Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.05.2015, Az. 9 AZR 837/13

9. Senat | REWIS RS 2015, 10941

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Gegenstand

Konkurrentenklage - Zulassung zum Bewerbungsverfahren - ungenaue Parteibezeichnung


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. Juli 2013 - 3 [X.]/12 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 20. September 2012 - 9 [X.]/12 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über das Recht der Klägerin, am Auswahlverfahren für die von der [X.] ausgeschriebene Stelle „Bereichsleiterin/Bereichsleiter ‚Recht‘“ teilzunehmen. Des Weiteren verlangt die Klägerin von der [X.], die ausgeschriebene Stelle bis zum Abschluss des Bewerbungsverfahrens nicht zu besetzen.

2

Die Klägerin ist Assessorin des Rechts. Sie trat 2007 in den Dienst der [X.] ([X.]), die sie im [X.] [X.] ([X.]) als Teamleiterin einsetzt. Das [X.] ist eine gemeinsame Einrichtung nach § 44b [X.], die von der [X.] und der [X.] als kommunale Trägerin gebildet wird. Nach der von der [X.] und der Agentur für Arbeit [X.] am 7. Dezember 2010 getroffenen „Gründungsbegleitende(n) Vereinbarung/Absichtserklärung in Bezug auf die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung nach § 44b des [X.] ([X.])“ (Gründungsbegleitende Vereinbarung) übertragen die beiden Trägerinnen dem [X.] mit der Zuweisung von Tätigkeiten in möglichst gleichem Umfang Planstellen zur Bewirtschaftung. Der Stellenplan für das [X.] weist die Stelle „Bereichsleiter/-in Recht“ der [X.] als Trägerin zu. In der Vergangenheit tauschten die Beklagte und die [X.] Stellen oder überließen diese der jeweils anderen Trägerin zur Besetzung. Unter Nr. 1.4 der [X.] kamen die beiden Trägerinnen überein, dass den Mitarbeitern des [X.]s die Karrierepfade des [X.]s, aber auch die jeweiligen Karrierepfade ihrer „Herkunftsarbeitgeber“ offenstehen.

3

Die zuständige Senatorin der [X.] schrieb unter dem 30. März 2012 ressortintern eine dem „[X.]“ zugeordnete Stelle „einer/eines Bereichsleiterin/Bereichsleiters ‚Recht‘“ mit einem Einsatz „im Rahmen einer Zuweisung im [X.]“ aus, die mit Wirkung zum 1. Juni 2012 zu besetzen sei. Die Klägerin bewarb sich auf diese Stelle. Die Beklagte teilte ihr mit Schreiben vom 11. Mai 2012 mit, sie werde nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen, da sich die Ausschreibung nur an Mitarbeiter der [X.] richte.

4

Anfang Juni 2012 hat das Arbeitsgericht der [X.] im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, die ausgeschriebene Stelle bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens endgültig zu besetzen.

5

Die Klägerin, die auch im Falle einer erfolgreichen Bewerbung an ihrem Beschäftigungsverhältnis mit der [X.] festhalten will, hat die Auffassung vertreten, sie sei durch den Ausschluss aus dem [X.] in ihrem verfassungsrechtlichen Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt. Bei einer Stelle, die Tätigkeiten für beide Trägerinnen des [X.]s vorsehe, erlaube Art. 33 Abs. 2 GG eine trägerübergreifende Bewerbung mit der Folge, dass das Beschäftigungsverhältnis zur ursprünglichen Arbeitgeberin erhalten bleibe, der Mitarbeiter aber „auf der Stelle der anderen Trägerin“ beschäftigt werde. Dies folge ua. aus Nr. 1.4 der [X.]. Im Übrigen sei ein Stellentausch möglich, infolgedessen die ausgeschriebene Stelle in Zukunft von der [X.] bewirtschaftet werde.

6

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, sie zum Bewerbungsverfahren betreffend die am 30. März 2012 ausgeschriebene Stelle des Bereichsleiters „Recht“ der Stadtgemeinde [X.] im [X.] [X.] zuzulassen und bis zum Abschluss des Bewerbungsverfahrens diese Stelle nicht endgültig mit einem anderen Bewerber zu besetzen.

7

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, die Klägerin gehöre als Mitarbeiterin der [X.] nicht zum [X.], den sie zulässigerweise auf die bei ihr beschäftigten Mitarbeiter beschränkt habe.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der [X.] gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel, die Abweisung der Klage, weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das [X.] hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Die Beklagte ist nicht gemäß Art. 33 Abs. 2 GG verpflichtet, die Klägerin am Auswahlverfahren für die zu besetzende Stelle zu beteiligen. Der Unterlassungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

I. Soweit die Beklagte erstmalig in der Revisionsinstanz rügt, die Klägerin habe die [X.] verklagt, übersieht sie, dass sich die Klage bei der gebotenen Auslegung nicht gegen den [X.], die [X.], sondern gegen die Beklagte, die [X.], richtet.

1. Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sind die [X.]en in der Klageschrift anzugeben. Ist die Bezeichnung der beklagten [X.] nicht eindeutig, ist diese durch Auslegung zu ermitteln ([X.] 11. Juni 2013 - 9 [X.] - Rn. 9 mwN). Für die [X.]stellung ist nicht allein die formale Bezeichnung einer [X.] maßgeblich. Vielmehr kommt es darauf an, welcher Sinn der von der klagenden [X.] in der Klageschrift gewählten [X.]bezeichnung bei objektiver Würdigung des [X.] beizulegen ist. Eine ungenaue oder unrichtige [X.]bezeichnung ist unschädlich und kann jederzeit von Amts wegen berichtigt werden ([X.] 21. Februar 2002 - 2 [X.] - zu II 1 a der Gründe).

2. Diesen Grundsätzen gemäß richtete sich die Klage von Anfang an nicht gegen die [X.], sondern gegen die Beklagte. Das Rubrum war dementsprechend zu berichtigen.

a) Nach Art. 64 der Landesverfassung der [X.] führt der [X.] den Namen „[X.]“. Die „[X.]“ und die „[X.]“ bilden jede für sich eine Gemeinde des [X.]es (Art. 143 Landesverfassung der [X.]).

b) Nachdem die Beklagte im Rechtsverkehr mehrfach unter dem Namen „[X.]“ aufgetreten ist - wie dies etwa das Rubrum der [X.] belegt -, hat die Klägerin sie in der Klageschrift vom 31. Mai 2012 mit eben diesem Namen bezeichnet. Die Bezeichnung ist zwar unrichtig. Die Klägerin hat jedoch eine auf Art. 33 Abs. 2 GG gestützte Konkurrentenklage erhoben, mit der sie die Teilnahme an dem Auswahlverfahren für die Besetzung der von der Beklagten ausgeschriebenen Stelle begehrt. Hierfür spricht entscheidend die der Klage als Anlage beigefügte Kopie der von der Beklagten gefertigten Stellenausschreibung vom 30. März 2012 (vgl. zur Auslegung des Rubrums im Kündigungsschutzprozess [X.] 21. Februar 2002 - 2 [X.] - zu II 1 a der Gründe). In der Klageschrift setzt sich die Klägerin im Einzelnen mit der Personalkompetenz auseinander, die den Trägerinnen des [X.] zukommt. Da nicht die [X.], sondern allein die Beklagte kommunale Trägerin des [X.] ist, konnten bei objektiver Würdigung keine berechtigten Zweifel bestehen, dass sich die Klage gegen die Beklagte als ausschreibende Körperschaft richten sollte und nicht gegen die [X.], die in das Verfahren der Stellenvergabe nicht eingebunden ist.

II. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Klägerin in das Auswahlverfahren für die zu besetzende Stelle einzubeziehen. Die Voraussetzungen, unter denen Art. 33 Abs. 2 GG einem Stellenbewerber ein Recht auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren garantiert, liegen im Streitfall nicht vor.

1. Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder [X.] nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Öffentliche Ämter iSv. Art. 33 Abs. 2 GG sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch solche Stellen, die ein öffentlicher Arbeitgeber mit Arbeitnehmern zu besetzen beabsichtigt. Der unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistete Grundsatz der Bestenauslese dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt die Verfassungsnorm dem berechtigten Interesse der Bediensteten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass sie grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Beamten und Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst steht deshalb bei der Besetzung von Ämtern des öffentlichen Dienstes ein verfassungsrechtlicher Bewerbungsverfahrensanspruch zu. Daraus folgt angesichts der Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung in Art. 33 Abs. 2 GG ein subjektives Recht jedes Bewerbers auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren. Dies gilt nicht nur für die Begründung von Dienst- und Arbeitsverhältnissen, sondern auch für den Zugang zu [X.] und -stellen (vgl. [X.] 6. Mai 2014 - 9 [X.] - Rn. 10). Sofern auf das Rechtsverhältnis Arbeitsrecht anzuwenden ist, richtet sich der grundrechtsgleiche Anspruch allein gegen denjenigen, der durch den Vertragsschluss, den der Bewerber im Wege der Konkurrentenklage erstrebt, rechtlich gebunden werden soll (vgl. zum Besetzungsanspruch [X.] 11. Juni 2013 - 9 [X.] - Rn. 16). Soweit nicht bereits ein Beschäftigungsverhältnis besteht, kann der Bewerber den Bewerbungsverfahrensanspruch nur mit Erfolg geltend machen, wenn er bereit ist, in die Dienste des Arbeitgebers zu treten.

2. Die Klägerin nimmt die Beklagte nicht als künftige Arbeitgeberin in Anspruch. Die Klägerin will an ihrem Arbeitsverhältnis mit der [X.] selbst für den Fall festhalten, dass die Beklagte am Ende des Auswahlverfahrens zu der Entscheidung gelangt, ihr die ausgeschriebene Stelle zu übertragen. Das für diese Übertragung erforderliche Arbeitsverhältnis mit der Beklagten lehnt die Klägerin ab. Eine gekreuzte Rechtsstellung in dem Sinne, dass die Klägerin auch zukünftig ein Arbeitsverhältnis zur [X.] unterhält und nach den bei dieser geltenden Bestimmungen vergütet wird, aber eine der Beklagten zugeordnete Stelle besetzt, liegt bereits der Rechtsfolge nach außerhalb des Schutzes, den Art. 33 Abs. 2 GG Stellenbewerbern gewährt. Der vertragsfernen Beklagten steht nicht die Befugnis zu, das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der [X.] zu ändern. Im Ergebnis bewirbt sich die Klägerin nicht um die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle, die ein Beschäftigungsverhältnis mit der Beklagten bedingt, sondern um eine Stelle, die eine Tätigkeit als „Bereichsleiterin Recht“ auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags mit der [X.] vorsieht. Dieses Begehren kann die Klägerin nicht auf Art. 33 Abs. 2 GG stützen. Der öffentliche Arbeitgeber ist auch unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich gesicherten Bewerbungsverfahrensanspruchs nicht gehalten, eine den Vorstellungen des Bewerbers entsprechende Stelle zu schaffen. Im Übrigen könnte nicht die Beklagte, sondern allenfalls die [X.] die von der Klägerin begehrte Stelle zur Verfügung stellen. Gegen die [X.] richtet sich die Klage nicht.

3. Soweit die Klägerin darauf verweist, es sei möglich, dass die Beklagte und die [X.] die ausgeschriebene Stelle tauschten, übersieht sie, dass die Beklagte einen solchen Stellentausch weder in Aussicht gestellt hat noch zu einem solchen verpflichtet ist. Die Klägerin hat keinerlei Gesichtspunkte benannt, die eine derartige Verpflichtung oder gar ein subjektives Recht der Klägerin auf einen Stellentausch nahelegten.

4. Der Umstand, dass es sich bei dem Jobcenter um eine gemeinsame Einrichtung nach § 44b [X.] und damit eine wegen Art. 91e Abs. 1 GG ausnahmsweise zulässige Form der Mischverwaltung handelt, gibt ebenso wenig ein anderes Ergebnis vor wie Nr. 1.4 der [X.]. Die Trägerinnen des [X.], nicht aber das Jobcenter selbst sind Arbeitgeberinnen der dort eingesetzten Mitarbeiter. Soweit Nr. 1.4 der [X.] bestimmt, dass den Mitarbeitern die Karrierepfade des [X.] offenstehen, besagt dies nichts über die Voraussetzungen, unter denen Mitarbeiter, die im Dienst einer Trägerin stehen, Stellen, die der anderen Trägerin zugeordnet sind, übertragen werden. Nach § 44g Abs. 1 Satz 1 [X.] erfolgt die Zuweisung von Mitarbeitern der Träger mit Zustimmung der Geschäftsführerin oder des Geschäftsführers der gemeinsamen Einrichtung nach tarifrechtlichen Regelungen. Die Zuweisung aber setzt zwingend das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum zuweisenden Träger voraus.

III. Der Teil des Antrags, mit dem die Klägerin die zeitweilige Unterlassung der Stellenbesetzung verlangt, fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat, handelt es sich hierbei um einen unechten Hilfsantrag, dessen Bescheidung sie nur für den Fall begehrt, dass sie mit dem Klageantrag, der sich auf die Zulassung zum Bewerbungsverfahren richtet, obsiegt. Dies ist nicht der Fall.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Klose    

        

    [X.]    

        

        

        

    [X.]    

        

    Martin Lücke    

                 

Meta

9 AZR 837/13

19.05.2015

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven, 20. September 2012, Az: 9 Ca 9189/12, Urteil

Art 33 Abs 2 GG, § 253 Abs 2 Nr 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.05.2015, Az. 9 AZR 837/13 (REWIS RS 2015, 10941)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 10941


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 BvR 2317/15

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 2317/15, 08.11.2016.


Az. 9 AZR 837/13

Bundesarbeitsgericht, 9 AZR 837/13, 19.05.2015.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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