteuer entstehen die sich aus der Verwirklichung der im UStG enthaltenen gesetzlichen Tatbestände (z.B. §§ 1, 14c, § 15 Abs. 1, 15a, 17 Abs. 1 und 2 UStG) ergebenden Steuerbeträge, unbeschadet der Zusammenfassung bei der Steuerberechnung, gesondert (BFH-Urteile in [X.], 345, [X.] 1988, 199, unter [X.]b; vom 26. Februar 1987 [X.], [X.], 98, [X.] 1987, 471, unter II.2.). Die Zusammenfassung der einzelnen Steuerforderungen unter Berücksichtigung der abziehbaren Vorsteuern (§ 15 Abs. 1 UStG) zu einer positiven oder negativen Steuerzahlungsschuld (§ 16 Abs. 1, Abs. 2 UStG) ändert nichts daran, dass die einzelnen Tatbestandsverwirklichungen Besteuerungsgegenstand sind (vgl. BFH-Urteile in [X.], 345, [X.] 1988, 199). Die Feststellung kann § 181 [X.] zufolge nur auf den Grund gestützt und nur auf den Betrag gerichtet sein, welcher in der Anmeldung oder in dem Prüfungstermin angegeben ist; sie beschränkt sich auf die zur Tabelle angemeldeten Forderungen. Da diese nach Grund und Betrag als Einzelforderungen anzumelden sind (§ 174 Abs. 2 [X.]), enthält der Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 [X.] so viele Einzelfeststellungen, wie materiell-rechtlich verschiedene Steuerforderungen gegeben sind (BFH-Urteil in [X.], 345, [X.] 1988, 199).

Hieraus folgt allerdings nicht, dass die wirksame Anmeldung einer nicht titulierten Umsatzsteuerforderung zur Insolvenztabelle erfordert, dass das [X.] die einzelnen umsatzsteuerrechtlich erheblichen Sachverhalte anführt und näher beschreibt (z.B. Umsatzsteuer aus Verkauf bestimmter Waren zu einem bestimmten Preis). Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass der Inhalt der Anmeldung die für die Erörterung der einzelnen Forderungen im Prüfungstermin notwendige Individualisierung einzelner Sachverhalte ermöglicht, so dass sichergestellt ist, dass nur bestimmte in der Anmeldung durch die Angabe einer Summe begrenzte Sachverhalte erfasst sind (BFH-Urteil in [X.], 349, [X.] 1988, 124). Meldet das [X.] --wie hier-- nicht titulierte Umsatzsteuerforderungen in einer Summe zur Tabelle an, so ist die Anmeldung wirksam erfolgt, wenn durch den Inhalt der Anmeldung sichergestellt ist, dass nur bestimmte Sachverhalte erfasst sind, die zur Verwirklichung der gesetzlichen Tatbestände des UStG geführt haben, auf denen die Umsatzsteuerforderungen beruhen (BFH-Urteil in [X.], 98, [X.] 1987, 471, unter II.2.). Dies ist bei einer durch Betrag und [X.]raum (hier Mai 2003) bezeichneten Umsatzsteuerforderung regelmäßig der Fall (vgl. BFH-Urteil in [X.], 349, [X.] 1988, 124; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 251 [X.], Rz 30).

3. Der Senat kann nicht entscheiden, ob die im Feststellungsbescheid vom 29. April 2005 festgestellten Forderungen den tatsächlich für Mai 2003 festzustellenden Forderungen entsprechen. Für den Fall, dass keine Organschaft zwischen der GbR und der GmbH bestand, könnten neben den Vorsteuerberichtigungsansprüchen weitere umsatzsteuerrechtlich relevante Vorgänge aus dem [X.]raum vom 1. bis 31. Mai 2003 zu berücksichtigen sein. Sollte demgegenüber zunächst eine Organschaft bestanden haben, diese aber am 20. Mai 2003 beendet worden sein, wären möglicherweise umsatzsteuerrechtlich relevante Vorgänge für den [X.]raum 20. bis 31. Mai 2003 zu berücksichtigen.

4. Bei seiner erneuten Entscheidung wird das [X.] u.a. zu berücksichtigen haben, dass das Vorliegen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft im vorliegenden Fall zweifelhaft ist.

a) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG). Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des [X.] eingegliedert ist (Organschaft). [X.] beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [X.]/[X.]. Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

b) Für die finanzielle Eingliederung ist dabei zu beachten, dass diese der nach dem Ergehen des [X.]-Urteils erfolgten Änderung der Rechtsprechung des Senats zufolge nicht vorliegt, wenn mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an einer GmbH und einer Personengesellschaft verfügen (BFH-Urteile vom 22. April 2010 [X.], [X.], 433, [X.] 2011, 597, unter [X.]; vom 10. Juni 2010 [X.]/09, [X.], 79, unter II.2.). Dafür, dass dies vorliegend der Fall ist, könnte sprechen, dass der Prüfer im Bericht vom 3. März 2004 über die bei der GmbH durchgeführte [X.], auf den das [X.] Bezug genommen hat, festgestellt hat, dass in beiden Unternehmen [X.] mit gleichen Geschäftsanteilen besteht. Das [X.] wird Feststellungen über die Einzelheiten der Beteiligungsverhältnisse nachholen müssen.

5. Sollten die nachzuholenden Feststellungen des [X.] zu dem Ergebnis führen, dass eine Organschaft zu keinem [X.]punkt bestanden hat, durfte das [X.] dem Grunde nach die Umsatzsteuer für Mai 2003 zwar mit Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 [X.] i.V.m. § 179 Abs. 1 [X.] feststellen, es hätte aber alle im Mai 2003 vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Juni 2003 begründeten umsatzsteuerrechtlich relevanten Vorgänge erfassen, den Saldo zur Tabelle anmelden und im Falle des Bestreitens feststellen müssen.

6. Sollten die vom [X.] nachzuholenden Feststellungen ergeben, dass --wovon die Beteiligten bislang einvernehmlich ausgegangen sind-- eine Organschaft vorlag, wäre diese spätestens durch den Beschluss des Amtsgerichts vom 20. Mai 2003 beendet worden. Mit diesem Beschluss endete die organisatorische Eingliederung und damit die Organschaft, weil die GbR die Willensbildung bei der GmbH nicht mehr hat bestimmen können. In diesem Fall wären die ab diesem [X.]punkt verwirklichten umsatzsteuerrelevanten Vorgänge bei der GmbH zu erfassen gewesen.

a) Der vorläufige Insolvenzverwalter, auf den infolge eines allgemeinen Verfügungsverbots die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist (§ 22 Abs. 1 Satz 1 [X.]), wird als "starker" vorläufiger Insolvenzverwalter bezeichnet. Der starke vorläufige Insolvenzverwalter einer Organgesellschaft kann die Willensbildung bei dieser bestimmen, was zur Folge hat, dass die organisatorische Eingliederung nicht mehr gewährleistet ist und die Organschaft endet (BFH-Urteil vom 1. April 2004 [X.], [X.], 520, [X.] 2004, 905, unter II.2.).

b) Die organisatorische Eingliederung endet aber auch, wenn --wie im vorliegenden [X.] die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zwar nicht in vollem Umfang auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen wird, wohl aber faktisch für den gesamten noch verbleibenden operativen Geschäftsbereich und der übrige Geschäftsbereich, in dem der vorläufige Insolvenzverwalter auf die Mitwirkung der Geschäftsführung angewiesen ist, gleichsam nur noch eine leere Hülle ist. Denn für die Entscheidung der umsatzsteuerrechtlichen Frage, ob die Voraussetzungen einer Organschaft vorliegen, ist, anders als für die insolvenzrechtliche Abgrenzung zwischen Insolvenz- und Masseverbindlichkeiten (vgl. hierzu unten unter [X.]), nicht allein auf die Abgrenzung starker/schwacher Insolvenzverwalter abzustellen. Für das Fortbestehen der organisatorischen Eingliederung ist umsatzsteuerrechtlich entscheidend, ob dem vorläufigen Insolvenzverwalter hinsichtlich der umsatzsteuerrechtlich erheblichen Sachverhalte (Erbringen und Bezug entgeltlicher Leistungen) eine vom Willen des [X.] abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft möglich ist. Das war nach dem Beschluss vom 20. Mai 2003 der Fall, weil der Kläger darin ermächtigt wurde, zu Lasten der späteren Insolvenzmasse Masseverbindlichkeiten zu begründen und zu erfüllen, die für die Fertigstellung der Baustellen "N" und "O" notwendig waren. Im Umfang dieser Rechtsgeschäfte ging die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Kläger über und wurde der GmbH untersagt, Verbindlichkeiten zu begründen und zu erfüllen. Da es sich bei den Baustellen "N" und "O" nach den den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 [X.]O) um die einzigen noch fertig zu stellenden Bauvorhaben der GmbH handelte und darüber hinaus keine weiteren Bautätigkeiten abzuwickeln waren, ist der Kläger mit diesem Beschluss in die Lage versetzt worden, in den Bereichen, in denen noch operative Entscheidungen zu treffen waren, seinen Willen unabhängig von der Geschäftsführung durchzusetzen.

c) Der Berücksichtigung aller umsatzsteuerrechtlich relevanter Vorgänge des Mai 2003 bei der GmbH steht die Bestellung des [X.] als vorläufiger Insolvenzverwalter nicht entgegen. Zwar zählen auch Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter in dem [X.]raum bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind, nach dessen Eröffnung zu den Masseverbindlichkeiten i.S. des § 55 Abs. 2 Satz 1 [X.], die nicht durch Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 [X.] festgestellt, sondern durch Steuerbescheid festgesetzt werden. Das gilt aber nur, wenn die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen ist, es sich also um einen sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 22 Abs. 1 Satz 1 [X.]) handelt. § 55 Abs. 2 [X.] betrifft ausschließlich Rechtshandlungen eines in diesem Sinne starken vorläufigen Insolvenzverwalters. Die Vorschrift ist weder unmittelbar noch entsprechend auf Rechtshandlungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters ohne begleitendes allgemeines Verfügungsverbot anzuwenden (Urteile des [X.] vom 24. Januar 2008 [X.], [X.], 1442, unter [X.]a; vom 9. Dezember 2004 IX ZR 108/04, [X.], 315, unter [X.]; vom 13. Juli 2006 [X.], [X.]/[X.]schrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2006, 1636, unter [X.]). Dem Kläger ist aber weder mit dem ergänzenden Beschluss vom 20. Mai 2003 die Verfügungsbefugnis über das Vermögen der GmbH übertragen worden, noch ist der GmbH ein begleitendes allgemeines Verfügungsverbot erteilt worden.

Meta

V R 53/09

24.08.2011

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 16. Dezember 2008, Az: 5 K 1214/05, Urteil

§ 22 InsO, § 38 InsO, § 55 Abs 1 InsO, § 87 InsO, § 174 InsO, § 2 UStG 1999, § 15 Abs 1 UStG 1999, § 16 UStG 1999, § 17 Abs 2 UStG 1999, § 251 Abs 3 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.08.2011, Az. V R 53/09 (REWIS RS 2011, 3764)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3764

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