Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.12.2016, Az. V R 14/16

5. Senat | REWIS RS 2016, 608

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Gegenstand

Umsatzsteuerrechtliche Organschaft in der Insolvenz


Leitsatz

1. Mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Organträgers endet die Organschaft.

2. Unabhängig von den Verhältnissen beim Organträger endet die Organschaft jedenfalls mit der Insolvenzeröffnung bei der Organgesellschaft.

3. Die Bestellung eines Sachwalters im Rahmen der Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO in den Insolvenzverfahren des bisherigen Organträgers und der bisherigen Organgesellschaft ändert hieran nichts.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 15. Februar 2016  6 K 2013/12 und der geänderte [X.] Mai 2012 vom 5. Juli 2012, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. August 2012, geändert durch Bescheid vom 18. Oktober 2012, aufgehoben.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, übte im Streitzeitraum eine unternehmerische Tätigkeit i.S. von § 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) aus. Ihre alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer waren [X.], [X.] und C.

2

Die Klägerin war unmittelbar oder über die Tochtergesellschaft D-GmbH [X.]lleingesellschafter der E-GmbH, F-GmbH, G-GmbH, H-GmbH, [X.] und [X.] Mit [X.]usnahme der J-GmbH war [X.] bei allen Gesellschaften alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Geschäftsführer der J-GmbH waren N, der bei der Klägerin zugleich in leitender Funktion tätig war, und C.

3

Für den Zeitraum bis zum 1. Mai 2012 gingen die Klägerin und der [X.]eklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --F[X.]--) übereinstimmend davon aus, dass alle sechs Tochtergesellschaften Organgesellschaften der Klägerin gemäß § 2 [X.]bs. 2 Nr. 2 UStG waren.

4

[X.]m ... stellte die Klägerin beim zuständigen [X.]mtsgericht ([X.]G) Insolvenzantrag für sich und ihre Tochtergesellschaften und beantragte Eigenverwaltung, wie sich aus den vom [X.] ([X.]) in [X.]ezug genommenen Steuerakten ergibt. Das zuständige [X.]G bestellte noch am gleichen [X.] zum vorläufigen Sachwalter und ordnete an, dass die Klägerin berechtigt ist, unter [X.]ufsicht des [X.] als vorläufigen Sachwalter ihr Vermögen weiter zu verwalten und darüber zu verfügen.

5

Mit [X.]eschluss vom ... eröffnete das [X.]G das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin und zeitgleich auch für die sechs Tochtergesellschaften. Für alle Verfahren ordnete das Insolvenzgericht Eigenverwaltung i.S. von § 270 [X.]bs. 1 der Insolvenzordnung ([X.]) an, bestellte wiederum [X.] jeweils zum Sachwalter und setzte [X.] ein. In allen Eröffnungsbeschlüssen ordnete es an, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bei der jeweiligen Schuldnerin verbleibe und schuldbefreiende Leistungen nur an diese zu erfolgen haben.

6

Die für die Klägerin sowie deren Tochtergesellschaften gesondert abgegebenen Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Mai 2012 fasste das F[X.] in der [X.]nnahme, die Organschaft bestehe fort, zusammen und erließ am 5. Juli 2012 einen [X.] Mai 2012 gegenüber der Klägerin in Höhe von ... €. Die Vorauszahlungen der Tochtergesellschaften wurden durch die [X.]escheide vom 24. Juli 2012 auf 0 € festgesetzt. Die [X.] wurde bei der Festsetzung vom 5. Juli 2012 noch nicht berücksichtigt, sondern erst bei Erlass des Änderungsbescheids vom 18. Oktober 2012.

7

Einspruch und Klage zum [X.] hatten keinen Erfolg. Das [X.] ging in seinem in Entscheidungen der [X.]e 2016, 863 veröffentlichten Urteil davon aus, dass die Organschaft zwischen der Klägerin und ihren Tochtergesellschaften auch nach der Insolvenzeröffnung fortbestanden habe. Im Insolvenzverfahren der Klägerin sei der [X.] auch insoweit Masseverbindlichkeit, als er auf die Umsatztätigkeit der Tochtergesellschaften entfalle. Zudem sei der sich aufgrund der Organschaft ergebende [X.]usgleichsanspruch des [X.] gegenüber der Organgesellschaft im Insolvenzverfahren der [X.]. Die [X.] lägen unverändert weiter vor. In [X.]ezug auf die finanzielle Eingliederung habe sich aus der Insolvenz der Tochtergesellschaften keine Änderung ergeben. [X.]uch die organisatorische Eingliederung habe aufgrund der personellen Verflechtung über die Geschäftsführung der Tochtergesellschaften fortbestanden. Im Verfahren der Eigenverwaltung ändere sich hieran durch die §§ 275, 276 und 277 [X.] nichts. Ebenso sei auch die wirtschaftliche Eingliederung weiterhin gegeben gewesen.

8

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Es fehle sowohl an der organisatorischen wie auch an der finanziellen Eingliederung. Der insolvenzrechtliche [X.]grundsatz widerspreche der Organschaft. [X.]us der [X.]estellung einer [X.]erson in mehreren Verfahren zum Sachwalter ergebe sich kein Indiz für eine gleichgerichtete Interessenlage bei den [X.]. Der Sachwalter habe die Trennung der einzelnen [X.] zu beachten. Es gebe keine Konzernleitungsmacht in der Insolvenz. Eine Durchsetzung gegen [X.] sei nicht möglich. Es dürfe nicht zu Verteilungseffekten zwischen den Gläubigern unterschiedlicher Konzerngesellschaften kommen. [X.]uch bei der Eigenverwaltung habe die Gesellschafterversammlung keinen Einfluss auf die Geschäftsführung mehr. Es bestehe zudem keine alleinige [X.]efugnis zur [X.]bberufung von Geschäftsführern mehr. Hieran ändere sich auch nichts unter [X.]erücksichtigung von [X.]rt. 11 der Richtlinie 2006/112/[X.] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) und des [X.]undesfinanzhofs ([X.]FH).

9

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des [X.] und den geänderten [X.] Mai 2012 vom 5. Juli 2012, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. [X.]ugust 2012, geändert durch [X.]escheid vom 18. Oktober 2012, aufzuheben.

Das F[X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der insolvenzrechtliche [X.]grundsatz verlange keine [X.]eendigung der Organschaft. [X.]ei der Eigenverwaltung stehe die Unternehmenssanierung, nicht aber die Verwertung des Unternehmens im Vordergrund. Die Existenz eines Sachwalters sei unschädlich. [X.]us dem Grundsatz des [X.] ergebe sich nur, dass über jede Vermögensmasse ein eigenes Verfahren zu eröffnen ist. Die Organschaft kläre nur die Frage, wie sich diese Vermögensmasse zusammensetzt. [X.]us dem Insolvenzrecht folge keine Änderung der Vermögensmasse. Der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung beeinflusse die Frage der [X.] nur im Rahmen der Entscheidungskompetenz eines Insolvenzverwalters. [X.]uch soweit der [X.] auf die Umsatztätigkeit der Organgesellschaft entfalle, liege eine Masseverbindlichkeit im Verfahren des [X.] vor. Zudem sei der [X.]usgleichsanspruch des [X.] im Verfahren der Organgesellschaft Masseverbindlichkeit. Die [X.] hätten weiter vorgelegen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des [X.] ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgeri[X.]htsordnung --[X.]O--). Entgegen dem Urteil des [X.] hat die Organs[X.]haft im Streitfall mit der Eröffnung der Insolvenzverfahren über die Vermögensmassen des [X.] und der Organgesells[X.]haften geendet. Dem steht die Anordnung der Eigenverwaltung in diesen Verfahren ni[X.]ht entgegen.

1. Mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des [X.] endet die Organs[X.]haft.

a) Umsatzsteuerre[X.]htli[X.]h begründet die Organs[X.]haft i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Zusammenfassung der Unternehmen mehrerer [X.]ersonen zu einem Unternehmen.

aa) Na[X.]h § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbli[X.]he oder berufli[X.]he Tätigkeit ni[X.]ht selbständig ausgeübt, wenn eine juristis[X.]he [X.]erson na[X.]h dem Gesamtbild der tatsä[X.]hli[X.]hen Verhältnisse finanziell, wirts[X.]haftli[X.]h und organisatoris[X.]h in das Unternehmen des [X.] eingegliedert ist (Organs[X.]haft). Die Wirkungen der Organs[X.]haft sind auf [X.] zwis[X.]hen den im [X.] gelegenen Unternehmensteilen bes[X.]hränkt (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG). Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG).

Unionsre[X.]htli[X.]h beruht dies auf Art. 11 MwStSystRL. Dana[X.]h können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige [X.]ersonen, die zwar re[X.]htli[X.]h unabhängig, jedo[X.]h dur[X.]h gegenseitige finanzielle, wirts[X.]haftli[X.]he und organisatoris[X.]he Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpfli[X.]htigen behandeln. Bei ri[X.]htlinienkonformer Auslegung entspre[X.]hend Art. 11 MwStSystRL führt die Organs[X.]haft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu einer "Vers[X.]hmelzung zu einem einzigen Steuerpfli[X.]htigen" (EuGH-Urteil [X.] und [X.] vom 22. Mai 2008 [X.]/07, [X.]:C:2008:301, Rz 19; zur Behandlung mehrerer [X.]ersonen als einen Steuerpfli[X.]htigen, vgl. au[X.]h [X.] vom 9. April 2013 [X.]/11, [X.]:[X.], Rz 35 ff., und [X.] und [X.] vom 16. Juli 2015 C-108/14 und [X.]/14, [X.]:[X.]). Aufgrund dieser Vers[X.]hmelzung hat der Organträger als Unternehmer die Aufgabe als "Steuereinnehmer" für den gesamten [X.] wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, [X.], 433, [X.], 1747, unter [X.], m.w.N. zur EuGH-Re[X.]htspre[X.]hung).

bb) Aufgrund der Zusammenfassung zu einem Unternehmen ist der Organträger Steuers[X.]huldner für alle Leistungen, die die Unternehmensteile des [X.] gegenüber Dritten erbringen. Der Organträger übernimmt die --na[X.]h § 370 AO strafbewährte-- Verantwortung für die Umsatztätigkeit der mit ihm verbundenen juristis[X.]hen [X.]erson (BFH-Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, [X.], 158, unter [X.] [X.] (2). So sind die von der Organgesells[X.]haft gegenüber Dritten ausgeführten Umsätze dem Organträger zuzure[X.]hnen (BFH-Urteil vom 19. Mai 2005 V R 31/03, [X.], 167, [X.], 671, unter [X.]). Leistungsbezüge der Organgesells[X.]haft von Dritten werden dem Organträger glei[X.]hfalls zugere[X.]hnet und bere[X.]htigen diesen zum Vorsteuerabzug (BFH-Urteil vom 19. Oktober 1995 V R 71/93, [X.] 1996, 273, unter II.2.). Leistungsbeziehungen zwis[X.]hen Organträger und Organgesells[X.]haft sind demgegenüber als Innenumsätze ni[X.]htsteuerbar und begründen kein Re[X.]ht auf Vorsteuerabzug (vgl. BFH-Urteil vom 17. Januar 2002 V R 37/00, [X.], 357, [X.], 373, Leitsatz 2). Die vom [X.] ges[X.]huldete Steuer ist einheitli[X.]h in einem gegenüber dem Organträger zu erlassenden Steuerbes[X.]heid festzusetzen.

b) Anders als das Umsatzsteuerre[X.]ht mit der Organs[X.]haft fasst das Insolvenzre[X.]ht die Verfahren mehrerer [X.]ersonen ni[X.]ht zusammen.

aa) Na[X.]h § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann das Insolvenzverfahren über das Vermögen jeder natürli[X.]hen und jeder juristis[X.]hen [X.]erson eröffnet werden. Dies gilt gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1 [X.] au[X.]h für das Vermögen einer Gesells[X.]haft ohne Re[X.]htspersönli[X.]hkeit wie z.B. einer offenen Handelsgesells[X.]haft oder einer Kommanditgesells[X.]haft.

bb) Das Insolvenzre[X.]ht enthält keine Regelungen, die im Fall einer Konzerninsolvenz ein einheitli[X.]hes Insolvenzverfahren für mehrere Konzerngesells[X.]haften ermögli[X.]hen (zur Reformüberlegung, vgl. z.B. [X.], Neue Zeits[X.]hrift für das Re[X.]ht der Insolvenz und Sanierung; das gesamte Verfahren der Unternehmens- und Verbrau[X.]herinsolvenz 2014, 55, und [X.], Zeits[X.]hrift für das gesamte Insolvenzre[X.]ht 2014, 217). Sowohl hinsi[X.]htli[X.]h der Feststellung des Insolvenzgrundes als au[X.]h in Bezug auf die Abwi[X.]klung des Insolvenzverfahrens bleiben verbundene Unternehmen daher insolvenzre[X.]htli[X.]h selbständig. Dabei s[X.]heidet die Bildung einer einheitli[X.]hen Haftungsmasse bestehend aus mehreren re[X.]htli[X.]h selbständigen Konzerngesells[X.]haften aus, da ansonsten der unters[X.]hiedli[X.]he Umfang der Gläubigerre[X.]hte, wie sie im Verhältnis zu den einzelnen Insolvenzs[X.]huldnern bestehen, missa[X.]htet würde (vgl. [X.] in [X.], [X.], 14. Aufl., § 11 Rz 394). Die Insolvenz eines herrs[X.]henden Unternehmens erstre[X.]kt si[X.]h daher na[X.]h geltendem Re[X.]ht nur auf dessen Vermögen, ni[X.]ht dagegen auf das Vermögen seiner To[X.]htergesells[X.]haften ([X.] in [X.], a.a.[X.], § 11 Rz 395). Die Vermögensmassen [X.] Gesells[X.]haften und [X.]ersonen sind dementspre[X.]hend trotz konzernmäßigen [X.] getrennt abzuwi[X.]keln, so dass es keine Konzerninsolvenz gibt ([X.] in [X.] Kommentar zur [X.], 3. Aufl., 2013, § 35 Rz 72; vgl. Ehri[X.]ke in Jaeger, [X.], 2004, § 11 Rz 32).

[X.]) Dana[X.]h entfällt die Organs[X.]haft mit der Insolvenzeröffnung beim Organträger.

aa) Der [X.] hat bereits für die na[X.]h der Konkursordnung bestehende Re[X.]htslage ents[X.]hieden, dass eine Organs[X.]haft mit dem Konkurs des [X.] enden kann (BFH-Urteil vom 28. Januar 1999 V R 32/98, [X.], 355, [X.] 1999, 258, unter [X.]). Der [X.] hat hierfür insbesondere angeführt, konkursre[X.]htli[X.]h sei zwis[X.]hen dem Vermögen des [X.] und dem Vermögen der Organgesells[X.]haft zu unters[X.]heiden. Während das Vermögen des [X.] in die Konkursmasse falle, bleibe das Vermögen der Organgesells[X.]haft konkursfrei. Die Umsatzsteuer aus den Aktivitäten des [X.] zähle zu den [X.] oder Masses[X.]hulden, sei aus der Konkursmasse zu beri[X.]htigen und in einem an die Konkursverwalter des [X.] zu ri[X.]htenden Steuerbes[X.]heid geltend zu ma[X.]hen. Die Umsatzsteuer aus den Aktivitäten der Organgesells[X.]haft sei ni[X.]ht aus der Konkursmasse zu beri[X.]htigen und dementspre[X.]hend au[X.]h ni[X.]ht in einem an die Konkursverwalter des [X.] zu ri[X.]htenden Steuerbes[X.]heid geltend zu ma[X.]hen (BFH-Urteil in [X.], 355, [X.] 1999, 258, unter [X.]).

bb) Dementspre[X.]hend ist unter der Geltung der [X.] zu bea[X.]hten, dass das [X.] --bei Annahme eines [X.] der [X.] den si[X.]h für den [X.] ergebenden Steueranspru[X.]h für Umsatztätigkeiten na[X.]h Insolvenzeröffnung nur insoweit dur[X.]h Steuerbes[X.]heid gegen den Organträger festsetzen kann, als es si[X.]h um eine Masseverbindli[X.]hkeit des Unternehmers --hier des [X.]-- handelt.

Zwar ist der [X.] für eine Umsatztätigkeit der Insolvenzmasse na[X.]h Insolvenzeröffnung Masseverbindli[X.]hkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.], da es si[X.]h um eine "dur[X.]h die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet[e]" Verbindli[X.]hkeit handelt (BFH-Urteil vom 29. Januar 2009 V R 64/07, [X.], 24, [X.], 682, unter [X.]). Dies gilt aber nur für den [X.] aus der eigenen Umsatztätigkeit des bisherigen [X.], ni[X.]ht aber au[X.]h für den [X.], der auf die Umsatztätigkeit seiner bisherigen Organgesells[X.]haften entfällt. Denn die Umsatzsteuer für die Umsatztätigkeit dieser Organgesells[X.]haft gehört ni[X.]ht zur Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse, die si[X.]h auf das re[X.]htli[X.]h eigene Vermögen des bisherigen [X.] bezieht und si[X.]h ni[X.]ht auf das Vermögen der bisherigen Organgesells[X.]haften erstre[X.]kt, wie si[X.]h insbesondere aus § 35 Abs. 1 [X.] ergibt. Zur Insolvenzmasse des [X.] gehört daher nur seine Beteiligung an der Organgesells[X.]haft, ni[X.]ht aber au[X.]h das Vermögen der Organgesells[X.]haft.

Daher begründet die Umsatztätigkeit der bisherigen Organgesells[X.]haft in der Insolvenz des bisherigen [X.] keine Masseverbindli[X.]hkeit na[X.]h § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.]. Hierdur[X.]h wird entgegen Wagner/[X.] (Betriebs-Berater --BB-- 2014, 2583, 2584) ni[X.]ht das "Entstehen einer (Steuer-)Forderung von ihrer insolvenzre[X.]htli[X.]hen Einordnung abhängig" gema[X.]ht. Vielmehr führt die au[X.]h umsatzsteuerre[X.]htli[X.]h zu bea[X.]htende insolvenzre[X.]htli[X.]he Trennung dazu, dass si[X.]h der [X.] aus der Umsatztätigkeit der bisherigen Organgesells[X.]haft nunmehr gegen diese ri[X.]htet. Bei der Annahme einer fortbestehenden Organs[X.]haft bestünde demgegenüber für das [X.] nur die Mögli[X.]hkeit, einen auf die eigene Umsatztätigkeit des [X.] bes[X.]hränkten Steuerbes[X.]heid zu erlassen und die Organgesells[X.]haft als Haftende na[X.]h § 73 AO in Anspru[X.]h zu nehmen. Dies ist mit dem umsatzsteuerre[X.]htli[X.]hen Grundsatz der organs[X.]haftli[X.]hen Unternehmenseinheit und der mit der Organs[X.]haft bezwe[X.]kten Verwaltungsvereinfa[X.]hung (vgl. z.B. BFH-Urteil in [X.], 158, unter [X.] aa) ni[X.]ht vereinbar.

d) Soweit das [X.] hiergegen einwendet, dass bei der Eigenverwaltung die Unternehmenssanierung, ni[X.]ht aber die Verwertung des Unternehmens im Vordergrund stehe, berü[X.]ksi[X.]htigt es ni[X.]ht, dass die Ziele des Insolvenzverfahrens (§ 1 [X.]) ni[X.]hts am Umfang der dem Insolvenzverfahren unterliegenden Haftungsmasse ändern. Nur soweit dur[X.]h die Insolvenzmasse [X.] begründet werden, liegen na[X.]h § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.] Masseverbindli[X.]hkeiten vor.

Damit ist au[X.]h die Anordnung der Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren des [X.] ohne Bedeutung. Denn sie ändert ni[X.]hts an der insolvenzre[X.]htli[X.]hen Verfahrenstrennung.

2. Unabhängig von den Verhältnissen beim Organträger endet die Organs[X.]haft jedenfalls mit der Insolvenzeröffnung bei der Organgesells[X.]haft, da zu diesem Zeitpunkt die finanzielle Eingliederung entfällt (zur Beendigung bereits mit Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, vgl. BFH-Urteile vom 8. August 2013 V R 18/13, [X.], 433, und vom 24. August 2016 V R 36/15, [X.] 2017, 242).

a) Die Organs[X.]haft setzt na[X.]h § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG insbesondere eine Eingliederung in finanzieller Hinsi[X.]ht voraus. Der Organträger muss finanziell in der Weise an der Organgesells[X.]haft beteiligt sein, dass er seinen Willen dur[X.]h Mehrheitsbes[X.]hluss in der Gesells[X.]hafterversammlung dur[X.]hsetzen kann (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, [X.], 319, [X.], 167, unter [X.]; in [X.], 167, [X.], 671, unter [X.] [X.]; vom 30. April 2009 V R 3/08, [X.], 144, [X.], 873, unter [X.] aa; vom 22. April 2010 V R 9/09, [X.], 433, [X.], 597, unter II.2.; vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, [X.], 550, [X.], 600, unter II.2.; vom 7. Juli 2011 V R 53/10, [X.], 548, [X.], 218, unter [X.], und in [X.], 433, unter [X.]). Maßgebli[X.]h ist hierfür die "Stimmenmehrheit" (BFH-Urteil in [X.], 167, [X.], 671, unter [X.] [X.]) und damit eine Mehrheit der Stimmre[X.]hte aus den Anteilen an der Organgesells[X.]haft von über 50 v.H. der gesamten Stimmre[X.]hte, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für Bes[X.]hlüsse in der Organgesells[X.]haft erforderli[X.]h ist (BFH-Urteil in [X.], 319, [X.], 167, unter [X.]).

Die finanzielle Eingliederung ist ni[X.]ht Selbstzwe[X.]k, sondern stellt si[X.]her, dass eine [X.]erson nur dann Organträger einer juristis[X.]hen [X.]erson sein kann, wenn sie die gesells[X.]haftsre[X.]htli[X.]hen Beteiligungsre[X.]hte gegenüber den Ges[X.]häftsführungs- oder Aufsi[X.]htsorganen der juristis[X.]hen [X.]erson ausüben kann. Sie ist somit die Grundlage dafür, dass für den Organträger aufgrund der Gesamtheit der [X.] eine Dur[X.]hgriffsmögli[X.]hkeit auf die Organgesells[X.]haft besteht, die es dem Organträger ermögli[X.]ht, die ihm na[X.]h § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zugeordnete Verantwortung für die Besteuerung der Umsatztätigkeit des gesamten [X.] zu übernehmen (BFH-Urteil in [X.], 158, unter [X.] [X.] (2). Dementspre[X.]hend setzt die organisatoris[X.]he Eingliederung voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Mögli[X.]hkeit der Beherrs[X.]hung der To[X.]htergesells[X.]haft in der laufenden Ges[X.]häftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesells[X.]haft dur[X.]h die Art und Weise der Ges[X.]häftsführung beherrs[X.]hen muss (ständige BFH-Re[X.]htspre[X.]hung, vgl. z.B. BFH-Urteil in [X.], 158, unter [X.]).

b) Im Insolvenzverfahren der Organgesells[X.]haft entfällt ihre Eingliederung in den Organträger.

aa) Bestellt das Insolvenzgeri[X.]ht im Verfahren einen Insolvenzverwalter, folgt dies bereits daraus, dass das Re[X.]ht des S[X.]huldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, gemäß § 80 Abs. 1 [X.] auf den Insolvenzverwalter übergeht (vgl. BFH-Urteile vom 13. März 1997 V R 96/96, [X.], 426, [X.] 1997, 580, unter II.2.; in [X.], 355, [X.] 1999, 258, unter II.2.; vom 21. Juni 2001 V R 68/00, [X.], 446, [X.], 255, unter [X.]). Der erkennende [X.] hält an dieser zur Konkursordnung ergangenen Re[X.]htspre[X.]hung au[X.]h unter der Geltung der [X.] fest, ohne dass dabei zu ents[X.]heiden ist, ob die Eingliederung in finanzieller oder in organisatoris[X.]her Hinsi[X.]ht oder aus mehreren Gründen endet.

bb) Die Eingliederung entfällt au[X.]h, wenn das Insolvenzgeri[X.]ht Eigenverwaltung na[X.]h §§ 270 ff. [X.] anordnet, da dann die finanzielle Eingliederung endet.

(1) Zwar ist der S[X.]huldner und damit die Organgesells[X.]haft gemäß § 270 Abs. 1 Satz 1 [X.] bere[X.]htigt, unter der Aufsi[X.]ht eines Sa[X.]hwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen.

Die für die Organs[X.]haft erforderli[X.]he Eingliederung mit Dur[X.]hgriffsmögli[X.]hkeit entfällt aber glei[X.]hwohl. Denn ist der S[X.]huldner --wie die To[X.]htergesells[X.]haften der [X.] eine juristis[X.]he [X.]erson, so haben der Aufsi[X.]htsrat, die Gesells[X.]hafterversammlung oder entspre[X.]hende Organe gemäß § 276a Satz 1 [X.] keinen Einfluss auf die Ges[X.]häftsführung des S[X.]huldners mehr. Zudem ist die Abberufung und Neubestellung von Mitgliedern der Ges[X.]häftsleitung nur wirksam, wenn der Sa[X.]hwalter zustimmt (§ 276a Satz 2 [X.]). Die Vors[X.]hrift ist gemäß Art. 103g Satz 1 des Einführungsgesetzes der [X.] auf die Insolvenzverfahren, die seit dem 1. März 2012 beantragt worden sind, und damit au[X.]h im Streitfall anzuwenden.

(2) § 276a [X.] entzieht der für die Organs[X.]haft erforderli[X.]hen finanziellen Eingliederung die Grundlage. Denn die [X.] haben bei der Eigenverwaltung keine weiter gehenden Einflussmögli[X.]hkeiten auf die Ges[X.]häftsführung als im Falle der Fremdverwaltung dur[X.]h den Insolvenzverwalter (BTDru[X.]ks 17/5712, S. 63; [X.], [X.] Kommentar zur [X.], 3. Aufl., 2014, § 276a, Rz 4). Die Überwa[X.]hung obliegt bei der Eigenverwaltung stattdessen dem Sa[X.]hwalter, dem Gläubigerauss[X.]huss und der Gläubigerversammlung. Zusätzli[X.]he Eingriffsmögli[X.]hkeiten von Aufsi[X.]htsrat oder Gesells[X.]hafterversammlung könnten in dieser Situation "wenig nützen, wohl aber hemmend und blo[X.]kierend wirken" ([X.] in: [X.], [X.] Kommentar zur [X.], 8. Aufl., 2016, § 276a, Rz 3). Die dur[X.]h § 276a [X.] angeordnete Bes[X.]hränkung der Organkompetenzen ([X.], a.a.[X.], Rz 12) führt zu einer Glei[X.]hbehandlung von Fremd- und Eigenverwaltung ([X.], a.a.[X.], Rz 5). Das dur[X.]h § 276a [X.] angeordnete Verbot der Einflussnahme umfasst ni[X.]ht nur unmittelbare Einwirkungen, sondern au[X.]h mittelbare, wie Einsi[X.]hts- und Informationsre[X.]hte, um einen unbeeinflussten Zustand herzustellen, mithin die Unabhängigkeit der Ges[X.]häftsleitung von den Organen der Gesells[X.]haft zu si[X.]hern (Zipperer in [X.], a.a.[X.], § 276a, Rz 6).

(3) Dana[X.]h ist im Streitfall au[X.]h die finanzielle Eingliederung wegen § 276a [X.] entfallen. Zwar war es der Klägerin au[X.]h unter Bea[X.]htung von § 276a [X.] mögli[X.]h, [X.] zu fassen. Kommt diesen aber wegen § 276a [X.] keine Bedeutung mehr zu, besteht keine finanzielle Eingliederung mehr. Es wäre sinnlos, für die "finanzielle Eingliederung allein auf die re[X.]htli[X.]he Mögli[X.]hkeit zur Fassung von [X.]n" (Wagner/[X.], BB 2014, 2583, 2588) abzustellen, da die finanzielle Eingliederung kein Selbstzwe[X.]k ist (s. oben [X.]). Soweit [X.]/[X.] ([X.], 1357, unter 4.2.2) hiergegen einwenden, dass § 276a [X.] einer anderweitig begründeten organisatoris[X.]hen Eingliederung ni[X.]ht entgegenstehe, berü[X.]ksi[X.]htigen sie ni[X.]ht hinrei[X.]hend, dass diese Vors[X.]hrift bereits die finanzielle Eingliederung entfallen lässt. Die Beendigung der Organs[X.]haft entspri[X.]ht damit den gesetzli[X.]hen Auflösungsgründen bei juristis[X.]hen [X.]ersonen (vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes betreffend die Gesells[X.]haften mit bes[X.]hränkter Haftung und § 262 Abs. 1 Nr. 3 des Aktiengesetzes).

[X.]) Auf die Frage, ob ein Ausglei[X.]hsanspru[X.]h des [X.] gegen die Organgesells[X.]haft in der Insolvenz der [X.] ist (vgl. hierzu [X.] vom 19. März 2014 V B 14/14, [X.], 156, unter [X.]), kommt es somit ni[X.]ht mehr an.

3. Die Bestellung des [X.] als Sa[X.]hwalter im Rahmen der Eigenverwaltung na[X.]h §§ 270 ff. [X.] in den Insolvenzverfahren des bisherigen [X.] und der bisherigen Organgesells[X.]haften ändert hieran ni[X.]hts. Ebenso wie bei der Bestellung eines Insolvenzverwalters in den Insolvenzverfahren von Organträger und Organgesells[X.]haft ist dies für die insolvenzre[X.]htli[X.]he Verfahrenstrennung, die in der Insolvenz des [X.] gegen einen Fortbestand der Organs[X.]haft spri[X.]ht, ohne Bedeutung (s. oben [X.]b und [X.]). Zudem kommt es au[X.]h bei [X.]ersonenidentität des Sa[X.]hwalters zur Anwendung von § 276a Satz 1 [X.] (s. oben [X.] bb). Im Hinbli[X.]k auf diese Sondervors[X.]hrift ist, anders als unter der Geltung der Konkursordnung, ni[X.]ht mehr davon auszugehen, dass eine Organs[X.]haft trotz Insolvenzeröffnung bei Organträger und Organgesells[X.]haft fortbestehen kann (zur Konkursordnung, vgl. BFH-Urteil in [X.], 355, [X.] 1999, 258, unter [X.]).

4. Die Kostenents[X.]heidung beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

V R 14/16

15.12.2016

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 15. Februar 2016, Az: 6 K 2013/12, Urteil

§ 2 Abs 2 Nr 2 UStG 2005, Art 11 EGRL 112/2006, §§ 270ff InsO, § 270 InsO, § 276a InsO, UStG VZ 2012, § 80 Abs 1 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.12.2016, Az. V R 14/16 (REWIS RS 2016, 608)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 608

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Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 327/22

1 StR 75/19

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